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„Schlechtes Karma“: Warum Waldorfeinrichtungen höchst problematisch sein können

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Natürlich greint die Anthro-Postille info3 von einer „konzertierten Aktion gegen Rudolf Steiner und die Waldorfpädagogik“ – was bleibt ihr auch anderes übrig?

Offenbar verstehen die Kolleginnen und Kollegen nicht, dass auch ganz ohne „konzertierte Aktion“ plötzlich etwas ins Rollen kommt, wenn auch nur ein Journalist ein bestimmtes Thema mal gegen den Strich bürstet. Und alle anderen Medien plötzlich gewahr werden, dass da etwas schwer im Argen liegt, was jahre- und jahrzehntelang unter dem Radar der öffentlichen Aufmerksamkeit flog.

Auch wenn Boris Palmer meint, es handele sich um „olle Kamellen“ und die Kritikpunkte seien schon lange bekannt – dann bleibt trotzdem die Frage, die immer wieder aufs Neue gestellt werden muss: Warum ändert sich nichts?

Da ist es natürlich einfacher, wirre Artikel über angebliche „skeptische Netzwerke“ und „konzertierte Aktionen“ in die Welt hinauszublasen – die aber nicht so wirklich verfangen:

Und immer mehr Redaktionen werden darauf aufmerksam.

Heute schreibt die Autorin Nora Imlau (Gast in der ersten Ausgabe des „Waldorfsalat“-Podcasts) bei Zeit-Online über „Esoterik an Waldorfschulen“:

Mit ihrer ganz eigenen Architektur und Ästhetik erscheinen Waldorfschulen oft wie heimelige und verwunschene Sehnsuchtsorte, in denen Kinder so geborgen wie beschützt heranwachsen können. „Bullerbü-Komplex“ nannte der Psychologe Lars Mandelkow einmal etwas despektierlich diesen tief in vielen Eltern verwurzelten Wunsch nach einer heilen Welt.

Ein Wunsch, der viele Eltern darüber hinwegsehen lässt, dass hinter der Waldorfpädagogik ein in sich geschlossenes und esoterisches Weltbild steht, das noch immer zu einer okkulten Praxis führt.

Einige Auszüge:

Wo Waldorf draufsteht, ist auch Waldorf drin. Es gibt keine Waldorfeinrichtungen, die nicht anthroposophisch sind, Anthroposophie und Steiners Lehre gehören untrennbar zusammen.

Die Zahl ehemaliger Waldorfschülerinnen und -schüler wächst, die sich insbesondere in den sozialen Netzwerken unter dem Hashtag #exwaldi kritisch mit ihren eigenen anthroposophischen Prägungen auseinandersetzen und Missstände anprangern.

Die freien Waldorfeinrichtungen verstehen sich eben nicht nur als Kindergärten und Schulen mit einem speziellen Bildungsangebot, sondern als Orte, an denen Kinder „Seelenbildung“ erfahren sollen – und zwar entsprechend ihrem Karma und ihrer Inkarnationsstufe.

Für Kinder, denen aus welchen Gründen auch immer in einer Waldorfeinrichtung ein schlechtes Karma oder eine problematische Aura attestiert wird, kann dadurch ein Leidensweg beginnen – insbesondere, weil es in Waldorfschulen üblich ist, dass ein und dieselbe Lehrkraft ihre Klasse über viele Jahre hinweg begleitet, sodass ein Kind sehr lange keine Chance auf einen frischen Blick bekommt.

Ein weiteres Problem ist, dass in vielen Waldorfeinrichtungen handfeste medizinische Diagnosen nicht anerkannt und stattdessen spirituelle Gründe für gesundheitliche Probleme gesucht werden.

So kommt es, dass Kindern mit Legasthenie oder Dyskalkulie oder ADHS jahrelang eine fachgerechte therapeutische Begleitung verwehrt wird, Kinder mit Autismus oft jahrelang zur Heileurythmie verdonnert werden, statt eine fundierte Diagnostik zu bekommen, und Kindern mit Asthma, Neurodermitis oder Allergien Probleme mit ihrem Karma attestiert werden.

Vor allem diesen Punkt sollten sich all jene Eltern vor Augen führen, die eine Waldorfschule als „letzten Strohhalm“ für „Problemkinder“ betrachten – und das häufig auch hier im Kommentarbereich als Pro-Waldorf-Rechtfertigung anzubringen versuchen.

Und zur Erinnerung: Heute Abend (23. November, 22.45 Uhr) läuft bei ZDFzoom die Doku

Anthroposophie – gut oder gefährlich?

Zum Weiterlesen:

  • Esoterik an Waldorfschulen: Falscher Filz, Zeit+ am 23. November 2022
  • Die „Fakteninquisition“: Jan Böhmermann nimmt sich im ZDF Magazin Royale Anthroposophie und Waldorf-Pädagogik vor, GWUP-Blog am 18. November 2022
  • Anthroposophie – gut oder gefährlich?“ bei ZDFzoom, GWUP-Blog am 18. November 2022
  • Anthroposophen decken die „skeptischen Netzwerke“ auf – zur Belohnung gibt es denen neuen Podcast Waldorfsalat, GWUP-Blog am 3. November 2022
  • „Waldorfsalat“: Erste Folge des neuen Podcasts mit der Autorin und Journalistin Nora Imlau, GWUP-Blog am 11. November 2022

9 Kommentare

  1. Jetzt im ZDF ;-)
    In ZDFzoom: Anthroposophie – gut oder gefährlich?
    https://www.zdf.de/dokumentation/zdfzoom/zdfzoom-anthroposophie-gut-oder-gefaehrlich-100.html

  2. „Der Leiter eines deutschen Krankenhauses, der sogar Charité-Stiftungsprofessor ist, hält es für denkbar, dass Krankheiten durch Karma entstehen. Als Resultat von Fehlverhalten in einem früheren Leben.“

    https://twitter.com/jochenbreyer/status/1595466591889653760

  3. @Martina Rheken

    Shocking. Und was soll aus der begründeten Empörung gesellschaftlich oder politisch folgen?

    1. Wir prüfen, was der Leiter eines deutschen Krankenhauses glaubt, bevor er eingestellt wird? Jungfrauengeburt und leibliche Auferstehung von den Toten, wer betet wird wieder gesund (Zum Letzteren gibt es sogar „Studien“) sind akzeptabel?

    2. Wir prüfen, wofür Gelder einer Stiftungsprofessur ausgegeben werden?

    3. Wir machen öffentlich dagegen mobil?

  4. „Zugang zur Akasha Chronik bekommen“:

    https://de.wikihow.com/Zugang-zur-Akasha-Chronik-bekommen

  5. Karma/ Aura/ Äther/Astral/…
    in der Zahnmedizin:

    publikum.net Anthroposophische Zahnmedizin (AZ)

    https://publikum.net/anthroposophische-zahnmedizin-az/

  6. @Martina Rheken, Carsten Ramsel

    Matthes im Interview:

    Interessanter Beitrag von ZDF zoom zur Anthroposophie, u.a. Interview mit Harald Matthes, etwa ab 17:35.

    Morgen um 22.45 Uhr im Fernsehen, in Mediathek schon jetzt:

    https://www.zdf.de/dokumentation/zdfzoom/zdfzoom-anthroposophie-gut-oder-gefaehrlich-100.html

    Matthes schwurbelt hochgradig schräges Zeug über die Möglichkeit der Wiedergeburt und wirkt sehr nervös. Hoffentlich hat er in seinem früheren Leben nichts falsch gemacht. Irgendwann könnten anthroposophische Richter ja auf die Idee kommen, Verfehlungen im früheren Leben zu bestrafen.

    Der Beitrag weist auch auf die stiftungsfinanzierte Platzierung von Matthes an der Charité hin:

    https://epidemiologie.charite.de/metas/person/person/address_detail/prof_dr_med_harald_matthes/

    https://scienceblogs.de/gesundheits-check/2022/05/19/meldedaten-und-studiendaten-zum-streit-um-die-matthes-studie/

  7. @RPGNo1

    Ich bestreite nicht, dass die medizinischen Vorstellungen des Herrn Professor nicht evidenzbasiert ist.

    Wie kam es also dazu, dass die Charité die Stiftungsgelder für den Herrn akzeptierte? Schließlich kann man so etwas auch ablehnen.

  8. @Carsten Ramsel

    Mein Link sollte lediglich ein Hinweis auf Josephs Kuhns nicht gerade schmeichelhafte Einschätzung von Herrn Matthes sein.

    Was die Frage nach den Stiftungsgelder für die Charite angeht, so weiß ich keine zufriedenstellende Antwort.

    Aber die Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder hat schließlich auch Gelder für eine Stiftungsprofessur für die Forschungsmethodik komplementärer Medizin und Heilkunde akzeptiert, an welche der „schwache Quantentheoretiker“ und spätere Coronafehlinformationenverbreiter Harald Walach berufen wurde.

  9. Die Waldorfschule – zwischen Esoterik und Entfaltung

    Ein Podcast mit Nele Auschra, Vorstand des Bundes der freien Waldorfschulen.

    https://www.stern.de/politik/heutewichtig/podcast–heute-wichtig—waldorfschule—zwischen-esoterik-und-entfaltung-32957680.html

    PS: Ich habe den Podcast nicht gehört.

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