gwup | die skeptiker

… denken kritisch seit 1987.

24. November 2022
von Bernd Harder
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Die Lieblingsvokabel des „Liebe, Glück und Frieden“-Heilers ist „Dreckspack“ – wenn es um impfende Kinderärzte geht

Immer wieder erstaunlich (aber nach unserer jahrzehntelangen Beschäftigung mit Esoterik nicht wirklich überraschend), wie selbsternannte „Heiler“, die auf ihren Web-Präsenzen „Frieden, Glück und Liebe“ predigen, mit übelster Hetze hervortreten.

Nach dem Volksverpetzer und stern.de berichtet jetzt auch Welt+ über eine Kinderarztpraxis bei Hamburg, die ins Visier von fanatischen Impfgegnern geraten ist – insbesondere eines „spirituellen Lehrers“ und „Trainers für Quantenheilung“ …

… der in Gewaltphantasien schwelgt:

Darüber hinaus hat sich die Autorin Anne Klesse noch weiter in Hamburg und Schleswig-Holstein umgehört:

Was diese Ärzte erlebt haben, ist im Norden kein Einzelfall. Seit Pandemiebeginn sehen sich Ärztinnen und Ärzte immer öfter bedroht. So sei in einem Kinderimpfzentrum kein einziger Tag vergangen, an dem sie nicht beschimpft worden sei, oft hätten sie deshalb Security-Mitarbeiter hinein und wieder hinaus begleitet, erzählt eine damals dort Beschäftigte.

Die Landesvorsitzende des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte in Hamburg erklärt:

Das Aggressionslevel, mit dem man unseren Teams in den Arztpraxen seit einiger Zeit teilweise begegnet, ist besorgniserregend.

Wenig überraschend: Der Präsident der Ärztekammer Hamburg, Dr. Pedram Emami, berichtet von „ermüdenden Diskussionen“, auch mit den wenigen anthroposophischen Ärzten in der Stadt, die aber zum Teil sehr missionarisch seien.

Die kürzlich betroffene Kinderarztpraxis habe den inkriminierten Satz auf der Homepage, wonach „Impfungen der Kinder, beginnend spätestens im 6. Lebensmonat, die Voraussetzung für die Behandlung in unserer Praxis und für die ärztliche Begleitung“ sei, mittlerweile dahingehend geändert, dass sich die Praxis entsprechende Impfungen „wünsche“:

Der Sturm hat sich mittlerweile gelegt, doch die Einsicht, wie schnell ein solcher alles auf den Kopf stellen kann, bleibt.

Was auch bleibt, ist die Hilflosigkeit im Umgang mit Hass-Posts, dazu auch unser Artikel „Querdenker vor Gericht“.

Zum Weiterlesen:

  • Wenn Kinderärzte ins Visier von Impfgegnern und Querdenkern geraten, Welt+ am 20. November 2022
  • Praxis wollte nur noch geimpfte Kinder behandeln – und wird zur Zielscheibe von Impfgegnern, stern.de am 27. Oktober 2022
  • Shitstorm, Terror & Morddrohungen: Kinderarztpraxis Ziel von Querdenkern, volksverpetzer am 26. Oktober 2022
  • Corona-Impfaktion bringt Kinderärzten in Lübeck Morddrohungen ein, ÄrzteZeitung am 12. August 2021
  • Drohungen, üble Nachrede: Der Hass gegen Ärztinnen und Ärzte im Netz tobt weiter, GWUP-Blog am 24. Januar 2022
  • „In den Tod gehasst“: Der Spiegel zum Fall Lisa-Maria Kellermayr, GWUP-Blog am 10. Oktober 2022

23. November 2022
von Bernd Harder
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„Schlechtes Karma“: Warum Waldorfeinrichtungen höchst problematisch sein können

Natürlich greint die Anthro-Postille info3 von einer „konzertierten Aktion gegen Rudolf Steiner und die Waldorfpädagogik“ – was bleibt ihr auch anderes übrig?

Offenbar verstehen die Kolleginnen und Kollegen nicht, dass auch ganz ohne „konzertierte Aktion“ plötzlich etwas ins Rollen kommt, wenn auch nur ein Journalist ein bestimmtes Thema mal gegen den Strich bürstet. Und alle anderen Medien plötzlich gewahr werden, dass da etwas schwer im Argen liegt, was jahre- und jahrzehntelang unter dem Radar der öffentlichen Aufmerksamkeit flog.

Auch wenn Boris Palmer meint, es handele sich um „olle Kamellen“ und die Kritikpunkte seien schon lange bekannt – dann bleibt trotzdem die Frage, die immer wieder aufs Neue gestellt werden muss: Warum ändert sich nichts?

Da ist es natürlich einfacher, wirre Artikel über angebliche „skeptische Netzwerke“ und „konzertierte Aktionen“ in die Welt hinauszublasen – die aber nicht so wirklich verfangen:

Und immer mehr Redaktionen werden darauf aufmerksam.

Heute schreibt die Autorin Nora Imlau (Gast in der ersten Ausgabe des „Waldorfsalat“-Podcasts) bei Zeit-Online über „Esoterik an Waldorfschulen“:

Mit ihrer ganz eigenen Architektur und Ästhetik erscheinen Waldorfschulen oft wie heimelige und verwunschene Sehnsuchtsorte, in denen Kinder so geborgen wie beschützt heranwachsen können. „Bullerbü-Komplex“ nannte der Psychologe Lars Mandelkow einmal etwas despektierlich diesen tief in vielen Eltern verwurzelten Wunsch nach einer heilen Welt.

Ein Wunsch, der viele Eltern darüber hinwegsehen lässt, dass hinter der Waldorfpädagogik ein in sich geschlossenes und esoterisches Weltbild steht, das noch immer zu einer okkulten Praxis führt.

Einige Auszüge:

Wo Waldorf draufsteht, ist auch Waldorf drin. Es gibt keine Waldorfeinrichtungen, die nicht anthroposophisch sind, Anthroposophie und Steiners Lehre gehören untrennbar zusammen.

Die Zahl ehemaliger Waldorfschülerinnen und -schüler wächst, die sich insbesondere in den sozialen Netzwerken unter dem Hashtag #exwaldi kritisch mit ihren eigenen anthroposophischen Prägungen auseinandersetzen und Missstände anprangern.

Die freien Waldorfeinrichtungen verstehen sich eben nicht nur als Kindergärten und Schulen mit einem speziellen Bildungsangebot, sondern als Orte, an denen Kinder „Seelenbildung“ erfahren sollen – und zwar entsprechend ihrem Karma und ihrer Inkarnationsstufe.

Für Kinder, denen aus welchen Gründen auch immer in einer Waldorfeinrichtung ein schlechtes Karma oder eine problematische Aura attestiert wird, kann dadurch ein Leidensweg beginnen – insbesondere, weil es in Waldorfschulen üblich ist, dass ein und dieselbe Lehrkraft ihre Klasse über viele Jahre hinweg begleitet, sodass ein Kind sehr lange keine Chance auf einen frischen Blick bekommt.

Ein weiteres Problem ist, dass in vielen Waldorfeinrichtungen handfeste medizinische Diagnosen nicht anerkannt und stattdessen spirituelle Gründe für gesundheitliche Probleme gesucht werden.

So kommt es, dass Kindern mit Legasthenie oder Dyskalkulie oder ADHS jahrelang eine fachgerechte therapeutische Begleitung verwehrt wird, Kinder mit Autismus oft jahrelang zur Heileurythmie verdonnert werden, statt eine fundierte Diagnostik zu bekommen, und Kindern mit Asthma, Neurodermitis oder Allergien Probleme mit ihrem Karma attestiert werden.

Vor allem diesen Punkt sollten sich all jene Eltern vor Augen führen, die eine Waldorfschule als „letzten Strohhalm“ für „Problemkinder“ betrachten – und das häufig auch hier im Kommentarbereich als Pro-Waldorf-Rechtfertigung anzubringen versuchen.

Und zur Erinnerung: Heute Abend (23. November, 22.45 Uhr) läuft bei ZDFzoom die Doku

Anthroposophie – gut oder gefährlich?

Zum Weiterlesen:

  • Esoterik an Waldorfschulen: Falscher Filz, Zeit+ am 23. November 2022
  • Die „Fakteninquisition“: Jan Böhmermann nimmt sich im ZDF Magazin Royale Anthroposophie und Waldorf-Pädagogik vor, GWUP-Blog am 18. November 2022
  • Anthroposophie – gut oder gefährlich?“ bei ZDFzoom, GWUP-Blog am 18. November 2022
  • Anthroposophen decken die „skeptischen Netzwerke“ auf – zur Belohnung gibt es denen neuen Podcast Waldorfsalat, GWUP-Blog am 3. November 2022
  • „Waldorfsalat“: Erste Folge des neuen Podcasts mit der Autorin und Journalistin Nora Imlau, GWUP-Blog am 11. November 2022

23. November 2022
von Bernd Harder
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Wider die These vom „Besten beider Welten“: Das neue Münsteraner Memorandum zum Thema Integrative Medizin

Der Münsteraner Kreis hat ein neues Memorandum publiziert.

Es beschäftigt sich mit der sogenannten Integrativen Medizin. Als Autoren zeichnen Prof. Edzard Ernst, Prof. Hans-Georg Hofer und Dr. Claudia Nowack.

In der Einführung heißt es:

Die Zusammenführung von Alternativmedizin und konventioneller Heilkunde wird seit den 1990er Jahren zunehmend als Integrative Medizin (IM) bezeichnet und hat andere Termini dieses Bereichs weitgehend abgelöst. Heute ist IM in Deutschland auf allen Ebenen vertreten.

Die IM wird oft mit der These von dem „Besten beider Welten“ charakterisiert. Eine allgemein anerkannte Definition der IM existiert jedoch nicht. Gängige Beschreibungen der IM betonen: 

  • die Kombination von konventionellen und komplementären Verfahren
  • die Ganzheitlichkeit im Verständnis der Heilkunde
  • die hohe Bedeutung der Arzt-Patienten Beziehung
  • die Hoffnung auf einen optimalen Therapieerfolg
  • die Fokussierung auf den Patienten
  • den hohen Stellenwert des Erfahrungswissens

Die These vom ‚Besten beider Welten‘ beeindruckt viele. Was jedoch unter dem ‚Besten‘ zu verstehen ist, bleibt für IM unklar. Viele ihrer Ansprüche sind elementare Bestandteile jeder guten Medizin und können somit nicht zu ihren charakterisierenden Eigenschaften gezählt werden.

Schließlich ist kaum zu übersehen, dass die Anhänger von IM diese als Vorwand benutzen, um unbewiesene oder widerlegte Verfahren in die konventionelle Medizin einzubringen. Entgegen anderslautenden Versprechungen hat IM kein erkennbares Potential zur Verbesserung der Medizin.

Sie stiftet vielmehr Verwirrung und bringt Gefahren mit sich. 

Vor diesem Hintergrund sei zu fordern, dass „Integrative Medizin“ auf allen Ebenen kritisch hinterfragt wird.

Die Medical Tribune schreibt dazu:

Wichtig sei es […], die ärztlichen Zusatzbezeichnungen für nicht evidenzbasierte Verfahren seitens aller Ärztekammern abzuschaffen – ebenso wie alle Zusatzhonorare für Verfahren ohne wissenschaftlichen Nutzennachweis.

Außerdem müsse der Sonderstatus der „besonderen Therapierichtungen“ im Arzneimittelrecht beendet werden, der u.a. auch die Homöopathie seit 1978 von der Notwendigkeit objektiver wissenschaftlicher Wirkungsnachweise freistellt. Stattdessen müsse man angemessene Honorare für Anamnese, Recherche und Patientengespräche im Rahmen der wissenschaftsorientierten Medizin fordern.

Charakteristika, die von Patienten gewünscht und gebraucht würden, wie eine gute Arzt-Patienten-Beziehung, Ganzheitlichkeit, Erfahrungswissen, wissenschaftliche Evidenz und Hoffnung auf optimalen Therapieerfolg bei minimalen Nebenwirkungen, seien Bestandteile jeder guten Medizin.

Sie würden aber fälschlicherweise oft speziell der IM zugeschrieben – „und implizit werden sie damit jeder anderen Medizin abgesprochen“, so Dr. Nowack

In dem 20-seitigen Dokument appelliert der Münsteraner Kreis

  • an Universitäten und Medizinische Fakultäten, die kritische Auseinandersetzung mit der IM und ihren irreführenden Versprechen zu fördern, ihrer Verbreitung nicht weiter tatenlos zuzusehen sowie IM-Initiativen sorgfältiger und mit mehr Mut zur Demarkation zu prüfen
  • an Journalisten, Medien und Verlage, der IM und ihrer vermeintlichen Attraktivität mit informierter Skepsis zu begegnen, direkte und indirekte Gefahren zu benennen und damit zu einer verantwortungsvollen Risikokommunikation beizutragen
  • an Entscheidungsträger in Medizin und Gesundheitswesen, der mit der IM offenkundig einhergehenden Gefahr des Einschleusens unbelegter oder widerlegter alternativer Verfahren konsequent entgegenzuwirken; keine ineffektiven und gefährlichen Parallelstrukturen in wissenschaftsorientierter Medizin und Gesundheitsversorgung zu befördern.

Das „Münsteraner Memorandum Integrative Medizin“ gibt es hier als pdf-Download.

Zum Weiterlesen:

  • Münsteraner Kreis: Neues Memorandum zur „Integrativen Medizin“
  • Münsteraner Memorandum „Integrative Medizin“, publikum.net am 23. Oktober 2022
  • Integrative Medizin: Warum eine Hausärztin sie als pseudomedizinischen Unsinn sieht, medical-tribune am 18. November 2022
  • Ein „Bund“ zwischen Ärzten und Heilpraktikern? Das freut nur die Pseudomediziner, GWUP-Blog am 21. Juni 2015
  • Grams‘ Sprechstunde: Müssen „Schulmedizin“ und „Alternativmedizin“ miteinander versöhnt werden? spektrum am 8. Februar 2019

22. November 2022
von Bernd Harder
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Im Ferngespräch: „Corona ist vorbei“ – oder auch nicht

Heute im #ferngespräch:

Mit dabei ist Martin Moder.

Los geht’s um 20 Uhr.

Zum Weiterlesen:

  • Was aus dem Ende der Corona-Isolationspflicht folgen muss, Zeit-Online am 19. November 2022
  • „Dass Corona vorbei ist, ist sicherlich ein Mythos“, Deutschlandfunk am 19. November 2022
  • Ist die Pandemie 2023 vorbei? mdr am 22. November 2022
  • Ist Corona nun endemisch? tagesschau.de am 28. Oktober 2022
  • Pandemie endlich vorbei? Kommt auf die Definition an, zdf.de am 29. Oktober 2022
  • Immunologe Sander im Interview: „Wir werden wohl nie vor die Welle kommen“, n-tv am 20. November 2022
  • Drosten sieht Ende der Pandemie nahen, spiegel.de am 23. November 2022
  • Christian Drosten: „Die Lage für das Virus ist prekär“, zeit.de am 23. November 2022

22. November 2022
von Bernd Harder
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„The storm that never arrives“: QAnon funktioniert auch ohne Q und trotz der Midterms-Schlappe und Trumps Ankündigung

Wie schon kurz vor dem Abtreibungsurteil des Supreme Court im Juni tauchten auch um die Midterm Elections am 8. November herum nach längerer Zeit wieder Q-Drops im Netz auf:

Immerhin wollten Dutzende Kandidaten, die sich offen zur QAnon-Verschwörungsideologie bekennen, in den Kongress gewählt werden. Daneben ging es um weitere hochrangige Staatsämter, wie Gouverneurs- und Secretary of State-Posten.

Mehr noch: Die Zwischenwahlen sollten zum Vorboten des „Sturms“ geraten, der mit gewaltigem Getöse die Wahrheit über die „Deep State“-Verschwörung aufdeckt und die Pädophilenringe und Kinder-Folterer hinwegfegt.

Allerdings hatte Ron Watkins, der im Verdacht steht, hinter „Q“ und den Q-Drops zu stecken, seine Kongress-Kandidatur in Arizona bereits im Oktober beendet. Und auch die übrigen „QAnon supporters and candidates“ konnten am 8. November kaum reüssieren:

In the end, the midterms were less a Storm and more of a light breeze. QAnon lost the Midterms,

schreibt Vice.

Die Medienwebseite CNET berichtet:

Most of the QAnon candidates who were on the Republican ticket lost their races in the midterm elections.

„Die meisten“ – aber eben nicht alle.

Die verschwörungsgläubige Abgeordnete Marjorie Taylor Greene wurde in Georgia ebenso wiedergewählt

… wie die Waffennärrin und QAnon-Sympathisantin Lauren Boebert in Colorado.

In Ohio gewann der Risikoinvestor und Autor James David „J. D.“ Vance, der „auf seinem Twitter-Account zumindest andeutungsweise Verschwörungsmythen der QAnon-Sekte legitimiert“ (Süddeutsche).

Auch dem wiedergewählten Gouverneur von Florida und potenziellen republikanischen Präsidentschaftskandidaten Ron DeSantis werden Verbindungen zu QAnon nachgesagt.

Der QAnon-Experte Mike Rothschild erklärt denn auch gegenüber Newsweek, dass die kruden Vorstellungen dieser Bewegung mittlerweile „part of the Republican mainstream“ seien:

Die Ideen hinter „Q“ spiegeln die mehrheitliche Einstellung der Republikaner wieder und sind weithin akzeptiert, auch wenn sie die Wählerbasis nicht so entflammen, wie wir vielleicht dachten.

Zum Beispiel behauptet eine Mehrheit der republikanischen Kandidaten (291 laut Washington Post), dass die letzte Wahl von den Demokraten gestohlen worden sei. Viele von diesen „Election Deniers“ konnten nun Sitze bei den Zwischenwahlen erobern. Andere zweifeln ihre Wahlniederlage öffentlich an, wie etwa die glühende Trump-Anhängerin Kari Lake in Arizona, die bei Twitter von Betrug raunt.

Ähnlich wie Rothschild äußern sich die Kommentatoren von daily dot („The conspiracy theory’s central claims are now central to Republican politics“), New York Times („QAnon Candidates Aren’t Thriving, but Some of Their Ideas Are“) und Vice:

Daneben weisen die Journalisten darauf hin, dass die Q-Drops praktisch keine Wirkung mehr entfalten und von der QAnon-Verschwörungsgemeinschaft weitgehend ignoriert würden. Mit dazu beigetragen hat wohl auch das lange Schweigen „Qs“ vom 8. Dezember 2020 bis zum 24. Juni 2022.

Aber auch das ist nicht unbedingt positiv zu deuten.

Anscheinend bräuchten die Anhänger keine kryptischen Rätselverse mehr, um sich an ihnen zu berauschen. QAnon sei zu einer verselbstständigten Bewegung geworden, getragen von einer wachsenden Anzahl treuer Gläubiger sowie einer Gruppe von Influencern, die davon profitiert, die Verschwörungserzählung am Leben zu erhalten – und nicht zuletzt von einflussreichen Persönlichkeiten der repubikanischen Partei, allen voran Donald Trump:

To say it simply: QAnon has grown beyond needing Q […] It’s obvious that while the QAnon movement has irreversibly impacted American politics, the Q poster themselves has lost impact.

Derzeit sind die QAnons indes nicht gut auf Trump zu sprechen.

Für den 15. November hatte der Ex-Präsident ein wichtiges Ereignis angekündigt und damit hohe Erwartungen geschürt. Als er dann bloß seine erneute Kandidatur für die Präsidentschaft der USA erklärte, kam das in der QAnon-Szene „gar nicht gut an“, schreibt Josef Holnburger vom CeMAS:

Große Enttäuschung bei vielen Kanälen. Eine größere Enttäuschung als bei den vielen anderen fehlgeschlagenen Prognosen.

Denn: Eine Kandidatur Trumps für 2024 gilt als Eingeständnis seiner Wahlniederlage 2020.

US-Medien geben zum Beispiel diese Kommentare von QAnon-Fans wieder:

Trump pissed off a LOT of people tonight. Never thought my loyalty would be challenged by the Dems, but Instead from Trump himself.

We will NOT wait until 2024. Trump conceded tonight. It’s over. Trump being „one of them“ seems much more plausible now.

Wie geht es nun weiter?

Es gibt Anzeichen dafür, dass einige QAnon-Influencer (die erkannt haben, dass sie ohne „Q“ und dessen Nachrichten viel mehr Macht haben) versuchen, den Streit und Ärger über Trump zu unterdrücken:

Von ihnen hänge jetzt im Wesentlichen die weitere Dynamik der Bewegung ab, vermutet der Business Insider:

It’s all very much in flux without Q to guide the movement.

Entscheidend sei die Frage, wie lange die QAnon-Anhänger noch auf den „Sturm“ warten werden, der nie kommt.

Zum Weiterlesen:

  • Missing Link: QAnon – Verschwörungstheoretiker, Extremisten, Politiker, heise am 13. November 2022
  • QAnon Lost the Midterms, vice am 14. November 2022
  • Some QAnon believers are enraged by Trump’s 2024 announcement and have started ignoring ‚Q drops.‘ But experts say the movement is as fervent as ever, business-insider am 20. November 2022
  • False QAnon Conspiracies in Politics: Q Candidates Lose Big in Midterms, cnet am 14. November 2022
  • QAnon ‚Not Going Away Anytime Soon‘ Despite Poor Midterms Performance, newsweek am 16. November 2022
  • Almost all of the GOP’s QAnon-touting candidates lost their elections, dailydot am 9. November 2022
  • QAnon Candidates Aren’t Thriving, but Some of Their Ideas Are, New York Times am 25. Juli 2022
  • Q Is Dead, Long Live QAnon, vice am 15. November 2022
  • In election 2022, the party of Trump pays for being the party of Trump, Washington Post am 12. November 2022
  • Full List of Trump-Backed Candidates Who Lost Their Elections, newsweek am 9. November 2022
  • QAnon is furious that Trump has announced a presidential bid for 2024, indy100.com am 17. November 2022
  • Verschwörungstheoretiker sind enttäuscht über Trumps Ankündigung, BR am 16. November 2022
  • Understanding QAnon’s Connection to American Politics, Religion, and Media Consumption, prri.org am 27. Mai 2021
  • BBC-Podcast: The Coming Storm
  • „QAnon“ bei ADL
  • „QAnon“ bei Media Matters
  • „Q“ ist wieder da: Was bedeuten die neuen Botschaften des angeblichen Regierungsinsiders? GWUP-Blog am 26. Juni 2022
  • Ist „QAnon“ identifiziert? (Er ist jedenfalls kein hochrangiges Mitglied der Trump-Regierung), GWUP-Blog am 13. September 2020
  • Video: Hey Wolfi über die „Schwurblerkönigin bei TikTok“ aka malice in wQnderland, GWUP-Blog am 18. November 2022

21. November 2022
von Bernd Harder
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„We see them everywhere“: Ufos über der Ukraine – auch die NASA beteiligt sich an der Fahndung nach Flugobjekten

Wer hätte das gedacht?

Am Himmel über der Ukraine werden zurzeit „zahlreiche Ufos beobachtet, unbekannte Flugobjekte“, melden stern.de und andere Medien.

We see them everywhere,

steht in einem Papier, das drei Astronomen des Main Astronomical Observatory der Nationalen Akademie der Wissenschaften in Kiew veröffentlicht haben:

We observe a significant number of objects whose nature is not clear. Flights of single, group and squadrons of the ships were detected, moving at speeds from 3 to 15 degrees per second.

Bereits im August berichtete grenzwissenschaft-aktuell, dass es sich bei dem achtseitigen Paper um eine Vorabveröffentlichung handelt, die „noch nicht den üblichen wissenschaftlichen Prozess der Expertenbegutachtung und -kritik durchlaufen“ hat:

Mit Bekanntwerden des Papers haben sich auch schon erste Kritiker zu Wort gemeldet. Diese hinterfragen zum einen die Aussagekraft der angewandten Entfernungsbestimmung (farbmetrische Analyse) und verweisen anhand der Aufnahmen der dunklen „Phantome“ auf Ähnlichkeiten zu Abbildungen von dicht vor vergleichbaren Kameras vorbeifliegenden Insekten oder Vögeln.

Es bleibt also abzuwarten, ob das Paper, die Methodik und darauf basierenden Schlussfolgerungen der Astronomen einer ergebnisoffenen kritischen Prüfung und Debatte standhalten.

Bislang hat man nichts weiter von der ukrainischen UAP-Studie (Unidentified Aerial Phenomena) vernommen. Dafür schreibt die New York Times dieser Tage, dass sich die mysteriösen Lufterscheinungen, die weltweit zunehmend Schlagzeilen machen, wohl durch Spionage- und andere Aktivitäten ausländischer Mächte erklären lassen.

Oder aber – noch banaler – mit „Airborne Trash“, also Himmelsmüll wie etwa alte Wetter- oder Überwachungsballons, zusammenhängen.

Nichtsdestotrotz beteiligt sich jetzt auch die NASA „an der Fahndung nach geheimnisvollen Flugobjekten“, berichtet Der Spiegel (Nr. 46/2022).

Der Startschuss für diese Initiative fiel im Juni, als die amerikanische Weltraumbehörde die Einrichtung einer Arbeitsgruppe bekannt gab, die ab Herbst dieses Jahres für unidentifizierte Luftraumphänomene zuständig ist.

Am 21. Oktober benannte die NASA dann ein 16-köpfiges Team aus Astrophysikern, Astronomen, Astrobiologen und Sicherheitsexperten, das bis Juli 2023 alles verfügbare und nicht als geheim eingestufte Material zu UAP analysieren soll, etwa die Videos von US-Kampfpiloten. Außerdem soll das Gremium auflisten, wie Daten in Zukunft systematisch gesammelt werden müssten, um leichter und zuverlässiger Aufschluss über die Natur solcher UAP zu gewinnen.

Die Webseite zur „NASA Unidentified Aerial Phenomena Independent Study“ findet sich hier, ein FAQ hier (deutsche Übersetzung bei grewi).

Wie grenzwissenschaft-aktuell erklärt, habe sich die NASA-Studiengruppe bereits mit dem Harvard-Astronom Avi Loeb und der ehemaligen Navy-Kampfpilotin Alex Dietrich getroffen. In Deutschland hingegen, zitiert der Spiegel unseren Interviewpartner Professor Hakan Kayal von der Uni Würzburg, spiele das Thema UAP in der Politik keine Rolle – „niemand“ sei dafür zuständig.

In den USA dagegen warten „UFO-Forscher, -Enthusiasten, aber auch Journalisten und Wissenschaftler weltweit“ auf den mittlerweile dritten Bericht der US-Geheimdienste und des US-Verteidigungsministeriums zum Stand der Untersuchungen unidentifizierter Flugobjekte und Phänomene im Luftraum (UFOs/UAP).

Der erste Bericht war im Juni 2021 herausgegeben worden, eine zweite, klassifizierte (also geheime) Version wurde im März 2022 publik, die aber „von geringen Änderungen abgesehen dieselben Texte wie der veröffentlichte Bericht enthält“.

Aktuell darf darüber spekuliert werden, ob der genannte New York Times-Artikel vom 28. Oktober eine Art Vorwegnahme der anstehenden Veröffentlichung darstellt. Allerdings brachte drei Tage später die britische Daily Mail ebenfalls einen Artikel dazu, in dem eine anonyme Quelle sagt:

They don’t want to talk about this stuff, because they really, really don’t know what the hell they are.

Wenig erwartungsfroh harrt indes der Spektrum-Kolumnist Doktor Whatson der Dinge:

Ständig sieht man irgendwo, dass wieder ein UFO gesichtet worden sein soll. Inzwischen redet sogar das US-Militär davon! Ich sage: Das ist alles Quatsch und erkläre in diesem Video wieso.

Zum Weiterlesen:

  • Warum wir niemals Aliens fotografieren werden, spektrum am 21. Oktober 2022
  • Die Ufo-Jagd geht weiter – auch die Nasa macht jetzt mit, spiegel.de am 11. November 2022
  • NASA Announces Unidentified Aerial Phenomena Study Team Members, nasa.gov am 21. Oktober 2022
  • Stand der Dinge: Zum sich verspätenden UFO-Bericht des Pentagons, grenzwissenschaft-aktuell am 5. November 2022
  • Many Military U.F.O. Reports Are Just Foreign Spying or Airborne Trash, New York Times am 28. Oktober 2022
  • EXCLUSIVE: New classified report to Congress says only HALF of UFO sightings can be properly explained, leaving nearly 200 mysteries unsolved – as critics say investigators ‚glossed over‘ unknown cases, dailymail am 31. Oktober 2022
  • UAP Task Force heißt jetzt AARO, ufoinfo am 20. Juli 2022
  • NASA startet UAP-Studie, ufoinfo am 10. Juni 2022
  • Das UAP-Hearing im Überblick, ufoinfos am 20. Mai 2022
  • Der geheime UAP-Bericht des Pentagon, ufo-information am 25. März 2022
  • Das Gesetz zur Pentagon UAP-Arbeitsgruppe AOIMSG, ufoinfo am 7. Februar 2022
  • Bericht der UAP Task Force des Pentagon, ufoinfo am 25. Juni 2021
  • Drohnen, Artefakte, Aliens? Neue „Ufo“-Videos der US-Marine, GWUP-Blog am 28. Mai 2021
  • Ufo-Videos der US-Navy freigegeben: zwei Flugzeuge und ein Ballon? GWUP-Blog am 2. Mai 2020
  • Die Ufo-Videos der US-Navy sind echt – und jetzt? GWUP-Blog am 3. Oktober 2019
  • „Wir brauchen Daten“: Interview zum neuen Ufo-Report der US-Navy mit Professor Hakan Kayal, GWUP-Blog am 26. Juni 2021

21. November 2022
von Bernd Harder
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Pizzagate, Adrenochrom und Co.: Der Verschwörungs-„Tatort“ am Sonntagabend aus Dresden

Immerhin:

Ein „Tatort“, der Querdenker und Verschwörungsgläubige offenbar ernsthaft erregt hat:

Dabei fokussierte „Katz und Maus“ durchaus nicht so stark auf das Thema Verschwörungstheorien, wie in vielen Ankündigungen zu lesen war.

„Pizzagate“ – ja, diese krude Story aus dem amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf von 2016 gab offenkundig das reale Vorbild für den Dresdener „Tatort“ ab.

Aber schon „die Bezugnahme auf den QAnon-Kult“ (saechsische.de) wird allenfalls subtil angedeutet, etwa in Form der Verschwörungs-Webseite „4 Pi“, analog zu dem Imageboard 4chan.

Der Rezensent von stern.de meint denn auch, dass es diesen „Tatort“

… nicht unbedingt gebraucht hätte. Wer sich ernsthaft für das Thema Verschwörungstheorien interessiert, der sollte sich lieber den Podcast Hoaxilla anhören.

Die FAZ rechnet dem Sonntagskrimi immerhin an, dass der Zuschauer nun wisse, „wie Verschwörungsmythen funktionieren“.

Dazu trägt in erster Linie der Verschwörungsmythen-Superspreader Holger Kirbach (Paul Ahrens) bei – ein zynischer Clickbait-Profi, der sich im Netz „Grinsekatze“ nennt und „wie am Fließband“ Content über „die Neue Weltordnung, Klimalüge, 9/11, Neuschwabenland, Pizzagate, Adrenochrom“ und vieles mehr produziert:

Das Beste an Verschwörungstheorien ist ihre Unwiderlegbarkeit,

erklärt er dazu knapp.

Ansonsten fasst wohl spiegel.de die 90 Minuten am besten zusammen:

Von der Schnitzeljagd zur Seelenschau. Während die erste Hälfte noch wie ein konventioneller Psychopathen-Thriller funktioniert, bei der die Kollegen mittels übertrieben kompliziert ausgestreuter Zeichen und Symbole in eine bizarre Parallelwelt gelenkt werden, öffnet die zweite Hälfte tiefe Einblicke in die Funktionsweise eines manipulierten Geistes.

Episodenhauptdarsteller Hans Löw zeichnet hochsensibel nach, wie ein leicht labiler Mensch vom Irrsinn infiltriert wird.

In der Tat sind können Menschen, die einer Verschwörungstheorie anhängen,

… nicht deswegen als psychisch krank im Sinne der Klassifikation psychischer Störungen bezeichnet werden,

schreibt die österreichische Psychologin Karoline Hochreiter in der Zeitschrift für Psychodrama und Soziometrie:

Sie sind auch nicht wahnsinnig, denn: Wahn ist von Verschwörungsglauben dadurch unterscheidbar, dass sich bei einem Wahn die Person in der Erzählung selbst einbezogen findet, während eine Verschwörungstheorie etwas erzählt, was im Außen vermutet wird.

Jedoch:

Mit großer Wahrscheinlichkeit aber werden Symptome, die schon vor dem Eintauchen in eine Verschwörungswelt vorlagen, dadurch verstärkt.

Oft sind Menschen davon betroffen, die sensibel sind, sich nicht gut abgrenzen können, eventuell von der Erfolglosigkeit eines politischen Engagements enttäuscht sind. Einige Kolleginnen berichten, dass die Corona-Pandemie bei ihren Klientinnen Traumatisierungen getriggert hat.

Das bringt dieser „Tatort“ ganz gut rüber:

Hier ist ein Mann, der mit mangelnder Impulskontrolle und massivem Narzissmus erst seine eigene Familie zerlegt hat, um dann in Fake-News die Erklärung für die selbst verursachte soziale Katastrophe zu finden […] Das eigene Versagen ist vergessen, die Welt hat Unrecht […] Es gibt ziemlich viel Wahres in den Dialogen, die Jan Cronauer und Stefanie Veith geschrieben haben.

„Katz und Maus“ findet sich in der ARD-Mediathek, eine Zusammenfassung zum Beispiel beim Kölner Stadt-Anzeiger oder Wikipedia.

Zum Weiterlesen:

  • Corona-Verschwörungstheorien und Psychotherapie, Zeitschrift für Psychodrama und Soziometrie volume 21, pages 395–407 (2022)
  • „Tatort“: Wenn der Vater die eigene Tochter für Fake hält, Welt-Online am 20. November 2022
  • So war der „Tatort“ aus Dresden, Kölner Stadt-Anzeiger am 20. November 2022
  • Tatort“ Dresden: Das wurde gestern um 23 Uhr ins Netz gestellt, Zeit-Online am 20. November 2022
  • „Tatort“-Kritik: Ein neuer Tag und neue Lügen, Stuttgarter Nachrichten am 20. November 2022
  • Dresdner „Tatort: Katz und Maus“: Entführung durch einen Querdenker, rnd am 19. November 2022
  • Diese Verschwörungserzählung war Vorbild für den neuen Tatort aus Dresden, rnd am 20. November 2022
  • „Q“ ist wieder da: Was bedeuten die neuen Botschaften des angeblichen Regierungsinsiders? GWUP-Blog am 26. Juni 2022
  • Video: Hey Wolfi über die „Schwurblerkönigin bei TikTok“ aka malice in wQnderland, GWUP-Blog am 18. November 2022
  • Von Pizzagate bis Sandy Hook: Die menschlichen Kosten von Verschwörungstheorien, GWUP-Blog am 19. August 2021
  • Ein Jugendthriller zum Thema Verschwörungsmythen: „Shelter“, GWUP-Blog am 1. November 2021
  • Xavier Naidoo und die satanische Adrenochrom-Verschwörung, GWUP-Blog am 7. April 2020
  • Kampf gegen Dämonen im „Tatort“ – und in der Realität, GWUP-Blog am 3. Oktober 2022

20. November 2022
von Bernd Harder
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Video: „Mo Asumang und die Welt der Querdenker“ bei 3sat – mit Jebsen, Ballweg und Rosen

Der „Querdenken“-Initiator Michael Ballweg bleibt weiter in Untersuchungshaft.

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat einen neuen, der aktuellen Sach- und Beweislage angepassten Haftbefehl erlassen. Nach dem derzeitigen Ermittlungsstand sei Ballweg des versuchten gewerbsmäßigen Betruges und der Geldwäsche dringend verdächtig.

Ein Interview mit dem ehemaligen Unternehmer wäre sicher von allgemeinem Interesse. Die Autorin und Filmemacherin Mo Asumang hat Ballweg getroffen – allerdings „lange vor dessen Inhaftierung“, erfährt man aus den Pressematerialien zu dem Film

Mo Asumang und die Welt der Querdenker

Und damit ist auch die Problematik des 30-minütigen 3sat-Beitrags bereits umrissen.

Wie schon das ARD-Radiofeature „Alle unter einem Aluhut?“ hätte auch „Mo Asumang und die Welt der Querdenker“ vor zwei Jahren laufen können. Neue Erkenntnisse vermittelt die Doku kaum.

Komplett sinnfrei, wie der ARD-Beitrag, ist der Film indes trotzdem nicht. Das Anliegen der Regisseurin sei es, „zu verstehen, was die Menschen bewegt, die sich in dieser Weise positionieren – und was sie antreibt“.

Das wird immerhin bei Ken Jebsens aggressiv-bizarrem Gehabe und Eva Rosens „Rebellin“-Attitüde deutlich, während Ballweg nur sein unzerstörbares Dauergrinsen zeigt. Hinter dem Auftreten von Jebsen und Rosen scheinen tiefe narzisstische Kränkungen zu stecken, ihre Verschwörungspropaganda dient augenscheinlich der Selbstaufwertung und Selbstwirksamkeit.

Dass es „gar nicht einfach [ist], die Gedanken der Querdenker auf den Punkt zu bringen“, wie Asumang feststellt – geschenkt. Vielleicht hätte sich die Moderatorin und Produzentin auf die erwartbaren Aussagen und Motive ihrer Gesprächspartner besser vorbereiten sollen. Dann wären den Zuschauern eventuell auch Asumangs laienpsychologische Off-Kommentare wie „Tief drinnen suchen sie [die Querdenker] eigentlich nach Hilfe“ erspart geblieben.

Denn um das Ziel der Sendung zu erreichen, „den Dialog in unserer Gesellschaft zu fördern“, hätte es neben den ungebremsten Originalaussagen der Protagonisten auch einer verständnisvollen, vor allem aber sachkundigen Einordnung bedurft.

Die kann Asumang aber sichtlich nicht leisten, ebenso wenig wie vor zwei Wochen ihre ARD-Kollegin.

Weitere Beiträge der Reihe „Mo Asumang trifft Andersdenkende“ drehen sich um Rechte, Linke, Fundamentalchristen, Queerfeinde und „Männer in der Krise“.

Zum Weiterlesen:

  • „Querdenken“-Gründer Ballweg muss weiter in Untersuchungshaft bleiben, swr am 14. November 2022
  • Video: Reaction: Eva Rosen – Die schönste Heulboje der Querdenker
  • Video: Wer ist Eva Rosen?
  • Ken Jebsens neue Pläne, GWUP-Blog am 4. August 2022
  • Neue „Querdenker“-Analyse: Wenn sich das Ideal der Freiheit mit autoritärem Denken mischt, GWUP-Blog am 17. Oktober 2022
  • „Alle unter einem Aluhut?“ – Eine Doku ohne neue Erkenntnisse, GWUP-Blog am 9. November 2022
  • Warum Millionen Menschen nicht an den Klimawandel glauben – und was man dagegen tun könnte, GWUP-Blog am 28. August 2018
  • Erkenntnisgewinn in der Wissenschaft: Was gegen Fanatiker und Pseudoexperten hilft, Deutschlandfunk am 25. Oktober 2022

20. November 2022
von Bernd Harder
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Anthroposophische Medizin: Natalie Grams zu Gast beim Podcast „Waldorfsalat“

In der zweiten Folge des Podcasts Waldorfsalat ist Dr. Natalie Grams zu Gast. Es geht um „Anthroposophische Medizin“:

Themen sind unter anderem die Impfablehnung in der Anthroposophie, Krankheiten als „sinnhaftes Schicksal“, der Mythos „Entwicklungssprung“ durch Masern, der anthroposophische Bestseller “Kindersprechstunde”, Fieber in der Anthroposophischen Medizin und vieles mehr.

Der Waldorfsalat hat auch einen Youtube-Kanal.

Mehr Kritisches über Waldorfpädagogik und Anthroposophie gibt es auf Twitter und Instagram unter #ExWaldi und #AnthroMeToo. Auch die Böhmermann-Sendung vom Freitag hallt nach:

Wahnsinn, wie viele Leute auf YouTube unter der Waldorf-Folge ihre persönliche Geschichte erzählen. Wer die Folge und unsere Berichte bei Krautreporter für total überzogen hält – lest euch einfach mal die Kommentare durch.

In der Schweiz macht gerade die Krise bei Weleda Schlagzeilen.

Zum Weiterlesen:

  • Die „Fakteninquisition“: Jan Böhmermann nimmt sich im ZDF Magazin Royale Anthroposophie und Waldorf-Pädagogik vor, GWUP-Blog am 18. November 2022
  • Anthroposophie – gut oder gefährlich?“ bei ZDFzoom, GWUP-Blog am 18. November 2022
  • Anthroposophen decken die „skeptischen Netzwerke“ auf – zur Belohnung gibt es denen neuen Podcast Waldorfsalat, GWUP-Blog am 3. November 2022
  • „Waldorfsalat“: Erste Folge des neuen Podcasts mit der Autorin und Journalistin Nora Imlau, GWUP-Blog am 11. November 2022
  • Weledas Zukunft ist ungewiss, baz-online am 13. November 2022
  • Die Denke einer Waldorfmutter: Sind sie (die Masern) zu stark, bist du (mein Kind) zu schwach, GWUP-Blog am 20. September 2015
  • „Kindersprechstunde“, ein esoterisch-okkulter Ratgeber, Anthroposophie.blog am 15. April 2015
  • Podcast „Grams‘ Sprechstunde“: Anthroposophische Medizin, GWUP-Blog am 5. August 2021
  • GWUP-Thema: Anthroposophische Medizin
  • „Anthroposophische Medizin“ bei Psiram

20. November 2022
von Bernd Harder
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Nahrungsergänzungsmittel: „More Nutrition“ bei den Science Cops und MedWatch

Neu bei den Science Cops:

Nur sinnlose Nahrungsergänzungsmittel? Der Fall More Nutrition

Auf Instagram wirbt die Marke More Nutrition rund um ihren Gründer Christian Wolf für ihre Nahrungsergänzungsmittel. Alle seien bestens wissenschaftlich belegt – man sei damit viel besser als die Konkurrenz. Doch die Science Cops sind skeptisch.

Auch bei MedWatch gibt es einen Beitrag dazu.

Die Autoren stoßen bei ihren Recherchen auf „geschicktes Studien-Picking, das den Verkauf von Nahrungsergänzungsmitteln vorantreibt. Die Kommunikation ist irreführend, das Marketing rechtswidrig“:

Die Werbung läuft hauptsächlich über Influencer:innen, mittlerweile über reichweitenstarke Influencer wie Rezo oder Stefano Zarella. Dass viele die Produkte kaufen, obwohl nicht klar belegt ist, dass sie wirken, wundert Laura Maria Altendorfer nicht. Sie ist Professorin für Journalismus an der IU Internationale Hochschule und beschäftigt sich mit digitaler Kommunikation.

„Wenn ich Gummibärchen kaufe und da steht drauf: Da sind ganz viele Vitamine drin“, sei natürlich klar, dass sie nicht gesund sind. Aber „in der Influencer-Welt sind andere Mechanismen dahinter, die viel individueller sind oder persönlicher.“ Influencer:innen seien oft „the girl next door“. „Das ist eine Person wie du und ich. Das ist dieses Phänomen, das uns reizt. „Wir vergleichen uns.“

Soziale Vergleichsprozesse sind in der Psychologie bekannt.

Zum Weiterlesen:

  • Nur sinnlose Nahrungsergänzungsmittel? Der Fall More Nutrition, quarks.de am 12. November 2022
  • Wie wissenschaftlich ist More Nutrition? medwatch am 12. November 2022
  • Vitamin D: Das Sonnenscheinpräparat im Schatten des Geldes, medwatch am 11. Mai 2021
  • Warum sich Holistic Sana einen neuen Namen gibt, medwatch am 11. November 2022
  • Buchauszug mit Corona-Tipps zurückgezogen, medwatch am 16. November 2022
  • Grams‘ Sprechstunde: Nahrungsergänzungsmittel – Für jedes Wehwehchen ’ne Pille, detektor.fm am 15. September 2022