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„Zeit“: Nora Pösl über Esoterik und Verschwörungstheorien

| 7 Kommentare

Die Sozialwissenschaftlerin und SkepKon-Referentin Nora Pösl erklärt heute im ze.tt-Interview,

… wie alternative Heilmethoden und Verschwörungstheorien miteinander verbunden sind.

Die „große Gemeinsamkeit“ von Verschwörungstheorien und Esoterik sieht Pösl in der Komplexitätsreduktion:

Sie vereinfachen die Realität. Die Alternativmedizin bietet vermeintlich einfache Lösungen für Erkrankungen, die durch konventionelle Methoden nicht zu behandeln sind. Bei einigen Krebsarten zum Beispiel ist es trotz Chemotherapie nicht sicher, ob die Patient:innen geheilt werden können.

Alternative Heilmethoden wie die Geistheilung reduzieren die Komplexität für die Patient:innen, indem propagiert wird, dass alles in einem selbst begründet sei: Man müsse nur die inneren Konflikte heilen, um vollständig gesund zu werden. Damit wird ein falsches Heilversprechen gemacht.

Verschwörungstheorien funktionieren ähnlich.

Vor allem die Impfgegnerschaft vereine Menschen, „die an alternative Heilmethoden glauben, und Verschwörungstheoretiker:innen, die an eine jüdische Weltverschwörung glauben“:

Das heißt nicht, dass alle Leute, die an alternative Heilmethoden glauben, per se Antisemit:innen oder Verschwörungstheoretiker:innen sind. Aber diese Wissenschaftsfeindlichkeit und die Komplexitätsreduktion können dazu führen, dass sie gefährdeter sind, da reinzurutschen.

Auch in der Konstruktion von Feindbildern seien sich Esoterik und Verschwörungstheorien ähnlich (etwa „die Pharmaindustrie“). Insofern war es für die Forscherin an der Ruhr-Universität Bochum „nicht so überraschend“, dass Esoteriker:innen zusammen mit Rechtsextremen demonstrieren.

Diese Tendenzen gebe es schon lange.

Zum Weiterlesen:

  • Esoterik und Verschwörungstheorien: „Gerade die bürgerliche Mittelschicht ist anfällig“, Zeit-Online am 25. Januar 2022
  • Interview mit Nora Pösl: „Ängsten mit Fakten begegnen“, ingo-news am 10. November 2021
  • Video mit Nora Pösl: „Wieso die Anthroposophie für Querdenker und rechte Ideologie anfällig ist“, GWUP-Blog am 25. August 2021
  • Nora Pösl: Von Homöopathie zu Holocaustrelativierung, volksverpetzer am 25. Mai 2020
  • Der gemeinsame Nenner von Homöopathie, Esoterik und Verschwörungstheorien, GWUP-Blog am 17. Oktober 2020
  • Herzmenschen“ und Naturverklärer: Warum laufen Esoteriker und Homöopathen bei Anti-Corona-Demos mit? GWUP-Blog am 28. März 2021
  • Homöopathie als Einstieg in Verschwörungsdenken, GWUP-Blog am 7. Januar 2021
  • Videovortrag: „Esoterische Verschwörungserzählungen in der Coronakrise“, GWUP-Blog am 23. Januar 2022
  • Nora Pösl: Von Homöopathie und Handauflegen zur Hassideologie? Zum Verhältnis von alternativen Heilmethoden zu Verschwörungstheorien, Esoterik und rechten Ideologien. Diplomica-Verlag 2020, 216 Seiten, 39,50 €

7 Kommentare

  1. Ob die Alternativmedizin tatsächlich in besonderem Maße durch eine Reduktion von Komplexität gekennzeichnet ist, ist eine interessante Frage. Im Prinzip dient ja jede Erklärung der Reduktion von Komplexität. Werden also bestimmte Aspekte von Komplexität reduziert?

    Manche alternativmedizinische Verfahren beruhen durchaus auf einer komplexen Vorstellungswelt. Die Homöopathie mit ihrem ganzen schrägen Zinnober beispielsweise könnte man auch als „alternativ-komplex“ ansehen.

    Was spontan näherliegt, scheinen mir Parallelen von esoterischer Heilkunde und Verschwörungstheorien beim Glauben daran zu sein, dass man mehr weiß als die normalen Leute, hinter die Kulissen schaut, und stets finstere Mächte gegen sich hat, die die Wahrheit unterdrücken wollen.

  2. @Joseph Kuhn:

    Sicherlich auch zutreffend, würde ich meinen.

  3. Ich denke, die Reduktion der Komplexität bezieht sich nicht auf die Alternativtheorien an sich – im Gegenteil, die sind vielfach höllisch kompliziert, um in Sachdiskussionen halbwegs bestehen zu können. Daher auch die Korrelation von IQ und Bildungsgrad mit dergleichen Denkgebäuden.

    Reduziert wird nur die Komplexität der restlichen Welt. Da gibt es dann die bösen Wissenschaftler, Pharmafirmen, Linksgrünversifften, Freimaurer etc., und deshalb muss meine eigene Welterklärung wahr sein. Ein riesengroßes „Falsches Dilemma“.

  4. @2xhinschauen:

    Das wäre dann dasselbe wie z.B. mit „Chemtrails“.

    Die Verschwörungstheorie selbst ist natürlich wesentlich komplizierter, als da nur Kondensstreifen zu sehen.

    Aber alles andere (Krankheiten, Klimawandel etc.pp.) ist damit einfacher zu erklären, als mit der Realität.

  5. @ Bernd Harder

    Genauso hatte ich es gemeint. Nur länger :)

  6. Vielleicht kann man es so sagen:

    Esoterik und Verschwörungsfimmel begegnen sich darin, dass sie die Komplexität dort, wo sie tatsächlich ist, aber nicht mehr nachvollzogen werden kann, ersetzt durch eine künstlich erdachte – über die dann wenigstens die Deutungshoheit behauptet werden kann.

    Ich denke, das schlägt die Brücke zwischen dem Blogtext und Joseph Kuhns Anmerkung, und es scheint mir auch nicht ganz falsch zu sein.

  7. In diesem kurzen Beitrag nennt Frau Pösl nochmal die Gemeinsamkeiten zwischen Esoterik und Verschwörungstheorien:

    1. Wissenschaftsfeindlichkeit
    2. Komplexitätsreduktion
    3. Selbstaufwertung/Selbstermächtung
    4. Gemeinsame Sündenböcke
    5. Identitätskonstruktion

    https://www.swr.de/swraktuell/radio/sozialwissenschaftlerin-links-schuetzt-nicht-vor-antisemitischen-verschwoerungstheorien-100.html

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