4. November 2022
von Bernd Harder
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Ihr neues Buch „Endspiel Europa“ bewirbt Ulrike Guérot im Multipolar Magazin (mit Psiram-Eintrag) und bei Rubikon News (mit Psiram-Eintrag):
Philipp Ther, Professor für Geschichte Ostmitteleuropas an der Universität Wien, wirft Guérot vor, weder die russische noch die ukrainische Sprache zu beherrschen, auch mit der Nato habe sie sich nie befasst:
Es fehlt also jede Basis für eine fundierte Einschätzung.
Für eine weitere Neuerscheinung, in der es um „die planmäßige Entrechtung und Unterwerfung aller Menschen weltweit“ geht, hat sie ein Vorwort beigesteuert:
Bereits im Juni erklärte das Studierendenparlament der Uni Bonn, die „unfundierten“ Aussagen der Professorin seien zwar von der Meinungsfreiheit geschützt, aber einer Inhaberin des Lehrstuhl Europapolitik nicht angemessen. Sie schadeten dem Ruf der Uni.
Auch der Göttinger Politikwissenschaftler Andreas Busch forderte, die Universität müsse „Licht in dieses Berufungsverfahren“ bringen und „darlegen, wie ein Prozess der Bestenauslese zur Berufung von Frau Guérot führen konnte“.
Am 31. Oktober hat nun die Uni Bonn eine „Stellungnahme zu öffentlichen Äußerungen eines Mitglieds der Universität“ veröffentlicht – allerdings ohne konkrete Namensnennung.
Darin heißt es:
Allgemeine Standards guter wissenschaftlicher Praxis [sind] zu wahren und namentlich spekulative, nicht wissenschaftlich belegbare Behauptngen zu unterlassen. Verdachtsfälle auf Fehlverhalten werden im Einzelfall von den zuständigen Stellen geprüft und gegebenenfalls sanktioniert.
Dass bereits ein solches Verfahren anhängig sei, sagte die Uni-Pressestelle dem Journalisten Gunnar Hamann:
Gegenüber Welt-Online erklärt die Universität kryptisch:
Die Universitätsleitung nennt in ihrer Stellungnahme bewusst keinen Namen, dabei werden wir es auch weiterhin belassen. Personalangelegenheiten unterliegen der Pflicht zur Verschwiegenheit. Stellungnahmen wie die jetzt veröffentlichte kommen selten, aber immer wieder vor und sind höchst individuell auf den jeweiligen Sachverhalt bezogen.
Wenn indes nicht alles täuscht, schreibt der Autor dazu, seien „Ulrike Guérot, ihre öffentlichen Auftritte und wahrscheinlich auch ihre Veröffentlichung der Anlass dieser Stellungnahme“.
Auch die FAZ geht davon aus, dass damit Ulrike Guérot gemeint ist.
Der FAZ-Redakteur Thomas Thiel weist in dem Artikel darauf hin, dass Guérot nicht nur einen freizügigen Umgang mit Fakten pflege, sondern auch umfangreich plagiiert habe:
Beides muss nicht dem gleichen Ziel dienen. Sollte sich jedoch herausstellen, dass sie gezielt ihre wissenschaftliche Reputation für politische Propaganda missbraucht und dabei wissenschaftliche Standards verletzt, könnte das Folgen haben.
Der Autor äußert ferner die Vermutung, Guérot habe ihren Bonner Lehrstuhl weniger ihren akademischen Meriten zu verdanken als vielmehr ihrem „politischen Kapital“ als „auflagenstarke Publizistin und gefragte Medienfigur“.
Zu ihrem neuen Ukraine-Buch erklärt Thiel:
Konsequent wird die Deutung des weltpolitischen Geschehens dem Wunsch nach eigener Wirkung und Größe untergeordnet.
Dagegen kritisiert ein Sprecher des Netzwerks Wissenschaftsfreiheit bei Welt+ das Verhalten der Universität Bonn als „übergriffig“ und deren Stellungnahme als eine Ansammlung von „unbelegten Pauschalbehauptungen“.
Aber auch der Welt-Journalist unterstreicht, dass Guérots Weg zur Bonner Ordinaria „alles andere als skandalfrei“ gewesen sei und hebt unter anderem die Plagiatsaffäre hervor. Erklärungsbedürftig sei darüber hinaus die Tatsache, dass die Politologin sich nicht scheue, „Endspiel Europa“ in ihre wissenschaftliche Publikationsliste aufzunehmen.
Ein Buch, das die Wiener Zeitung dazu veranlasst, Ulrike Guérot schlicht „Putins Trollin“ zu nennen.
Update
Zeit-Online interviewt dazu den Mainzer Philosophen Tim Henning:
Was Guérot tut: Sie trifft Aussagen auf Grundlage unzureichender Belege. Logisch ist da aber nichts widersprüchlich oder widersinnig. Es ist schlechte Wissenschaft, weil es schlecht belegt ist.
Im Verfassungsblog war bereits vergangene Woche ein Beitrag zu der Frage erschienen, was Universitäten gegen „politische Esoteriken“ von Professorinnen und Professoren tun können.
Zum Weiterlesen:
- Stellungnahme zu öffentlichen Äußerungen eines Mitglieds der Universität, uni-bonn am 31. Oktober 2022
- Fulminante Deutungen, FAZ+ am 3. November 2022
- Ulrike Guérot und die „absurde territoriale Integrität der Ukraine“, ruhrbarone am 3. November 2022
- Bonner Professorin in der Kritik: „Man kann Guérot nicht mehr auf Studierende loslassen“, t-online am 2. November 2022
- Putins Trollin, Wiener Zeitung am 3. November 2022
- Warum die Uni Bonn ein Problem mit ihrer Star-Professorin hat, Welt+ am 4. November 2022
- Ulrike Guérot: „Es ist schlechte Wissenschaft, weil es schlecht belegt ist“, Zeit+ am 4. November 2022
- Ulrike Guérot: Wo die Politologin ist, ist Provokation, morgenpost am 10. Juni 2022
- Ulrike Guérot: Eine Stimme des Postfaktischen, Zeit+ am 3. August 2022
- „Verschwörung & Fakten“: Die Radikalisierung der Ulrike Guérot, GWUP-Blog am 19. März 2022