gwup | die skeptiker

… denken kritisch seit 1987.

27. April 2025
von Felix Pfannstiel
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Ankündigung: Vortrag „Der ewige Judenhass“ mit Onkel Michael

Am Dienstag, den 29. April, macht sich Onkel Michael auf den Weg zum Katharinensaal Nürnberg und hält um 19:30 Uhr für Kortizes einen Vortrag über antisemitische Verschwörungstheorien im Rahmen der Reihe „Vom Reiz des Übersinnlichen – Paranormales und Skepsis | 2025“.

Thema:

Der ewige Judenhass – Antisemitische Verschwörungstheorien im Wandel der Zeit
Die Juden beherrschen die Welt – das ist der Kerngedanke fast jeder antisemitischen Verschwörungstheorie. Seit Jahrhunderten wurde die jüdische Bevölkerung für jedes nur denkbare Übel, das die Menschen erdulden mussten, verantwortlich gemacht: schlechte Ernten, Naturkatastrophen, epidemische Krankheiten. Ende des 19. Jahrhunderts entstand dann die Vorstellung, dass eine jüdische Weltverschwörung die Welt ins Chaos stürzen wolle.

Der Vortrag zeichnet die Entwicklung nach, in der die Juden von Sündenböcken zu den geheimen Beherrschern der Welt gemacht wurden. Er stellt die gängigsten Verschwörungstheorien mit antisemitischem Einschlag vor und erläutert die dahinterstehenden Vorurteile.

Hier entlang geht’s zum Eventeintrag im Skeptischen Netzwerk!

Zum Thema:

Hinweis:

  • Falls ihr Ideen, Anregungen oder Empfehlungen habt bzw. selbst ein Gastkapitel für den GWUP-Blog schreiben möchtet, kontaktiert uns unter: blog@gwup.org.
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27. April 2025
von Felix Pfannstiel
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TBOR trifft Massengeschmack, und gemeinsam reden sie über aktuelle Kontroversen in der Medienwelt.

Die „Boys“ holen sich für die neue Folge auf ihrem Kanal Holger Kreymeier von Massengeschmack-TV in die auserlesene Runde. Zu viert sprechen sie u. a. über das Medienecho, das die Ausgabe über Migration vom ARD-Format Klar – Was Deutschland bewegt von Julia Ruhs nach sich zog.

Holger Kreymeier (@mgtv) ist zu Gast bei The Boys of Reason: Wir reden über Böhmermanns „geheimen Plan“, frische Medienkritik, öffentlich-rechtliche Schieflagen – und warum Streitkultur wichtiger denn je ist.

Eine #VERSCHWÖRUNG der Medien? | Holger Kreymeier trifft TBOR

Inhalt:

  • Einleitung [ab 0:00 min]
  • Holger Kreymeier ist heute dabei. [ab 1:30 min]
  • Holgers Erfahrungen mit Einladungen und Absagen. [ab 2:10 min]
  • Ole Liebl bei Jasmin Kosubek [ab 4:40 min]
  • Reichweite und Risiko [ab 7:00 min]
  • Woke vs. Anti-Woke [ab 9:30 min]
  • Free Speech [ab 16:10 min]
  • ARD-Format Klar und Böhmermanns Reaktion darauf [ab 17:20 min]
  • Politische Tendenzen in den Medien [ab 23:30 min]
  • Reaktionen von Dara und Jette auf Klar [ab 32:20 min]
  • Wie der Appell an Empathie dem kritischen Blick im Wege stehen kann. [ab 37:20 min]
  • Betreutes Gucken und Ad-hoc-Livereaktionen [ab 48:10 min]
  • Wegen der eigenen Ahnungslosigkeit: Bedächtig mit Experteneinschätungen umgehen. [ab 1:00:00 h]
  • KI-Horrorszenarien: Holger geht nicht mit. [ab 1:05:30 h]
  • Holger und TBOR auf der SkepKon [ab 1:13:00 h]
  • Holgers Kanäle [ab 1:16:50 h]

Zum Thema:

  • Video: Rechtes ARD-Magazin KLAR: Ein Skandal ist das nun wirklich nicht, Massengeschmack vom 26.04.2025
  • Video: Stern-Autor im völligen WOKE-WAHN | Ist das ernst gemeint oder Satire?, SiniMachtAuge vom 22.04.2025
  • Video: Wie viele Geschlechter gibt es? Streit unter Skeptikern eskaliert!, Massengeschmack vom 11.04.2025

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26. April 2025
von Felix Pfannstiel
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Gastbeitrag: Bioresonanztherapie bei Haarausfall: Wissenschaftliche Einordnung und Kritik

ein Gastbeitrag von Magdalena Riederer (HealthHeld)

Haarausfall ist ein Thema, das viele Menschen belastet und im Extremfall sogar das soziale Leben beeinträchtigen kann. Trotzdem wird es häufig als rein kosmetisches Problem abgetan, was die Suche nach einer passenden Behandlung stark erschwert. Dadurch entstehen Möglichkeiten für fragwürdige Angebote und Anbieter, die Betroffenen teils erhebliche Summen abverlangen. Immer mehr Menschen greifen dabei zu alternativen Methoden, darunter auch die Bioresonanztherapie. Diese wird von ihren Befürworter:innen als ganzheitlicher Ansatz beworben, der von der Diagnose bis zur Behandlung reicht. Doch wie seriös ist diese Therapie?

Was ist Bioresonanztherapie?

Die Bioresonanztherapie basiert auf der Annahme, dass der Körper elektromagnetische Schwingungen aussendet, die bei Erkrankungen „gestört“ sind. Mithilfe eines Geräts sollen diese Schwingungen gemessen, analysiert und harmonisiert werden – also quasi ein Alleskönner. Bei Haarausfall soll die Therapie „verborgene Ursachen“ wie Stress, Hormonstörungen oder Toxinbelastungen identifizieren.

Ablauf der Behandlung

  1. Diagnostik: Über Elektroden werden Schwingungen des Körpers erfasst und mit Referenzwerten aus einer Datenbank verglichen. Das Gerät schlägt aus, wenn die Referenzwerte nicht mit den Schwingungen des eigenen Körpers übereinstimmen.
  2. Therapie: Disharmonische Frequenzen werden „umgewandelt“ oder „gelöscht“, um die „Selbstheilung“ zu aktivieren. Dabei werden spezifische Frequenzmuster in den Körper geleitet.
  3. Begleitmaßnahmen: Oft werden zusätzlich Ernährungsumstellungen, Nahrungsergänzungsmittel oder Entgiftungsempfehlungen gegeben.

Aufmerksamen Leser:innen wird die Nähe zur Frequenztherapie mit Mikrostrom (Stichwort Healy) auffallen. In ihren Grundannahmen ähneln sich beide Methoden: Sie basieren auf der Vorstellung, dass bestimmte Frequenzen Einfluss auf den Körper und dessen Selbstheilungskräfte haben. Während die Bioresonanztherapie mit elektromagnetischen Schwingungen arbeitet und dabei angeblich energetische Disharmonien misst, stehen bei der Frequenztherapie in der Regel elektrische Frequenzen im Vordergrund, die gezielt zugeführt werden. Bioresonanzgeräte sind häufig größer und eher für den Einsatz in therapeutischen Praxen konzipiert, während viele Frequenztherapiegeräte auch für den privaten Gebrauch geeignet sind. Was beide gemeinsam haben: unglaublich hohe Kosten.

Die Stimme der Befürworter:innen

Anbieter der Bioresonanztherapie betonen folgende Punkte:

  • Präventiv: Störungen sollen aufgezeigt werden, bevor sich überhaupt Symptomeentwickeln. Sowohl bei Haarausfall als auch bei anderen Erkrankungen.
  • Ganzheitlich: Es werden nicht nur die Symptome, sondern die Ursache behandelt. Die Selbstheilungskräfte des Körpers sollen dabei aktiviert werden.
  • Nicht invasiv: Die Therapie sei schmerzfrei und ohne Nebenwirkungen – im Gegensatz zu Medikamenten gegen Haarausfall.

Wissenschaftliche Kritik

Trotz positiver Erfahrungsberichte bei Haarausfall wie auch bei anderen Beschwerden fehlt es an wissenschaftlicher Evidenz.

1. Fehlende Anerkennung

Die Bioresonanztherapie ist wissenschaftlich nicht anerkannt. Von Anbietern stammende Behauptungen zur Wirkung bei Haarausfall werden ohne wissenschaftliche Belege einfach in den Raum gestellt. Denn konkrete Evidenz gibt es nicht. Im Gegenteil, Studien (Wüthrich, 2005) zeigen keine Wirkung über den Placeboeffekt hinaus.

2. Pseudowissenschaftliche Konzepte

Irreführende Begriffe: Bioresonanztherapie verwendet Begriffe wie „energetische Schwingungen“ oder „elektromagnetische Skalarwellen“, die in der Physik nicht existieren oder widerlegt wurden. Diese Begriffe sollen wissenschaftliche Seriosität vortäuschen, obwohl es keine messbaren oder anerkannten Grundlagen dafür gibt.

Wissenschaftlich nicht plausibel: Die Annahme, dass Krankheiten durch „disharmonische Frequenzen“ entstehen und mittels Rückkopplung beeinflusst werden können, entbehrt jeder anerkannten biologischen oder physikalischen Grundlage.

3. Irreführende Diagnostik

Die Methode suggeriert Präzision, doch die „Ursachenfindung“ beruht trotz Referenzwerten auf subjektiven Interpretationen der Behandler:innen. Die Plattform “medizin transparent” hat bereits deutlich gemacht, dass solche Geräte zur Diagnose von Gesundheitsproblemen nutzlos sind. In einem Test (Dorsch, 2019) konnten die Geräte nicht zwischen gesunden Personen und schwer erkrankten Personen bzw. einer Leiche unterscheiden.

Wissenschaftliche Alternativen bei Haarausfall

Ja, Bioresonanztherapie ist fragwürdig! Es gibt dennoch einige Therapien und Behandlungsmöglichkeiten gegen Haarausfall, die wissenschaftlich fundiert sind.

  1. Medikamente: Finasterid (hemmt Dihydrotestosteron, kurz DHT) und Minoxidil (fördert die Durchblutung) sind klinisch erprobt, teilweise können jedoch Nebenwirkungen auftreten. Bei Frauen kann als Alternative zu Finasterid beispielsweise Spironolacton verwendet werden.
  2. Ketoconazol und Microneedling: Unterstützend zu Finasterid und Minoxidil können Ketoconazol-Shampoos angewendet werden, die ebenfalls einen Einfluss auf DHT haben, sowie Microneedling-Anwendungen, um die Aufnahme von auf die Haut aufgetragenem Minoxidil zu verbessern.
  3. Lasertherapie und PRP: Low-Level-Laser und PRP (Platelet-Rich Plasma) verbessern nachweislich die Haarwurzeldichte. Die Forschung ist hier aber noch weniger weit als bei Finasterid und Minoxidil.
  4. Haartransplantationen: Als Ultima Ratio können auch Haartransplantationen angedacht werden. Diese sind allerdings relativ teuer und invasiv.

Fazit

Es gibt derzeit keine wissenschaftlichen Belege dafür, dass Bioresonanztherapien etwas gegen Haarausfall ausrichten können. Die Wissenschaft ist sich mittlerweile einig, dass das Hormon DHT bei erblich bedingtem Haarausfall eine große Rolle spielt. Da eine Bioresonanztherapie darauf keinen direkten oder indirekten Einfluss hat, kann sie die Ursache des Haarausfalls auch nicht lösen. Eine Wirkung hat die Therapie jedoch schon – und zwar eine negative auf den Geldbeutel.

QUELLEN

Adil, A., & Godwin, M. (2017) The effectiveness of treatments for androgenetic alopecia: A systematic review and meta-analysis. Journal of the American Academy of Dermatology, 77(1), 136–141.e5. 

Dorsch, F., & Kolt, J. (2019) Einfache Testverfahren zur Überprüfung der Aussagekraft von Bioresonanz-basierten medizinischen Befunden – der Leberkäse-Test. Allergo Journal, 28(4), 22–30.

Ernst, E. (2004) Bioresonance, a study of pseudo-scientific language. Forschende Komplementärmedizin und Klassische Naturheilkunde, 11(3), 171–173. 

HealthHeld. (2025) Haarausfall Behandlung – Überblick über Methoden & Wirksamkeit. Abgerufen am 21. April 2025, von https://healthheld.de/haarausfall/haarausfall-behandlung.

HealthHeld. (2025) Haarausfall Statistiken. Abgerufen am 21. April 2025, von https://healthheld.de/haarausfall/haarausfall-statistiken.

Hörner, M. (1995). Bioresonanz: Anspruch einer Methode und Ergebnis einer technischen Überprüfung. Allergologie, 18, 302.

Medizin Transparent. (2022) Bioscan – wissenschaftlich überprüft? Abgerufen am 21. April 2025, von https://medizin-transparent.at/bioscan/.

Wüthrich, B. (2005) Unproven techniques in allergy diagnosis. Journal of Investigational Allergology & Clinical Immunology, 15(2), 86–90. PMID: 16047707 Wüthrich, B., et al. (2006). Bioresonanz-diagnostischer und therapeutischer Unsinn. Aktuelle Dermatologie, 32(3), 73–77.

24. April 2025
von Felix Pfannstiel
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Skeptische Gesellschaft: ‚Rationalität braucht Raum‘ – Debattenkultur und Kursbestimmung in der GWUP

André Sebastiani und Nikil Mukerji haben sich im neuesten Video auf dem Kanal der Skeptischen Gesellschaft getroffen, um über die aktuelle Lage und die zukünftige Ausrichtung der GWUP zu sprechen.

Wir wollen wieder einen neuen kleinen Beitrag liefern, wo wir Aspekte zum Richtungsstreit in der GWUP beleuchten und einige Schlussfolgerungen erklären, die wir daraus ziehen und Maßnahmen, die wir gerade umsetzen innerhalb der GWUP und auch vielleicht ein bisschen verraten, wie man das ein oder andere für die GWUP und die gute Sache tun kann, wenn man denn so möchte.

Rationalität muss wehrhaft sein | Skeptische Gesellschaft

Inhalt:

  • Einleitung [ab 0:00 min]
  • Alle Meinungen gehören auf den Tisch. [ab 2:40 min]
  • Es sollten Themen ausgeschlossen werden. [ab 6:20 min]
  • „Warum braucht es uns eigentlich?“ – Formen der Polarisierung [ab 10:00 min]
  • Die GWUP als Honest broker [ab 16:20 min]
  • Kritisches Denken in der Schule [ab 20:50 min]
  • Legitime, rationale Kritik vs. Canceln [ab 27:30 min]
    • Bestrafungscharakter [ab 33:00 min]
    • Deplatforming [ab 33:40 min]
    • Moralische Selbstdarstellung [ab 37:00 min]
    • Würdigung der Gesamtleistung [ab 39:30 min]
    • Interpretative Haltung [ab 41:40 min]
    • Konstruktive Haltung [ab 45:30 min]
    • Derailing [ab 47:40 min]
    • Sekundär-Boykotts [ab 53:20 min]
    • Genauigkeit [ab 55:10 min]
  • Auch eine freie Debatte hat Regeln. [ab 57:30 min]
  • Fälschliches Ausschließen [ab 1:07:20 h]
  • Mehr Kontroverse wagen [ab 1:10:00 h]
  • Themenvielfalt in der GWUP [ab 1:21:30 h]
  • Bei der GWUP mitmachen! [ab 1:24:00 h]
  • SkepKon in Regensburg [ab 1:30:50 h]

Zum Thema:

  • Artikel: Wahrheit, Skepsis und der GWUP-Konflikt – Nikil Mukerji im Gespräch mit BiasedSkeptic, GWUP-Blog vom 17.04.2025
  • Video: Wie viele Geschlechter gibt es? Streit unter Skeptikern eskaliert!, Massengeschmack vom 11.04.2025
  • Video: Konflikt & freier Diskurs – Johannes Zeller im Gespräch, Skeptische Gesellschaft vom 10.04.2025
  • Artikel: BULLSHIT – Nikil Mukerji beim Düsseldorfer Aufklärungsdienst, GWUP-Blog vom 03.04.2025
  • Artikel: The Boys of Reason sind zurück!, GWUP-Blog vom 12.03.2025

Hinweis:

  • Falls ihr Ideen, Anregungen oder Empfehlungen habt bzw. selbst ein Gastkapitel für den GWUP-Blog schreiben möchtet, kontaktiert uns unter: blog@gwup.org.
  • Wenn ihr noch nicht im Skeptischen Netzwerk angemeldet seid, möchten wir euch herzlich dazu einladen. Dort finden GWUP-Mitglieder und Interessierte eine Plattform für Diskussionen und Austausch rund um skeptische Themen:

22. April 2025
von Felix Pfannstiel
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Leif Inselmann über eine Oster-Kontroverse in der altorientalistischen Forschung: „Glaubten die Babylonier an Tod und Wiederauferstehung des Gottes Marduk?“

Leif Inselmann, der am Mittwoch bei den SitP Hamburg einen Vortrag über Erich von Däniken halten wird, hat pünktlich zu den Osterfeiertagen einen neuen Beitrag auf seinem Blog veröffentlicht. Darin greift er eine Debatte in der altorientalischen Forschung auf:

In religionskritischen Publikationen wird gerne darauf verwiesen, dass viele Elemente des Christentums keinesfalls neu und exklusiv seien – vielmehr fänden viele christliche Vorstellungen Parallelen oder sogar direkte Vorbilder in älteren Kulturen und Religionen der Antike. Dass etwa die biblische Sintflutgeschichte auf babylonische Vorbilder wie das Atram-ḫasīs– und Gilgameš-Epos zurückgeht, gilt in der Forschung heute als Konsens. Doch finden sich in einschlägigen Publikationen immer wieder auch zweifelhafte Behauptungen. So sammelte etwa der Historiker Karlheinz Deschner – berühmt für seine zehnbändige Kriminalgeschichte des Christentums – in seinem Buch Der gefälschte Glaube (1988) zahlreiche solche Parallelen für die Erzählungen des Neuen Testaments und Rituale des Christentums.

Leif betrachtet in seinem Artikel die These von Deschner, der Parallelen zwischen der Passion Christi und der Erlösungsgeschichte des babylonischen Gottes Marduk sieht. Deschner vermutet daher einen intertextuellen Bezug. Doch überraschend ist, dass diese Parallele in der Forschung kaum Beachtung findet.

Umso erstaunlicher scheint es, dass diese intertextuelle Beziehung in der modernen Forschung – sowohl der Theologie, was vielleicht weniger überraschend wäre, als auch der Altorientalistik ‒ keinerlei Rolle spielt. Tatsächlich sucht man eine solch detaillierte Geschichte von Tod und Auferstehung Marduks in modernen Texteditionen der babylonischen Mythen (etwa Stephanie Dalleys Myths from Mesopotamia, Benjamin Fosters Before the Muses oder der electronic Babylonian Library) vergeblich.

Heinrich Zimmern hat mit seiner Interpretation eines Keilschriftfragments maßgeblich zu dieser Deutung beigetragen. Zimmern stand

in einer Tradition der frühen deutschen Altorientalistik, die in mesopotamischen Texten Vorbilder für die Erzählungen der Bibel suchte. So war zur gleichen Zeit unter Forschern wie Hugo Winckler und Alfred Jeremias mit dem Panbabylonismus eine umstrittene Lehre entstanden, welche das alte Babylonien als Grundlage und religiöses Vorbild fast aller anderen antiken Hochkulturen betrachtete.

Bei näherer Betrachtung steht diese Interpretation jedoch auf wackeligen Füßen:

[V]on der Grablege und Auferstehung ist in dem erhaltenen Fragment gar nicht explizit die Rede, ebenso wenig vom rekonstruierten Speer. Handelt es sich also wirklich um ein babylonisches Vorbild der christlichen Passionsgeschichte?

1955 hat der Altorientalist Wolfram von Soden widersprochen – und mit einer neuen Aufarbeitung der Quelle der Marduk-Jesus-Parallele den wissenschaftlichen Boden entzogen:

Gerade von den zentralen Punkten der rekonstruierten Erzählung – dem Tod und der Auferstehung ‒ in dem vorliegenden Text demnach überhaupt nie die Rede gewesen.

Zweifellos geht es in dem mythischen Text darum, dass der babylonische Marduk gefangen gehalten und mit dem Tode bedroht wird – für eine Hinrichtung und Auferstehung im Sinne Christi spricht dagegen nichts

In der Forschung zeichnet sich seither ein klares Bild ab:

Zimmerns Interpretation ist seit der Kritik durch Wolfram von Soden für die akademische Altorientalistik vom Tisch – in der nachfolgenden Forschung spielte diese Lesart des Marduk-Ordals keine Rolle mehr. So kann auch jede Parallele zum Martyrium Christi endgültig verworfen werden.

Die von Zimmern postulierte und bis zu Karlheinz Deschner rezipierte Jesus-Marduk-Parallele hat in den Quellen keine Grundlage und ist von der modernen Altorientalistik schon seit langem verworfen worden.

Zum kompletten Artikel, der die Debatte ausführlich und detailliert darstellt, geht’s hier entlang.

Zum Thema:

  • Artikel: Ankündigung: Vortrag über Erich von Däniken und die Prä-Astronautik bei den SitP HH, GWUP-Blog vom 20.04.2025
  • Artikel: Babylonische Verwirrung – König Hammurapi im Kapitol, Leif Inselmann (Wunderkammer der Kulturgeschichte) vom 30.09.2023
  • Video: Why Easter is NOT Mesopotamian, or, Don’t Trust Memes, Digital Hammurabi vom 21.04.2019

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21. April 2025
von Felix Pfannstiel
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Ein Diät-Shake bringt Jasper Caven erneut ins Kreuzverhör bei den Quarks Science Cops

Einigen mag sein Gesicht von dem ein oder anderen aufdringlichen Werbeclip in YouTube bekannt vorkommen. Jasper Cavens neuestes Produkt führt nun dazu, dass sich die Quarks Science Cops zum zweiten Mal mit ihm beschäftigen – zwei Jahre nach ihrer ersten Folge über ihn.

Das ist das erste Mal, dass wir einen unserer alten Fälle nochmal neu aufrollen und schauen, was sich da seitdem getan hat.

Nach der sogenannten „Stoffwechselformel“, die vor zwei Jahren im Podcast auseinandergenommen wurde, und einer „Leberformel“, die er erst im März aus seinem Shop genommen hat, geht es jetzt um sein neues Diät-Pulver.

Bei Jasper Caven geht es auch jetzt noch immer um die Leber, aber nicht mehr um die Leberformeln. Nein, Jasper Caven hat sich was Neues ausgedacht.

Die Rede ist von einem Diät-Shake namens „Sanamana“. Der soll beim Abnehmen helfen und gleichzeitig gegen Fettleber wirken. Bei Cavens Vorgeschichte für die Science Cops erst recht ein Grund, hier ganz genau hinzusehen.

Sanamana von JASPER CAVEN – Neues Diät-Pulver, alter QUATSCH? | Podcast #101 | Quarks Science Cops

Inhalt:

  • Einleitung [ab 0:00 min]
  • Jasper Caven hört auf? [ab 3:50 min]
  • Nach Leberformel kommt Sanamana. [ab 7:00 min]
  • Profiling: Jasper Caven [ab 8:10 min]
  • Abnehmen und Fettleber [ab 12:00 min]
  • Sanamana soll hierbei helfen. [ab 18:10 min]
  • Ist Fettleber die Ursache für Gewichtszunahme? Was ist die Ursache für Fettleber? [ab 26:30 min]
  • Kann der Sanamana-Shake beim Abnehmen helfen? [ab 30:00 min]
  • Die Rolle von Cholin [ab 34:30 min]
  • Artischocken-Extrakt [ab 39:30 min]
  • Keine Belge dafür, dass die Inhaltsstoffe beim Abnehmen oder gegen Fettleber helfen. Sondern eher: Abnehmen hilft gegen Fettleber. [ab 44:00 min]
  • Festnahme [ab 49:00 min]

Wer sich die Sache mit der Stoffwechselformel noch genauer ansehen will, findet auf dem Kanal von GWUP-Vorstandsmitglied Steffi Weig eine ganze Reihe zu Jasper Caven, in der sie seine damaligen Behauptungen kritisch aufarbeitet. Hier geht’s zur Playlist.

Zum Thema:

  • Podcast: Der Fall Jasper Caven: Abnehmen mit Stoffwechsel-Pillen?, Quarks Science Cops vom 13.02.2023
  • Video: Jasper Caven – die geheime Stoffwechsel-Formel und Underdog Storytelling, steffi.gains.knowledge vom 09.09.2019

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20. April 2025
von Felix Pfannstiel
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Ankündigung: Vortrag über Erich von Däniken und die Prä-Astronautik bei den SitP HH

Am kommenden Mittwoch (23.04.2025) findet im Irish Rover von 19:00 – 22:00 Uhr das nächste Event der Skeptics in the Pub Hamburg statt.

Thema ist:

Erich von Däniken und die Prä-Astronautik – Eine skeptische Retrospektive
„Die Götter waren Astronauten!“ – Mit dieser These erreichte Erich von Däniken seit 1968 ein Millionenpublikum. Anlässlich der Veröffentlichung seines 49. und letzten Buches wird es Zeit für eine Rückschau: Der Archäologe Leif Inselmann diskutiert die Ursprünge der Prä-Astronautik, ihre Argumente und Entwicklung. Was bleibt vom Phänomen Erich von Däniken?

Den Vortrag hält:

Leif Inselmann
Leif Inselmann, Doktorand der Prähistorischen Archäologie an der FU Berlin, studierte u.a. Ur- und frühgeschichtliche Archäologie sowie Altorientalistik an der Georg-August-Universität Göttingen, beschäftigt sich auf seinem Blog „Wunderkammer der Kulturgeschichte“ kritisch mit Themen der Pseudoarchäologie.

Ablauf der Veranstaltung:

19:00 Uhr: Ankommen
19:30 Uhr: Vortrag und Dialog
20:30 Uhr: Austausch bei Essen und Getränken

Der nächste Stammtisch der SitP Hamburg findet am 21. Mai statt.

Zum Thema:

  • Homepage: Skeptics in the Pub Hamburg
  • Meetup: Sceptics in the Pub: Erich von Däniken und die Prä-Astronautik
  • Blog: Wunderkammer der Kulturgeschichte von Leif Inselmann

Hinweis:

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19. April 2025
von Felix Pfannstiel
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Ein neuer Ort für Aufklärung und Austausch: Das Humanistische Bildungs- und Begegnungszentrum Konstanz

Am 15. April berichtete der hpd über die Eröffnung des Humanistischen Bildungs- und Begegnungszentrums Konstanz (hbbk). Bei der Veranstaltung waren unter anderem Stefanie Weig und Nikil Mukerji von der GWUP mit dabei.

Am vergangenen Donnerstag eröffnete das erste Humanistische Bildungs- und Begegnungszentrum (hbbk) in Konstanz. Zur Eröffnungsfeier ab 17 Uhr waren Personen aus dem Umfeld der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs), der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP), der Stadt Konstanz und der lokalen Presse eingeladen. Während des Sektempfangs und der Buffetverkostung wurden die Gäste von Mitgliedern des gbs Bodensee e.V. durch die Räumlichkeiten geführt und bekamen die geplanten Aktivitäten des hbbk erklärt.

Der Vorsitzende der gbs Bodensee, Alexander Wolber, stellte das Projekt vor und erläuterte die Ziele des neuen Zentrums.

Foto: Stefanie Weig

Künftige Klienten können auf der Website des hbbk mit Fachkräften aus dem psychosozialen Bereich telefonisch oder über ein Formular Kontakt aufnehmen. Zudem sind bereits zahlreiche Bildungsangebote wie Vorträge und Workshops geplant, die der interessierten Öffentlichkeit einen niedrigschwelligen Zugang zu den hbbk-Themen ermöglichen sollen. Außerdem werde derzeit intensiv eine Gruppe für Sektenaussteiger, wie beispielsweise der nicht nur in Konstanz sehr aktiven Hillsong Church oder den Zeugen Jehovas, vorbereitet. […] Zudem versteht sich das hbbk auch als Ansprechpartner für Organisationen und Bildungseinrichtungen rund um weltanschauliche Themen.

Zum Thema:

  • Artikel: Eröffnung des Humanistischen Bildungs- und Begegnungszentrums Konstanz (hbbk), hpd vom 15.04.2025
  • Artikel: Bahn frei für das „Humanistische Bildungs- und Begegnungszentrum“, hpd vom 28.11.2024
  • Homepage: hbbk
  • Homepage: gbs Bodensee

Hinweis:

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17. April 2025
von Felix Pfannstiel
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Wahrheit, Skepsis und der GWUP-Konflikt – Nikil Mukerji im Gespräch mit BiasedSkeptic

Im neuen Video auf dem Kanal von BiasedSkeptic diskutieren Nikil Mukerji und Matthias Narr über den Konflikt rund um die GWUP der letzten Jahre. BiasedSkeptic führt das Video so ein:

Wie können wir heute noch zuverlässig herausfinden, was wahr ist? Im aktuellen Zeitalter und Zeitgeist gibt es Stimmen, die Wahrheit, kritisches Denken und die wissenschaftliche Methode anzweifeln. Spoiler: Wenn wir dieses Fundament verlieren, sind wir auf verlorenem Posten. Ich spreche mit dem Philosophen Nikil Mukerji genau darüber und über vieles mehr.

Was WOKE-Ideologen nicht verstehen (Philosophisch erklärt)

Inhalt:

  • Einleitung [ab 0:00 min]
  • Nikil stellt sich vor. [ab 2:40 min]
  • Was die GWUP ist. [ab 3:50 min]
  • GWUP-Streit aus Matthias‘ Perspektive [ab 6:40 min]
  • Nikil zum GWUP-Streit [ab 9:30 min]
  • Gründung von TBOR; Debatte über die Critical Studies [ab 17:10 min]
  • Spannungen vor der Mitgliederversammlung 2023 [ab 19:50 min]
  • Neuer Vorstand ab 2024 [ab 22:30 min]
  • Cancellung and das Argumentum ad temperantiam [ab 26:20 min]
  • Politik in der GWUP [ab 34:30 min]
  • Skeptisches vs. postmodernes Verständnis von Wahrheit [ab 39:20 min]
  • Parallele zur Pseudomedizin [ab 48:50 min]
  • Beispiel: Gendergerechte Sprache [ab 50:10 min]
  • Was ist jetzt der Sachstand bei der GWUP? [ab 53:00 min]

Zum Thema:

  • Video: Wie viele Geschlechter gibt es? Streit unter Skeptikern eskaliert!, Massengeschmack vom 11.04.2025
  • Video: Konflikt & freier Diskurs – Johannes Zeller im Gespräch, Skeptische Gesellschaft vom 10.04.2025
  • Artikel: BULLSHIT – Nikil Mukerji beim Düsseldorfer Aufklärungsdienst, GWUP-Blog vom 03.04.2025
  • Artikel: The Boys of Reason sind zurück!, GWUP-Blog vom 12.03.2025
  • Matthias A. Narr: Dialog statt Dogma – Wie wir gesellschaftliche Konflikte lösen, ohne zu spalten. Eulogia 2024, 182 Seiten, 19,99 €

Hinweis:

  • Falls ihr Ideen, Anregungen oder Empfehlungen habt bzw. selbst ein Gastkapitel für den GWUP-Blog schreiben möchtet, kontaktiert uns unter: blog@gwup.org.
  • Wenn ihr noch nicht im Skeptischen Netzwerk angemeldet seid, möchten wir euch herzlich dazu einladen. Dort finden GWUP-Mitglieder und Interessierte eine Plattform für Diskussionen und Austausch rund um skeptische Themen:

15. April 2025
von Felix Pfannstiel
1 Kommentar

Alternativmedizin, Skeptizismus und Relativismus: Neue Texte von Udo Endruscheit

Udo Endruscheit schreibt derzeit fleißig zu den Themen Aufklärung, Alternativmedizin und Skeptizimus. Grund genug, einen Blick auf seine jüngsten Texte zu werfen. Seine fünf aktuellen Beiträge werden in diesem Blogbeitrag auszugweise vorgestellt.


Von der staatlich geförderten Märchenmedizin – und dem stillen Rückzug der Aufklärung

In einem Beiträg für den Humanistischen Verband Österreich widmet sich Udo der systematischen Bevorzugung pseudomedizinischer Verfahren in den DACH-Staaten. Er geht dabei sowohl auf den politischen Umgang mit evidenzfernen Heilmethoden ein als auch auf die zunehmende Marginalisierung aufklärerischer Stimmen.

Dass Wissenschaft nicht immer populär ist, wird man hinnehmen müssen. Dass sie aber strukturell benachteiligt wird, während ungesicherte Methoden aufgewertet und geschützt werden, ist ein Symptom tiefer liegender kultureller Abwehrmechanismen.

Gerade in der Schweiz offenbart sich für ihn die Absurdität dieser Praxis besonders deutlich:

Dort zeigt sich die Groteske in nahezu reiner Form: Die Homöopathie hat es trotz ihrer evidenzfreien Natur in die Grundversorgung geschafft – mehrfach wurde ihre Wirksamkeit überprüft, mehrfach lautete das Ergebnis: nicht belegt. Und doch versuchte man jedes Mal aufs Neue, die Quadratur des Kreises zu vollziehen. Die politische Formel lautete sinngemäß:

Wir wissen, dass es nicht wirkt – aber das müssen wir ja nicht auch noch betonen.

Vernünftige Stimmen sind dabei oft auf sich allein gestellt:

Aufklärerinnen und Aufklärer, die sich aus Überzeugung gegen institutionalisierte Irrationalität stellen, oft ohne Rückendeckung, ohne sichtbare Anerkennung. Die ihre eigene Geschichte hinterfragt haben, die sich dem öffentlichen Irrtum entgegenstellen, die nicht schweigen, wenn es leichter wäre. Es sind diese Stimmen, die ein demokratisches Gesundheitswesen eigentlich dringend bräuchte – nicht als einsame Rufer in der Wüste, sondern als Teil eines Diskurses, der Fakten nicht gegen Stimmungen abwägt, sondern Verantwortung ernst nimmt.

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Vom guten Willen zur Vernunft

Auch auf Udos eigenem Blog Science and Sense ging es weiter. Im Beitrag vom 08. April fragt er:

In Zeiten zunehmender gesellschaftlicher Polarisierung, wachsender Wissenschaftsverachtung und politischer Rhetorik ohne erkenntnistheoretisches Fundament steht auch der Skeptizismus vor einer Weggabelung. Ist er lediglich die Kunst des methodischen Zweifelns im Labor des Denkens? Oder darf, ja muss er sich als Haltung in einem weiteren Sinne begreifen – als Mitverantwortung für die Rationalität des Gemeinwesens?

Dabei geht er auch auf den GWUP-Streit des vergangenen Jahres ein, bei dem unter anderem die Forderung nach einem unpolitischen Skeptizismus vorgebracht wurde:

Dabei ist der Gedanke, Skeptizismus dürfe sich nicht politisch positionieren, historisch wie logisch schwer haltbar. Skeptizismus, richtig verstanden, ist nie neutral im Sinne der Inhaltsleere. Er ist parteiisch – für Vernunft, für Transparenz, für Überprüfbarkeit. Was er nicht ist und nicht sein darf: parteipolitisch oder ideologisch gebunden. Gerade daraus erwächst seine republikanische Kraft und Relevanz.

Ein vernünftiger Skeptizismus steht also ganz im Dienste der Wahrheitsfindung:

In diesem Sinne ist Skeptizismus nicht die Überlegenheit der Aufklärer über das Volk, sondern eine demokratische Tugend: die Bereitschaft, sich der Wahrheitssuche zu öffnen, ohne „die Wahrheit“™ zu besitzen. Ganz im Popperschen Sinne.

Erkenntnisse müssen jedoch auf politischer Ebene ausgehandelt werden:

Ein moderner Skeptizismus erkennt diese Spannung an. Er unterscheidet zwischen Sachentscheidungen, die auf nachvollziehbarer Evidenz beruhen müssen, und Wertentscheidungen, die einer öffentlichen Auseinandersetzung bedürfen, ohne dabei die Schwierigkeit der Grenzziehung zwischen beiden Sphären zu verkennen. Er fordert Rationalität nicht als Dogma, sondern als Methode der Begründung und des Dialogs. Deshalb ist es auch nicht Sache des Skeptikers, bestimmte Entscheidungen oder Haltungen von der Politik einzufordern. Er ist Anwalt der Ratio.

Möglicherweise schärfen die jüngsten Spannungen in der Skeptikerszene auch den Blick darauf, was den Skeptizismus im Kern ausmacht:

Vielleicht ist genau das der notwendige Schritt in der „Erholungsphase“ vieler Skeptikerorganisationen: ein kleiner republikanischer Neuaufbruch. Nicht in der Pose der Weltverbesserer, sondern in der Haltung derer, die wissen, dass Rationalität keine Selbstverständlichkeit ist. Sondern eine Errungenschaft, die verteidigt werden will.

Hier geht’s zum ganzen Artikel:


Relativismus in der Moderne – ein Überblick – (Erkenntnisrelativismus Teil 2)

In seiner Relativismus-Reihe auf Science and Sense zeichnet Udo nach, wie sich der epistemologische Relativismus im 20. Jahrhundert zu einer einflussreichen Denkrichtung entwickeln konnte. In Teil 1 ging es einleitend um die Spannung zwischen dem kritischen Rationalismus und dem Relativismus. Im zweiten Teil steht vor allem die aufstrebende Relevanz des Relativismus im 20. Jahrhundert im Zentrum von Udos Artikel:

Während der Antike und des Mittelalters blieb er eine marginale Strömung, oft als skeptische Provokation verstanden oder als Denkfigur, die vor allem dazu diente, Argumente gegen einen absoluten Wahrheitsbegriff zu testen. Doch mit dem 20. Jahrhundert änderte sich dies grundlegend: Der epistemologische Relativismus entwickelte sich von einer philosophischen Randerscheinung zu einer einflussreichen Strömung, die in vielen geistes- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen prägend wurde.

Das Zeitgeschehen hatte Auswirkungen auf die aufklärerischen Werte:

Die Erschütterung der Aufklärungsideale durch zwei Weltkriege, die Verbrechen totalitärer Regime und das Scheitern von Fortschrittsnarrativen führten zu einem tiefen Misstrauen gegenüber den traditionellen Wahrheitsansprüchen westlicher Rationalität.

Udo gibt noch eine kurze Vorschau auf die nächsten Beiträge der Reihe. Es wird in den Folgeteilen der Reihe um folgende postmodernen bzw. relativistischen Philosophen gehen: Foucault, Lyotard, Derrida, Kuhn/Feyerabend und Judith Butler.

Der ganze Beitrag:


Michel Foucault: Originärer oder missverstandener Relativist? (Erkentnisrelativismus Teil 3)

Teil 3 zu Foucault erschien am Sonntag. Udo leitet ihn dort folgendermaßen ein:

Foucaults Werk konzentriert sich auf die Analyse der Wechselwirkungen zwischen Wissen und Macht. Er argumentiert, dass Wissen niemals unabhängig von Machtstrukturen existiert, sondern vielmehr durch sie produziert wird.

In Die Archäologie des Wissens (1969) führt er die Methode der Diskursanalyse ein, mit der er untersucht, wie bestimmte Wahrheiten in einem historischen Moment durch Sprache und institutionelle Praktiken erzeugt werden. Später verfeinert er diese Perspektive mit dem Konzept der Genealogie, das er in Werken wie Der Wille zum Wissen (1976) anwendet. Hier zeigt er, dass gesellschaftliche Normen und Wahrheiten nicht das Ergebnis rationaler Einsicht oder wissenschaftlicher Fortschritte sind, sondern durch historische Kämpfe und Machtdynamiken geformt werden.

Auch wenn sich Foucault nicht per se als Relativist verstand, so sorgte er doch dafür, dass sich diese Denkrichtung etablieren konnte:

Foucaults Arbeiten haben unbestritten dazu beigetragen, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Wissen nicht neutral ist und dass Wissenschaftsgeschichte oft von Machtinteressen geprägt ist. Doch sein radikaler Historismus führt in der Konsequenz dazu, dass sich kaum mehr Kriterien für eine objektive Unterscheidung zwischen „wahren“ und „unwahren“ Behauptungen finden lassen. Das hat insbesondere in den Geistes- und Sozialwissenschaften zu einem stark relativistischen Denken geführt, das sich oft gegen universalistische Wahrheitsansprüche richtet.

Foucaults Wirken bietet zwar fruchtbare Perspektiven, es eröffnet sich jedoch ein Relativismus-Problem:

Genealogie und Archäologie des Wissens sind zweifellos faszinierende Instrumente zur Analyse historischer Diskurse, aber sie tendieren dazu, Erkenntnisprozesse primär als Ausdruck von Machtstrukturen und historischen Kontingenzen zu begreifen. Damit rückt die Möglichkeit eines fortschreitenden Erkenntnisgewinns oder einer Annäherung an objektive Wahrheit, die diese Zeitbedingtheit zunehmend hinter sich lässt, stark in den Hintergrund.

Zum vollständigen Text:


Jean-François Lyotard: Das Ende der großen Erzählungen? (Erkenntnisrelativismus Teil 4)

Ganz frisch erschienen: Udos Beitrag zu Lyotard. Der Begriff der Metanarrative ist bei Lyotard zentral:

Was meint Lyotard mit „Metanarrativen“? Gemeint sind die großen Sinn- und Geltungserzählungen der Moderne – etwa der Fortschrittsglaube der Aufklärung, der Historismus des Marxismus, die universelle Vernunft der Wissenschaft oder auch die Idee des gesellschaftlichen Fortschritts durch technische Rationalität. All das wird bei Lyotard nicht in erster Linie „widerlegt“, sondern delegitimiert – weil es seiner Ansicht nach den Anspruch erhebt, Wahrheit zu „besitzen“ und damit andere Stimmen zu marginalisieren.

Es ergeben sich epistemologische Schwierigkeiten:

Lyotard plädiert für eine Pluralität von „Sprachspielen“, die nicht auf einen einheitlichen Maßstab gebracht werden können. Dabei übernimmt er Wittgensteins Idee der kontextabhängigen Sprachspiele, überspitzt sie jedoch in Richtung eines unversöhnlichen Nebeneinanders.

Für den erkenntnistheoretischen Diskurs birgt das aber erhebliche Gefahren: Wenn sich Wissenschaft nicht mehr durch methodisch begründbare Geltungsansprüche auszeichnen darf, sondern nur noch als eines von vielen gleichwertigen Sprachspielen gilt, dann droht nicht Vielfalt, sondern Beliebigkeit.

Lyotards Vermächtnis ist für Udo ein zweischneidiges Schwert:

Als skeptischer Humanist stehe ich Lyotards berühmter These vom Ende der großen Erzählungen mit zwiespältigen Gefühlen gegenüber. Zu sehr widerspricht der radikale Zweifel an universalen Wahrheitsansprüchen dem Geist der wissenschaftlichen Aufklärung, der mich geprägt hat. Diese baut auf der Idee auf, dass es intersubjektiv überprüfbare Wahrheiten und verlässliche Methoden gibt – ein Fundament, das Lyotards Postmoderne kühn in Frage stellt. Und doch ist seine Diagnose nicht einfach von der Hand zu weisen. Spätestens nach den Katastrophen des 20. Jahrhunderts – von Auschwitz bis Hiroshima – ließ sich der naive Glaube an einen geradlinigen Fortschritt und an allumfassende Heilsversprechen kaum aufrechterhalten. In diesem Licht erscheint Lyotards Skepsis gegenüber den großen Erzählungen verständlich: Sie traf – und trifft – einen Nerv der ernüchterten Spätmoderne und mahnt uns, die eigenen Gewissheiten kritisch zu hinterfragen.

Jedoch darf die Wissenschaft nicht einfach als Metanarrativ abgetan werden:

Lyotard verkennt, dass gerade ein kritisch reflektierter Wahrheitsbegriff – wie ihn Popper oder auch Habermas entwickeln – ein wirksames Mittel sein kann, um sich eben nicht in ideologische Großnarrative einfangen zu lassen. Wissenschaft etwa beruht nicht auf einem unverrückbaren Dogma, sondern auf kritikfähigen Theorien, auf dem Prinzip der Falsifizierbarkeit, auf öffentlicher Nachvollziehbarkeit. Sie ist selbst kein Narrativ (womit immer wieder versucht wird, sie zu delegitimieren) ,sondern ein offener, prinzipiell zur Selbstkorrektur fähiger Diskurs.

Nicht jede Behauptung von Wahrheit ist Herrschaftsstrategie. Und nicht jedes gemeinsame Orientierungssystem ist ein ideologischer Käfig.

Udo betont die konkrete Stelle, an der sich die Wege von Lyotard und vom Rationalismus trennen:

Gerade dieser Punkt – dass sich aus der Erkenntnis des „Legitimationsverlusts der großen Erzählungen“ nicht das Ende von Wahrheit ergibt, sondern der Bedarf nach einem neuen Wahrheitsbegriff – ist die entscheidende Weggabelung. Lyotard biegt links ab, der humanistische Skeptiker geht geradeaus. Und genau an diesem Kreuzungspunkt wird deutlich, dass kritisches Denken nicht in Beliebigkeit münden muss, sondern in verantwortbare Erkenntnisfähigkeit, auch und gerade angesichts der Fragilität ihrer Grundlagen.

Zur ganzen Analyse:


Freuen wir uns auf die weiteren Beiträge dieser Reihe.

Zum Thema:

  • Artikel: Erkenntnis, Relativismus und die Krise des Diskurses (Erkenntnisrelativismus Teil 1), Science and Sense vom 07.03.2025
  • Homepage: INH

Hinweis:

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