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Nibiru, Planet X und der Weltuntergang – 2012 oder zu jeder anderen Zeit

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Vor zehn Jahren konnten wir uns um diese Zeit endlich wieder zurücklehnen.

Nach unzähligen Vorträgen, Interviews und nicht zuletzt einer abgewehrten Abmahnklage gegen die Augsburger Skeptiker wegen ihrer „Weltuntergangsparty“ am 21. Dezember 2012 wurde endlich zwischen den Jahren für jeden offensichtlich, dass der Weltuntergang mal wieder ausgeblieben war.

Auch der sagenumwobene Planet „Nibiru“ hatte die Erde anscheinend nicht erreicht.

Auch nicht 2013, nicht 2014 und nicht 2017, als dieser mysteriöse Himmelskörper sich erneut in die Erdkugel bohren sollte.

Aber kann ja noch werden – oder nicht?

Hoaxilla haben sich den Mythos um Nibiru alias Planet X alias Planet Neun für die aktuelle Folge mal näher angesehen.

Und da auch „Nibiru“ zu den unsinkbaren Gummienten des Eso- und Para-Zirkus gehört, veröffentlichen wir im Folgenden das vollständige Kapitel „Nibiru – der Weltenzerstörer“ aus meinem Buch „2012 oder wie ich lernte, den Weltuntergang zu lieben“ (Herder, 2011).

Der vielleicht längste Blogbeitrag ever. Und ja, so war das damals.

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Treffen sich zwei Planeten …

Millionen Menschen auf der ganzen Welt können über diesen Witz beim besten Willen nicht mehr lachen:

Sagt der eine Planet zum anderen: „Und, wie geht’s denn so?” Dieser entgegnet: „Ach, nicht so gut, habe gerade Homo sapiens.“ Darauf der andere: „Keine Angst, das geht vorbei.“

Lustig? Nicht unbedingt.

Denn möglicherweise ist es tatsächlich bald vorbei mit der Menschheit. Denn er nähert sich unaufhaltsam. Nibiru ist im Anflug! Jener mysteriöse Himmelskörper, der vor 3600 Jahren schon für die zehn biblischen Plagen verantwortlich war. 2012 ist es wieder soweit. Dann wird der Weltenwanderer erneut Chaos und Zerstörung bringen.

Warum lügen Sie? Er kommt. Und jeder weiß das!

Seit einiger Zeit wird David Morrison, Senior-Fachkraft am NASA-Institut für Astrobiologie, mit solcherlei E-Mails geschmäht. Morrison betreibt die populäre Webseite „Ask an Astrobiologist“ und ist seltsame Fragen nach seltsamen Dingen wie Ufos oder Aliens gewohnt.

Als vor zwei, drei Jahren die Zahl der Auskunftssuchenden plötzlich explodierte, glaubte der Astronom noch an einen kurzlebigen Internet-Hoax als Ursache. Doch schnell wurde ihm klar, dass die Leute es ernst meinten. Todernst sogar.

Ich kann nicht mehr schlafen, ich mache mir wahnsinnige Sorgen – ich will nicht sterben!

war nur eine von zahllosen besorgniserregenden Nachrichten in seinem elektronischen Postfach.

Morrison versicherte den Schreibern, dass kein Planet namens Nibiru existiere und schon gar nicht auf die Erde zurase. Vergebens.

„Hören Sie endlich auf, die Unwahrheit zu propagieren“, forderte eine neuerliche E-Mail-Flut den Space-Experten auf:

Sie gefährden damit das Leben meiner Familie. Wenn die NASA das so massiv leugnet, dann muss etwas dran sein!

Klingt vernünftig. Denn was wissen schon Wissenschaftler?

Ganz offenkundig nicht das, was der unorthodoxe Altertumsforscher Zecharia Sitchin bei der Übersetzung von alten Keilschrift-Texten der Sumerer zutage förderte: In seinem Buch „Der zwölfte Planet“ legte Sitchin Beweise dafür vor, dass die Erde in vorgeschichtlicher Zeit von Außerirdischen besucht wurde.

Genauer gesagt: von den Annunaki, Bewohner des Planeten Nibiru.

Vor Äonen ist dieser Himmelskörper (manchmal auch „Marduk“ genannt) in unser Sonnensystem eingedrungen. Zu den wichtigsten Eckdaten Nibirus gehören eine Umlaufzeit um die Sonne von etwa 3600 Jahren und eine untypische, extrem elliptische Bahn.

Vor zirka 450 000 Jahren begann sich die lebensnotwendige Atmosphäre des Planeten zu zersetzen. Nur das Edelmetall Gold eignete sich als Reparaturmaterial – und eben dieses war knapp auf Nibiru. Also suchten die Nibiruaner/Annunaki die übrigen Planeten nach dem kostbaren Rohstoff ab. Und wurden fündig auf unserer Erde, unter anderem in Südafrika.

Im sumerischen Raum, im Zweistromland, errichteten die Extraterrestrischen Raumhäfen und Basen. Belege für die Besuche der Fremden finden sich auf Rollsiegeln der Sumerer sowie in religiösen Texten, etwa im Buch Genesis des Alten Testaments. Die Bibel benennt diese Götter aus dem All „Nephilim“:

In jenen Tagen gab es auf der Erde die Riesen, und auch später noch, nachdem sich die Gottessöhne mit den Menschentöchtern eingelassen und diese ihnen Kinder geboren hatten. Das sind die Helden der Vorzeit, die berühmten Männer. (Gen 6,4-5)

Wie ist das zu verstehen?

In der Lesart Sitchins so:

Da die Annunaki Sklaven für die Arbeit in den Goldminen benötigten, optimierten sie mittels genetischer Experimente die Hominiden (Menschenaffen/Primaten). „Der Mensch ist das Produkt der Evolution“, schrieb Sitchin. „Aber der moderne Homo sapiens ist das Ergebnis von Göttern.“ Von außerirdischen Göttern.

In der Folgezeit wurden die ursprünglichen Geschöpfe und Sklaven immer intelligenter und vermischten sich mit den Töchtern der Annunaki. Schließlich sei es zur Entstehung der frühen Hochkulturen gekommen – aber auch zu Intrigen und Auseinandersetzungen zwischen Aliens und Homo sapiens.

Am Ende hätten die Annunaki sich wieder von der Erde zurückgezogen. Zurück auf ihren Planeten Nibiru, am äußersten Rand des Sonnensystems.

Wieso eigentlich spricht Zecharia Sitchin von Nibiru als dem „zwölften Planeten“? Schließlich gibt es in unserem Sonnensystem nur acht Planeten – was hieße, dass Nibiru der neunte sein müsste.

Die eigentümliche Zählweise ergibt sich Sitchin zufolge aus dem sumerischen Weltbild:

Im Zentrum steht die Sonne (Apsu), dann kommen Merkur (Mummu), Venus (Lahamu), Erde (Ki), Mond (Kingu), Mars (Lahmu), Nibiru/Marduk, Jupiter (Kischar), Saturn (Anschar), Uranus (Anu), Neptun (Ea) sowie Pluto (Gaga). Für Sitchin gelten sowohl Pluto (seit 2006 nur noch ein „Kleinplanet“) als auch der Mond als Planeten, da die Erde Letzteren in der Frühzeit des Sonnensystems eingefangen habe.

Beweise dafür, dass die Sumerer derart detaillierte Kenntnisse unseres Sonnensystems hatten, will Sitchin auf verschiedenen Fundstücken aus Mesopotamien entdeckt haben. Dort ist auch die Rede von den Annunaki, sumerisch für „Die, die vom Himmel auf die Erde kommen“.

Alle 3600 Jahre nähert Nibiru sich der Erde. Und stets bringt er Aufruhr mit sich, verursacht kleinere und größere Katastrophen. Der letzte Durchgang soll zu der Zeit erfolgt sein, da Moses den Auszug der Israelis aus Ägypten vorbereitete. Die zehn Plagen könnten also Begleiterscheinungen des Nibiru-Durchgangs gewesen sein.

2012 soll es wieder einmal soweit sein. Nibiru wird die Erde heimsuchen und die Annunaki, Schöpfer und Herrscher der Menschen, kehren zurück. „Mit welchen Absichten, das bleibt völlig offen“, merkt Der 2012 Blog an.

Bleibt es nicht.

Denn es gibt jemanden, der Näheres dazu weiß. Eine Frau namens Nancy Lieder.

Bis 1995 war sie eine unauffällige Angestellte und Mutter aus Wisconsin. Doch dann machte Nancy Lieder mit spektakulären Enthüllungen auf sich aufmerksam: Der Planet Nibiru werde bald schon durch unser Sonnensystem donnern und nur knapp an der Erde vorbeischrammen.

Entwarnung? Keineswegs.

Die Gravitation von Nibiru löst einen Polsprung aus, der die Erde um 180 Grad dreht. Die Folgen dieser plötzlichen katastrophalen Umpolung: eine Erhitzung des Erdkerns, kochende Meere, Verschiebungen der Kontinentalplatten, Erdbeben und Vulkanausbrüche. Kurzum: das Ende der Menschheit.

Als Datum gab die Untergangsprophetin den 27. Mai 2003 an. Als nichts passierte, verlegte Lieder die Apokalypse durch den Himmelskörper auf „in den nächsten Jahren“. Als Hotspot gilt nun Dezember 2012.

Woher weiß Nancy Lieder das? Aus zuverlässiger Quelle. Denn Lieder ist ein Channel-Medium, das als „geistiger Kanal“ für den telepathischem Kontakt mit Bewohnern des Planeten Zeta (im Sternensystem Zeta Reticuli) fungiert.

Auf der Internetseite zetatalk.com informieren die „Zetas“ via Kanalarbeiterin Nancy Lieder die Menschheit über den bevorstehenden Untergang der Erde, ausgelöst durch den besagten Polsprung.

Und nun? Was sollen wir tun?

„Liebe mag vor dem Polsprung aufblühen, wie es sollte“, lautet die etwas kryptische Anweisung der Zetas:

Jene mit großer Liebe in ihren Herzen antworten auf die Erkenntnis, dass wenig anderes zählt.

Ersatzweise kann man auch eine „Survival Site CD“ für $ 4,10 von einer verbandelten Organisation mit dem programmatischen Namen „Troubled Times Inc.“ erwerben. Oder eine Broschüre für $ 7,50. Oder eine „Broschüre-/CD-Kombination“.

Gibt’s für das Doppelpack wenigstens Rabatt?

Wem eine solche Frage auch nur in den Sinn kommt, der hat noch nicht den Ernst der Lage realisiert: „Der Polsprung geht uns alle an und niemand kann sich ihm entziehen!“, grollt der Betreiber der deutschen Zetatalk-Präsenz:

Zetatalk wird bald eine der wichtigsten Websites im deutschsprachigen Internet werden. Es ist nicht einzusehen und es frustriert mich sehr, dass ich mich hier immer noch alleine abstrample! Bitte zeigt euch erkenntlich!

Unterstützung für ihre ebenso weltbewegende wie schwierige Mission findet Lieder zum Beispiel bei den „Raumbrüdern“, die mit ihr „den Glauben an eine alte Götterrasse“ aus dem Weltraum teilen. Im Impressum des Internet-Auftritts der „Raumbrüder“ steht denn auch zu lesen:Die Idee und die Gestaltung dieser Seite entstammt dem universellem Bewusstsein“.

Auf der Seite findet sich ebenfalls eine lange Abhandlung über Nibiru. Er soll allerdings ein Brauner Zwerg sein – also ein Mittelding zwischen Stern und Planet. Einer seiner Monde wird heuer von den Annunaki bevölkert.

Diese humanoide Rasse (Mensch-Reptil-Hybriden) zeige sich in folgender Anmutung:

Sie sehen uns Erdenmenschen teilweise sehr ähnlich. Haarfarbe: blond bis schwarz, auch rot. Größe der Männer: zwei bis 2,20 Meter, Frauen 1,80 bis 2,20 Meter. Sie kommen aus dem Aldebaran-System im Sternbild Stier. Ihre Nachfahren sind in den Plejaden gesiedelt.

Möglicherweise ist den Annunaki ihr Mond zu klein geworden und sie denken nun daran, die Erde endgültig in Besitz zu nehmen. Und dabei lediglich einen winzigen Teil der Erdbevölkerung zu verschonen beziehungsweise in die achte, neunte oder irgendeine andere Dimension aufsteigen lassen.

Vermutlich nur diejenigen, welche die „Survival Site Broschüre-/CD-Kombination“ erworben haben. Ohne Ermäßigung.

Völlig klar, dass solcherlei Enthüllungen ein unvorstellbarer Schock für die Menschheit wären. Und deshalb geheim gehalten werden müssen. Aus diesem Grund hören wir von angeblichen Fachleuten wie David Morrison (in Wahrheit: Verschwörern) denn auch bloß die üblichen Beschwichtigungen.

In der zynischen Logik von NASA, UNO und Co. erscheint das durchaus verständlich, denn wenn tatsächlich ein Todesstern-ähnlicher Planet unser Sonnensystem kreuzt, dann dürften Probleme wie Klimawandel und Schuldenkrise bald sekundär sein:

Dann wird es nur noch um das nackte Überleben der Menschheit gehen. Klar, dass die Weltraum-Organisationen höhere Order haben und nur ihre eigenen Felle beziehungsweise die der Eliten ins Trockene bringen wollen … Das Beispiel des Unterwasserhotels Hydropolis in Dubai ist vor diesem Hintergrund jedenfalls eine völlig neue (Über-) Lebensperspektive für so manchen Hotelgast.

Bleibt allerdings die Frage: Wenn Nancy Lieder ihre Informationen über Nibiru aus erster Hand erhält (nämlich von galaktischen Nachbarn der Annunaki) – wieso ist der ursprünglich gechannelte Termin „Mai 2003“ folgenlos verstrichen?

Auch das ist leicht zu erklären:

Lieder wurde von der NASA erpresst und dazu genötigt, eine Falschinformation zu verbreiten, um so die Glaubwürdigkeit von Sehern, Propheten und anderen Medien auf lange Sicht nachhaltig zu beschädigen, erfahren wir zum Beispiel im Forum des Online-Portals Planet X/Nibiru 2012:

Sie [Regierungsorganisationen] wollen uns sagen: ,Schauen Sie sich diese verrückten Menschen an. Schau Dir all diese dumme Zeug an, das aus dem Internet kommt. Hören Sie besser uns zu, weil wir diejenigen sind, die Ihnen die Wahrheit sagen.‘

Aber was ist die Wahrheit? Und wo ist sie zu finden? Irgendwo da draußen, in unserem Sonnensystem, wo eine todbringende Gefahr sich längst auf den Weg zu uns gemacht hat?

Oder liegt die Wahrheit im Auge des Betrachters – in diesem Fall der Himmelsbetrachter?

Denn die Crux mit allen Konspirationsmythen rund um den geheimnisvollen Planeten Nibiru ist die: „Da sitzen also rund um den Globus in jeder klaren Nacht Zehntausende von (nicht-professionellen!) Beobachtern und gucken in den Himmel“, schreibt ein Kommentator launig im Astronomie-Blog Astrodicticum simplex:

Einige Hundert bis einige Tausend scannen visuell und fotografisch riesige Himmelsareale ab, auf der Suche nach Kometen und Asteroiden. Mit läppischen Acht-Zoll-Teleskopen beobachtet man Quasare in kosmologischen Entfernungen. Aber dieser blöde Nibiru geht einem jedes Mal wieder durch die Lappen.

Soll heißen: Wenn es Nibiru wirklich gibt – dann hat die NASA-Weltverschwörung jeden einzelnen Menschen, der weiß, wie man ein Aldi-Fernrohr bedient, fest im Griff.

Denn: Sofern Nibiru im Jahr 2012 die Erde fast touchieren sollte, müsste er sich mittlerweile längst in Bereichen aufhalten, wo er beobachtet werden kann.

Und zwar nicht nur von professionellen Sternwarten, sondern auch von unzähligen Amateurastronomen, die den Nachthimmel absuchen und eine beeindruckende Bilanz für die Entdeckung von Kometen und Novas und von allem, was sich da oben tut, aufweisen.

Und die eben keiner Organisation angehören, nichts mit Geheimdiensten, Militärs, ESA, NASA oder sonst wem zu tun haben:

Wenn da irgendein Astronom etwas beobachtet, dann erfahren davon zuerst mal ein Haufen anderer Astronomen überall auf der Welt. Und nicht die Regierung. Da kann niemand was unterdrücken.

Wirklich nicht? Was aber, wenn die Verschwörung ganz woanders ansetzt?

Stichwort Chemtrails:

„Es gibt Leute, die blicken an sonnigen Tagen immer wieder sorgenvoll zum Himmel“, schreibt beispielsweise das Focus-Magazin:

Zeigen sich dort bestimmte Kondensstreifen, steht für sie fest: Sie haben wieder gesprüht.

Der Begriff „Chemtrails“ leitet sich vom englischen „contrail“ (Kondensstreifen) her. Anders als ein normaler Kondensstreifen soll ein Chemtrail jedoch Chemikalien enthalten, die entweder durch eigens an Flugzeugen angebrachte Düsen versprüht oder aber dem Treibstoff zugesetzt werden.

Chemtrails „lösen sich angeblich nicht auf, sondern bleiben in der Luft hängen, wobei sie oft perlschnurartige Ausbuchtungen bilden und sich fächerförmig verbreitern“, heißt es im Focus weiter:

Vielfach zeichnen kreuzende Chemtrails ein Gittermuster ins Himmelsblau. Am Ende quellen sie zu eigenartigen Wolkenformationen auf, bevor sie zu einem diffusen Nebel verschmelzen. Solche Streifen sollen früher (in Deutschland vor dem Jahr 2000) nicht beobachtet worden sein, auch auf alten Fotos seien sie nicht zu finden.

Was hat das zu bedeuten?

Bislang sind Konspirologen mehrheitlich davon ausgegangen, dass mithilfe der chemischen Kondensstreifen entweder ruhigstellende Drogen ausgesprüht oder unbekannte Medikamente getestet oder heimliche Massenimpfungen durchgeführt oder todbringende Bio-Kampfstoffe freigesetzt werden, die die Weltbevölkerung um zwei bis vier Milliarden Menschen reduzieren sollen.

Oder dass es sich um ein Geheimprojekt zur Geburten- und/oder Gedankenkontrolle handelt. Oder dass Chemtrails irgendwas mit der Erderwärmung machen sollen.

Womöglich stimmt das aber gar nicht. Mittlerweile wird in einschlägigen Foren diese Variante diskutiert:

Also ich kann mir vorstellen, dass die Chemtrails wegen Nibiru gestreut werden. Das Sonnenlicht kommt nicht mehr richtig durch, Nibiru wird dadurch nicht richtig sichtbar. Die Regierung will so lange es geht verhindern, dass wir ihn sehen, darum auch seit einiger Zeit diese Chemtrails.

Nun ja, dann würde man aber gar keine Sterne mehr sehen – was offensichtlich nicht der Fall ist. Zumal Nibiru eines der hellsten Objekte am Nachthimmel sein müsste.

Andere Möglichkeit: Nibiru ist unsichtbar und wird deswegen von Astronomen nicht wahrgenommen. Seltsamer Gedanke? Kann schon sein.

Aber dem Ansehen der Brüder Grimm hat es auch nicht geschadet, dass nicht ganz klar ist, wie der Wolf Rotkäppchen und die Großmutter verschlucken konnte, ohne sie zu zerkauen. Antworten sind nicht unbedingt vorgesehen. Der Konspiratismus will verkünden, nicht diskutieren – ohne Interesse an einer kritischen Auswertung der Belege.

Und die zeigen in diesem Fall eindeutig: Es gibt auch keinen unsichtbaren Planeten Nibiru.

Wieso nicht? „Ein Himmelskörper macht sich ja nicht nur durch sein Licht bemerkbar“, erklärt der Astronom Dr. Florian Freistetter, „sondern auch durch seine Gravitation.“ Heißt: Auch für Planeten gibt es Regeln:

Die Planeten können sich nicht einfach irgendwie durch den Weltraum bewegen, auf einer beliebigen Bahn und mit beliebiger Geschwindigkeit. So wie alles andere im Universum müssen auch sie sich an die Naturgesetze halten.

Um die Erdbahn bedrohlich zu beeinflussen oder gar durch seine Gravitationskraft auf der Erde Naturkatastrophen auszulösen, müsste Nibiru unserem blauen Planeten außerordentlich nahe kommen.

Die Existenz eines solchen Gestirns in unserem Sonnensystem widerspricht aber allen Gesetzen der Himmelsmechanik. Wenn es sich bei Nibiru nämlich um einen Planeten mit der ihm nachgesagten vier- bis achtfachen Erdmasse handelt, der eine stabile Bahnführung besitzt und der alle paar tausend Jahre an uns vorbeirauscht, dann müsste seine Umlaufbahn die Bahn der anderen Planeten in unserem Sonnensystem regelmäßig kreuzen.

Und das wäre keinesfalls unbemerkt geblieben, denn ein Objekt von solcher Größe würde mit anderen Himmelskörpern massiv wechselwirken und zum Beispiel verhindern, dass die übrigen Planeten sich auf stabilen, annähernd kreisförmigen Bahnen um die Sonne bewegen.

Nibiru hätte Uranus, Neptun und Co. längst aus unserem Sonnensystem herausgekegelt – oder aber bei Kollisionen zerstört. Es ist extrem unwahrscheinlich, dass etwa der Mond immer noch da wäre, wenn regelmäßig Nibiru vorbeikommen würde.

Dass aber nicht zuletzt auch Raumsonden regelmäßig punktgenau ihr vorausberechnetes Ziel erreichen, ist ein sehr starkes Indiz dafür, dass da draußen kein gewaltiger Störfaktor namens Nibiru existiert.

„Würden wir bei dieser Rechnung einen Planeten einfach ignorieren – zum Beispiel den Jupiter – ,dann würde uns ein Teil der wirkenden Gravitationskraft entgehen und die Sonde würde nicht dort lang fliegen, wo sie lang fliegen soll“, so Freistetter bei Astrodicticum simplex:

Bewegen sich also die Himmelskörper nicht so, wie man es vorher berechnet hat, dann ist das ein Hinweis auf einen bisher nicht berücksichtigten Einfluss beziehungsweise einen bisher unbekannten Himmelskörper. Genau auf diese Art und Weise hat man im 19. Jahrhundert den Planeten Neptun entdeckt: Die vorherberechnete Bewegung des Uranus stimmte nicht mit der Realität überein und man hat daraus richtigerweise geschlossen, dass es noch einen weiteren Planeten geben muss.

Aber angenommen, Nibiru ist gar nicht so gewaltig, sondern bloß ein Kleinplanet? Dann hätte er nicht über Milliarden Jahre eine stabile Bahn bewahren können und der umgekehrte Fall wäre eingetreten: Die Heimat der Annunaki wäre von der Gravitationskraft der anderen Planeten vertrieben worden und irgendwo im Universum verschwunden.

Nächster Versuch:

Nibiru hält sich gar nicht in unserem Sonnensystem auf, sondern schleicht sich aus den Tiefen des Alls heran, um im Dezember 2012 ganz plötzlich zu erscheinen, vielleicht gar mit Lichtgeschwindigkeit? Nette Idee, aber ziemlich absonderlich.

Erstens könnte Nibiru dann logischerweise früher ja noch nie dagewesen sein. Und zweitens bewegen sich die schnellsten Sterne, die wir kennen, lediglich mit 0,2 bis 0,5 Prozent der Lichtgeschwindigkeit.

So weit, so gut. Einen Planeten namens „Nibiru“ gibt es also nicht.

Oder vielleicht doch – und er heißt nur anders? Nicht „Nibiru“, sondern ganz simpel „Planet X“. Denn wie sonst kommt es, dass auch anerkanntermaßen seriöse Nachrichtenmedien immer mal wieder einen geheimnisvollen „Planet X“ erwähnen?

Kaum verwunderlich also, dass dieses seltsame Faktum vielen Zeitgenossen große Sorgen macht.

Etwa einem Interessenkreis, der sich im Web-Portal wer-kennt-wen.de zusammengefunden und sich den Namen „Gruppe Roter Vollmond“ gegeben hat. Dort diskutieren die Teilnehmer unter anderem solche Behauptungen:

Es gab ein offizielles Dokument ,The search for planet X‘ der NASA. Und bereits 1983 berichtete die NASA in der Washington Post über eine Sichtung von Planet X, danach war Schweigen angesagt. Die Regierungen beziehungsweise Medien und NASA warnen die Bevölkerung nicht.

Auch im Kommentarbereich von Astrodicticum simplex, wo Astronom Freistetter als deutsches Pendant zu NASA-Frontmann David Morrison hingebungsvoll gegen die Nibiru-Panik ankämpft, tauchen regelmäßig Verschwörungstheorien um „Planet X“ auf.

Zum Beispiel:

Die moderne Bezeichnung für Nibiru ist Planet X. Er wurde 1983 vom IRAS-Team entdeckt und wird seitdem von der NASA totgeschwiegen beziehungsweise geheim gehalten, um auf der Erde eine Massenpanik zu vermeiden.“

Was hat es mit mysteriösen Chiffren wie „IRAS“ oder „Planet X“ auf sich?

Letztendlich wenig.

Mit „Planet X“ wird in der Wissenschaft ein unbekannter Planet bezeichnet. Diesen Ausdruck gibt es seit dem 18. Jahrhundert, als man feststellte, dass anscheinend ein noch nicht entdeckter Planet die Bahn des Uranus beeinflusst. Dieser Himmelskörper wurde dann im 19. Jahrhundert tatsächlich ausfindig gemacht: Es handelte sich um Neptun.

Seitdem ist „Planet X“ ein verbaler Platzhalter für eventuell vorhandene, aber noch nicht lokalisierte Planeten. Das IRAS wiederum war ein Satelliten-Weltraumteleskop, das nach Infrarotquellen im All fahndete und dabei jede Menge neue Objekte entdeckte.

„Nicht alle diese Infrarotquellen konnten gleich identifiziert werden“, schreibt Freistetter. Eben dies war denn auch das Thema eines Artikels, der 1984 im der Fachzeitschrift Astrophysical Journal erschien: „Unidentified point sources in the IRAS minisurvey“.

Eine der wilderen Spekulationen über die Natur dieser unidentifizierten Infrarotquellen fand ihren Weg in die Medien – und floss schließlich auch in den berüchtigten Washington Post-Artikel ein, der von Nibiru-Phobikern immer wieder angeführt wird:

The most fascinating explanation of this mystery body, which is so cold it casts no light and has never been seen by optical telescopes on Earth or in space, is that it is a giant gaseous planet as large as Jupiter and as close to Earth as 50 trillion miles.

Nachfolgebeobachtungen zeigten allerdings, dass es sich bei den okkulten Infrarotquellen lediglich um weit entfernte Galaxien handelt. IRAS fand – „leider“ – keine neuen Planeten. Die Literaturdatenbank ADS (Astrophysical Data System) weist zwar annähernd 120 wissenschaftliche Artikel aus, in denen „Planet X“ schon im Titel vorkommt – allerdings eben nicht als Synonym für den weltzerstörenden Nibiru.

Haben die Kritiker der „Treffen sich zwei Planeten“-Panik mithin Recht, wenn sie konstatieren: „Nibiru wird nur als Goldesel beziehungsweise Ich-mach-mich-wichtig verwendet!“

Es deutet zumindest alles darauf hin.

Gehen wir zurück zum Ursprung des Nibiru-Mythos. Zecharia Sitchin, der 2010 verstarb, war weder anerkannter Orientalist noch „Sumerologe“, sondern ein populärer Prä-Astronautik-Schriftsteller im Gefolge Erich von Dänikens.

Wie kam der vorgebliche „Altertumsforscher“ auf seine spektakulären Auslegungen der Archäologie des Zweistromlands? Durch schlichte Fehler und Irrtümer, ist nicht nur der Physiker Dr. Markus Pössel vom Max-Planck-Institut für Astronomie (Heidelberg) überzeugt.

Wie Sitchin Sumerisch und Akkadisch instrumentalisierte – die für die Frühgeschichte des Orients wichtigsten Sprachen – verdeutlicht Pössel an einem plastischen Beispiel:

Stellen wir uns vor, ein Austauschstudent aus China, der sowohl die deutsche wie auch die englische Sprache erst auf Anfängerniveau beherrscht, legt seiner Sprachlehrerin folgenden kurzen Aufsatz über eine Begebenheit in seiner Gastfamilie vor:

„Als Peter („Der ein Haustier ist”) mit seinem Lastwagen („seinem letzten Wagen”) gefahren war, traf er Annegret („Ein Fischreiher”). Er fragte sie, ob sie auch schon das neueste Buch von Zecharia Sitchin („Der auf seinem Kinn sitzt”) gelesen habe. Sie verneinte, erwiderte aber, Karin („Die im Auto ist”) habe es bestimmt gelesen.”

Nach einem Moment der Verblüffung wird deutlich, dass der Verfasser hier Wörter und Eigennamen übersetzt, indem er die deutsche und englische Sprache wild durcheinander wirft.

Man müsste dem Studenten also erst einmal erklären, dass man zum Beispiel die einzelnen Silben eines Wortes nicht wahlweise auf Deutsch oder auf Englisch wiedergeben kann. Denn ein „Lastwagen“ ist und bleibt nun mal ein Lastwagen – und kein „letzter“ (last) Wagen. Und natürlich ist auch ist die Aussprache von „Last“ (deutsch) und „last“ unterschiedlich: Obwohl beide Wörter identisch geschrieben werden, ist im ersten Fall das „a“ kurz, im zweiten Fall lang.

Auch die differierende Grammatik des Deutschen und des Englischen lässt unser Student völlig außer Acht, denn nur so kann er dem Namen „Peter“ die Bedeutung „Er ist ein Haustier“ geben – indem er das englische Substantiv „pet“ (Haustier) mit dem deutschen Personalpronomen „Er“ kombiniert („pet-Er“).

Mit der Orthografie nimmt der Autor es ebenfalls nicht allzu genau. So ist „ein Fischreiher” im Englischen zwar „an egret“, bloß mit „Annegret“ hat das nichts zu tun, was allein schon durch das zweite „n“ im weiblichen Vornamen deutlich wird.

Ebenso wenig ist unsere deutsche „Karin“ klanglich eine Frau „im Auto“ („car in“).

„Genau so“, erklärt Pössel, sei der Autor Zecharia Sitchin mit der sumerischen und der akkadischen Sprache umgegangen. Und auf diese eigentümliche Art und Weise fand Sitchin in den Überlieferungen der Sumerer alles, was er finden wollte.

Dass Sitchin sich eher als prähistorisch orientierter Science-Fiction-Autor betätigte denn als Wissenschaftler, wird in zahllosen Passagen seines Gesamtwerks deutlich.

Etwa zu den Anfangstagen der Annunaki auf Erden:

„Die Annunaki arbeiteten schwer. […] Vierzig Perioden lang, das heißt, während vierzig Umläufen ihres Planeten vor 144 000 Erdenjahren. […] Ununterbrochen arbeiteten die Annunaki, Tag und Nacht erlitten sie Mühsal. Während die Schächte immer tiefer und die Plackerei immer schlimmer wurde, beklagten sie sich, murrten hinter vorgehaltener Hand im Bergwerk.“

Aber dann: „Die Annunaki, die in den Goldminen arbeiten, meutern. Enki und Ninharsag erschaffen durch genetische Manipulation mit einem weiblichen Affenmenschen die primitiven Arbeiter, die die Schwerarbeit der Annunaki übernehmen.

Enlil überfällt die Minen und verschleppt diese Arbeiter nach Mesopotamien. Sie erhalten die Fähigkeit, sich fortzupflanzen, und der Homo sapiens beginnt sich zu vermehren. […]

„Eine amüsante Geschichte“, urteilt der Prä-Astronautik-Kritiker Dr. Klaus Richter, „der jeder Bezug zur Realität fehlt“.

Weshalb?

„Noch im vergangenen Jahrhundert“, holt Richter aus, „fand man in Südafrika (hier siedelt Sitchin seine Goldminen an) Gold an der Erdoberfläche, andernfalls hätte es in den 1880er-Jahren keinen Goldrausch in Südafrika gegeben“:

Wo ist die Logik, wenn den Annunaki erst nach 144 000 Jahren dämmert, dass sie eigentlich den Menschen als Arbeitssklaven schaffen können, und warum murren sie über die Abbauarbeit, wo ihnen doch als hochtechnisierten Außerirdischen entsprechende Mittel zur Verfügung gestanden hätten?

Wie kommt es, dass es heute noch große Goldvorkommen in Südafrika gibt, wenn doch der Mensch als Arbeitssklave der Annunaki 300 000 Jahre lang die Goldvorkommen geplündert hat? Und: Wo sind die Spuren der damals angelegten Bergwerke? Sie müssten doch heute noch zu sehen sein, das Gelände müsste völlig durchwühlt sein.

Und nicht nur das. Sitchin entwirft ein Bild zur Entstehung des Menschen, das völlig von den Erkenntnissen der modernen Paläoanthropologie abweicht:

Der Homo sapiens entstand vermutlich vor etwa 110 000 Jahren in Südafrika aus dem Homo erectus und bewegte sich von dort im Laufe der Jahrzehntausende nach Nordafrika, Europa (wo er auf den Neandertaler traf), nach Asien, Ozeanien und Amerika. Bislang gibt es keine ernstzunehmenden Hinweise auf außerirdische Eingriffe in die menschliche Evolution.

Richters Fazit:

Sitchin erfinde Rätsel, „wo es keine Rätsel gibt, damit er sie dann im Sinne seiner Theorie lösen kann“.

Das ist alles.

„Nibiru“ ist und bleibt somit lediglich der Name einer Gottheit aus der sumerisch-babylonischen Mythologie. Sehr wahrscheinlich ein Sonnengott, denn „Neb-Heru“ bedeutete beispielsweise bei den alten Ägyptern so viel wie „Herr der Sonne“. Erst Zecharia Sitchin hat daraus mit viel Phantasie und exzentrischen archäologischen Interpretationen einen zerstörerischen Himmelskörper auf Beinahe-Kollisionskurs mit der Erde gemacht.

Und die Zeta-Talkmasterin Nancy Lieder?

Üblicherweise lassen sich weder gechannelten Jenseits- noch „Jenseits des Weltalls“-Botschaften höhere oder außergewöhnliche Einsichten entnehmen. Die „Troubled Times“-Topics (von „Aids“ und „Annunaki“ über „Planet X Denial“ bis zu „Wordwide Infertility“), die Lieder auf ihrer Seite zetatalk auflistet, stellen bestenfalls eine inhaltliche nur lose verbundene Abfolge äußerst simpler, vager und sich ständig wiederholender Ideen und Gedankenfragmente dar.

Hinter den „Botschaften“ von Aliens oder anderen höheren Wesenheiten verbergen sich wohl nichts anderes als unterbewusste, verdrängte oder abgespaltene Anteile des eigenen Seelenlebens des „Mediums“.

Nach Ansicht von Psychologen beruht das Phänomen des Channelings auf einer Art Trance, die entweder per Selbst- oder Fremdhypnose hervorgerufen wird. Dabei verengt sich das Wahrnehmungsfeld, während zugleich eine enorme Phantasietätigkeit freigesetzt wird.

„Volltrance-Medien“ sind sich ihrer Durchsagen meist nicht bewusst – weisen allerdings aber auch „durchwegs die Charakteristika schwerer schizophrener Persönlichkeitsstörungen auf“, urteilt der Autor Colin Goldner.

Auch im Kommentarbereich von Astrodicticum simplex meldete sich im Verlauf einer Diskussion zu 2012 ein angebliches Channel-Medium mit „Botschaften“ von Aliens – ob authentisch oder als Gag, war nicht ganz eindeutig.

Gefragt nach einem knappen Beweis für die Goldbachsche Vermutung – ein ungelöstes mathematisches Rätsel –, antwortete das übernatürliche Geistwesen äußerst diplomatisch:

Zahlenmeister wie du haben bei uns keine Bedeutung. Wir müssen keine Strecken ausrechnen oder etwas bauen, um zu reisen, wir reisen einfach […] Zahlen haben keine Bedeutung, es sind Dinge, die nicht da sind, die nicht existieren. Willst du wissen, was eine Primzahl in der vierten Dimension ist? Bevor ich dir das sage, musst du mir beweisen, dass du das Schema der vierten Dimension begreifen kannst, sonst kannst du auch mit den weiteren Erklärungen nichts anfangen.

Übersetzt heißt das vermutlich: Planet X – wird wohl nix.

Geschäftemacher (aber auch ehrlich Besorgte) legen trotzdem weiter nach. Und präsentieren jede Menge Beweisfotos und Filme vom herannahenden Nibiru, etwa bei Youtube. Oder sollten das alles ganz normale atmosphärische Effekte, Sonnenreflexionen und Kameraartefakte sein?

Fragen wir noch einmal den Doktor der Astronomie Florian Freistetter:

Wie bei den Unmengen an angeblichen Aufnahmen von außerirdischen Raumschiffen gibt es natürlich auch jede Menge Bilder von Planet X, die in Wahrheit einfach nur Venus, Jupiter oder einen anderen hellen bekannten Planeten zeigen.

Viele Leute haben eben einfach zu wenig Ahnung von den Dingen am Himmel, und wenn dann Planeten wie Jupiter und Venus prominent und extrem hell in der Abend- oder Morgendämmerung zu sehen sind, wissen viele nicht, was sie davon halten sollen, und denken, sie hätten Planet X gesehen.

Nun behaupten indes nicht wenige Nibiru-Fans, der Himmelskörper verstecke sich hinter der Sonne (was himmelsmechanisch gar nicht möglich ist, aber egal). Deshalb solle man die Sonne fotografieren/filmen – und dann sehe man endlich Nibiru auf den Bildern/Clips, so wie sie in allen möglichen Blogs und Foren ausgestellt werden.

Auch das ist Unsinn:

Wenn ich eine so helle Lichtquelle wie die Sonne fotografiere und keine speziellen Vorkehrungen treffe, dann stehen die Chancen nicht schlecht, dass am Ende auf meinen Bildern diverse interne Reflexionen der Kamera-Optik zu sehen sein werden,

sagt der Astro-Experte.

Es muss ja nicht einmal die Sonne sein – jede helle Lichtquelle reicht aus, um solche Reflexionen zu bekommen. Man findet sie auf Unmengen Amateuraufnahmen, aber die Wenigstens halten solche Lichtflecken gleich für unbekannte Planeten.

Neben solchen optischen Effekten (von lästigen technisch bedingten Artefakten des CCD-Chips moderner Digitalkameras, von Hotpixel und Deadpixel wollen wir erst gar nicht anfangen) gebe es noch einige atmosphärische Phänomene, die den Anschein erwecken könnten, dort wäre ein unbekannter Himmelskörper.

Zum Beispiel eine sogenannte Nebensonne. Diese kommt zustande, wenn Sonnenlicht durch Eiskristalle in der Luft gebrochen und gespiegelt wird, was dazu führt, dass links und/oder rechts neben der Sonne helle Phantomsonnen sichtbar werden.

Haben wir nun sämtliche Anhaltspunkte bezüglich der realen Existenz eines Planeten Nibiru abgearbeitet? Können wir endlich mit Sicherheit sagen, dass Nibiru lediglich die Heimat des Konjunktivs ist?

Nicht ganz. Bleiben immer noch die merkwürdigen blinden Flecken bei dem visuellen Google-Tool google.sky oder dem World Wide Telescop.

Zensur? Oder bloß fehler- beziehungsweise mangelhafte Daten, die man leicht bei professionellen Astro-Datenbanken wie „Aladin“ überprüfen kann? Wenn Letzteres – dann hat Nibiru entweder eine absolut undurchdringliche Tarnvorrichtung aktiviert.

Oder es gibt ihn nicht.

Eris und sein Mond Dysnomia

Zumindest nicht als Planeten.

Aber nicht umsonst hat Nibiru in Skeptiker-Kreisen den Spitznamen „Nie-gib-Ruh“ weg. Vielleicht kommt er durch ein Wurmloch? Oder er dräut als gigantische kugelförmige Raumstation heran? Oder als Asteroid ? Schließlich liest man immer mal wieder: „Nibiru ist übrigens entdeckt worden und trägt normalerweise den Namen Eris.“

Gewiss, das sind Strohmann-Argumente, denn die 2012-Freaks reden üblicherweise nicht von Ufos oder erdnahen Asteroiden, sondern von Planeten oder braunen Zwergen aus dem äußeren Sonnensystem. „Eris“ gibt es übrigens tatsächlich – das ist ein Kleinplanet, der seine Runden im Kuipergürtel zieht, dem eisigen Geröllfeld an der äußeren Grenze unseres Sonnensystems. Und dort bleibt er auch. Harmlos.

Die Existenz von Wurmlöchern dagegen ist eine reine Hypothese. Dabei soll es sich um „Abkürzungen“ zwischen verschiedenen Bereichen des Weltraums handeln. Ein anschauliches zweidimensionales Beispiel dafür wäre ein gefaltetes Blatt Papier, in das man ein Loch bohrt und so von einer Ecke des Blattes zur anderen kommt, ohne die ganze Länge des Blattes durchlaufen zu müssen.

Für den dreidimensionalen Raum wäre Ähnliches aufgrund der Allgemeinen Relativitätstheorie möglich. Das Problem: Wenn das Universum gar nicht entsprechend gefaltet ist, sondern flach, dann kann es auch keine Wurmlöcher geben.

Asteroiden? Klar, können immer die Erde treffen. In fünf Minuten oder in fünf Jahren oder in fünf Jahrtausenden. Die meisten sind aber so klein, dass sie keine Gefahr darstellen. Und größere Brocken wären jetzt schon bekannt. So erwarten Astronomen etwa für den August des Jahres 2039 einen nahen Vorbeiflug des Asteroiden „1999 AN 10“, der einen Durchmesser von über einem Kilometer hat.

Geben wir auf? Noch nicht.

Am 18. Februar 2011 in der Tageszeitung Die Welt:

Astronomen glauben, dass es am alleräußersten Rand unseres Sonnensystems einen Riesenplaneten gibt, der bislang übersehen wurde. „Tyche“, benannt nach der griechischen Schicksalsgöttin, ist so weit von der Sonne entfernt, dass er von außen nicht mehr beleuchtet wird – und andererseits als eiskalter Gasriese auch selbst kein Licht abstrahlt, so dass er buchstäblich im Dunkeln bleibt und mit normalen optischen Teleskopen nicht aufzuspüren ist.

Zwei amerikanische Astrophysiker namens John Matese und Daniel Whitmire von der Universität Lousiana schließen denn auch nur aufgrund von Bahndaten anderer Himmelskörper auf die Existenz ihres mysteriösen Großplaneten. Wie kommen die beiden darauf? Wegen der seltsamen Bahnen bestimmter Kometen. Diese kommen aus dem äußeren Bereich der „Ortschen Wolke“, benannt nach dem niederländischen Astronomen Jan Hendrik Oort.

Die Oortsche Wolke ist eine Art kosmisches Trümmerfeld aus Gesteins-, Eis- und Staubbrocken. Dort lösen sich immer mal wieder größere Teile heraus und gelangen in den inneren Bereich des Sonnensystems. Allerdings auf einem eigenartigen Schleuderkurs, der mit der Gravitationskraft eines verborgenen Großplaneten wie Tyche seine Erklärung finden könnte.

Könnte.

Andere Himmelsforscher halten die Existenz von Tyche vorerst für wenig mehr als eine „wunderbare Idee, auf jeden Fall untersuchungswert“. Möglicherweise wird es noch einige Jahre lang dauern, bis zum Beispiel aktuelle Daten des Weltraumteleskops „Wise“ ausgewertet sind.

Derzeit haben wir die Situation, dass die Tyche-Existenz von theoretischen Überlegungen abgeleitet wird. Ob die stimmen, ist noch längst nicht erwiesen.

Das Entscheidende ist aber:

Selbst wenn Tyche existiert, hat dieser Himmelskörper nichts mit dem Planeten Nibiru der 2012-Mystifizierer zu tun. Tyche wird immer extrem weit von der Sonne entfernt sein (etwa 15 000 Mal weiter als unser Planet) und sich nie auch nur annähernd in die Nähe des inneren Sonnensystems bewegen. Für die Erde macht es absolut keinen Unterschied, ob es den Gasriesen gibt oder nicht.

So? Aber weshalb bereitet sich dann zum Beispiel Norwegen intensiv auf Planet X vor?

Im Internet kursiert seit geraumer Zeit „A Letter from a Norwegian politician“, in dem es heißt:

Ich bin ein norwegischer Politiker. Ich möchte gern sagen, dass schwierige Dinge zwischen 2008 und 2012 passieren werden. Die norwegische Regierung baut mehr und mehr unterirdische Basen und Bunker. Darüber befragt sagte sie, dies sei nur zum Schutz des Volkes in Norwegen. Israel macht dasselbe, und genauso viele andere Länder […]

Der Planet X kommt und Norwegen hat damit begonnen, Ernährungsgüter und Saaten in der Svalbard-Gegend zu bunkern, ebenso im arktischen Norden mit Hilfe der USA und der EU, und überall im Lande. Sie werden nur diejenigen retten, die zur Machtelite gehören und wieder aufbauen können: Ärzte, Wissenschaftler usw. […]

Die Leute aus der Bevölkerung, die außen zurückgelassen werden und dem Tod ausgeliefert sind, werden keinerlei Hilfe bekommen. Der Plan ist, dass 2 Mio. Norweger in Sicherheit sein werden, der Rest wird sterben. Das heißt, dass 2,6 Mio. im Nichts verschwinden werden und nicht wissen, was dagegen zu tun ist.

Der Ursprung dieses „Briefes eines norwegischen Politikers“ lässt sich bis zur berüchtigten Online-Plattform „Project Camelot“ zurückverfolgen, auf der sich verhaltensoriginelle Internet-Aktivisten treffen. Das Ganze ist denn auch wenig mehr als ein Hoax beziehungsweise eine Verschwörungstheorie, die auf einer fehlinterpretierten Pressemeldung basiert.

2007 berichtete unter anderem der Stern von einem Bauprojekt in Spitzbergen, das schnell als „Tresor des Jüngsten Gerichts“ bekannt wurde.

Es ging darum, in einer alten Kohlemine drei Millionen Saatgutproben von Pflanzen einzulagern. Betrieben wird der „Svalbard International Seed Vault“ (so die offizielle Bezeichnung) vom Global Crop Diversity Trust, zu Deutsch: Welttreuhandfonds für Kulturpflanzenvielfalt. Ziel der Stiftung ist es, den Pflanzen-Genpool der Erde langfristig zu bewahren – nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund eines möglichen nuklearen Krieges oder des Einschlags eines Asteroiden.

Zuvörderst aber ist der Artenreichtum von Nutzpflanzen wie Mais, Reis, Weizen etc. zunehmend durch den Einsatz genetisch veränderten Samen und Pflanzen gefährdet. Der Svalbard International Seed Vault auf der Insel Svalbard (Spitzbergen) ist also eine Art Genbank, die als Sicherheitsreserve für bereits weltweit existierende Saatgut-Genbanken dient.

In dem zitierten Schreiben des anonymen „norwegischen Politikers“ finden sich denn auch zahlreiche Fehler, was beispielsweise die Parlamentswahlen in Norwegen 2009 betrifft:

2009 wird es eine FRP-Regierung geben und Siv Jensen wird Staatsministerin = Regierungschef werden. Dies ist bereits bekannt. Es ist wichtig, dies zu verstehen. Die Wahlen sind alle Fakes, und dieselben Personen und Machteliten werden abwechselnd gewählt.

Das ist nachprüfbar unrichtig, und nicht zuletzt aus diesem Grund können wir den „Brief eines norwegischen Politikers“ getrost in den Reißwolf geben.

Aber irgendwie muss der Mythos Nibiru doch zu retten sein.

Und nicht nur wegen solcher schrägen Vögel wie die beiden Sektenmitglieder, die in Loriots „Papa Ante Portas“ dem Hausherrn ihren überteuerten Kram aufschwatzen:

Nach Berechnungen des international anerkannten Professors Pirckheimer hat der Venusmond Tetra seine Umlaufbahn verlassen und rast auf die Erde zu. Das ist das Ende unserer Zivilisation. Nur wer innerlich und äußerlich sauber ist, hat nichts zu befürchten. Diese handgefertigten Wurzelbürsten und diesen natürlichen Badezusatz könnte ich Ihnen für achtundzwanzig fünfzig überlassen.

Klar kann man darauf mit „Das kommt mir jetzt aber ungelegen“ antworten – so wie im Film. Aber es hilft ja nichts. Wir müssen den Tatsachen ins Auge sehen, belehrt uns ein namenloser Kommentator bei Astrodicticum simplex:

Glaubt was ihr wollt. Die Hinweise sprechen für sich. Lasst euch nur weiter belügen! Im Endeffekt ist Nibiru das Beste, was der Erde passieren wird. Die Welt ist krank und der Mensch ist ihr Virus!

Und damit sind wir wieder am Anfang.

Treffen sich zwei Planeten. Sagt der eine Planet zum anderen: „Und, wie geht’s denn so?“ Sagt der: „Ach, nicht so gut, habe gerade Homo sapiens.“

Darauf der andere: „Keine Angst, das geht vorbei.“

Zum Weiterlesen:

  • Hoaxilla #309: „Der neunte Planet?“ am 22. Dezember 2022
  • Keine Spur von Planet Neun, spektrum am 1. März 2021
  • Schon wieder Weltuntergang. Schon wieder „Nibiru“. Schon wieder Quatsch, GWUP-Blog am 15. August 2017
  • Nibiru-Update im Skeptical Inquirer, GWUP-Blog am 6. November 2009
  • „Planet X“ – das wird nix, GWUP-Blog am 18. März 2014
  • „Ison“ kommt: Weihnachtsstern oder Apokalypse? GWUP-Blog am 3. Oktober 2013
  • Der Planet Nibiru – und es gibt ihn doch! GWUP-Blog am 22. Januar 2012
  • Bernd Harder: 2012 – Leitfaden für Endzeit-Liebhaber, Herder 2011

8 Kommentare

  1. Wäre doch echt zu blöd, wenn es Nibiru wirklich geben würde, denn dann müsste Rudi Steinerchen ganz schnell inkarnieren, um seine Erkenntnisse der Wechselbeziehungen zwischen Planet und Mensch zu erweitern und seinem Fankreis bekanntzugeben. Hat die Anthroposophie Glück gehabt, dass das Thema vom Tisch ist…

  2. wenn tatsächlich ein Todesstern-ähnlicher Planet unser Sonnensystem kreuzt

    »Kreuzt« ist die falsche Beschreibung der Bahn des »Todessterns«, welcher sich um den Saturn bewegt.

  3. @Martina:

    Würde ich meinen.

    Hier bin ich mir nicht so sicher, aber auch keine Zeit und Lust, mich damit zu beschäftigen:

    https://www.juedische-allgemeine.de/israel/israelischer-experte-ausserirdische-bereits-in-kontakt-mit-erde/

  4. Echsenmenschen von Nibiru – Was verheimlichen NASA und Vatikan?

    https://www.youtube.com/watch?v=M2v44M5fJkg

  5. „Die Zahl der Amateurbeobachter, die den sich nähernden Planeten beobachten, nimmt weiter zu“:

    https://twitter.com/reptilianplanet/status/1608671229288009730

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