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„Ein großer Irrwitz“: Die Vereinten Patrioten in Koblenz vor Gericht

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In Koblenz stehen derzeit fünf Mitglieder der Reichsbürger-Bewegung „Vereinte Patrioten“ vor Gericht. Zwei Prozessbeobachterinnen der Süddeutschen Zeitung schildern in einem Seite 3-Artikel vom 10. November ihre Eindrücke.

Kurz zusammengefasst:

  • Was wollten die „Vereinten Patrioten“?

Sie wollten keinen Bürgerkrieg, wie die „Gruppe S.“, sondern einen flächendeckenden, wochenlangen Stromausfall. Währenddessen wollten sie in Berlin eine konstituierende Versammlung abhalten, mit 300 deutschen Männern, ja, wirklich nur Männern, die das Reich von 1871 wieder in Kraft setzen wollten – nur ohne Kaiser und mit Frauenwahlrecht.

Damit die Bürger sehen, dass sie es ernst meinen, wollten sie Gesundheitsminister Karl Lauterbach aus einer laufenden Fernsehsendung entführen und ihn mit Haftbefehl festsetzen.

  • Wie ernst war dieser Plan zu nehmen?

So sehr sich auf den ersten Blick alles anhört wie ein großer Irrwitz, die Bundesanwaltschaft nimmt die Pläne der Gruppe ernst […] Was für den Ernst des Ganzen spricht: Die Lauterbach-Verschwörer hatten Waffen. Und sie wollten noch mehr Waffen bekommen, auch aus dem früheren Jugoslawien […]

Die Bundesanwaltschaft hat die fünf angeklagt wegen Hochverrats und Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Man nennt das kurz: versuchten Terror.

  • Wie kommt man auf solche Ideen?

Der mutmaßliche Rädelsführer Thomas O. schweigt bislang zu den Vorwürfen. Der Prepper Thomas K. bereut „diese verblendete Idiotie“. Der frühere Alleinunterhalter und Comedian Michael H. will sein altes Leben zurück.

Die ehemalige Religionslehrerin Elisabeth R. dagegen tritt als beinharte antisemitische Verschwörungsideologin und der Finanzbuchhalter Sven B. als DDR-Nostalgiker und Putin-Freund auf.

Eine Antwort auf die obige Frage gibt der SZ-Artikel nicht, die Journalistinnen sind vielmehr selbst „sprachlos“ ob der Gedankenwelt der „Vereinten Patrioten“ und „was da in den vergangenen Jahren passiert ist. Mit den Menschen. Mit ihren Köpfen. Mit ihren Seelen. Und wie in aller Welt die Gesellschaft solche Leute jemals zurückgewinnen will“.

Das wird in dem Prozess wohl nicht geklärt werden, der noch bis Januar dauern soll.

Zum Weiterlesen:

  • Der Zorn der Selbstgerechten, Süddeutsche am 9. November 2023
  • Die „Reichsbürger“ und Staatsdelegitimierer warten nur auf das nächste Thema, GWUP-Blog am 5. November 2023
  • Prozess gegen „Vereinte Patrioten“: Verdeckter Ermittler sagt aus, swr am 25. Oktober 2023
  • „Vereinte Patrioten“: Putin-Fans und Corona-Leugner, tagesschau.de am 26. April 2023
  • Razzia im Umfeld der Verschwörer gegen Lauterbach, spiegel.de am 10. Oktober 2023
  • Impfgegner, Reichsbürger, Terrorist? Was über den Mann bekannt ist, der offenbar Lauterbach entführen wollte, tagesspiegel am 18. April 2023

5 Kommentare

  1. Entschuldigung, wenn ich jetzt mal leicht giftig werde:

    Als Teil der Gesellschaft will ich sie nicht zurückhaben. Ich will solche Leute solange wie möglich im Gefängnis sehen, damit wir vor ihnen so gut wie möglich geschützt sind.

    Der Gedanke an Rehabilitation ist angesichts der puren Bosheit solcher hochverräterischen Pläne schlicht ein romantischer Blödsinn.

  2. Urteil im Boxberger »Reichsbürger«-Prozess

    Für Schüsse auf ein Spezialeinsatzkommando im badischen Boxberg ist ein 55-jähriger Mann wegen versuchten Mordes in mehreren Fällen zu 14 Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt worden. Das entschied das Oberlandesgericht Stuttgart.

    https://www.spiegel.de/panorama/justiz/stuttgart-urteil-im-boxberger-reichsbuerger-prozess-angeklagter-soll-mehr-als-14-jahre-in-haft-a-19dfbc89-4b71-4d2b-8dae-e9435e4893eb

  3. Zusätzlich hat 66a Anwendung gefunden und Revision ist möglich.

  4. Bei solchen Geschichten frage ich mich immer, ob diese Leute ihre Pläne wirklich zu Ende gedacht haben. Nur schon, wie sie ihre 300 Arier samt Entourage in Berlin wochenlang unterbringen und versorgen wollen, und das ohne Strom. Oder wie sie ihren Führungsanspruch anschliessend durchsetzen wollen.

    Glauben die tatsächlich, „das Volk“ würde ihnen zujubeln, wenn der Strom wieder angeht, nachdem sie zuvor die ganze Nation ins Chaos gestürzt haben? Ich würde da eher einen Lynchmob erwarten, wenn sich jemand nach einer solchen Katastrophe öffentlich hinstellt, die Verantwortung übernimmt und auch noch damit angibt.

  5. Bei solchen Geschichten frage ich mich immer, ob diese Leute ihre Pläne wirklich zu Ende gedacht haben.

    Nein. Es geht bei sowas erst immer einmal darum, eine Situation zu schaffen, die einen Umsturz möglich macht. Der Stromausfall sollte einen Schreck auslösen den die Putschisten nutzen wollten. Die Entführung von Lauterbach, oder eines anderen, wäre nicht nötig, man hätte aber jemanden aus der Regierung an dem man sich rächen könnte.

    Die 300 „Volksvertreter“ sollten vorab ausgesucht werden um dann, am Tag des Umsturzes, die vorbereitete Verfassung per Akklamation durchzuwinken. Mit Rigolf Hennig, der das neue Staatsoberhaupt werden sollte, hatte man eine in den extremen Rechten anerkannte Größe. Da war man schon weit.

    Unsicher war die Hilfe von Putin.

    Glauben die tatsächlich, „das Volk“ würde ihnen zujubeln, …

    Warum nicht. In einer komplexen Welt mit ebenso komplexen Problemen sehnt man sich nach Autoritäten mit vermeintlich einfachen Lösungen die Ruhe, Sicherheit, Ordnung versprechen.

    Auch bei den „Vernünftigen“.

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