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Satanic Panic: Ein Schweizer Psychiater „im Strudel einer Satanisten-Verschwörung“

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Nach dem Spiegel berichtet jetzt auch die Schweizer Tageszeitung Blick ausführlich über den Psychiater Jan Gysi, der als eine Art „Spin Doctor“ der Satanic Panic gelte:

Das Blatt sprach mit „Betroffenen und ehemaligen Weggefährten“ und kommt zu dem Schluss, dass Gysi „in seinem Eifer“ wohl „Patientinnen beeinflusst hat“:

Als wir ihn um eine Stellungnahme bitten, dreht er den Spiess um. Schickt eine kurze Abhandlung zum Thema Falschbeschuldigungen „von Patient:innen über angebliche Fehler in Therapien“. Mögliche Motivationen seien: falsche Erinnerungen und Rache, behauptet er. Den Vorwurf, Patientinnen manipuliert zu haben, weist er als „Unterstellung“ zurück – „in aller Entschiedenheit“.

Gysi distanziert sich zudem von „allen Arten von Verschwörungsnarrativen“, er wehre sich gegen ihren Einsatz im therapeutischen Kontext. Verschwörungsgruppierungen hätten ihn instrumentalisiert.

Das kennen wir schon aus dem Spiegel-Artikel. Nichtsdestotrotz ist bei der Gesundheitsdirektion des Kantons Bern eine Untersuchung gegen Gysi im Gange.

Update

Dazu gibt’s ein Interview mit dem WTF-Talkgast Frank Urbaniok:

All das ist kein Schweizer Problem. In Deutschland hat der Spiegel Ähnliches aufgedeckt. Doch hinkt die Debatte unserer weit hinterher.

Zum Weiterlesen:

  • Ein Psychiater im Strudel einer Satanisten-Verschwörung, blick am 19. November 2023
  • Wie Psychiater Hilfesuchende kränker machen, blick am 19. November 2023
  • „Unhaltbare Thesen“: Die Verschwörungsideologie vom satanistisch-rituellen Missbrauch gerät immer mehr unter Druck, GWUP-Blog am 10. November 2023
  • Neuer SRF-Podcast: Jan Gysi – Der Vordenker und Netzwerker der „Satanic Panic“ in der Schweiz? GWUP-Blog am 28. Juni 2023
  • Administratives Verfahren gegen Psychiater Jan Gysi eingeleitet, beobachter am 27. März 2023
  • Esoterische Parallelwelt, grober Unfug“: Claudia Fliß – Auch eine deutsche Therapeutin ist in die Satanic Panic in der Schweiz involviert, GWUP-Blog am 3. Dezember 2022

6 Kommentare

  1. Pingback: De linke weekendbijlage (45-2023) - Kloptdatwel?

  2. War M. Sack nicht auch in irgendeinem Artikel Thema? Autor von „Komplexe Traumafolgestörungen“

    Zur aktuellen Debatte über die Behandlung von Opfern organisierter Gewalt
    https://elibrary.klett-cotta.de/article/10.21706/tg-17-4-290

    Er bezeichnet es als organisierte Gewalt … kann mich allerdings nicht daran erinnern, dass „organisierte“ Gewalt infrage gestellt wurde.

    Die Zeitschrift habe ich leider nicht, aber er hat sich schon mal in die „pro“-Richtung positioniert.

  3. Briken et al. haben ihre höchst unwissenschaftliche Arbeit zum Thema 2022 in der Zeitschrift veröffentlicht.
    Die Herausgeberin unterstützt das Mind-Control-Kpnzept und bezieht sich dabei auf Fliß.
    Es handelt sich um die Verbandszeitschrift von GPTG, FVTP und DeGPT, die bislang wenig zur Versachlichung der Debatte beigetragen haben.
    https://elibrary.klett-cotta.de/article/10.21706/tg-16-1-40
    https://elibrary.klett-cotta.de/journal/tg#ueber_diese_zeitschrift
    https://elibrary.klett-cotta.de/content/pdf/10.21706/tg-13-2-97.pdf
    Insofern dürfte klar sein, welche Tendenz Sacks Artikel haben wird. I rest my case.

  4. Also ganz abgesehen jetzt von der rituellen/organisierten Gewalt:

    „Diese Darstellung übersieht, dass die Planung einer psychotherapeutischen Behandlung immer von Hypothesen geleitet wird. Medizinische Hypothesen gehen von einer Möglichkeit aus, behaupten aber keinen tatsächlichen Kausalzusammenhang und sind daher keine Verschwörungsnarrative.“

    Also ich habe den Artikel nicht gelesen, aber diese Behauptung ist vollkommen sinnlos.

    Im Grunde genommen sagt es aus dass es nicht möglich ist in der Psychotherapie Verschwörungsnarrativen Vorschub zu leisten, da in der Medizin ja nichts ausgeschlossen werden kann, weil ja alles hypothetisch möglich ist.

    Das ist ein höchst fragwürdiges Verständnis der Medizin, da es in der Diagnostik ja genau darum geht unwahrscheinliche Hypothesen zu eliminieren und eine Diagnose und Therapieplan für den individuellen Patienten zu erstellen. Wie kann man mit so einer Einstellung überhaupt medizinisch-therapeutisch arbeiten?

    Und was hat diese Einstellung für konkrete Konsequenzen für eine psychologische Behandlung?

    Stellen wir uns vor ein Patient mit einem Verfolgungswahn kommt zu einer Therapiestunde und berichtet beispielsweise die „CIA habe ihm einen Chip in den Kopf gepflanzt und höre seine Gedanken“.

    Wäre es in diesem Fall medizinisch korrekt von einer hypothetischen Möglichkeit auszugehen, dass die CIA Chips in Köpfe einsetzt, dem Patienten „Glauben zu schenken“ und ihn zum Neurochirurgen zur Operation zu überweisen?

    Oder würde das möglicherweise den Patienten in seinem Wahn und seinen Verschwörungsnarrativen zu bestärken und es wäre besser ihn erstmal psychiatrisch-psychotherapeutisch anzubehandeln?

    Fehleinschätzungen oder Missverständnisse treten auch in Psychotherapien auf, keine Frage, aber hier geht es ja nicht um eine einzelne Therapeutin oder eine Klinik, es geht hier um Lehrmaterial, die sich an therapeutisches Personal schulen sollen und anstatt einen Leitfaden zu dieser schwierigen Problematik herzustellen um den Patienten besser zu helfen, steht bereits in der Einleitung, dass man ja eigentlich beruhigt sein darf, da man als Therapeut ohnehin keine Verschwörungsnarrative verbreiten KANN, da ja alles medizinische Hypothese und damit (im Fehlschluss) im Rahmen des prinzipiell Möglichen liegen kann, also man Glauben schenken darf“.

    Was genau ist daran hilfreich oder lehrreich? Wenn man die Diskussion schwierig findet und nicht genau weiss wo man sich positionieren soll, ist das legitim, jedem sei es vorbehalten auch seine eigenen individuelle Meinung zu behalten, aber wieso Fachartikel veröffentlichen mit solchen hanebüchenen Behauptungen?

    Klingt für mich nicht wie Wissenschaft, sondern wie Legitimation seines eigenen Standpunktes, diese Art von Rechtfertigung ist aber nicht nötig: jeder darf seine Meinung haben, dieser Rechtfertigung aber einen wissenschaftlichen Anstrich geben zu wollen ist meiner Meinung nach unangebracht.

  5. Meine Mutmaßungen zu Sacks Aussage sind, dass bei psychotherapeutischen Methoden ein Wirkungsfaktor ermittelt wird und dadurch jede Psychotherapie am Klientel und dessen Verhalten/Reaktionen ausgerichtet werden muss. Ist bei Medikamenten allerdings auch so.

    Nur weil eine generelle Wirksamkeit zu einer Methode ermittelt werden konnte, weiß man nicht wie jemand bestimmtes darauf reagiert. Darüber hinaus ist die Diagnose schon eine reine Vermutung, aufgrund ähnlicher Symptome anderer Störungen sowie „Begleitsymptomen“.

    Was er durch diese Aussage komplett ausblendet, dass es Untersuchungen gibt die negative Nebenwirkungen bestätigen – damit meine ich Studien zu Scheinerinnerungen/Gedächtnisfälschung. Er verweigert sich damit dem Erkenntnisgewinn.

    Vor kurzem hat er in der Zeitschrift „Psychotherapie im Dialog“ ebenfalls einen Artikel veröffentlicht. Die Herausgeber haben sogar gelobt, dass er sich in der aktuellen Diskussion mit dem Thema „organisierte rituelle Gewalt in Psychotherapien“ beschäftigt.

    Allerdings war sein Artikel mehr eine Ermahnung nicht zu viel über diese Missstände zu berichten.

    Deutschland ist aktuell ziemlich „lost“.

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