Ein Beitrag von Stefan Soehnle
Einleitung
Dieser kurze Text soll eine grobe Skizze der strategischen Ausrichtung der GWUP sein, wie ich sie mir vorstelle. Dazu möchte ich darstellen, wofür die GWUP sich einsetzen sollte und wofür nicht. Außerdem will ich aufzählen, für welche Art der Wahrheitsfindungsmethode die GWUP stehen sollte, welche ausgewählten anderen Wahrheitsfindungsmethoden es gibt und wie sich der Ansatz der GWUP von diesen unterscheidet.
Innerhalb und außerhalb der Mitgliedschaft gibt es Menschen, die das anders sehen als ich. Ich hoffe, ich kann mit diesem Artikel (ich bin hoffnungsloser Optimist) die Leser überzeugen. Eventuell liege ich aber auch falsch, dann werde ich entweder gerne von Argumenten überzeugt oder ich werde bei der nächsten Wahl einfach abgewählt – in jedem Falle freue ich mich über Feedback und Austausch.
Wofür steht die GWUP meiner Meinung nach?
Die GWUP ist meiner Meinung nach eine Repräsentantin der Aufklärung, und dabei, wie in der Satzung verankert, insbesondere der Wissenschaft.
Ziel von modernen Natur- und Geisteswissenschaften ist es, eine möglichst präzise Abbildung der Realität zu schaffen und verlässliche Prognosen zu erlauben.
Zwei Prämissen sind hierfür zentral:
- Es gibt eine objektive Realität
Die Welt ist unabhängig von persönlichen Empfindungen oder gesellschaftlichen Trends. - Erkenntnisgewinn
Wir können Erkenntnisse über die objektive Realität gewinnen.
Die GWUP macht sich stark für diesen Ansatz, der im Zentrum der Wissenschaft steht: Man stellt Theorien auf und prüft sie anhand von z.B. Experimenten, Quellen, oder Beobachtungen, um ihren Realitätsgehalt zu ermitteln.
Wofür steht die GWUP nicht?
Es gibt viele weitere ehrenwerte Ziele, für die man sich engagieren kann, wie z.B. Weltfrieden, Flüchtlingshilfe oder Umweltschutz. Auch wenn diese Ziele durch wissenschaftliche Methoden unterstützt werden können, sind sie nicht die Hauptanliegen der GWUP. Unsere Hauptaufgabe ist die Förderung und Verteidigung der wissenschaftlichen Methode und deren Ergebnisse.
Wahrheitsfindungsmethode 1: Wissenschaft
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Der wissenschaftliche Zugang besteht darin, Theorien anhand der wissenschaftlichen Methode der verschiedenen Disziplinen zu überprüfen und ihre Qualität an der Übereinstimmung mit der Wirklichkeit zu messen. Dieser Prozess, auf den sich die GWUP beruft, setzt Transparenz, Wiederholbarkeit und Objektivität in der Methodik voraus.
Neben dieser Methode gibt es andere Methoden, die andere Ansätze verfolgen.
Wahrheitsfindungsmethode 2: Esoterik
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In der Esoterik spielen persönliche Erfahrungen, individuelle Wahrnehmungen und das subjektive Bauchgefühl eine dominierende Rolle. Mitunter genügt bereits das Gegenteil einer Mainstream-Position als Motivation, um einer Idee Glauben zu schenken.
Wenn wissenschaftliche Erkenntnisse dem Bauchgefühl widersprechen, werden die wissenschaftlichen Erkenntnisse abgelehnt, da dem Bauchgefühl ein höherer Wert beigemessen wird.
Damit befindet sich die Esoterik in einem ständigen Spannungsverhältnis zur Wissenschaft, insbesondere dann, wenn empirische Belege die esoterischen Annahmen widerlegen.
Wahrheitsfindungsmethode 3: Religion
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Es gibt auch religiöse Ansätze der Wahrheitsfindung. Hierbei gilt allerdings nicht, wie bei der Esoterik das Bauchgefühl als Methode der Wahrheitsfindung, sondern die göttliche Eingebung. Diese kann entweder direkt (“Gott ist mir im Traum/beim Gebet erschienen”), über Bücher (“In der Torah steht …”) oder über Mittelsmänner (“Der Papst hat gesagt: …”) erfolgen.
Für Gläubige kann diese Offenbarung einen höheren Rang einnehmen als wissenschaftliche Ergebnisse. Spannend wird es immer dann, wenn religiöse Lehren und wissenschaftliche Erkenntnisse in Konflikt geraten, beispielsweise in der Diskussion um das Alter der Erde.
Wahrheitsfindungsmethode 4: Mächtige
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Eine weitere Sichtweise besagt, dass „die Stärkeren“ oder „die Mächtigen“ bestimmen, was wahr ist. Hier wird Macht anstelle von Empirie zum Wahrheitskriterium erhoben. Elon Musk ist beispielsweise der reichste Mensch der Welt, aber deswegen ist das, was er sagt, nicht automatisch richtig.
Wissenschaftliche Erkenntnisse, die diesem Brunnen der Wahrheit widersprechen, werden unter anderem als “woke” beschimpft.
Wahrheitsfindungsmethode 5: Unterdrückte
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Die Gegenposition zur Orientierung an den „Mächtigen“ ist die Vorstellung, dass die Unterdrückten automatisch Recht haben. Auch hier wird eine ideologische Perspektive zum Wahrheitsmaßstab und Wissenschaft wird nur dann angenommen, wenn sie die eigene Agenda stützt.
Vertreten Personen wissenschaftliche Erkenntnisse, die diesen Wahrheiten widersprechen, werden sie teilweise als “Nazi” beschimpft.
Es ist grau
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Wichtig ist zu erkennen, dass sich diese Methoden der Wahrheitsfindung in der Realität oft überschneiden. Nur selten findet man Personen, die eine Methode in Reinform anwenden.
Ein Esoteriker mag sich in manchen Bereichen durchaus wissenschaftlichen Erkenntnissen anschließen, bis bei einem Thema, das ihm wichtig ist, ein Widerspruch zu den eigenen esoterischen Überzeugungen auftritt. “Funktioniert” die Homöopathie, obwohl die Wissenschaft sagt, dass sie nicht über den Placeboeffekt hinaus wirkt? Dann entscheidet sich die Person im Zweifelsfall für das Bauchgefühl.
Wer gegen wen?
Auch innerhalb der einzelnen Wahrheitsfindungsmethoden gibt es Kämpfe. Besonders einfach sieht man das z.B. an dem Konflikt zwischen Christentum und Islam. Entweder ist Jesus am Kreuz gestorben, wie es das Christentum behauptet, oder Jesus ist in den Himmel gekommen, ohne am Kreuz zu sterben, wie es der Islam behauptet.
Auch zwischen den verschiedenen Methoden gibt es Auseinandersetzungen. Am bekanntesten wird hier der Konflikt zwischen Mächtigen und Unterdrückten sein.
Gleichzeitig können sich verschiedene Gruppen für gemeinsame Zwecke verbünden, obwohl sie ideologisch auseinander liegen, weil sie einen gemeinsamen Feind haben. Zum Beispiel: Um die Nazis im 2. Weltkrieg zu besiegen, haben die westlichen Demokratien mit der Sowjetunion kooperiert. Nach dem Ende des Krieges waren die beiden Gruppen dann wieder verfeindet. Oder: Kommunisten und Islamisten haben kooperiert, um im Iran den Schah zu stürzen. Hier hatten Kommunisten anschließend allerdings das Nachsehen gegenüber den religiösen Kräften.
Für wen ist die GWUP die richtige Organisation?
Ich plädiere dafür, dass die GWUP sich klar als Vertreterin der Aufklärung bzw. der Wahrheitsfindungsmethode Wissenschaft positioniert. Man muss davon ausgehen können, dass die Positionen, die die GWUP vertritt, auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen.
Ziel ist es, einen Ort zu schaffen, an dem Interessierte sich umfassend informieren können. Fragen und Kritik sollten wertschätzend behandelt werden, damit Neugier gefördert wird und sich niemand fürchten muss, falsche oder „unerwünschte“ Fragen zu stellen.
Dadurch können sowohl Übereinstimmung, aber auch Kritik zu esoterischen, religiösen, Positionen von Mächtigen und Unterdrückten entstehen. Damit können sich auch Menschen, die noch keine Berührungspunkte mit unserem Verein haben, willkommen fühlen.
Entsprechend sollte die GWUP offen sein für alle, die neben der Wissenschaftlichkeit auch esoterisch, religiös, mächtig oder unterdrückt sind, soweit sie sich auf dem Boden des Grundgesetzes befinden.
Ich finde, man kann in der GWUP sein, solange man
- aushält, dass die GWUP Kritik an Unfug oder wissenschaftsfeindlichen Aussagen der eigenen Position übt.
- sich bei Konflikten zwischen der eigenen Ideologie und wissenschaftlichen Fakten auf die Seite der Wissenschaft stellt.
Hart gegen die Ideologie, weich gegen die Menschen
Menschen, die nicht die Wissenschaftlichkeit als obersten Wert haben, sind nicht böse oder unvernünftig. Oftmals liegen sie bei der Identifizierung von Problemen sogar richtig. Homöopathen haben Recht, wenn sie auf Defizite in der medizinischen Versorgung hinweisen.
Aber eine korrekte Identifizierung eines Problems bedeutet nicht automatisch, dass auch der Lösungsvorschlag sinnvoll ist. Dass Menschen an Krebs sterben ist ein Problem, gegen Krebs Globuli xy zu nehmen, erhöht allerdings nicht die Überlebenschancen.
Daher ist es wichtig, dass GWUP-Mitglieder die Homöopathie sachlich und fundiert kritisieren, ohne kranke Menschen, die Homöopathie nutzen, belehrend oder beleidigend zu behandeln.
Für wen ist die GWUP nicht die richtige Organisation?
Wer das Primat der Wissenschaftlichkeit ablehnt und auch kritisiert, dass sich andere wissenschaftlich mit einem Thema beschäftigen, sollte nach meinem Verständnis nicht Mitglied der GWUP sein. Dies muss für alle Bereiche gelten.
Wer z.B. die flache Erde ablehnt, weil die Theorie unwissenschaftlich ist, aber Ancient Aliens für 100 % wahr hält und jede Kritik daran ablehnt, für den kann die GWUP nur schwer als Heimat fungieren.
Die GWUP-Mitglieder können wissenschaftlich den Kreationismus kritisieren. Dabei ist es unerheblich, ob es christlicher Kreationismus, islamischer Kreationismus oder Kreationismus in Neuseeland ist. Wer diese universelle Herangehensweise ablehnt, dem wird es in der GWUP nicht gefallen.
Partnerwahl
Bei der Wahl der Kooperationspartner der GWUP sollten wir darauf achten, dass wir keine Partner wählen, die zwar eine der unwissenschaftlichen Wissensfindungssysteme ablehnen (z.B. “Unterdrückte”), aber selbst andere unwissenschaftliche Wissensfindungssysteme präferieren (z.B. “Religion”). Die GWUP sollte mit jenen Einzelpersonen, Gruppen oder Vereinen zusammenarbeiten, die sich dem wissenschaftlichen Ansatz uneingeschränkt verpflichtet fühlen. Vielleicht bin ich hier zu optimistisch, aber ich hoffe, dass es genügend Menschen und Organisationen gibt, die in der Wahrheitsfindungmethode “Wissenschaft” existieren.
Historische Abgrenzungen der GWUP
In Skeptikerkreisen gab und gibt es viele solcher Themen (Kernkraft, Klimawandel, Gentechnik, biologische Geschlechter usw.), über die man sich gestritten hat, und auch heute noch streitet. Manchmal hat sich der Konflikt mit der Zeit gelegt, manchmal leben wir damit, unterschiedliche Positionen zu haben, in wieder anderen Fällen haben sich neue Organisationen abgespalten.
Auch die GWUP hat sich in ihrer Geschichte bereits mehrmals damit auseinandersetzen müssen, wie man sich positioniert.
In den 90er- Jahren gab es Streit darüber, wie man sich zu PSI-Kräften positioniert. Damals hat man sich für die Wissenschaft entschieden (PSI-Kräfte existieren nicht). Das hat zu einem Verlust an Mitgliedern geführt, die das anders gesehen haben (http://bit.ly/4htEPll) .
Ende des Jahrtausends gab es Streit, wie man sich zu Religion positioniert. Damals hat man sich dafür entschieden, lediglich wissenschaftlich prüfbare Behauptungen mit religiösem Hintergrund zu kritisieren (z.B. Turiner Grabtuch). (https://bit.ly/4hsuPJj)
Mit diesen und mit anderen Entscheidungen hat sich die GWUP nicht nur Freunde gemacht; einen Überblick über ihre Kritiker findet man auf unserer Webseite. (https://bit.ly/3Q7csO7)
Schwerpunktsetzung
Als gemeinnütziger Verein ist die GWUP hauptsächlich auf das ehrenamtliche Engagement ihrer Mitglieder angewiesen. Die Vereinsführung kann den Mitgliedern nicht vorgeben, wofür sie sich zu interessieren und womit sie sich zu beschäftigen haben.
Grundsätzlich sollte jeder, der sich mit einem Thema wissenschaftlich auseinandersetzen möchte, dafür in der GWUP Raum finden. Anderen Mitgliedern mag das Thema nicht gefallen oder sie mögen das Thema für irrelevant halten, aber die GWUP sollte kein einziges Thema ausklammern.
Aktuelle Fragen
Aktuell steht die GWUP vor der Frage, wie man mit Aussagen aus dem sogenannten “woken” Spektrum, die wissenschaftlichen Anspruch haben, umgehen sollte. Ich plädiere dafür, dass unsere Mitglieder alles wissenschaftlich untersuchen und kritisieren dürfen, und zwar nach denselben Grundsätzen wie bei allen anderen Themen auch. Ich hoffe, dass ich möglichst viele Menschen von dieser Ansicht überzeugen kann.
Ich bin der Überzeugung, dass man die Wissenschaft nicht am besten dadurch verteidigt, dass man unwissenschaftlichen Unfug aus politischer Opportunität unwidersprochen lässt. Gerade in schwierigen Kontexten muss man an den Grundsätzen der Wissenschaftlichkeit festhalten, selbst wenn das kurzfristig unangenehm sein mag. Langfristig untergräbt die Ungleichbehandlung von Fehlinformationen den eigenen wissenschaftlichen Anspruch.
Dabei gilt es, weiterhin „hart gegen die Sache, weich gegen die Menschen“ zu bleiben. Eine klare Standortbestimmung zu „Woke-Themen“ – analog zur früheren Standortbestimmung gegenüber Religion – wäre dabei ein wünschenswerter Schritt.
Fazit
Die GWUP sollte sich klar zur Wissenschaftlichkeit bekennen, unabhängig davon, ob die Aussagen mit wissenschaftlichem Anspruch aus religiösem, politischem, esoterischem oder anderem Umfeld stammen. Dieser Universalismus sollte ein Markenzeichen der GWUP sein, da er zeigt, dass bei der GWUP keine Behauptung unangetastet bleibt.
Das bedeutet nicht, Andersdenkende zu verteufeln; vielmehr braucht es respektvollen, aber kritischen Dialog. Nur so kann ein Verein wie die GWUP ihren aufklärerischen Anspruch dauerhaft glaubwürdig vertreten und der Gesellschaft als sachliche Stimme in wissenschaftlichen Fragen dienen. (https://bit.ly/3CHXMBK)
Ich hoffe, dass die GWUP damit das strategische Ziel erreichen kann, mehr Menschen zu erreichen und ihre gesellschaftliche Relevanz zu steigern.
Diskussion
Dieser Text ist sicherlich nicht der Weisheit letzter Schluss. Wie bereits am Anfang erwähnt, freue ich mich über Feedback und Austausch. Damit dies nicht gleichzeitig an verschiedenen Stellen passiert, bitte ich darum, die Kommunikation im skeptischen Netzwerk zu erledigen. Das skeptische Netzwerk ist für jede Person offen, die sich offen und ehrlich mit dem Thema auseinandersetzen möchte.