Am 3. Dezember veranstaltete die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung (FNF) einen Webtalk zum Thema „Intoleranz, offene Debattenkultur und Cancel Culture“. Als Moderator führte der Philosoph und Publizist Gunnar Kaiser durch die Gesprächsrunde.
Einige Tage später distanzierte sich die Stiftung von Kaiser:
Herr Kaiser behauptet, wir lebten in einem ‚Pandemieregime‘“, schreibt uns Anders Mertzlufft, Pressesprecher der Stiftung, „in einer Gesellschaft, in der die Menschen von ‚Sozialingenieuren gelenkt und gesteuert werden‘.“
Die Demokratie sei laut Kaiser „ausgehöhlt und nicht mehr existent“. Wir erlebten laut Kaiser, so die Stiftung, zurzeit einen „globalen Krisenkult“, hinter dem ein „Prozess der Großen Transformation“ stecke, welcher „von den Protagonisten des Weltwirtschaftsforums angeschoben“ werde.
… stark von Verschwörungsfans gefeiert und ist bei Formaten wie KenFM zu sehen,
ist heute beim Youtube-KanalVerschwörung & Fakten zu lesen.
Das Video zeigt, was es mit den Vorwürfen gegen den Lehrer Gunnar Kaiser auf sich hat. Beleuchtet wird nicht nur seine Resonanz in den Medien und bei den Querdenkern, sondern auch seine Aussagen zum Great Reset, der angeblich durch das Weltwirtschaftsforum angeleitet wird.
Zum Weiterlesen:
Skandal um Naumann-Stiftung: „Die Person Gunnar Kaiser“, Welt+ am 17. Dezember 2020
Der Blogger und die Stiftung: Und darum werden wir Gunnar Kaiser nicht mehr einladen, Welt+ am 18. Dezember 2020
Gunnar Kaiser: Im Jahr 2020 haben wir eine große Verdrängung erlebt, Welt+ am 22. Dezember 2020
„The Great Reset“ – Angst vor digitaler Gesundheitsdiktatur, Belltower News am 2. Dezember 2020
Hoaxilla über „The Great Reset“, GWUP-Blog am 20. Dezember 2020
Die Idee stammt von der Digital-Beraterin Victoria Schrank, die im Herbst vergangenen Jahres bei Startnext ein Crowdfundig dafür inittiert hatte. An der Realisierung beteiligt waren zudem die Entwicklerin Kat McGlone und der Software-Berater Daniel Spaude.
Hallo! Hat sich deine Freundin oder dein Verwandter von COVID-Verschwörungen und Fehlinformationen verleiten lassen?
Verschwörungsmythen können uns alle beeinflussen. Während die einen versuchen, „die Welt wachzurütteln“, tun sich die anderen damit schwer, den richtigen Weg zu finden, um mit ihnen zu reden.
Solche Gespräche können frustrierend sein. Deshalb haben wir dieses Spiel entwickelt, um dich auf das echte Verschwörungsgerede da Draußen vorzubereiten.
Dann folgen sieben Gesprächssituationen (im privaten Umfeld) mit verschiedenen Antwortoptionen.
Letzten Sonntag machte ein zirka 30-minütiges Gespräch zwischen Corona-Leugnern und dem sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer vor dessen Privathaus in Großschönau Schlagzeilen (ein Wortprotokoll gibt’s bei Zeit+):
Die Frage, ob es richtig war, sich auf ein solches Gespräch zwischen Tür und Angel überhaupt einzulassen, wird kontrovers diskutiert.
Es ist ein Irrtum, dass man Verschwörungsideologen umstimmen kann, wenn man ihnen nur ausdauernd genug Kontra gibt.
Ja – meint SPON, weil Kretschmer bei dem verbalen Schlagabtausch vieles richtig gemacht habe:
1. Hallo erst mal: Konstruktiv und freundlich sein
2. Warte mal: Auf Regeln des Dialogs pochen
3. Moment mal: Vorsichtig sein
4: Stopp mal: Abstand halten zu Extremisten
Eine Situation, die auf keiner Aufnahme zu erkennen ist, führt zum Ende des Gesprächs [der entsprechende Dialog ist im obigen Video bei Minute 26:05 zu hören]. Kretschmer spricht eine Frau darauf an, dass sie sich gerade ein Halstuch in den Farben der Reichskriegsflagge ins Gesicht ziehe und wirft ihr vor, »Reichsbürgerin« zu sein. Ein Mann behauptet, das habe nicht mit Nazis zu tun, woraufhin Kretschmer abwinkt und geht […]
Kretschmer hat sich damit im Grunde an die Regeln gehalten, die in ähnlicher Form seit Langem in den Nutzungsbedingungen und Netiquetten von Onlineforen und sozialen Medien festgehalten sind: diskutieren ja, aber nur bis zu bestimmten Grenzen.
Zum Weiterlesen:
Talk to me – Gamification gegen Verschwörungstheorien, media-lab am 6. November 2020
„Talk to me“: Mit dieser App werdet ihr schlagfertiger gegenüber Corona-Leugnenden, business-punk am 30. Oktober 2020
Diese Berlinerin will mit einer App Corona-Leugner entwaffnen, Welt-Online am 30. Oktober 2020
Corona-Leugner: Die Verschwörungs-Extremisten sind unter uns, Welt-Online am 13. Januar 2021
Michael Kretschmer: Das war kein Besuch, sondern eine Drohgebärde, Süddeutsche am 11. Januar 2021
Sachsen: „Ein Ministerpräsident alleine kann das Land nicht retten“, Zeit-Online am 13. Januar 2021
Dialog mit „Querdenkern“: Mit Rechten reden, aber richtig, Spiegel-Online am 12. Januar 2021
Corona-Leugner: Hat dieses Reden noch einen Sinn? Zeit+ am 13. Januar 2021
Wie Herr Reimann zum Verschwörungsgläubigen wurde, GWUP-Blog am 25. November 2020
„Auf dem Schlachtfeld“: Umgang mit Verschwörungsgläubigen, GWUP-Blog am 7. September 2020
Der schwierige Umgang mit Verschwörungsgläubigen, GWUP-Blog am 15. Mai 2020
Video: Verschwörungsgläubige und Leistungsindividualisten, GWUP-Blog am 14. November 2020
Verschwörungstheorien: Die Heimwerker der alternativen Wissenskonstrukte, GWUP-Blog am 5. November 2020
Forschung ist zweifelsohne notwendig, wenn wir die vielen offenen Fragen in der SAM (Sogenannte Alternative Medizin) beantworten wollen. Aber leider ist ein Großteil der Forschung in diesem Bereich wenig zuverlässig. Wenn man die SAM unter Berücksichtigung der Fakten kritisch evaluiert, so ergeben sich 4 unterschiedliche Kategorien:
Verfahren, die überhaupt noch nie wissenschaftlich untersucht wurden (Beispiele: Shiatsu, Schuessler-Salze).
Verfahren, die geprüft wurden und nicht als wirksam befunden wurden (Beispiele: Homöopathie, Bach-Blüten).
Verfahren, die geprüft und als möglicherweise wirksam befunden wurden, deren Studien aber mehrheitlich unzuverlässig sind (Beispiele: Akupunktur, Chiropraktik).
Verfahren, die geprüft und als wirksam befunden wurden und deren Studien belastbar sind (Beispiele: Phytotherapeutika wie Johanniskraut, Nahrungsergänzungsmittel wie Glucosamin).
Es liegt auf der Hand, dass nur die 4. Kategorie Einzug in die medizinische Routine haben sollte. Diese umfasst jedoch nur sehr wenige Verfahren.
Im Oktober gab’s schon einen Beitrag zum Thema Immunstärkung.
Um eine andere Art von Immunisierung geht es Eckart von Hirschhausen in einem Kommentar für die Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren:
Jeder hat das Recht auf eine eigene Meinung, aber nicht auf eigene Fakten. Wir haben nicht nur eine Epidemie, sondern auch eine Infodemie, einen gefährlichen Verlust an Deutungshoheit von Politik, Wissenschaft und Medien. Es wäre sehr leicht, sich jetzt über die obskuren Theorien der Leugner zu erheben, aber viel spannender finde ich die Frage: warum sind sie erfolgreich und was hilft dagegen?
Zum Weiterlesen:
Wie Verbraucher an der Nase herumgeführt werden, publikum.net am 11. Januar 2021
Neues Buch von Edzard Ernst: „Heilung oder Humbug? 150 alternativmedizinische Verfahren von Akupunktur bis Yoga“, GWUP-Blog am 2. Januar 2021
Wie kann ich mein Immunsystem stärken? Eine systematische Übersicht von klinischen Studien, publikum.net am 27. Oktober 2020
Grams‘ Sprechstunde: Wie sich Abwehrkräfte stärken lassen, spektrum am 20. Oktober 2020
ZEIT ONLINE: Herr Professor Michalsen, wir wollen über Naturheilkunde sprechen. Fangen wir mit dem Wichtigsten an: Was soll das überhaupt sein?
Andreas Michalsen: Die Naturheilkunde macht sich Heilfaktoren aus der Natur zunutze. Wir arbeiten mit Kälte, Wärme, Entspannung, mit den Wirkstoffen aus Pflanzen, mit ganz verschiedenen Formen von Reizen.
Michalsen: Nein, Naturheilkunde und Homöopathie sind zwei völlig unterschiedliche Dinge. Ich habe selbst homöopathische Therapie gelernt, wende sie aber nicht mehr an, weil mir bei meiner eigenen klinischen Anwendung die Effekte nicht gut genug waren.
Wie man schon im Unterricht Schülerinnen und Schüler für diese Unterscheidung sensibilisieren könnte, legen die Biologie-Didaktiker Elvira Schmidt und Dittmar Graf von der Uni Gießen dar:
Der wissenschaftliche Status medizinischer Behandlungen ist bislang allenfalls ein randständiges Thema im Rahmen der schulischen Gesundheitserziehung und des Biologieunterrichts.
Das mag zum Teil daran liegen, dass bis heute kaum Unterrichtsmaterialien zum Thema vorliegen. Diese Lücke möchte das vorliegende Werk zu schließen helfen.
In elf Unterrichtsmodulen werden neu erstellte und evaluierte Unterrichtsanregungen vorgestellt, unter anderem zu den Themen Medizin und Alternativmedizin; Kriterien von Wissenschaft; Erkenntnisgewinnung in der Wissenschaft; Studiendesigns in der Medizin; Hahnemann und die Homöopathie.
Natalie Grams und der Kinderarzt Martin Terhardt (Mitglied der Ständigen Impfkommission des Robert Koch-Instituts) im Gespräch mit der Moderatorin Natascha Freundel (zirka 37 Minuten).
Wie unser Kommentator Udo Endruscheit heute dargelegt hat, ist seit unserem Artikel vom letzten Samstag („Verschwörungsmythen und Fake News reduzieren die Impfbereitschaft von Pflegekräften“) eine breite Diskussion um die Impfverweigerung im Medizinbetrieb entbrannt.
Sowohl Spiegel-Online als auch Zeit-Online bringen dabei den Gedanken von der „Impfverweigerung als Widerstand“ gegen unzumutbare Verhältnisse im Pflegebereich in die Debatte ein.
Dem hatte bereits am Dienstag Grams in ihrer Spektrum-Kolumne widersprochen:
Impfgegnerschaft aus Trotz, dazu noch in Gesundheitsberufen? Und das zudem öffentlich rundheraus erklärt? Das geht über eine falsche individuelle Entscheidung weit hinaus, weil es gravierenden Einfluss auf alle verunsicherten medizinischen Laien haben kann und sie womöglich auf die Seite der Verweigerer bringt.
Wie auch immer:
Dass auch unser Ausgangsgedanke (Fake News und Verschwörungsmythen) durchaus eine größere Rolle spielt, belegt ein anderer Artikel bei Zeit+:
Der Autor erklärt, dass seine Mutter kurz vor Weihnachten mit der „Videobotschaft“ einer einschlägig bekannten Verschwörungsideologin konfrontiert wurde:
Die Videobotschaft hat mich ziemlich geärgert. Nicht wegen des Inhalts – die Theorien sind und bleiben Unsinn. Sondern weil diese Frau vor der Kamera es irgendwie geschafft hat, meine Mutter zu erreichen.
Meine Mutter ist Altenpflegerin, sie arbeitet täglich mit Menschen aus der Risikogruppe. Sie ist es, die mir das Video per WhatsApp weitergeleitet hat.
Ich rufe sie sofort an. Sie wirkt verunsichert, fragt mich, ob sie sich impfen lassen soll. In England sei schon jemand an der Impfung gestorben, ich solle mir das Video anschauen. Vielleicht wäre es besser gewesen, mir Zeit zu nehmen, ihr in Ruhe zu erklären, was Verschwörungstheorien sind, wie sie Ängste schüren. Ich beschäftige mich beruflich gerade viel damit.
Stattdessen sage ich vielleicht genau deswegen etwas genervt: Das ist Quatsch, Mama, einfach ignorieren. Wir beenden unser Gespräch.
Im Weiteren streift Behroz mehrere Gründe für die Impfskepsis seiner Mutter, die in der aktuellen Debatte auch vorkommen, aber unterschiedlich stark akzentiuiert werden:
Viele Pflegeeinrichtungen scheinen nicht vorbereitet auf die Skepsis ihrer Mitarbeitenden zu sein. Ich kontaktiere stichprobenartig verschiedene Heime. Die meisten wollen sich nicht äußern […]
Die Bundesregierung kennt die Gefahren, die von Falschinformationen ausgehen. Wäre es dann nicht auch ihre Aufgabe, die Pflegereinrichtungen darauf vorzubereiten, ihnen Argumente an die Hand zu geben und sie anzuhalten, diese auch ungefragt an das Pflegepersonal weiterzugeben? Viele Pflegekräfte sprechen nicht offen über ihre Einstellungen. Die Sorgen meiner Mutter müssten längst entkräftet sein […]
Ich bin milde mit ihr, weil ich ihren Alltag kenne. Sie arbeitet sich müde, kommt nach Hause und dann schickt ihr jemand eine Information. Sie hat nicht die gleichen Ressourcen wie andere Menschen, um Fakten zu überprüfen und Quellen zu hinterfragen […]
Was ist, wenn meine Mutter sich nicht impft und sich ansteckt? Nicht nur meine Mutter war mit der Situation überfordert. Ich war es auch. Wir versuchten es mit Geduld. Es funktionierte. Meine Mutter hat ihr Denken über die vergangenen Wochen mehrfach verändert. Bei einem unserer letzten Telefonate sagte sie schließlich: Natürlich lasse ich mich impfen. Ich fragte sie, woran das liegt. Sie sagte: an dir. Tatsächlich glaube ich, das ist das Geheimrezept.
Unser Vertrauensverhältnis ist viel wert in so einer Situation. Ich habe nicht das entscheidende Argument gebracht, es hat nicht plötzlich klick gemacht. Aber wir haben miteinander geredet, wir haben einander zugehört. Menschen, die so eine Art Auffangnetz nicht haben, denen fehlt diese Gegenrede, dieses Zusprechen.
Tatsächlich nimmt der Artikel einen guten Ausgang:
Selbstverständlich ist das nicht.
Zum Weiterlesen:
Endlich Impfung? Der Wissenschaft vertrauen, rbbKultur am 14. Januar 2021
Verschwörungsmythen und Fake News reduzieren die Impfbereitschaft von Pflegekräften, GWUP-Blog am 9. Januar 2021
„Impfverweigerung im Medizinbetrieb setzt ein fatales Signal“: Grams‘ Sprechstunde, GWUP-Blog am 12. Januar 2021
Impfpflicht für Pflegeberufe rechtlich kompliziert, mdr am 14. Januar 2021
Letztlich verstehe ich eine Entscheidung von Menschen in Gesundheitsberufen gegen das Impfen, im Speziellen gegen die Corona-Impfung, überhaupt nicht.
Sicher dürfte hier auch ein Verquickung mit anderen Problemen eine Rolle spielen, die mit dem Impfen an sich nichts zu tun haben – etwa die aktuelle Überforderungssituation des Gesundheitswesens und ein nur zu verständlicher Frust über die chronisch unhaltbare Gesamtsituation in der Pflege und in den Kliniken generell.
Aber Impfgegnerschaft aus Trotz, dazu noch in Gesundheitsberufen? Und das zudem öffentlich rundheraus erklärt?
Das geht über eine falsche individuelle Entscheidung weit hinaus, weil es gravierenden Einfluss auf alle verunsicherten medizinischen Laien haben kann und sie womöglich auf die Seite der Verweigerer bringt.
Im 33. Special bei den WildMics haben wir uns mit der Frage beschäftigt, was passiert eigentlich aus dem QAnon-Verschwörungsmythos, wenn Donald Trump nicht mehr Präsident ist. Tommy Krappweis wollte auf diese Frage Antworten haben. Als Experten*innen waren dieses Mal mit dabei Pia Lamberty, Bernd Harder und Holm Hümmler.