Janos Hegedüs schaut sich die Bioresonanztherapie mal genauer an und holt dazu eine … Banane hervor? Ja, genau. Wie das zusammenhängt, zeigt er uns in seinem neuen Video.
In diesem Video schauen wir uns ganz genau an, was hinter der Bioresonanz steckt. Ich teste ein revolutionäres Gerät (Spoiler: es diagnostiziert sogar Banane mit Genitalproblemen), zerlege angebliche Studien und zeige euch, warum diese „Therapie“ mehr mit teurem Hokuspokus als mit Wissenschaft zu tun hat. Wir reden über lustige (und traurige) Experimente, absurde Behauptungen und darüber, wie Heilpraktiker & Co. mit diesem Quatsch ordentlich Kasse machen.
Arzt schockiert – Bioresonanz rettet Leben!* | Dr. Hegedüs
Spoiler: Darauf verweist der Asterisk im Titel:
*nö, Bioresonanz ist Quatsch.
Wenn ihr wissen wollt, warum Krankheiten nicht einfach „wegfrequentiert“ werden können, schaut rein!
Zum Thema:
Artikel: Gastbeitrag: Bioresonanztherapie bei Haarausfall: Wissenschaftliche Einordnung und Kritik, Magdalena Riederer von HealthHeld auf dem GWUP-Blog vom 26.04.2025
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Am Donnerstag, den 15. Mai 2025, um 19:30 Uhr wird Stefanie Handl bei der Regionalgruppe Mittelfranken zu Gast sein, um einen Vortrag über Schwurbel in der Tiermedizin zu halten.
Dr. Stefanie Handl, Tierärztin und Kritikerin alternativer Heilverfahren, nimmt in ihrem Vortrag unseriöse medizinische Angebote bei Haustieren unter die Lupe. Sie erläutert, warum gerade in der Veterinärmedizin zweifelhafte Behandlungsmethoden ethische Fragen aufwerfen und welche Risiken für das Tierwohl entstehen können. Durch anschauliche Fallbeispiele zeigt sie, wie wichtig eine evidenzbasierte Medizin ist – auch und besonders im Bereich der Tiergesundheit.
Die Veranstaltung ist von überregionalem Interessen, denn der Vortrag findet, wie alle Vorträge der Regionalgruppe Mittelfranken in diesem Jahr, in hybrider Form statt – entweder vor Ort (Sternwarte, Regiomontanusweg 1, 90491 Nürnberg; bitte nicht mit dem Planetarium verwechseln!) oder per ZOOM.
Wir freuen uns auf spannende Diskussionen und den gemeinsamen Austausch sowohl im persönlichen Gespräch als auch im virtuellen Raum.
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Mit dieser zugespitzten These steigt Nikil Mukerji in das Interview bei der neuen Folge von SinansWoche ein. Nach Sinans Ausführungen über das Verhalten der US-Regierung – darunter die Verbreitung von KI-generierten Bildern (Trump als Papst) und anderen Provokationen – sprechen die beiden über Wissenschaftsfeindlichkeit, das Spannungsfeld zwischen linker Identitätspolitik und rechter Kulturkampfrhetorik und warum das liberale Erkenntnismodell gerade jetzt verteidigt werden muss.
Die Wahrheit hinter Donald Trump | Mit Nikil Mukerji | SinansWoche DIE SHOW
Inhalt:
Einleitung [ab 0:00 min]
Trump als Papst? KI-Bilder und politische Selbstinszenierung. [ab 1:00 min]
Verlust politischer Seriösität durch digitale Satire. [ab 5:10 min]
Trollerei ist kein Stil für gewählte Politiker. [ab 9:50 min]
#GWUPdate mit Nikil Mukerji [ab 11:00 min]
Nikils These: „Trump ist woke.“ [ab 12:00 min]
Methodenkritik ≠ alle Thesen ablehnen. [ab 12:40 min]
Auch anerkannte Thesen gehören immer wieder hinterfragt. [ab 14:30 min]
Kritik schärft die eigene Position. [ab 17:00 min]
Trump besetzt woke Dogmen als Tabu. [ab 19:50 min]
Trumps Feldzug gegen DEI [ab 22:10 min]
Das Weiße Haus als Trollfabrik [ab 26:20 min]
Verteidigung des liberales Erkenntnismodells [ab 29:00 min]
Artikel: Artikelserie von Sebastian Schnelle im hpd: Islamismus & rechte US-Politik, GWUP-Blog vom 03.05.2025
Artikel: Trumps Kürzungen: Warum ein Paper über Evolution nie erschienen ist., GWUP-Blog vom 01.05.2025
Artikel: SinansWoche: Wenn Freiheit stört – Die AfD und ihr Blick auf die Gesellschaft, GWUP-Blog vom 12.04.2025
Artikel: 5-teilige Videoserie zu Robert F. Kennedy Jr., GWUP-Blog vom 05.04.2025
Artikel: BMBF und Allianz der Wissenschaftsorganisationen mit einer gemeinsamen Erklärung für Wissenschaftsfreiheit, GWUP-Blog vom 04.04.2025
Artikel: Trump und die Wissenschaft: Kürzungen, Proteste und der Kampf um die Forschung., GWUP-Blog vom 18.03.2025
Artikel: The Boys of Reason sind zurück!, GWUP-Blog vom 12.03.2025
Artikel: Seb von Vorpolitisch zu Gast bei imps Skeptrum: Islamismus & die Neue Rechte, GWUP-Blog vom 07.03.2025
Artikel: Ein Blick auf RFK: Janos Hegedüs und Udo Endruscheit im Gespräch, GWUP-Blog vom 03.03.2025
Artikel: Hunde essende Migranten, Blut trinkende Eliten und die Debatte um rituellen Missbrauch, GWUP-Blog vom 29.09.2024
Hinweis:
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Es gibt Neues zur Studie von Michael Frass bei The Oncologist aus dem Jahr 2020, die Homöopathika einen signifikanten Effekt bei der Behandlung von Lungenkrebs zusprach.
Es ist vor allem der akribischen Arbeit von Norbert Aust und Viktor Weisshäupl zu verdanken, dass die Manipulationen hinter dieser peer-reviewten Studie überhaupt ans Licht kamen.
Auch das INH ließ mit der Kritik nicht locker. Auf ihrer Website gibt es sogar eine eigene Artikelkategorie zu dieser Angelegenheit.
Im Dezember 2022 reagierte The Oncologist zunächst mit einem Expression-of-Concern. Erst danach wurden einige Korrekturen veröffentlicht. Die Studie ist allerdings bis heute online abrufbar.
Jetzt hat sich auch das Laborjournal in seiner Ausgabe 4/2025 dem Thema angenommen. In einem Artikel stellt der Autor Henrik Müller die Hintergründe ausführlich zusammen. Er gibt u. a. Informationen über die Vita von Michael Frass:
So koordinierte Frass ab 2005 das Wahlfach Homöopathie an der MedUni Wien – bis die Universität es 2018 wegen Unwissenschaftlichkeit abschaffte. Auch warb der Intensivmediziner 2006 für das Bioresonanzgerät „Atox Bio Computer“, das das vegetative Nervensystem vor Elektrosmog schützt, indem es „negative Energie-Informations-Komponenten in positive umwandelt“. Und 2010 warf er der Arbeiterkammer Wien vor, Homöopathie in die Esoterik-Ecke zu rücken, obwohl nur „Fachkundige zum Thema eine fundierte Aussage machen können“.
Müller zeigt auch die Kritik von Aust und Weisshäupl nochmal. Einige Auszüge der Punkte sollen kurz folgen.
Beispielsweise rekrutierten Frass et al. bereits ab 2012 die ersten Patienten für die Studie,
doch erst im Juli 2015 bewilligte die Ethikkommission die Umwandlung in eine verblindete, placebokontrollierte Studie. Die Folge: Ein Teil der Studienteilnehmenden ist nicht verblindet gewesen. Frass‘ Publikation im Dezember 2020 erwähnt das nicht.
Weitere Ungereimtheiten:
Zur Datenanalyse verwendete Frass‘ Team laut Seite 10 des auf 2011 datierten Studienprotokolls die Software „IBM SPSS Statis tics 25“. Version 25 gibt es aber erst seit Juli 2017. Wie konnten die Wiener es also schon 2011 nutzen?
Noch eine Merkwürdigkeit: Den sekundären Endpunkt der klinischen Studie – das Überleben der Patienten – beobachtete Frass‘ Team 104 Wochen lang. Den primären Endpunkt – die Lebensqualität der Studienteilnehmenden – verkürzte es hingegen nachträglich um das Fünffache. Waren von 2012 bis 2018 noch 104 Wochen Beobachtung vorgesehen, listet das Studienprotokoll 2019 nur noch 18 Wochen. Doch warum soll Wohlbefinden nur in der Frühphase einer Behandlung zählen? Was spricht dafür, über 80 Prozent der erhobenen Daten zu verwerfen? Eine Begründung bleibt die Publikation schuldig.
Die Österreichische Agentur für wissenschaftliche Integrität (ÖAWI) sowie die MedUni Wien forderten inzwischen den Rückzug der Publikation. Bisher vergeblich. Die Chefredaktion von The Oncologist ließ diese Bitten ins Leere laufen.
Auch reagierten fünf der 16 Mitautoren der Publikation und baten die Fachzeitschrift um eine Rücknahme ihrer Ko-Autorenschaft. Das Editorial Board von The Oncologist ignoriert diese Aufforderungen seit Anfang 2024.
Fazit:
Das Befremdliche daran: Homöopathie-Studien erscheinen üblicherweise in dubiosen Fachzeitschriften der Komplementär- und Alternativmedizin. Frass aber publizierte in einer renommierten Fachzeitschrift für Onkologie. Dessen PeerReview erkannte die eigentliche „Qualität“ der Studie nicht. Ohne Aust und Weisshäupl, die nicht einmal in der medizinischen Forschung tätig sind, wäre die Welt wohl um einen scheinbar erstklassigen Beleg für die klinische Wirksamkeit von Homöopathika reicher.
Was offen bleibt:
Die entscheidende Frage lautet: Warum scheuen sich seriöse Fachjournale, Fehler im Peer-Review-Verfahren einzugestehen und riskieren damit nicht nur ihre eigene Reputation, sondern die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft insgesamt? Was muss noch geschehen, damit eine fehlerhafte Publikation zurückgezogen wird? Frass‘ Fehlverhalten verbleibt somit trotz Correction unkommentiert in der Literatur. Einmal mehr versagt ein Fachjournal in seiner Funktion als Hüter wissenschaftlicher Integrität.
Sind wir mal gespannt, was hier noch kommt …
Zum Thema:
Artikel: Wenn Medizin zur Glaubensfrage wird, Henrik Müller (Laborjournal 4/2025, S. 16–19) vom April 2025 [PDF-Download]
Artikel: Dass doch sein darf, was nicht sein kann. oder: Durchmarsch auf homöopathisch, Udo Endruscheit (skeptiker 4/2024)
Artikel: Video: Janos Hegedüs und Udo Endruscheit über den Globuli-Skandal im „Oncologist“, GWUP-Blog vom 28.11.2024
Artikel: Video: Janos Hegedüs und Norbert Aust über Krebs und Homöopathie im „Oncologist“, GWUP-Blog vom 15.11.2024
Artikel: Und wieder die homöopathische Lungenkrebsstudie: Ein paar „Korrekturen“ ändern nichts an der massiven Kritik daran, GWUP-Blog vom 27.09.2024
Artikel: Komplementärmedizin: Leitlinie für die Behandlung von Krebspatienten – „Je mehr Wallawalla, desto großzügiger“, GWUP-Blog vom 13.07.2024
Artikel: Gute Absicht, schlechte Medizin: Edzard Ernst über die Studie zu Homöopathie bei Lungenkrebs, GWUP-Blog vom 27.05.2024
Artikel: Homeopathy Research Hits New Low, Norbert Aust and Viktor Weisshäupl (Skeptical Inquirer Vol. 47, No. 3) Mai/June 2023
Artikel: Unzulässige Werbung für homöopathische Meditonsin-Tropfen: Urteil jetzt rechtskräftig, GWUP-Blog vom 05.05.2023
Artikel: Ein neuer Tiefpunkt in der Homöopathieforschung, Norbert Aust, Viktor Weisshäupl (skeptiker 4/2022, S. 177–184)
Artikel: Homöopathie bei Krebspatienten: Fast zu schön, um wahr zu sein, profil vom 28.10.2022
Artikel: Eine weitere Vorzeigestudie der Homöopathen endet als Desaster, GWUP-Blog vom 26.10.2022
Artikel: A thorough analysis of Prof M. Frass’ recent homeopathy trial casts serious doubts on its reliability, Norbert Aust u. Viktor Weisshäupl (Gastbeitrag bei Edzard Ernst) vom 11.06.2021
Artikel: Die neue Vorzeige-Studie der Homöopathen: nachträgliche Anpassung der Ergebnisse?, GWUP-Blog vom 09.06.2021
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Narrative der Urgeschichte – so heißt die Artikelreihe auf Leif Inselmanns Blog Wunderkammer der Kulturgeschichte, die am vergangenen Samstag ihre Fortsetzung bekommen hat. In dieser Serie räumt Leif mit gängigen Mythen über die Frühzeit des Menschen auf. Zwei Beiträge gibt’s bisher, in die wir nachfolgend einen kurzen Blick werfen.
Lebten Neandertaler besonders gefährlich?
vom 03. Mai 2025
War das Leben der Neandertaler wirklich brutaler, rauer und gefährlicher als das unserer direkten Vorfahren? Diesem Thema geht Leif im zweiten Beitrag seiner Reihe nach. Das Bild vom ‚groben‘ Neandertaler hält sich:
Lange Zeit wurde der Neandertaler (Homo neanderthalensis) als wilder und primitiver Vorläufer des modernen Menschen dargestellt: Wo der Homo sapiens durch Verstand und Innovation brillierte, habe sich der robust gebaute Neandertaler durch Zähigkeit und rohe Kraft hervorgetan.
Auswertungen von Funden schienen dies zu stützen:
Doch galt es nach wie vor als gut belegt, dass Neandertaler offenbar gefährlicher lebten als unsere eigenen Vorfahren: Davon zeugen sollen ihre Knochen, vor allem Schädel, an denen sich auffällig oft Spuren schwerer Verletzungen finden.
Die Studie Patterns of Trauma among the Neandertals von Berger/Trinkaus aus 1995 verglich anhand von Fossilien stichprobenartig die Verletzungsmuster von Neandertalern mit den moderner Menschen:
Mit einer Prävalenz von Kopf-Hals-Traumata von nicht weniger als 30‒40 % scheinen männliche Neandertaler demnach einen besonders riskanten Lebensstil gepflegt zu haben. Viel zitiert wurde seitdem vor allem Berger/Trinkaus‘ Beobachtung, dass die Neandertaler-Population ein vergleichbares und ähnlich hohes Verletzungsmuster aufweise wie heutige amerikanische Rodeo-Reiter. Im Gegensatz zum intelligenteren Homo sapiens, der Fernwaffen aus sicherer Entfernung bevorzugte – so die mehr oder weniger explizite Schlussfolgerung – habe der Neandertaler sich mit Stoßspeeren auf unmittelbare Tuchfühlung zu gefährlichen Großtieren begeben, was regelmäßig schwere Verletzungen nach sich zog.
2018 gab es an der Uni Tübungen eine Studie, die
erstmals eine populationsstatistische Auswertung an einer großen Zahl Fossilien von Neandertaler und paläolithischen Homo sapiens sowohl mit als auch ohne Verletzungen vor[nahm], um das Vorkommen von Kopf- und Halstraumata auf einer repräsentativen quantitativen Ebene miteinander zu vergleichen.
Dies änderte die Sicht:
Anders als bei der Stichprobe von Berger/Trinkaus (1995), wo eine sehr kleine Anzahl Neandertaler-Fossilien mehreren holozänen und neuzeitlichen Homo-sapiens-Populationen gegenübergestellt wurde, zeigte sich nun also kein deutlicher Unterschied zwischen beiden Arten mehr. Dies galt auch dann, wenn man die Faktoren Geschlecht, Sterbealter und Erhaltungszustand der Fossilien einberechnete.
Leif schlussfolgert:
Zweifellos zeugen die vorliegenden Fossilien von einem Leben in der Altsteinzeit, das oft genug gefährlich und entbehrungsreich sein konnte – auch wenn sich aus verheilten Traumata erschließen lässt, dass beide Arten ihre Angehörigen pflegten und selbst schwere Verletzungen mitunter noch lange überleben konnten. Dass Neandertaler dabei nennenswert gewalttätiger oder risikofreudiger gewesen wären als ihre „modernen“ Cousins, geht aus den vorliegenden Daten aber nicht hervor.
Ein dramatisches Bild: eine Horde wilder Pferde, die in panischem Galopp in den Abgrund stürzt – gejagt von urzeitlichen Menschen mit Fackeln und Speeren. Dieses Motiv ist in der Paläo-Kunst allgegenwärtig, nicht zuletzt dank des tschechischen Illustrators Zdeněk Burian. Aber: Hat sich das wirklich so abgespielt?
Das Bild von Steinzeitmenschen, die Pferde jagen, indem sie diese über einen Abhang treiben, gehört zweifellos zu den wirkmächtigsten Narrativen der populären Steinzeit-Rezeption.
Der Ursprung davon liegt in Frankreich:
Bereits 1866 wurden durch den Historiker Adrien Arcelin und den Geologen Henry de Ferry erste steinzeitliche Funde am Roche de Solutré gemacht. Unter anderem kamen bei den Ausgrabungen in einer altsteinzeitlichen Schicht zahlreiche Knochen von Tieren zutage, die offenbar von den Menschen des Eiszeitalters erlegt worden waren. Pferde machen hierbei rund 94 % der Faunenreste aus. Nach einer Erhebung Stand 1989 handelte es sich um die Überreste von mindestens 83 Tieren, wobei nur ein Bruchteil der mutmaßlichen Ausdehnung der Fundstelle überhaupt ausgegraben wurde.
Ein Roman war es, der diese Funde mit der Abgrundjagd in Verbindung brachte:
Diese tauchte erstmals 1872 in dem Roman Solutré ou les chasseurs de rennes de la France centrale („Solutré oder die Rentierjäger Zentralfrankreichs“) auf, den der Ausgräber Arcelin unter dem Pseudonym Adrien Cranile verfasste. Die Rekonstruktion des Jagdgeschehens basierte hierbei maßgeblich auf dem ethnographischen Vergleich mit der Bisonjagd, wie sie von Ureinwohnern Nordamerikas bezeugt ist. Von jenem Roman aus verbreitete sich die Darstellung in populären Darstellungen der Altsteinzeit und wurde bereits im 19. Jahrhundert zu einem der beliebtesten Motive der Paläo-Kunst.
Was sagt die heutige Forschung dazu?
Entgegen der ungebrochenen Beliebtheit des Sujets in der Kunst spielt die These der Abgrundjagd in der heutigen Forschung keine Rolle mehr. Tatsächlich entspricht sie weder dem bekannten Verhalten von Pferdeartigen, noch hält sie einem Abgleich mit den archäologischen Funden stand.
Aus den Knochenfunden lässt sich schließen:
Anhand der Vollständigkeit und Verteilung der Knochen ist davon auszugehen, dass die Tiere nicht über eine größere Strecke bewegt, sondern vor Ort getötet und geschlachtet worden sind. Ansonsten, sollte man meinen, hätten die Jäger die Tiere grob schon am Ort der Tötung zerteilt und die schwersten Knochen und fleischarme Stücke zurückgelassen, anstatt komplette Kadaver bis ins Jagdlager zu schleppen und erst dort auszunehmen.
Auch die Faunenreste selbst stützen die Hypothese einer Abgrundjagd nicht: In diesem Fall wären umfangreiche Knochenbrüche durch den tödlichen Sturz zu erwarten. Auch wenn sich solche nicht ganz sicher von postmortalen Frakturen (etwa durch Aasfresser oder das Aufbrechen zum Erreichen des Knochenmarks) unterscheiden lassen, so sind derartige Brüche unter den gefundenen Knochen doch insgesamt sehr selten.
Somit heißt es:
Ob die Praxis einer Abgrundjagd für Pferde oder andere Tiere an anderen Orten in der Altsteinzeit jemals Anwendung fand, lässt sich zwar prinzipiell nicht ausschließen, aktuell aber ebenso wenig belegen.
Artikel: Leif Inselmann über eine Oster-Kontroverse in der altorientalistischen Forschung: „Glaubten die Babylonier an Tod und Wiederauferstehung des Gottes Marduk?“, GWUP-Blog vom 22.04.2025
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Am 26. März hielt Carsten Ramsel im Rahmen der Skeptics in the Pub Hamburg einen Vortrag über Gewaltfreie Kommunikation. Das zugehörige Skript steht nun weiter unten als PDF zum Download bereit.
In dieser Zusammenfassung führt Carsten in die Grundlagen des von Marshall B. Rosenberg entwickelten Konzepts ein: Die Unterscheidung zwischen Giraffen- und Schakalsprache wird am Teetassenbeispiel erklärt. Anschließend wirft er einen kritischen Blick auf die zentralen Annahmen der GFK. Kann dieser Kommunikationsstil wirklich zu einem besserem Miteinander beitragen oder ist sie mehr ein Kommunikationsritual mit unklarer Wirkung? Und was passiert eigentlich, wenn eine ‚gewaltfrei‘ vorgetragene Bitte schlicht abgelehnt wird?
Der Text bietet eine skeptische Einführung in die Auseinandersetzung mit der Gewaltfreien Kommunikation, die den pädagogischen Optimismus dahinter etwas abfedert.
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Sebastian Schnelle hat in den letzten Monaten im Humanistischen Pressedienst (hpd) eine Reihe von Artikeln veröffentlicht. Ich stelle sie für einen kurzen Überblick zusammen und sortiere sie chronologisch absteigend. Die Überschriften verlinken zu den jeweiligen Artikeln.
Seb reagiert hiert auf Kritik zu früheren Beiträgen. Diese nimmt er als Anlass, um in diesem Artikel eine klare Differenzierung zwischen Islam und Islamismus zu geben.
Was Islamisten von einfachen Muslimen in aller Welt unterscheidet, ist, dass der Islamismus einen politischen Anspruch erhebt, das Leben von Muslimen und selbst Un- oder Andersgläubigen in seinem Einflussbereich zu regulieren. Er erhebt den Anspruch Herrschaftsform zu sein, was „der Islam“ nicht tut und was von der Mehrheit der Muslime abgelehnt wird.
Wie lässt sich ein Islamist erkennen?
Wer ein Kalifat fordert, wer „den Islam“ zur Grundlage des Zusammenlebens machen möchte oder Parlamentarismus und Demokratie als „unislamisch“ ablehnt, der ist Islamist. Wer die Scharia als Grundlage einer Staatsordnung implementiert sehen möchte oder sich eine Theokratie oder ein Kalifat wünscht, ist Islamist.
Den Pauschalvorwurf „Alles Islamisten!“ weist er zurück.
Ich finde es erschreckend und es will mir nicht in den Schädel, wie gerade linke, sich als progressiv verstehende Menschen mit einer solchen Ideologie gemeinsame Sache machen können und wollen.
Der Islamismus ist eine ultra-reaktionäre Ideologie (im politischen Äquivalent würde man von rechtsextrem sprechen), welche die Menschenrechte, Demokratie, Gleichberechtigung und Religionsfreiheit ablehnt. Seine Opfer sind größtenteils liberale Muslime und Ex-Muslime. Mit diesen sollten wir uns solidarisch zeigen.
In diesem Artikel zieht Seb Parallelen zwischen dem Frauenbild islamistischer Gruppen und dem rechter Christen im Westen.
Als Beispiel für islamistische Frauenfeindlichkeit verweist er auf einen seiner früheren Texte. Doch bei manchen in der deutschen Rechten klingt es ähnlich:
Auch in der deutschen radikalen bis extremen Rechten machen sich reaktionäre Spielarten des Christentums mit ihren rückwärtsgewandten Frauenbildern breit. So äußert der AfD-Politiker Maximilian Krah, der der traditionalistisch-katholischen Strömung der AfD zugerechnet wird, in seinem Buch „Politik von rechts – Ein Manifest“ ein nicht unähnliches Frauenbild, wenn er von einem „über die sexuelle Attraktivität ausgetragene[n] Konkurrenzkampf“ von Teilen der Frauen um „als Alpha wahrgenommene Männer“ schreibt.
Rückblick: 2015 kam im Online-Magazin des IS Dabiq ein Artikel heraus, der die Zweiteilung der Welt forderte: Muslime vs. Ungläubige.
Das Ziel dieser klaren Teilung sei es, Muslime weltweit, besonders aber diejenigen in der westlichen Welt, zu zwingen, sich dem IS anzuschließen oder als Feinde betrachtet zu werden. Das Mittel waren terroristische Angriffe, besonders auch auf Ziele der Zivilgesellschaft.
Ihr Hass gilt der westlichen Welt und ihren Werten, wie in einem Artikel aus der letzten Ausgabe der Zeitschrift zu lesen ist:
Dort heißt es wörtlich: „Wir hassen euch, weil eure säkularen, liberalen Gesellschaften genau die Dinge zulassen, die Allah verboten hat.“ Unter den explizit genannten verbotenen Dingen findet sich dann zum Beispiel Homosexualität.
In diesem Artikel zeigt Seb, wie sich etwa im Iran oder Ägypten Frauenrechte und gesellschaftliche Freiheiten über Jahrzehnte wieder zurückentwickelt haben.
In Ägypten wurde Ende der 1950er Jahre die Forderung der Muslimbruderschaft nach einer Kopftuchpflicht für Frauen in der Öffentlichkeit vom Präsidenten zurückgewiesen:
Diese Forderung soll Nasser [damaliger ägyptischer Präsident] mit dem Verweis, dass, wenn al-Hudaibi [Führer der Muslimbruderschaft] seine eigene Tochter nicht zwingen könne, Kopftuch zu tragen, er, Nasser, wohl kaum zehn Millionen Ägypterinnen zwingen könne, abgeschmettert haben.
Es wurde sich darüber lustig gemacht:
Als Nasser berichtet, dass er sich mit der Führung der Muslimbruderschaft getroffen habe und dass eine Forderung dieser gewesen sei, dass Frauen sich in der Öffentlichkeit zu verschleiern hätten, bricht im Saal Gelächter aus und es kommt zu einem Zwischenruf, dass „er selbst“ – gemeint ist wohl al-Hudaibi – doch das Kopftuch tragen solle, der ebenfalls mit Gelächter quittiert wird.
Heute sieht es ganz anders aus:
[N]icht nur der Zwang der Staatsmacht, auch der Druck von unten hat beständig zugenommen. Heute tragen in den arabischen Staaten mehr Frauen Kopftuch als in den 1950er und 1960er Jahren und es hat eine deutliche Retraditionalisierung stattgefunden. Diese muss gar nicht notwendig von Religionswächtern oder ähnlichen Organisationen kontrolliert werden, sondern hat sich organisch in der Gesellschaft breit gemacht.
Seb berichtet über das Buch des russischen Rechtsintellektuellen Alexander Dugin zu Donald Trump.
Alexander Dugin ist ein rechtsextremer russischer politischer Autor, der seit den späten 1980er Jahren in der russischen Politik aktiv und Mitbegründer der National-Bolschewistischen Partei ist. […]Dugin verließ die Partei später wieder und fokussierte sich stattdessen auf die von ihm bis heute vertretene Idee des Eurasianismus.
Das Buch ist in zwei Teile aufgeteilt:
Der erste Teil dreht sich um etwas, das Alexander Dugin als „decoupling“ (Trennung, Entflechtung) bezeichnet. […] Im zweiten Teil, der sich dann explizit Donald Trump und dessen Umfeld widmet, fabuliert Dugin von einem Dritten Weltkrieg, den Joe Biden anzetteln könnte, nur um die Wahl nicht zu verlieren, ein Szenario, das er für „nicht unwahrscheinlich“ hielt und selbstverständlich darf die Erwähnung von „Soros ultra-globalistischen Strukturen“ nicht fehlen, die angeblich hinter Biden in Form eines Deep State stecken.
Dugins Aussichten:
Wenn es nach Dugin geht, führt die Trump-Revolution dazu, dass die von ihm ersehnte multipolare Weltordnung sich durchsetzen wird und Europa an Bedeutung verliert, ganz im Sinne einer eurasischen Ideologie, in der Russland die vorherrschende Großmacht in Europa wird. Auch hofft Dugin auf ein postliberales Moment, welches das Ende des Liberalismus in den USA einleitet. Ich hoffe, dass er unrecht behalten wird.
JD Vance wird katholisch. Seb fragt sich, was hinter dieser religiösen Wende steckt:
Handelt es sich um einen opportunistischen Kurswechsel, eine spirituelle Krise oder gar nur um „christliche Werte als modisches Accessoire“?
Seb holt dazu etwas aus:
Der Postliberalismus ist eine Kritik an liberalen Gesellschaften des späten 20. und frühen 21. Jahrhunderts und kritisiert diese dafür, es mit ihrer Betonung individueller Rechte, freier Märkte und begrenzter staatlicher Macht versäumt zu haben, wesentliche gesellschaftliche Probleme anzugehen. […] Besonders individuelle Rechte als über der Gemeinschaft stehende Rechtsprinzipien stehen im Fokus der Kritik der Postliberalen, da diese in ihren Augen die Rolle von Familie, Gemeinschaft und Tradition untergraben hätten.
Und hierzu zählt auch eine religiöse Komponente:
Für einige Autoren, wie Adrian Vermeule ist der religiöse Integrationalismus, also die Vorstellung eines christlich-katholisch geprägten Staates, ein ausdrückliches Ziel ihres politischen Aktivismus, für andere wie Adrian Pabst, ist die katholische Soziallehre einer der Ausgangspunkte ihres politischen Denkens. Hier möchte ich die Brücke zurück zu JD Vance und seinem angeblichen Erweckungserlebnis 2019 schlagen und zwei Beobachtungen anfügen.
Die erste Beobachtung:
Zum einen verweist Vance auf die „Bekenntnisse“ des Augustinus als Augen öffnend für seine Hinwendung zum katholischen Glauben.
Die zweite:
Diese Art der religiös bemäntelten Politik ist auch in Deutschland zu finden. Maximilian Krah, bekannter AfD-Politiker, beschreibt in seinem Buch „Politik von rechts“ nicht nur ganz ähnliche Ansätze in Bezug auf Liberalismus, Gemeinschaft und Familie wie die Postliberalen in den USA […]
Wahrscheinlich ist die einleitende Frage mit sowohl als auch zu beantworten:
Die Frage „Opportunistischer Kurswechsel oder spirituelle Krise?“ kann man aber vielleicht mit „Warum nicht beides?“ beantworten.
Hier schreibt Seb über Musks Verbindungen ins rechte Lager. Einige Beispiele:
So berichtete der Spiegel, dass Musk schon 2023 zu Mathias Döpfners 60. Geburtstag mit der niederländischen Rechtsaußen-Influencerin Eva Vlaardingerbroek erschienen sein soll.
Ebenfalls 2023 war Musk beim „Atreju-Festival“ der italienischen Premierministerin Giorgia Meloni zu Gast, das für die rechte Jugend Italiens organisiert wird. Dort hielt er eine Rede, in der er unter Bezugnahme auf Einwanderung davon sprach, dass er nicht wolle, dass „Italien als Kultur aufhöre zu existieren“ und verknüpfte damit Einwanderung und kulturelles Überleben, was schon verdächtig nah an die These vom „Großen Austausch“ kommt.
Dass Musk außerdem den Neoreaktionären um seinen Förderer Peter Thiel nahe steht, ist naheliegend und zeigt, dass hier eine Vernetzung von US-amerikanischen und europäischen Rechtsaußen-Milieus entsteht, die über die bereits bekannten Verbindungen in das Umfeld der britischen Brexiteers um Nigel Farage hinausgeht.
Also:
In Anbetracht all dieser Verknüpfungen scheint es also wenig verwunderlich, wenn Musk in der AfD nichts „Rechtsextremistisches“ zu erkennen vermag, scheint er doch deren Einstellungen in vielen Punkten zu teilen.
Unter der aktuellen US-Regierung hat ein Think Tank großen Einfluss:
Das Claremont Institute for the Study of Statesmanship and Political Philosophy, kurz Claremont Institute, ist ein konservativer Think Tank, der den meisten Lesern völlig unbekannt sein wird. Trotzdem spielt er eine wichtige Rolle in der US-amerikanischen Politik.
Ein Eindruck vom ‚Clare-Monster‘:
In einem Aufsatz mit dem Titel „The Coming Coup?“ fabuliert Anton von einem Deep State, der mit Unterstützung von George Soros einen Coup vorbereite, bei dem das Militär eingreifen werde, sollte Donald Trump die Wahl 2020 gegen Joe Biden gewinnen. Nachdem Donald Trump zwar gegen Biden verlor, aber 2024 gegen Harris gewann und heute ohne Eingriff des Militärs im Weißen Haus sitzt, kann dies getrost ins Reich der Märchen verwiesen werden.
Sie orientieren sich auch an bekannten rechten Denkern:
Noch expliziter wird es im Buch „Up from Conservatism“ des Executive Director des Claremont Institute’s Center for the American Way of Life, Arthur Milikh (Hrsg.), von 2023. Dort heißt es im Vorwort: „Die New Right erkennt die Linke als Feind an, nicht nur als Gegenbewegung. […] Die New Right ist eine konterrevolutionäre und restaurative Kraft.“ Carl Schmitt, der Vordenker der deutschen Neuen Rechten, hätte an diesem Freund-Feind-Schema seine wahre Freude.
In einem Podcast aus dem September 2021, der damals kaum beachtet wurde, spricht JD Vance offen über radikale Umbauten des Systems.
Sie unterhalten sich über eine mögliche zweite Präsidentschaft von Trump:
Zu Beginn der Passage, in der es um eine zukünftige Trump-Präsidentschaft geht, erwähnt Vance den Blogger Curtis Yarvin. Man erinnere sich: Yarvin vertritt die These, dass die USA eine Erbmonarchie werden oder wie ein Familienunternehmen geleitet und vererbt werden sollten. Die Demokratie lehnt er explizit als ineffizient ab.
Es sind Worte, die im Rückblick nochmal in einem ganz neuen Licht stehen:
Vance fährt fort, dass man „ziemlich weit gehen und Richtungen [wird] einschlagen müssen“, mit denen sich „viele Konservative derzeit nicht wohl fühlen“, woraufhin sein Gastgeber ihm recht gibt und antwortet: „In einigen meiner Bekanntenkreise ist der Ausdruck ‚verfassungswidrig‘ (extra-constitutional) ziemlich oft gefallen.“
Sebs Kommentar ist knapp, aber beunruhigend:
Vielleicht werden die Schulbücher der Zukunft auf diesen Podcast vom September 2021 verweisen und sagen: Ab da hätte man es wissen müssen.
Seb schreibt hier über die Verbindungen zwischen der Tech-Szene und der Politik in den USA.
Diese Ideologie bezeichnet sich selbst als Neoreaktion, im Internet häufig als NRx abgekürzt, entstand in der Blogosphäre der 2000er Jahre und präsentiert sich als radikale Abkehr von den Idealen der modernen liberalen Demokratie. Einer ihrer Vordenker ist Curtis Yarvin, der von 2007 bis 2016 unter dem Pseudonym Mencius Moldbug den Blog Unqualified Reservations betrieb.
Die Verbindungen:
Während Musk und Yarvin sich nie persönlich begegnet sein sollen, kann durch das Geflecht aus gemeinsamen Bekannten und der Tatsache, dass Musks eigene Vorstellungen rund um DOGE sich sehr gut mit denen von Yarvin treffen, geschlossen werden, dass Elon Musk die Ideen der Neoreaktion zumindest nicht völlig unbekannt sind. Nimmt man hinzu, dass Musk üblicherweise sehr gut über Vorgänge der Internetkultur im Bilde ist, wäre es ganz im Gegenteil eher ungewöhnlich, sollte er noch nicht mit der NRx in Berührung gekommen sein.
Zum Thema:
Artikel: Skeptische Köpfe im Gespräch: Sebastian Schnelle, hpd vom 30.04.2025
Podcast: Postliberalismus, Vorpolitisch vom 27.04.2025
Podcast: Right-Wing Mainstreaming, Vorpolitisch vom 27.04.2025
Artikel: Die Methode der Provokation, Sebastian Schnelle (hpd) vom 18.03.2025
Artikel: Seb von Vorpolitisch zu Gast bei imps Skeptrum: Islamismus & die Neue Rechte, GWUP-Blog vom 07.03.2025
Podcast: Reaktionäre Frauenbilder, Vorpolitisch vom 01.03.2025
Podcast: Ideologiekritik, Vorpolitisch vom 23.02.2025
Artikel: Vortrag: Judith Faessler und Sebastian Schnelle referieren über das unwissenschaftliche Weltbild der Neuen Rechten (Skepkon 2024), GWUP-Blog vom 04.02.2025
Artikel: Identitätspolitiken von Links und Rechts: Der perfekte Sturm, Sebastian Schnelle (hpd) vom 13.01.2025
Podcast: Julius Evola, Vorpolitisch vom 05.01.2025
Podcast: Die Alt-Right, Vorpolitisch vom 29.12.2024
Podcast: Die Neoreaktion, Vorpolitisch vom 22.12.2024
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Im neuen Video der Skeptischen Gesellschaft sprechen Anna Vero Wendland und André Sebastiani über Stromausfälle und die Bedeutung der Kernkraft für ein stabiles Stromnetz.
System am LIMIT | Anna Vero Wendland über dem Stromausfall in Spanien | Skeptische Gesellschaft
Inhalt:
Einleitung und Vorstellung von Anna Vero Wendland [ab 0:00 min]
Blackout in Spanien, Portugal und Südfrankreich [ab 2:50 min]
Iberische Halbinsel besonders anfällig [ab 4:20 min]
Frequenz und Stromnetz [ab 6:00 min]
Rolle der Kernkraft [ab 10:50 min]
Gefährdete der Blackout die Sicherheit in den Kraftwerken? [ab 17:20 min]
Erneuerbare Energien [ab 22:10 min]
Welcher Schaden ist entstanden? [ab 27:30 min]
Politische Reaktionen [ab 31:00 min]
Solarkraft als Hilfe bei Blackouts? [ab 34:00 min]
Keine nüchterne Diskussion über Fragen der Energieversorung [ab 39:50 min]
Artikel: Wissenschaftsjournalismus mit Bias light: die MAITHINK X-Sendung „Atomkraft ohne Plan“, GWUP-Blog vom 06.10.2022
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Die Nachrichten über die drastischen Einschnitte, die die Trump-Regierung in Wissenschaft und Forschung vorgenommen hat, reißen nicht ab. Steven Pinker brachte dieses Vorgehen in einem Interview mit der SZ unmissverständlich auf den Punkt: „Das ist die komplette Verachtung der Wissenschaft“.
Es sind nicht nur die reinen Kürzungen, die schockieren; es ist vor allem das Klima, das dadurch entstanden ist. Ein Klima der Angst und Unsicherheit, das Wissenschaftler zunehmend davon abhält, frei zu forschen oder ihre Erkenntnisse zu veröffentlichen.
In einem Artikel von The Detroit News gibt es dazu ein bezeichnendes Beispiel:
„Fearing paper on evolution might get them deported, scientists withdrew it“
Dahinter steckt eine eigentlich vielversprechende Forschungsarbeit zur Evolution, gemeinsam geschrieben von drei Wissenschaftlern: zwei davon aus den USA, einer aus Europa. Doch kurz vor der geplanten Veröffentlichung zogen die US-Kollegen plötzlich zurück:
After much thought, the co-authors said they preferred not to risk publishing at this time. One had just lost a job because of a canceled government grant; the other feared a similar fate if they went ahead with the paper. Although both were legally in the U.S., they worried they might lose their residency if their names appeared on a potentially controversial article.
Was ist denn das kontroverse Thema?
The subject: evolution.
Obwohl es keine expliziten Hinweise darauf gab, dass evolutionsbezogene Forschung von den Kürzungen betroffen sei, reichte die allgemeine Unsicherheit offenbar aus, um diese Veröffentlichung zu verhindern:
Although President Donald Trump’s executive orders have not targeted research involving evolution, the authors’ unease about publishing on the subject reflects the fear and uncertainty now rippling through the science world.
Hintergrund:
[T]he past few months have proved a difficult time for science. The National Institutes of Health has targeted research in many areas, terminating $2.4 billion in grants on projects examining HIV, covid-19, gender identity, racial health disparities and vaccine hesitancy among other subjects, according to a lawsuit filed last week against NIH by the American Civil Liberties Union. Layoffs across the nation’s health and science agencies have disrupted research. And universities have scaled back hiring graduate and doctoral students in response to massive cuts in federal funding to their campuses.
Michael L. Wong, der das Paper als Herausgeber betreuen sollte, bedauerte den Rückzug:
“I was so looking forward to reading this paper because I think the ideas in it are potentially transformative,” Wong said. “But the fact that people, scientific researchers, are afraid of just engaging in normal scientific discourse, putting their well thought out ideas into the public sphere so that everybody can see them, read them, come to their own conclusions about them and then debate them ― it is so disheartening.”
Ihm bleibt nur die Hoffnung:
“I’m so bummed that I’ll never get to read the paper,” he said. Trying to be optimistic, he added that maybe in a few years he will get to read the paper.
“Fingers crossed.”
Die ganze Geschichte ist nachzulesen im Artikel von The Detroit News.
Zum Thema:
Artikel: All Along the Watchtower: Trump’s Impact on Academia, Unsafe Science vom 24.04.2025
Artikel: Steven Pinker über Harvards Widerstand gegen Trump und die Zustände an US-Universitäten, Süddeutsche Zeitung vom 15.04.2025 [Paywall]
Artikel: 5-teilige Videoserie zu Robert F. Kennedy Jr., GWUP-Blog vom 05.04.2025
Artikel: BMBF und Allianz der Wissenschaftsorganisationen mit einer gemeinsamen Erklärung für Wissenschaftsfreiheit, GWUP-Blog vom 04.04.2025
Artikel: Trump und die Wissenschaft: Kürzungen, Proteste und der Kampf um die Forschung, GWUP-Blog vom 18.03.2025
Artikel: Ein Blick auf RFK: Janos Hegedüs und Udo Endruscheit im Gespräch, GWUP-Blog vom 03.03.2025
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Wir hatten Udo Endruscheit Artikelreihe zum Erkenntnisrelativismus auszugsweise hier schon einmal. Inzwischen ist die Reihe abgeschlossen. Zeit also, den Rundumblick zu liefern. Die Überschriften verlinken direkt zu den jeweiligen Beiträgen.
Zum Auftakt seiner Reihe wirft Udo ein Licht auf den Erkenntnisrelativismus. Dabei stellt er gleich die Leitfragen für die Serie:
Was zunächst als berechtigter Reflex auf wissenschaftlichen Dogmatismus und Machtstrukturen begann, hat sich in manchen Bereichen zu einer Herausforderung für den wissenschaftlichen Diskurs selbst entwickelt: Wenn alle Wahrheiten als gleichwertige Narrative gelten, verliert Wissenschaft ihre normative Kraft. Doch ist dieser Vorwurf gerechtfertigt? Haben Philosophen wie Kuhn, Foucault oder Derrida tatsächlich eine radikal relativistische Position vertreten – oder wurden sie vereinnahmt? Diesen Fragen soll eine kleine Artikelserie nachgehen, deren erster Teil dieser Beitrag ist.
Folgende erkenntnistheoretische Opposition ist für die Debatte von zentraler Bedeutung:
Die Frage, wie wir zu Wissen gelangen, ist eine der grundlegendsten philosophischen Debatten. Zwei einflussreiche Positionen, die sich hierbei gegenüberstehen, sind der kritische Rationalismus und relativistische Erkenntnistheorien.
Erstgenannter „geht davon aus, dass Wissen immer vorläufig ist und sich nur durch kritische Prüfung und Falsifikation weiterentwickeln kann.“ Relativistische Theorien zeichnen sich indes dadurch aus, dass sie „den Wahrheitsbegriff entweder aufweichen oder gar ablehnen.“
Für Udo ist jedenfalls klar, wohin die Reise für Skeptiker gehen sollte:
Gleich hier werde ich keinen Hehl daraus machen, dass ich den kritischen Rationalismus als unabdingbare Grundlage eines sinnvollen, realitätsbezogenen und kritischen Skeptizismus ansehe. Ernsthaft betriebene skeptische Aufklärung setzt voraus, sich seiner epistemologischen Grundlagen sicher zu sein.
Im zweiten Beitrag klärt Udo, woher die hohe Relevanz für diese philosophische Frage kommt. Der Erkenntnisrelativismus mag keine neue Idee sein, aber seit dem 20. Jahrhundert ist er deutlich lauter geworden:
Der epistemologische Relativismus entwickelte sich von einer philosophischen Randerscheinung zu einer einflussreichen Strömung, die in vielen geistes- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen prägend wurde.
Geschichtliche Ereignisse spielten dabei eine wesentliche Rolle:
Das 20. Jahrhundert bot dafür den Nährboden: Die Erschütterung der Aufklärungsideale durch zwei Weltkriege, die Verbrechen totalitärer Regime und das Scheitern von Fortschrittsnarrativen führten zu einem tiefen Misstrauen gegenüber den traditionellen Wahrheitsansprüchen westlicher Rationalität.
Am Ende des Beitrags gibt Udo einen kleinen Ausblick auf die Themen, die folgen.
Jetzt wird’s konkret: Den Auftakt macht Foucault. Auch wenn er sich selbst nicht als Relativist verstand, steuerte er durchaus seinen Teil dazu bei:
Foucaults Werk konzentriert sich auf die Analyse der Wechselwirkungen zwischen Wissen und Macht. Er argumentiert, dass Wissen niemals unabhängig von Machtstrukturen existiert, sondern vielmehr durch sie produziert wird.
Foucaults Ansatz wird oft als Grundlage für epistemologischen Relativismus herangezogen, da er suggeriert, dass es keine überzeitlichen, objektiven Wahrheiten gibt, sondern nur kontextspezifische Wahrheitsregime. Seine Idee der „Macht-Wissen-Komplexe“ zeigt auf, dass wissenschaftliche Erkenntnisse nicht einfach „entdeckt“, sondern im Rahmen sozialer und politischer Machtverhältnisse produziert werden.
Udo differenziert:
Ich würde also sagen, Foucaults Analyse ist wertvoll, um zu verstehen, wie sich Wissensordnungen historisch entwickeln und warum bestimmte Wahrheiten in bestimmten Epochen vorherrschen. Aber wenn man daraus schlussfolgert, dass Erkenntnis immer nur eine Funktion von Macht und Kontext ist und nicht eine Annäherung an eine objektivere Beschreibung der Welt sein kann, dann läuft man Gefahr, in einen pessimistischen erkenntnistheoretischen Relativismus zu verfallen.
Weiter geht’s mit Jean-François Lyotard und seinem Begriff Metanarrativ:
Was meint Lyotard mit „Metanarrativen“? Gemeint sind die großen Sinn- und Geltungserzählungen der Moderne – etwa der Fortschrittsglaube der Aufklärung, der Historismus des Marxismus, die universelle Vernunft der Wissenschaft oder auch die Idee des gesellschaftlichen Fortschritts durch technische Rationalität. All das wird bei Lyotard nicht in erster Linie „widerlegt“, sondern delegitimiert – weil es seiner Ansicht nach den Anspruch erhebt, Wahrheit zu „besitzen“ und damit andere Stimmen zu marginalisieren.
Udo ringt mit Lyotards Philosophie. Er versteht dessen Skepsis, doch bleibt er dem aufklärerischen Gedanken treu:
Als skeptischer Humanist stehe ich Lyotards berühmter These vom Ende der großen Erzählungen mit zwiespältigen Gefühlen gegenüber. Zu sehr widerspricht der radikale Zweifel an universalen Wahrheitsansprüchen dem Geist der wissenschaftlichen Aufklärung, der mich geprägt hat. Diese baut auf der Idee auf, dass es intersubjektiv überprüfbare Wahrheiten und verlässliche Methoden gibt – ein Fundament, das Lyotards Postmoderne kühn in Frage stellt. Und doch ist seine Diagnose nicht einfach von der Hand zu weisen. Spätestens nach den Katastrophen des 20. Jahrhunderts – von Auschwitz bis Hiroshima – ließ sich der naive Glaube an einen geradlinigen Fortschritt und an allumfassende Heilsversprechen kaum aufrechterhalten. In diesem Licht erscheint Lyotards Skepsis gegenüber den großen Erzählungen verständlich: Sie traf – und trifft – einen Nerv der ernüchterten Spätmoderne und mahnt uns, die eigenen Gewissheiten kritisch zu hinterfragen. So bleibt seine Position aus Sicht der wissenschaftlichen Vernunft zwar hochproblematisch, aber eben nicht gänzlich unberechtigt.
An diesem Punkt trennen sich Lyotards Weg und der des klassischen Skeptikers:
Gerade dieser Punkt – dass sich aus der Erkenntnis des „Legitimationsverlusts der großen Erzählungen“ nicht das Ende von Wahrheit ergibt, sondern der Bedarf nach einem neuen Wahrheitsbegriff – ist die entscheidende Weggabelung. Lyotard biegt links ab, der humanistische Skeptiker geht geradeaus. Und genau an diesem Kreuzungspunkt wird deutlich, dass kritisches Denken nicht in Beliebigkeit münden muss, sondern in verantwortbare Erkenntnisfähigkeit, auch und gerade angesichts der Fragilität ihrer Grundlagen.
Mit Jacques Derrida wird’s linguistisch – Bedeutung ist nie stabil, Wahrheit nie eindeutig:
Derrida entwickelte die Dekonstruktion als eine Strategie, um die scheinbare Stabilität von Sprache und Bedeutung infrage zu stellen. Er zeigte, dass Bedeutung niemals endgültig fixiert ist, sondern sich durch ein unendliches Netz von Differenzen und Kontexten verschiebt („différance“).
Problematisch ist dies für Skeptiker und ihre Prämisse, dass objektive Erkenntnis prinzipiell erzielt werden kann:
Wenn Bedeutung instabil ist, dann wird auch das Konzept „objektiver Wahrheit“ fragwürdig. Dies unterminiert klassische wissenschaftliche Ansprüche auf neutrale oder universale Erkenntnis und damit den objektiven Wahrheitsbegriff selbst: Jede Theorie ist in sprachliche und kulturelle Kontexte eingebettet, womit jeder „absolute Wahrheitanspruch“ hinfällig wird und nur als ein narratives Konstrukt auf der sprachlichen Ebene betrachtet werden kann.
Diese Denkweise ist nicht auf die Philosophie beschränkt geblieben:
Die Berufung auf Derrida führt In den Sozial- und Geisteswissenschaften zunehmend dazu, dass Wissen zunehmend als durch soziale, kulturelle und sprachliche Kontexte geformt betrachtet wird mit der Folge, dass Methoden objektiver Untersuchungen in den Hintrgrund geraten. Es ist nicht auszuschließen, dass hierin die Replikationskrise der Sozial- und Geisteswissenschaften eine ihrer Wurzeln hat. Replikation setzt Intersubjektivität voraus – die jedoch kaum mehr eingefordert wird, wenn alles als sozial konstruiert gilt.
Butler baut auf Foucault und Derrida auf und bringt deren Gedanken konsequent in die Gender-Theorie:
Judith Butler hat mit ihrer Theorie der Performativität in der Gender-Theorie viel mehr als nur ein Narrativ geliefert – sie hat eineb epistemologischen Anspruch für ihre Art von Relativismus erhoben. Ihr Ansatz geht weit über bloße Kulturkritik hinaus und hat erheblichen Einfluss auf die Critical Studies genommen.
Butlers zentrale These lautet, dass Geschlecht (gender) nicht durch biologische Gegebenheiten festgelegt ist, sondern performativ erzeugt wird. Das bedeutet: Geschlecht existiert nicht als feststehende Realität, sondern wird durch sprachliche und soziale Praktiken hervorgebracht. Diese Idee ist direkt von Michel Foucault und Derrida beeinflusst, insbesondere von deren Konzepten der Diskursanalyse und der Dekonstruktion.
Für Udo ein kritischer Punkt. Hier wird’s brenzlig für das naturwissenschaftliche Denken:
So wird Butlers performative Theorie zur Blaupause für eine umfassende Relativierung des naturwissenschaftlichen Weltbezugs. Es ist kein Zufall, dass aus diesem Denken heraus auch die Forderung wächst, biologische Konzepte „zu dekolonisieren“ – eine Formulierung, die selbst gut gemeint, aber in ihrer Radikalität bis zur Wissenschaftsfeindlichkeit reichen kann.
Gerade für einen skeptischen, rationalitätsbasierten Humanismus ist dieser Punkt entscheidend. Denn hier zeigt sich exemplarisch, wie erkenntnisrelativistische Entwürfe aus kritischen Impulsen heraus schließlich an den Grundfesten dessen sägen, was überhaupt als überprüfbare Erkenntnis gelten kann. Die Folge ist keine Befreiung – sondern ein epistemischer Rückschritt.
Udo zeigt in diesem Beitrag, inwiefern Parallelen von Judith Butler zur Christian Science bzw. zu Ludwig Wittgenstein gezogen werden können.
Der siebte Teil dreht sich um das heiße Eisen schlechthin: die Critical Studies:
In dieser Tradition – die sich auf die Kritische Theorie der Frankfurter Schule ebenso beruft wie auf Foucault, Derrida und Butler – wird Kritik zur politischen Mission: Erkenntnis soll nicht mehr nur erlangt, sondern verändert werden. Forschung ist damit kein offener Erkenntnisprozess mehr, sondern ein Beitrag zum „richtigen“ gesellschaftlichen Wandel.
Dieser aktivistische Aspekt macht die Critical Studies so problematisch:
Genau hier zeigt sich die konkreteste Form des epistemologischen Relativismus: Wenn Wahrheit nicht mehr als etwas erkannt wird, das unabhängig von Perspektiven existiert, sondern nur noch als sozial konstruiert und kontextabhängig betrachtet wird, dann degeneriert Wissenschaft zu einer Art Machtspiel. Was dann zählt, ist nicht mehr die Gültigkeit eines Arguments, sondern seine Nützlichkeit für eine vorab festgelegte politische oder gesellschaftliche Agenda. Das evidente Argument wird vom Gültigkeit einfordernden Narrativ verdrängt. Das führt in der extremen Form zu einer Immunisierung gegen Kritik: Jeder Widerspruch wird als „reaktionär“, „hegemonial“ oder „unterdrückend“ delegitimiert, statt inhaltlich geprüft zu werden.
Zusammengefasst:
Die Critical Studies haben wichtige Impulse geliefert, aber in ihrer dogmatischen Form gefährden sie den wissenschaftlichen Diskurs. Ein reflektierter kritischer Realismus wäre hier der bessere Weg – also die Anerkennung sozialer Kontexte und Machtstrukturen, ohne dabei objektive Erkenntnismöglichkeiten aufzugeben.
Udo veranschaulicht dies am Fall Mātauranga Māori.
Mit Rückgriff auf die Gedanken zweier Philosophen zieht Udo in Teil 8 Bilanz:
Demgegenüber stehen zwei herausragende Vertreter einer strikten Ablehnung des Relativismus: Karl Popper und Paul Boghossian. Während Popper den Relativismus durch eine systematische Weiterentwicklung der Erkenntnistheorie obsolet machte, lieferte Boghossian eine direkte und analytische Widerlegung der zentralen relativistischen Argumente.
Darauf aufbauend formuliert Udo seine eigene Position:
Wir haben keine Wahl als Humanisten, wir müssen auch und vor allem Anwälte der Ratio sein. Und wir dürfen uns dabei nicht mit Begriffen wie ‚reduktionistischer Materialist‘ oder ‚Wissenschaftsdogmatiker‘ etikettieren lassen, wie es die Anwälte des Postfaktisch-Irrationalen gern und oft tun, um uns eine Ebene des Menschlichen abzusprechen. Aber das ist nichts anderes als Verleumdung in pseudophilosophischer Mimikry. Wir sind nicht Materialisten, sondern Naturalisten, was die Ehrfurcht vor dem gesamten Spektrum nicht nur menschlichen Daseins in der realen Welt einschließt, jedoch die Irrationalität und rein subjektive ‚Wahrheiten‘ als Nährboden für das Gegenteil dieser Ehrfurcht erkennt und ihnen widerstreitet.
Die Postmoderne hat das Vertrauen in objektive Erkenntnis und überindividuelle Wahrheit untergraben – und damit jenen Möglichkeitsraum geöffnet, in dem heute moralische Narrative den Platz rationaler Urteilsbildung einnehmen. Wenn alles Wissen nur noch Perspektive ist, dann entscheidet nicht mehr die Stärke des Arguments, sondern die Identität des Sprechenden. Der Maßstab wechselt: von der Nachvollziehbarkeit zur Betroffenheit, vom Beweis zur Deutungshoheit.
Und das beißt sich mit dem, was Skeptiker versuchen zu erreichen:
In den letzten Jahren hat sich in vielen gesellschaftlichen Debatten ein seltsames Phänomen verfestigt: Bestimmte Themenfelder gelten nicht mehr als kritisierbar, weil sie als Ausdruck von Emanzipation, sozialem Fortschritt oder identitätspolitischer Gerechtigkeit verstanden werden. Kritik an diesen Diskursen – sei sie noch so sachlich, rational oder empirisch fundiert – wird schnell moralisch abgewertet: als „rechts“, als „reaktionär“, als „wissenschaftsdogmatisch“. Die Folge: Die Rationalität wird selektiv – und verliert damit ihren Status als universelles Prüfverfahren.
Udo beendet seine Reihe mit folgenden Worten:
Ich vertrete keine Rückkehr zu metaphysischen Gewissheiten, wohl aber das Recht, zwischen besser und schlechter begründeten Aussagen unterscheiden zu dürfen – und die Verpflichtung, diese Unterscheidung nicht dem Gefühl, sondern der Prüfung zu überlassen.
Wer in dieser Haltung eine ideologische Nähe zu autoritärem Denken irgendwelcher Richtungen erkennen will, verwechselt Kritik an Beliebigkeit mit Bekenntnis zu Starrheit.
Die Texte dieser Reihe entstehen aus dem Bemühen, begründbar und nachvollziehbar zu denken – und aus dem Vertrauen darauf, dass Aufklärung auch ohne Lautstärke wirken kann.
Wer in den Diskussionen rund um die Critical Studies, Postmoderne & Co. mitreden will, sollte Udos Reihe griffbereit haben. Am besten gleich in den Lesezeichen abspeichern.
Zum Thema:
Artikel: Gastbeitrag: Zynische Theorien – Wie Identitätsideologie die Geistes- und Sozialwissenschaften beschädigt, GWUP-Blog vom 05.09.2022
Hinweis:
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Wenn ihr noch nicht im Skeptischen Netzwerk angemeldet seid, möchten wir euch herzlich dazu einladen. Dort finden GWUP-Mitglieder und Interessierte eine Plattform für Diskussionen und Austausch rund um skeptische Themen: