Deutschland ist kein Vitaminmangelland. Darauf weist die Deutsche Gesellschaft für Ernährung immer wieder hin.
Dennoch hat die Nationale Verzehrsstudie II gezeigt, dass die tägliche Zufuhr von etwa Vitamin C, D, E und Folsäure bei Männern und Frauen in allen Altersgruppen zum Teil weit unter den Empfehlungen liegt – vermutlich bedingt durch eine ungünstige Lebensmittelauswahl.
Zugleich wird deutlich, dass vor allem bei Vitamin D, E, C, Folsäure, Kalzium und Magnesium „beachtliche Änderungen“ durch Supplements erreicht werden können:
Auch mit dem Obst- und Gemüsekonsum ist es bei uns nicht weit her, erbrachte die Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DGES).
Das ist allerdings kein Grund, gießenkannenmäßig Nahrungsergänzungsmittel (NEG) einzuwerfen.
Denn zum einen ist eine rechnerische Unterversorung kein Mangel, zum anderen warnte die DGE schon 2012 vor Gesundheitsrisiken durch zu hohe Zufuhrmengen.
Bislang gibt es in Deutschland nur Vorschläge für Vitamin- und Mineralstoffhöchstmengen in Nahrungsergänzungsmitteln, und zwar vom Bundesinstitut für Risikobewertung. Erst 2024 könnte es in der EU einheitliche Höchstmengen geben (die seit 2002 diskutiert werden).
Das kritisiert auch die Ernährungswissenschaftlerin Angela Clausen von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen im neuen Podcast der Quarks Science Cops:
Clausen erklärt, dass die gegenwärtige Situation im Bereich Nahrungsergänzungsmittel tatsächlich „katastrophal“ (Maximilian Doeckel) ist. Bei Stichproben werden immer wieder illegale Arzneisubstanzen in Potenzmitteln oder Sportlerprodukten entdeckt und die Mengenangaben der Inhaltsstoffe von NEG können schon mal um 50 oder 70 Prozent von den Angaben auf der Verpackung abweichen.
Die Verbraucherzentralen fordern daher unter anderem eine Anzeigepflicht wie für Arzneimittel, ein Informations- und Datenbanksystem und eine Positivliste zulässiger Inhaltsstoffe.
Auch in der aktuellen Ausgabe von Gute Pillen – Schlechte Pillen (5/2023) geht es um Nahrungsergänzungsmittel:
Für Nahrungsergänzungsmittel gilt das Missbrauchsprinzip. Das heißt: Alles ist erlaubt, was nicht ausdrücklich verboten ist. Konkret verboten sind allerdings nur die wenigsten Stoffe. Unabhängig geprüft wird das aber erst, wenn ein Produkt längst im Handel ist.
Zwar müssen Nahrungsergänzungsmittel beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) angezeigt werden. Das leitet die Information je doch lediglich an die Behörden der Bundesländer weiter, die das Marktangebot stichprobenartig oder im Verdachtsfall prüfen.
Für die Anzeige beim BVL reicht es, dass Hersteller das geplante Etikett vorlegen. Und nicht einmal das wird fachlich geprüft. Selbst Nahrungsergänzungsmittel mit offensichtlich verbotenen Zutaten können so erst einmal ungehindert auf den Markt gelangen, wie ein Reporter-Team durch Anzeige eines fiktiven Produktes mit giftigem Stechapfel-Extrakt gezeigt hat.
Nahrungsergänzungsmittel können also durchaus Risiken bergen, was die Produktinformationen, etwa auf dem Etikett, anders als bei Arzneimitteln nicht verraten.
Die geplante Festlegung EU-weit verbindlicher Höchstmengen für Vitamine und Mineralstoffe sei daher mehr als überfällig.
Zum Weiterlesen:
- Nahrungsergänzungsmittel: Sicher oder gefährlich? gutepillen-schlechtepillen 5/2023
- Akte Nahrungsergänzungsmittel: „Es wird immer schlimmer!“ quarks.de am 27. September 2023
- Wundermittel Vitamin D? Der Fall Spitz, quarks.de am 13. März 2021 (auch bei Youtube)
- Grams‘ Sprechstunde: Nahrungsergänzungsmittel – Für jedes Wehwehchen ’ne Pille, detektor.fm am 15. September 2022
- Grams‘ Sprechstunde: Kann Ernährung Medizin sein? detektor.fm am 14. September 2023
- „Es soll Krebs heilen“: Video gegen Influencer-Geschwätz, GWUP-Blog am 8. August 2023
- Die „Science Cops“ über den Sportler-Wunderdrink AG1, GWUP-Blog am 4. September 2023
- Werbung für Nahrungsergänzungsmittel: Ist das noch erlaubt? medwatch am 14. Februar 2023
- ARD-Doku: Nahrungsergänzungsmittel gelangen unkontrolliert auf den Markt, web.de am 10. September 2019
- Warum MORE und ESN so erfolgreich sind, medwatch am 22. September 2023
- Gericht: Sheko Fett Burner darf vorerst im Handel bleiben, medwatch am 27. September 2023
- GWUP-Thema: Nahrungsergänzungsmittel