Stefan Rahmstorf im Podcast Denkangebot:
Wo stehen wir nach diesem Sommer 2023? Sind einige Kipppunkte womöglich gar nicht mehr zu verhindern? Und in was für einer Welt würden wir eigentlich leben, wenn es im Schnitt drei Grad wärmer wäre?
Bei der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) gibt es dazu neu das Buch
Klimaschutz ist Menschenschutz – Warum wir anders über die Klimakrise sprechen müssen
von Michael Adler für 4,50 €.
Weitere bpb-Sonderausgaben zu diesem Thema sind
Seit einigen Tagen existiert außerdem ein deutscher Ableger des „Klima-Dashboards“, einer ehrenamtlichen Initiative aus Österreich, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Zahlen, Daten und Fakten rund um das Thema Klima anschaulich aufzubereiten.
Beachtenswert ist auch die Zeit-Serie „Klima-Ausreden“, die in 31/2023 begann und seitdem online fortgesetzt wird.
Eine kurze Übersicht:
Die Annahme, dass es in Deutschland nur gemütlich wärmer werde und wir davon profitieren würden, war und ist leider ein Trugschluss. Schon die massiven Veränderungen, die wir bei einer Abweichung der globalen Mitteltemperatur um 1,2 Grad erleben, zeigen es auf drastische Weise […]
Es wird hier nicht kuschelig warm, vielmehr wird es zunehmend krasser, mit extremen Gewittern, Starkregen und gleichzeitiger Dürre – kein Verlass mehr auf das, was das Wetter früher ausgemacht hat.
Um die Welt zu fliegen ist fantastisch, und es ist ein Drama, dass diese Welt dadurch kaputtgeht. Denn, und damit sind wir dann doch beim Problematisieren: Es wird halt momentan zu viel geflogen. Knapp fünf Prozent der Erwärmung gehen aufs Fliegen zurück, that’s a fact.
Es gibt zwar eine Weltatmosphäre, aber keine Weltregierung. Wasser und Luft teilen alle Menschen miteinander, den Ausstoß von Treibhausgasen kann immer nur ein Land für sich durch Gesetze begrenzen.
Die Chinesen verbrennen zwar noch mehr als zehnmal so viel Öl, Gas und vor allem Kohle wie wir. Es gibt aber auch weit mehr als zehnmal so viele Chinesen wie Deutsche. Auf den einzelnen Einwohner umgerechnet emittiert China – Stand 2021 – sogar etwas weniger Treibhausgase als Deutschland. Und die chinesische Regierung investiert gerade sehr viel Geld, damit der Abstand noch größer wird.
Wild aus heimischer Jagd zu verzehren ist (wenn man einmal von dem Methan-Ausstoß der Tiere absieht) vielleicht noch kein Beitrag zum Klimaschutz, aber zumindest auch keine Klimarüpelei.
Richtig ist: Die Welt wird kleiner ohne eigenen Pkw, das Freizeit- und Bildungsangebot ärmer und mancher Wintermorgen nass und ungemütlich. Wer das seinen Kindern nicht zumuten will, hat natürlich jedes Recht dazu.
Aber zu sagen, ein weniger motorisiertes Leben gehe nicht wegen der Kinder, ist in vielen Fällen einfach Quatsch. Es ist eine Frage der Prioritäten, auch die Kinder betreffend. Denn ob die eigenen Kinder in zehn Jahren und bei 2,2 Grad Erwärmung so überragend dankbar sein werden dafür, dass man sie einst mit dem Verbrenner durch die Gegend kutschiert hat, ist gar nicht mal so sicher.
Fast alle Wissenschaftler sind sich einig darüber, dass die Klimakrise real ist und dass es die Handlungen von Menschen sind, die die Erde wärmer machen. Nun fassen es Wissenschaftler aber nicht als ihre Aufgabe auf, diese Erkenntnis möglichst überzeugend zu verkaufen. Sondern sagen lieber, dass der Konsens unter Klimawissenschaftlern bei 99 Prozent liege.
Der einzige Kapitalismus, den wir bisher kennen, profitiert von billiger Naturaneignung. Geht es anders? Wissen wir nicht.
Die Dekarbonisierung ist eine noch nie da gewesene Herausforderung. Die Fortschritte, die seit den Neunzigerjahren erreicht worden sind, enttäuschen zwar quantitativ, methodisch jedoch sind sie vielversprechend. Innovationen eröffnen neue Möglichkeiten und neue politische Mehrheiten. Wesentliche Teile des Kapitals machen mit der Energiewende endlich Ernst.
Insgesamt verursacht das Rauchen pro Jahr rund 84 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalent, das sind 0,2 Prozent der globalen Treibhausgase. In der Schweiz gibt es die Bio-Zigarette Heimat Hell zu kaufen. Beim nächsten Besuch werde ich mich damit eindecken. Und ja: Wer raucht, sollte nicht auch noch Fleisch essen.
Stimmt. Doch erstens immer langsamer und zweitens auch nicht mehr ewig. Vor dem Ende des Jahrhunderts erreicht die Zahl der Menschen auf der Erde ihren Höchststand, dann schrumpft sie. Das ist genauso vorhersehbar wie der Bremsweg eines Supertankers.
Die Reste des einst gefürchteten Wachstums entfallen überproportional auf Menschen, die keine nennenswerten Emissionen erzeugen.
Was hat das mit der Klimakatastrophe zu tun? Ein bisschen was schon, denn eine gesunde, biodiverse Natur hilft auch dem Klima. Eins zu null für Sie.
Aber: „Ich esse doch Bio“ als Rechtfertigung in der Klimakrise anzuführen ist in etwa so, als würden Sie Ihrem Arzt, der einen fiebrigen Infekt diagnostiziert, genervt entgegnen: „Aber ich putze doch schon meine Zähne.“
Der Atomkrieg ist nicht gekommen, weil die Raketen in den Silos blieben – heißt, wenn nichts geschieht, passiert auch nichts. Beim Klima ist es umgekehrt: Wenn nichts geschieht (oder zu wenig) dann wird es sehr, sehr übel.
Solange sich dieses industrielle Tierhaltungssystem nicht ändert, verbessert das Verbot des Kükentötens aus Klima- wie aus Tierschutzsicht wenig. Und bleibt deshalb: eine Ausrede.
Für irgendwen auf der Welt ist selbst der Autoverkäufer aus Herne, der eine Urlaubsflugreise in den weniger weit entfernten Süden antritt, eine Art Kylie Jenner. Für eine mittellose Person in Pakistan zum Beispiel.
Auf einer moralischen Ebene ist es sinnlos, sich am schlechten Verhalten anderer zu orientieren. Wenn ein Amokläufer Menschen erschießt, heißt das ja nicht, dass es okay ist, andere zu ohrfeigen.
Die Windkraftinvestoren finden im Moment kaum Flächen, um überhaupt zu bauen. Und die Kosten steigen so schnell, dass viele Unternehmen ihre Vorhaben gar nicht umsetzen. Es lohnt sich einfach nicht mehr […] Das Problem ist also aktuell nicht, dass es den Windradbauern nur ums Geschäft geht. Sondern, dass ihr Geschäft nicht gut genug funktioniert.
- Aber es ist ohnehin besser, wenn die Menschheit ausstirbt …
Für den Planeten ist das nicht unbedingt eine Erlösung, denn tatsächlich ist es so: Jedes Artensterben zieht das Sterben anderer Arten nach sich. Der Mensch ist kein Eindringling auf der Erde, sondern ebenfalls eine Art, ein Teil des Ganzen. Homo sapiens existiert seit etwa 300.000 Jahren und war die meiste Zeit davon ein Bestandteil der Ökosysteme, kein Eindringling.
Ein Steak, eine Autofahrt und ein Transatlantikflug sind für die Atmosphäre egal. Millionen Steaks, SUV und Transatlantikflüge sind es nicht es mehr.
Oder anders formuliert: Wenn Millionen Menschen jeweils ein bisschen CO₂-Ausstoß verursachen, dann kommt eben doch ziemlich viel zusammen. Denn individuelles Verhalten hat immer dann eine kollektive Wirkung, wenn sich viele ähnlich verhalten.
Es ist halt nur so, selbst wenn alle nur Sandkörner sind, will doch keiner und keine nur Sandkorn sein. beim Klima scheint für viele nicht zu gelten, was auf anderen Feldern eine Frage des Anstands und des Selbstrespekts ist.
Der Verweis auf die eigene Leistung zur Beruhigung des schlechten Klimagewissens ist psychologisch nachvollziehbar, am Ende jedoch mehr eine moralische Setzung als objektiver Fakt. Wer also meint, er hätte sich die Flugreise nun einmal verdient, betreibt eine Art Moralismus.
Wenn sich das Klima um vier Grad erwärmt, und das kann ohne strenge Gegenmaßnahmen schon 2100 der Fall sein, könnte der Meeresspiegel um bis zu drei Meter steigen. Ganze Städte würden im Meer versinken. Was das für den Flugverkehr […] bedeuten würde, kann man sich ausmalen. Den traurigen Rest sicherlich auch.
Die Frage ist, ob die Letzte Generation tatsächlich übertreibt – und da sind wiederum Zweifel geboten […]
Und im Übrigen, wer wirklich will, dass die Letzte Generation mit ihren Blockaden und ihrem manchmal schwer erträglichen Pathos aufhört und endlich wieder studieren geht, müsste den Geist der Dringlichkeit halt selbst ausstrahlen.
Demokratie braucht Kompromisse, ja, ja und ja. Sie braucht aber auch das ein oder andere, das nicht zur Abstimmung steht, wie zum Beispiel die Freiheitsgrade der Zukünftigen, die ja teils schon Lebende sind.
Die Demokratie darf sich eben nicht in Extreme hineinkompromissieren, der Kompromiss kann nicht zum Schleichweg in die Katastrophe werden. Tja, tja und tja.
Kritik an der „Individualisierung des Klimaproblems“ wird indes in der Neuerscheinung
Hoch die Hände, Klimawende
von Gabriel Baunach laut:
Individuelle Ratschläge zum Verhalten und ganz allgemein der Fokus auf persönliche Emissionen öffnen die Tür für unfruchtbare Kulturkampf-Debatten, in denen sich Menschen persönlich für jede Bratwurst oder jeden Pkw-Kilometer angegriffen fühlen – und sich reflexhaft verteidigen, Klimaschutz als Affront empfinden, ihn als missgünstig und verbotsfetischistisch hinstellen.
Dem persönlichen Klima-Fußabdruck setzt Baunach das Konzept des „Handabdrucks“ entgegen:
Dahinter steckt die Idee, dass sich mit politischem Handeln ein viel größerer Nutzen fürs Klima erreichen lässt als durch persönlichen Verzicht […]
„Beispiel: Ich allein kann zuhause weniger Fleisch essen. Wenn ich aber dafür sorge, dass in der Firmenkantine mehr vegane Gerichte angeboten werden, essen viel mehr Menschen weniger Fleisch. So vergrößere ich meinen Handabdruck und werde zum Multiplikator für klimafreundliches Verhalten.“
Zum Weiterlesen:
- Klimakrise und Kipppunkte, denkangebot am 18. September 2023
- Mit dem „Handabdruck“ zum Multiplikator für klimafreundliches Verhalten werden, klimafakten am 24. August 2023
- Klima-Dashboard“ bereitet auch für Deutschland vielfältige Daten zur Klimakrise anschaulich auf, klimafakten am 8. September 2023
- SkepKon-Video: Klimadebatte zwischen Verharmlosung und Alarmismus, GWUP-Blog am 1. Juni 2023
- Videos: Verschwörungen – Die Wahrheit der Anderen, GWUP-Blog am 5. August 2023
- „Verschwörungserzählungen rund um die Klimakrise“ in der Schriftenreihe der bpb, GWUP-Blog am 21. August 2023
- Wenn ich Klimaschwurbler wäre, futurezone am 16. September 2023