gwup | die skeptiker

… denken kritisch seit 1987.

12. März 2023
von Bernd Harder
64 Kommentare

Nicht wiedergutzumachender Schaden: Unser Gespräch mit dem Opfer einer „Satanic Panic“-Fehlbehandlung aus der aktuellen Spiegel-Story

Kein Satz bringt den „Wahn der Therapeuten“ in Sachen satanistisch-ritueller Missbrauch, wie Der Spiegel ihn in seiner aktuellen Ausgabe schildert, besser auf den Punkt als dieser:

„Die Therapeutin“ ist die Münsteraner Diplom-Psychologin Jutta Stegemann und die „ehemalige Klientin Malin Weber“ ein Opfer von suggestiv erzeugten Falscherinnerungen.

Wir sprachen mit Malin Weber und ihrem Lebensgefährten, der im Folgenden die Geschichte aus seiner Perspektive erzählt (aufgezeichnet von Bernd Harder).

Ein nicht wiedergutzumachender Schaden durch einen hochgefährlichen Verschwörungsmythos

Die Begriffe „satanistisch-ritueller Missbrauch“ oder „Satanic Panic“ hatte ich noch nie gehört, als ich Anfang 2020 meine jetzige Lebensgefährtin Malin kennenlernte.

Wir begegneten uns in einer Selbsthilfegruppe, in der es um die Themen Ängste und Depressionen ging. Beim zweiten Treffen erfuhr ich, dass Malin schwanger sei. Die Zusammenkünfte fielen danach coronabedingt einige Monate lang aus. Erst im Dezember 2020, kurz vor Weihnachten, sahen wir uns wieder. Zu diesem Zeitpunkt war ihre Tochter schon auf der Welt. Beide wohnten zusammen in einer Mutter-Kind-Einrichtung.

Bei einem unserer gemeinsamen Ausflüge erzählte mir Malin, dass zurzeit ein Sorgerechtsverfahren gegen sie laufe. Zentraler Bestandteil dieses Rechtsstreits waren zwei Gutachten, ein psychiatrisches und ein psychologisches. Das psychiatrische zur Klärung psychischer Erkrankungen und das psychologische zur Klärung ihrer Erziehungsfähigkeit Diese Ausfertigungen nahmen meine Partnerin sehr mit, zudem äußerte sie Zweifel an den Diagnosen und den damit verbundenen Schlussfolgerungen.

Das „Switching“ und der Wechsel der Augenfarbe

Die Widerspruchsfrist für das psychiatrische Gutachten war bereits abgelaufen, aber ich bot Malin an, zumindest das psychologische Gutachten mit ihr durchzusehen. Leider bekam ich nur einige Seiten daraus zu lesen, mit denen ich den gesamten Kontext noch nicht überblickte. Auch eine behauptete Diagnose „dissoziative Identitätsstörung“ konnte ich nicht im Detail einordnen.

Verwundert nahm ich Aussagen der damaligen Psychotherapeutin meiner Partnerin, die im psychologischen Gutachten zitiert wurde, zur Kenntnis. Ihrer Angabe nach würden beim „Switching“ der verschiedenen Persönlichkeitsanteile die Augen manchmal eine andere Farbe annehmen.

Meine Partnerin hat seit ihrer Kindheit selektiven Mutismus, eine Sprechhemmung in Stresssituationen oder gegenüber bestimmten Personen. Im Sommer 2021 nahm sie Kontakt zu dem Verein „False Memory Deutschland e.V.“ auf und ich unterstützte sie wegen ihrer Sprechhemmung bei den Telefonaten. Durch die Zusammenarbeit mit dem Verein bekam ich nach und nach Einblick in die kompletten Gutachten und verstand besser, um welche Hintergründe es bei diesem Verfahren wirklich ging.

Diagnose: DIS als Folge von satanistisch-rituellem Missbrauch

Zur Vorgeschichte sei erwähnt, dass Malin nach mehrjähriger Ehe und einer mit Gewalt verbundenen Trennung im Jahr 2017 das Gezeiten Haus in Wesseling aufsuchte, eine private Fachklinik für psychosomatische Medizin, wo sie fünf Monate lang behandelt wurde. Eine Therapeutin dort vermutete bei ihr eine dissoziative Identitätsstörung aufgrund von rituellem Missbrauch. Sie verwies Malin zur Weiterbehandlung an eine niedergelassene psychologische Psychotherapeutin in Münster, die Expertin für diese Diagnose sei.

Die ambulanten Therapiesitzungen erstreckten sich ab Mitte 2018 über einen Zeitraum von fast drei Jahren. Die Therapeutin Jutta Stegemann, eine Diplom-Psychologin und Mitglied der Psychotherapeutenkammer, bekräftigte die Vermutung der Vorbehandlerin und stellte die Diagnose: dissoziative Identitätsstörung als Folge von schwerstem sexuellem Missbrauch in einem satanistischen Kult.

Abstruse Aussagen der Therapeutin

Malin empfand die Aussagen ihrer Behandlerin teilweise als abstrus und implausibel. Beispielsweise ging die Therapeutin davon aus, dass die Täter – also die Kult-Mitglieder – meiner Partnerin einen Chip im Oberarm implantiert hätten, um sie jederzeit orten zu können. Außerdem wären darauf Codewörter gespeichert, mit denen meine Partnerin fremdprogrammiert sei.

Zudem behauptete sie, Malin stamme (von der Seite ihres Stiefvaters) in direkter Blutlinie von einem der Ranghöchsten des Kultes ab. Deshalb habe sie in dieser Gruppe den Status einer Adligen inne. Biologisch nicht möglich, aber sie behauptete das wirklich.

Vollständige Abschottung von der „Außenwelt“

Für eine erfolgreiche Therapie sei daher ein Kontaktabbruch zur gesamten Familie und die nahezu vollständige Abschottung von der „Außenwelt“ notwendig. Dies war sogar Bedingung, um die Therapie bei ihr machen zu können.

Die Wohnung meiner Partnerin müsse komplett abgedunkelt und die Fenster permanent geschlossen gehalten werden, um Licht- und Tonsignalen der Satanisten zu entgehen, die damit eine Programmierung und einen Persönlichkeitswechsel bei Malin auslösen könnten. Zu bestimmten Tagen, die für Satanisten eine besondere Bedeutung hätten, solle sie sich selbst in ihrer Wohnung einschließen oder einschließen lassen.

Skurriles therapeutisches Setting

Die therapeutischen Sitzungen waren teils sehr skurril. Während der Gespräche saß die Therapeutin auf einem Stuhl und Malin auf dem Boden. Auch als sie schwanger war. Um angeblich dunkle Persönlichkeitsanteile meiner Partnerin zum Vorschein zu bringen, fanden einige Therapiesitzungen bei Winterkälte auf dem unbeleuchteten Dachboden einer Co-Therapeutin statt.

In solch einer Atmosphäre würden sich diese Anteile wohler fühlen und zu Gesprächen eher bereit sein. Wie Frau Stegemann zu diesen Überzeugungen gelangte, konnte Malin nicht nachvollziehen.

Angeblich tausende Persönlichkeitsanteile

Wenn sie Zweifel an der Diagnose „dissoziative Identitätsstörung“ äußerte, wurde ihr gesagt, dass diese von täterloyalen Anteilen ihrer gespaltenen Persönlichkeit stammten. Im psychologischen Gutachten war zu lesen, dass die Therapeutin von Tausenden Persönlichkeitsanteilen ausging.

Ablehnung und Infragestellen interpretierte die Therapeutin als typisches Symptom und Bestätigung dafür, dass Malin tatsächlich Opfer von ritueller Gewalt gewesen und möglicherweise immer noch sei. Es gäbe auch Persönlichkeitsanteile, die das Sprechen verhindern würden. Die Therapeutin drängte meine Partnerin dazu, das Geschehene nicht länger zu leugnen und zu akzeptieren. Gleichzeitig baute sie immer mehr Druck auf, von Einzelheiten des rituellen Missbrauchs bei den Satanisten zu berichten.

Abwehr und Negierung = „Bestätigung“

Die Penetranz, mit der Frau Stegemann ihre Spekulationen vorbrachte, und die Vehemenz ihrer Befragungen führten dazu, dass Malin nach und nach ihre Anschauungen übernahm und das erzählte, was ihr Gegenüber hören wollte. Abwehrreaktionen deutete Frau Stegemann als Bestätigung, eine beschleunigte Atmung oder heftiger Herzschlag betrachtete sie als Anzeichen eines Persönlichkeitswechsels, bei dem sich auch die Augenfarbe verändern würde – was medizinisch unmöglich ist.

Die Therapie wird zur persönlichen Katastrophe

Diese völlig inadäquate Behandlung führte bei Malin zu immer stärkeren Ängsten und mehreren körperliche Zusammenbrüchen.

Zur persönlichen Katastrophe wurde die Therapie, als meine Partnerin bei einer Urlaubsreise um den Jahreswechsel 2019/2020 herum schwanger wurde und im September 2020 ihre Tochter zur Welt brachte. Die Therapeutin reagierte darauf mit der Mutmaßung, dass das Kind bei einer Massenvergewaltigung gezeugt worden sei.

Ebenso gab Frau Stegemann an, dass Malin „sehr wahrscheinlich“ bereits früher Kinder geboren hätte, die durch den Kult oder sie selbst geopfert worden seien. Die Täter hätten ein Interesse daran, weitere Kinder zu züchten. Das Attest einer Gynäkologin, welches Malin eine Erstgeburt bescheinigt, wurde von ihr ignoriert.

Vorgeburtlicher Entzug des Sorgerechts

Mit dieser Anschuldigung bewirkte Frau Stegemann bei den Behörden einen vorgeburtlichen Sorgerechtsentzug. Für das Verfahren gab das Amtsgericht die Anfangs erwähnten Gutachten in Auftrag. Beide Gutachterinnen übernahmen ungeprüft die Angaben der Münsteraner Psychotherapeutin.

Die Richterin schloss sich dem „überzeugenden“ (Zitat) psychiatrischen Gutachten „voll umfänglich“ (Zitat) an und ging davon aus, dass „die Fähigkeit der Kindesmutter nicht sicher gegeben ist, durchgängig und ausreichend die Tochter vor dem Zugriff durch die Täterkreise zu schützen“.

Das Attest einer Gynäkologin , das meiner Partnerin eine Erstgeburt bescheinigt, wurde dabei ignoriert. Zum Glück wurden direkte Aussagen von Frau Stegemann im psychologischen Gutachten zitiert, wodurch sich dieser Unsinn leichter nachweisen lässt.

Um bei ihrem Kind bleiben zu können, musste Malin sich gleich nach der Entbindung in die Mutter-Kind-Einrichtung begeben. Mit elf Monaten wurde ihre Tochter dann an eine Pflegefamilie vermittelt. Seitdem hat meine Partnerin nur noch alle drei Wochen, für jeweils zwei Stunden, einen sogenannten Umgangskontakt mit ihrem Kind, welcher nur mit zweifacher Begleitung stattfindet: nämlich der Pflegemutter und zusätzlich einer sozialen Fachkraft.

Ein „Gutachten“ wie aus einem Horrorfilm

Die Kommunikation mit den involvierten Ämtern und Behörden gestaltet sich als sehr schwierig, da diese überwiegend von einer tatsächlichen Gefährdung durch satanische Kulte ausgehen. 2021 strengte Malin ein Beschwerdeverfahren an, das derzeit anhängig ist. Das Beschwerdegericht hat einer erneuten Begutachtung zugestimmt, die neue Gutachterin wurde aber erst im Dezember 2022 bestimmt, wobei das Verfahren bereits seit August 2021 anhängig ist.

Das Gutachten soll bis Ende Mai 2023 fertiggestellt werden, wann der erste Verhandlungstermin ist, ist noch offen.

Das bisherige psychologische Gutachten, das umfangreich die Aussagen der ehemaligen Psychotherapeutin meiner Partnerin zitiert, liest sich für mich wie die Handlung eines Gruselfilms. Ähnliches war in den Akten des Jugendamtes zu finden.

Die damalige Psychotherapeutin berichtete von Massenvergewaltigungen, Menschenopfern, gezüchteten Kindern, Kannibalismus, programmierten Persönlichkeitsanteilen, Mind Control, satanischen Kulten, implantierten GPS-Sendern und mehr. Nicht alles ist schriftlich festgehalten worden, aber doch ein entscheidender Teil ist den Akten zu entnehmen.

Traumatisierung durch Fehlbehandlung

Ich selbst habe nie einen spontanen Identitätswechsel bei meiner Lebensgefährtin oder andere Anzeichen für eine dissoziative Identitätsstörung erlebt.

Anfangs glaubte sie die Diagnosen ihrer Therapeutin vielleicht noch, aber davon ist meinem Eindruck nach nichts mehr geblieben. Dass sie ein Opfer satanischer Kulte sei, hat Malin stets bestritten. Seit Malin nicht mehr bei Frau Stegemann in Therapie ist, hat sie deutliche Fortschritte in ihrer persönlichen Entwicklung gemacht.

Einen objektiven Beweis dafür zu erbringen, dass etwa der angebliche Ortungschip im Oberarm nicht existiert, wäre an sich nicht schwierig. Es würde meine Lebensgefährtin derzeit aber noch zu viel Überwindung kosten, mit so einer seltsamen Bitte an einen Röntgenarzt heranzutreten.

In meinen Augen stellt die Trennung von ihrer Tochter die größte Belastung für Malin dar. Dazu kommt die anhaltende Stigmatisierung und Traumatisierung durch Fehlbehandlung und -begutachtung.

Erschreckende Glaubensbereitschaft

Die Auswirkungen der Verschwörungsideologie vom satanistisch-rituellen Missbrauch sind aus meiner Sicht katastrophal – für die Betroffenen, das Gesundheitssystem und die Justiz. Dass es sich dabei um eine Verschwörungstheorie handelt (die von einem erstaunlich großen Kreis von Anhängern geglaubt wird, bis hin zum Betroffenenrat der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs UBSKM), steht nach intensiven Recherchen für mich außer Frage.

Dass solche offenkundig absurden Überzeugungen auch von anerkannten Therapeutinnen und Therapeuten verbreitet und salonfähig gemacht werden, ist erschreckend. Die Tatsache, dass einer Mutter aufgrund von solchen Verschwörungstheorien das Sorgerecht für ihr Kind entzogen wird, halte ich für einen Skandal.

Keine Fehlerkultur, nirgends

Der Schaden, der bei Malin und ihrer Tochter angerichtet worden ist, lässt sich nicht wieder gutmachen. Obwohl wir verschiedene Stellen angeschrieben haben, ist dort von einer gesunden Fehlerkultur nichts zu merken.

Zum Weiterlesen:

  • „Keine Evidenz“: Der Spiegel widerlegt die Narrative der Verschwörungstheorie vom satanisch-rituellen Missbrauch, GWUP-Blog am 10. März 2023
  • Spiegel-Reportage „Im Wahn der Therapeuten“, dissoziationen am 12. März 2023
  • WTF-Talk über die „Satanic Panic“ jetzt bei Youtube, GWUP-Blog am 5. März 2023

11. März 2023
von Bernd Harder
2 Kommentare

„Reichsbürger“ im WTF-Talk

Am Montag (13. März) im WTF-Talk bei Twitch:

Reichsbürger

Mit dabei sind der Richter Ralf Neugebauer und der Rechtspfleger Oliver Gottwald.

Los geht’s um 20 Uhr.

Zum Weiterlesen:

  • Die „Reichsbürger-Razzia“, GWUP-Blog am 19. Februar 2023
  • Kein Spaß: Umsturzphantasien von „Reichsbürgern“ und Verschwörungsideologen, GWUP-Blog am 7. Dezember 2022
  • Video: In was für einem Land leben wir eigentlich? Reichsbürger und die BRD-GmbH (mit Ralf Neugebauer)
  • Video: Reden wir mal über Reichsbürger (mit Ralf Neugebauer)
  • Video: Wer aber sind diese „Reichsbürger“? (mit Oliver Gottwald)
  • Podcast: Was sind Reichsbürger? (mit Oliver Gottwald)
  • Eisenfraß-Blog: „Reichsbürger“ und andere „Volksbetrüger“
  • „WTF!? – Wissenschaft trifft Freundschaft“ wieder an Pfingsten in Leipzig, GWUP-Blog am 8. März 202

11. März 2023
von Bernd Harder
5 Kommentare

Verfassungsbeschwerde gescheitert: Michael Ballweg bleibt in Untersuchungshaft

Seit Ende Juni vergangenen Jahres sitzt der „Querdenken“-Inititiator Michael Ballweg wegen Betrugsverdachts in Untersuchungshaft – und wird dort auch die nächste Zeit verbringen.

Eine Verfassungsbeschwerde des 48-Jährigen ist gescheitert. Das Oberlandesgericht Stuttgart hatte Anfang des Jahres entschieden, dass Ballweg auch über die Frist von sechs Monaten wegen Fluchtgefahr in Untersuchungshaft bleiben muss.

Dort hatte der ehemalige IT-Unternehmer bereits zweimal hohen Medienbesuch.

Dem Spiegel sagte Ballweg, er erwarte einen Freispruch:

Seine Anwälte – er hat stattliche neun, die meisten arbeiten zurzeit ohne Vergütung – argumentieren, dass die Zuwendungen seiner Unterstützer Schenkungen gewesen seien, folglich frei verfügbar. Auch der Transfer von 88.985 Euro auf ein Konto in Litauen und der Tausch in Kryptowährung könnten erklärt werden. Wo sonst hätte jemand, dessen Bankkonten alle gekündigt worden seien, bitte schön sein Geld deponieren sollen?

Wieder in Freiheit, werde er die großen Friedensdemonstrationen anführen. Die Proteste hätten sich mitnichten überlebt, sie seien relevanter denn je. Ballweg war am 29. Juni 2022 wegen des Verdachts der Geldwäsche und des gewerbsmäßigen Betrugs verhaftet worden.

Zeit-Online schreibt, dass „keiner seiner Anhänger sich von ihm getäuscht“ fühle. Kein Schenker habe sein Geld zurückverlangt oder Anzeige erstattet.

9643 Menschen hatten zwischen Mai 2020 und Februar 2022 Michael Ballweg 1,2 Millionen Euro zukommen lassen. Aber wofür genau? Zur freien Verfügung (was zum Beispiel auch den eigenen Lebensunterhalt einschließen würde)? Oder ausschließlich für „Querdenken“ – also für Demos, Rechtsstreitigkeiten, Telegram- und YouTube-Kanäle etc.?

Oder anders gefragt:

Hatten die Geber einen bestimmten Zweck im Sinn? Oder war es ihnen egal, wofür Ballweg das Geld ausgibt? Darum drehen sich die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, neben „mehreren Geldwäscheverdachtsmeldungen“, nachdem Ballweg zwischen Juli und September 2020 an vier Tagen Bargeld in Höhe von insgesamt 430.000 Euro vom „Querdenken“-Konto abgehoben hatte.

Wie das Ganze ausgeht, ist derzeit völlig unklar. Die Zeit schreibt, die jetzt zuständige Richterin habe ihre Stelle erst Ende Februar angetreten und müsse sich erst einmal einarbeiten.

Zum Weiterlesen:

  • Verfassungsbeschwerde von „Querdenken“-Initiator gescheitert, zeit.de am 7. März 2023
  • Michael Ballweg: Täter oder Opfer? zeit.de am 8. März 2023
  • „Querdenker“ Michael Ballweg: Allein in Stuttgart-Stammheim, spiegel.de am 4. Februar 2023
  • „Verdacht des Betrugs und der Geldwäsche“: Querdenken-Gründer Michael Ballweg vorläufig festgenommen, GWUP-Blog am 29. Juni 2022

11. März 2023
von Bernd Harder
4 Kommentare

Das „Selbstexperiment“ der QAnon-Queen auf TikTok war natürlich nur ein Fake

Wie zu erwarten war:

Alles, was die TikTokerin malice in wQnderland a.k.a. rebelsoulyah vor zwei Wochen mit ihrem „Outing“ als angebliche Kunstfigur demonstriert hat, ist, was für eine schlechte Schauspielerin sie ist.

Nachdem ihr sowieso niemand den Ausstieg aus der verschwörungsideologischen Szene abgekauft hat, versucht sie jetzt den Rückwärtssalto:

Ihre jämmerliche „Show“ erschöpft sich indes darin, den „Anderswelt“-Selbstversuch des Journalisten Hans Demmel nachzuäffen.

Und um ihre Follower wieder versöhnlich zu stimmen, kokettiert Johanna Alice dann auch gleich noch mit Holocaust-Relativierung in drei Teilen (zwei der Clips sind wieder verschwunden):

Offenbar ist da eine große Angst, in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden, wenn die junge Dame auf Telegram darüber schwadroniert, dass die Spinner-Kanäle dort vor sich hindümpeln, „ohne Zahlen zu erreichen, die dem inzwischen nicht mehr weg zu diskutierenden Erkenntisprozess in der echten Welt keineswegs auch nur annähernd Rechnung tragen“.

Mit ihrem eigenen Erkenntnisprozess in der echten Welt ist es allerdings nicht weit her.

Zum Weiterlesen:

  • Malice in WQnderland: Ist die QAnon-Queen bei TikTok nur ein „Selbstexperiment“? GWUP-Blog am 26. Februar 2023
  • Neuerscheinung: Abgetaucht in die Anderswelt – sechs Monate „Alternativmedien“-Konsum, GWUP-Blog am 24. September 2021

10. März 2023
von Bernd Harder
15 Kommentare

Video: Ulrike Guérot, Ganser, Gabriele Krone-Schmalz – Pleiten, Pech und Pannen

Mag seine Fanbase auch noch so laut für ihn trommeln – in der kritischen Öffentlichkeit ist der „Selfmade-Verschwörungsunternehmer“ Daniele Ganser durch.

Der Osteuropa-Experte Professor Klaus Gestwa von der Uni Tübingen sagte gestern der Stuttgarter Zeitung:

Daniele Ganser – ein Putin-Troll auf Globuli

Heute ist bei Verschwörung & Fakten das Video

Guérot, Ganser, Krone-Schmalz unter Feuer. Gegenwind aus der Wissenschaft

erschienen:

Guérot gekündigt, Ganser gecanceled, Krone-Schmalz verloren. Es gibt mehrdimensionalen Gegenwind für Verbreiter von Desinformation und Verschwörungstheorien. Das kann man aktuell an den genannten Beispielen gut verfolgen. Und dieser Widerspruch kommt immer häufiger direkt aus der Wissenschaft, auch über Twitter oder YouTube.

Prof. Ulrike Guérot wurde von der Uni Bonn gekündigt, Dr. Daniele Ganser muss Absagen seiner Vorträge in Kauf nehmen und Gabriele Krone-Schmalz hat bereits in zwei Instanzen vor Gericht den Kürzeren gezogen.

Zum Weiterlesen:

  • Daniele Gansers gutes Geschäft mit den Mythen, zdf.de am 10. März 2023
  • Umstrittener Historiker: Wer ist Daniele Ganser? ndr am 9. März 2023
  • Bündnis protestiert gegen umstrittenen Historiker Daniele Ganser, ndr am 9. März 2023
  • Warum Daniele Ganser und seine Thesen so gefährlich sind, jüdische-allgemeine am 9. März 2023
  • Daniele Ganser, der Selfmade-Verschwörungsunternehmer, GWUP-Blog am 23. Februar 2023
  • Daniele Ganser als Experte für pseudowissenschaftliche Verführung, verschwörungstheorien.info am 9. März 2023
  • Daniele Ganser – ein Friedensforscher? verschwörungstheorien.info am 24. Februar 2023
  • „Verschwörung & Fakten“ über Ganser zur Ukraine, Teil 2, GWUP-Blog am 7. Januar 2023
  • „Verschwörung & Fakten“ über Daniele Ganser und Krone-Schmalz zur Ukraine, GWUP-Blog am 17. Dezember 2022
  • Ulrike Guérot: Keine gute Figur, zeit.de am 1. März 2023
  • Universität Bonn kündigt Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot, spiegel.de am 24. Februar 2023
  • Nähe zu Putin-Regime? Juristische Niederlage für Ex-Korrespondentin der ARD, rnd am 24. Januar 2023
  • Krone-Schmalz klagt nicht weiter gegen Kritikerin Franziska Davies, t-online am 9. März 2023

10. März 2023
von Bernd Harder
3 Kommentare

Die volle Ironie-Verarsche-Meme-Power bei TikTok für Eso-König Thomas Hornauer

Immerhin:

Ganz so leicht lässt sich die TikTok-Community nicht abziehen.

Walulis ergänzt seinen Beitrag vom 1. März um die Reaktionen bei TikTok auf den „TAM-Dance-Despoten“ Thomas Hornauer.

Wie der Rattenfänger von TikTok versucht, Jugendlichen das Geld aus der Tasche zu ziehen, und wie die ihn aber ordentlichen verarschen […] Hornauer wird immer größer auf TikTok. Aber das Tolle ist: Immer mehr Leute wollen über den professionellen Geld-aus-der-Tasche-Zieher aufklären.

Ganz vorne mit dabei: der Würzburger Jungrapper „Freddisson“ – der natürlich seinerseits von dem Hype profitiert.

Es sei ihm gegönnt. Walulis‘ Fazit:

Hornauer zieht bei TikTok mit seinem gesamten Rattenfänger-Eso-Wagen ein und bekommt dann einfach mal die volle Ironie-Verarsche-Meme-Power in die Fresse.

Zum Weiterlesen:

  • Seine königliche Heiligkeit Majestät Thomas Hornauer als „DJ auf Valium“ bei TikTok, GWUP-Blog am 1. März 2023
  • König Thomas und Freddisson: Würzburger Rapper wird zum TikTok-Star, fein-raus am 8. März 2023
  • „Thomas Hornauer“ bei Psiram

10. März 2023
von Bernd Harder
61 Kommentare

„Keine Evidenz“: Der Spiegel widerlegt die Narrative der Verschwörungstheorie vom satanisch-rituellen Missbrauch

Chapeau – endlich erscheint auch in Deutschland ein Medienbeitrag zum Thema „Satanic Panic“, der mit den jüngsten Enthüllungen in der Schweiz gleichzieht.

Beate Lakotta und Christopher Piltz zeichnen im aktuellen Spiegel (11/2023) auf sieben Seiten die Geschichte der 32 Jahre alten Malin nach – ein Opfer von suggestiv erzeugten Falscherinnerungen:

Noch immer kämpft sie gegen innere Bilder an, die in ihr hochsteigen: dunkle Gestalten in Kutten, Messer, Blut – alles Scheinerinnerungen, entstanden in 83 Therapiesitzungen, bezahlt von ihrer Krankenkasse.

Ohne sich dessen bewusst zu sein, so habe es ihre Therapeutin ihr suggeriert, stehe sie im Bann eines Satanskults. Ein Täterkreis, angeführtvon ihrem Stiefvater, habe sie in ihrer frühen Kindheit mental programmiert, um sie ein Leben lang in Ritualen missbrauchen zu können.

Quer durch die Republik spanne sich das Netzwerk von Satansjüngern, und noch immer hätten diese die Kontrolle über sie, davon war die Therapeutin überzeugt.

Trauriger Höhepunkt: Die Therapeutin der jungen Frau erwirkte bei den Behörden einen vorgeburtlichen Sorgerechtsentzug für ihre heute zweijährige Tochter. Bizarre Begründung: Mutmaßlich sei das Kind bei einer rituellen Massenvergewaltigung gezeugt worden – und durch die angebliche Kultzugehörigkeit der Mutter in großer Gefahr:

Es sei nicht auszuschließen, dass sie ihr Kind aufgrund der Programmierung den Tätern zum Missbrauch überlassen könne.

Derzeit ist ein Beschwerdeverfahren anhängig. Einen Verhandlungstermin gibt es noch nicht. Das Kind lebt bei einer Pflegefamilie.

Dabei sei, schreiben Lakotta/Piltz, vieles, was in der Szene als Tatsache verbreitet wird, „offensichtlicher Unsinn“:

Das erklärte zum Beispiel auch unser Skeptiker-Interviewpartner Dirk Bosse, ehemaliger Kriminalhauptkommissar in Braunschweig.

Des Weiteren kritisieren die Autoren die Medienberichterstattung zum Thema in Deutschland:

Überprüfbare Angaben, die auf kultische Netzwerke schließen lassen, fehlen in allen Beiträgen.

Und sie nennen die hiesigen Protagonisten der „Satanic Panic“ beim Namen („Eine Vielzahl selbst ernannter Experten profitiert von der Erzählung des satanischen Missbrauchs“), etwa die Traumatherapeutin Michaela Huber, die psychologische Psychotherapeutin Jutta Stegemann, die Traumatherapeutin Claudia Fliß und die ärztliche Psychotherapeutin Brigitte Bosse.

Auch der renommierte Sexualwissenschaftler und forensische Psychiater Peer Briken vom UKE Hamburg, der – gewollt oder ungewollt – der Satanic-Panic-Szene in Deutschland mit verschiedenen „Forschungsprojekten“ eine fatale Legitimation verliehen hat, wird von den Spiegel-Reportern befragt.

Auf Brikens Studie „Sexueller Kindesmissbrauch in organisierten und rituellen Gewaltstrukturen“ beruft sich die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs, die wiederum für Journalisten als seriöse Quelle gilt.

Dabei ist es mit dieser vorgeblichen „Studie“ in Wahrheit nicht weit her, wie auch der Spiegel erklärt:

Die Ergebnisse entsprechen wenig überraschend dem, was in der Szene als Tatsachenwissen verbreitet wird: Zu Wort kommen Personen, die sich selbst als Betroffene definieren, und Therapeuten und Sozialarbeiter, die mit „Überlebenden“ arbeiten. Was diese angeben, wird an keiner Stelle hinterfragt.

Was sagt nun Briken zu diesem Vorhalt?

Ein Realitäts-Check sei „nicht unser Anliegen und wäre mit dem methodischen Vorgehen auch unmöglich gewesen“:

Man habe an keiner Stelle behauptet, Fakten zu präsentieren. Er selbst habe keine wissenschaftliche Evidenz für Techniken wie Mind-Control oder die gezielte Aufspaltung der Persönlichkeit.

Ähnlich laviert die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM), Kerstin Claus, im Spiegel-Interview herum.

Fazit:

Nach diesem Artikel ist man fassungsloser denn je, wie sich der Verschwörungsmythos vom satanistisch-rituellen Missbrauch mit all den dazugehörigen Narrativen in Deutschland bis heute immer noch halten kann.

Update vom 12. März

  • „Nicht wiedergutzumachender Schaden“: Unser Gespräch mit dem Opfer einer „Satanic Panic“-Fehlbehandlung aus der aktuellen Spiegel-Story

Zum Weiterlesen:

  • Vermeintliche Opfer ritueller Gewalt: Im Wahn der Therapeuten, spiegel.de am 10. März 2023
  • WTF-Talk über die „Satanic Panic“ jetzt bei Youtube, GWUP-Blog am 5. März 2023
  • Replik zur Antwort der ARD-Feature-Redaktion, dissoziationen am 7. März 2023
  • Offener Brief an die USBKM, dissoziationen am 25. August 2022
  • Satanismus: „Ich bin mein eigener Gott“, edit-magazin am 1. Januar 2020

9. März 2023
von Bernd Harder
Keine Kommentare

Video: Spikes statt Spermien – Janos Hegedüs über das Neuste von Wodarg & Burkhardt

Sind die beiden wirklich in Gefahr?

Diese Frage stellt sich, wenn Wodarg & Burkhardt von „Spikes statt Spermien“ reden:

Wolfgang Wodarg berichtete auf Twitter über die sensationellen Erkenntnisse des Herrn Arne Burchardt (sic!) – Männer werden unfruchtbar.

Herr Burkhardt sagte: Frauen sollten am besten keine Kinder mit geimpften Männern planen! Das klingt verblüffend… Was ist aber die Wahrheit?

Wie wirkt sich eine SARS-CoV-2 Erkrankung auf die männliche Fruchtbarkeit aus? Was ist mit den Impfungen? Verlieren Männer wirklich ihre Fähigkeit, ein Kind zu zeugen?

Ich habe mich einige Tage lang mit diesem Thema beschäftigt und dabei überraschende Fakten gefunden. Die beiden Herren haben ausnahmsweise nicht ausschließlich Unwahrheiten erzählt.

Zum Weiterlesen:

  • Neues Video von Janos Hegedüs: Ruhestands-Pathologe Arne Burkhardt findet wieder „Ufos in der Impfung“, GWUP-Blog am 6. November 2022
  • Video: Janos Hegedüs über die Rechtfertigungen von Arne (Die Pathologie-Konferenz) Burkhardt, GWUP-Blog am 10. Juni 2022
  • „Neueste Horrorvorstellungen“: Janos Hegedüs über Arne Burkhardt und Sucharit Bhakdi, GWUP-Blog am 2. März 2022
  • Die „Pathologie-Konferenz“: Konfus und unkonkret, GWUP-Blog am 23. September 2021
  • „Pathologie-Konferenz“ bei Psiram

8. März 2023
von Bernd Harder
6 Kommentare

„WTF!? – Wissenschaft trifft Freundschaft“ wieder an Pfingsten in Leipzig

Nach der erfolgreichen Premiere im vergangenen Jahr geht an Pfingsten zum zweiten Mal das „WTF!? – Wissenschaft trifft Freundschaft“-Festival in Leipzig über die Bühne.

Das Programm ist jetzt online.

Im Fokus stehen am Freitag und Samstag – parallel zum WGT – im Kupfersaal die Themen

  • „Gothic Fiction“: Düstere Erzählungen
  • It’s magic: Magie wissenschaftlich betrachtet
  • Bang Bang: Tödlicher Einsatz von (nicht nur Schuss-) Waffen
  • Märchenhaft toxische Beziehungen und Nachtmusik
  • Parakryptozoologie: Zwischen Fantasie und Wissenschaft
  • Sexarbeit: Zwischen Ausbeutung und Selbstbestimmung
  • Schaurig schön: Horrorfilme
  • Crime Night mit Tatortreinigung, Spurenkunde und Kriminalpsychologie

Mit dabei sind Lydia Benecke, Christian von Aster, Bernd Harder, Holm Hümmler, Thomas Kundt, Luci van Org, Marcus Schwarz, Ronny Maik Leder, Dirk-Boris Rödel, Lydia la Pècheresse, Jörg Buttgereit und andere.

Tickets gibt’s hier, und es gilt wie im vorigen Jahr:

Einzelne Themenblöcke, komplette Tageskarten oder das All-you-can-„eat“-Wochenendticket sind möglich.

Zum Weiterlesen:

  • Das Beste aus drei Welten: Interview mit Lydia Benecke zum „WTF!? – Wissenschaft trifft Freundschaft“-Festival in Leipzig, GWUP-Blog am 29. Juni 2022

8. März 2023
von Bernd Harder
2 Kommentare

„Nazi-Wissenschaft“ bei ARTE

Reupload bei ARTE (von 2019):

Blut und Boden – Nazi-Wissenschaft

Der Film beschreibt das mörderische Vorgehen der NS-Organisation „Das Ahnenerbe“. Diese Forschungsgemeinschaft legitimierte mit unerbittlicher Härte die NS-Rassenhygiene, die Germanisierung der Gebiete und die ideologische Herrschaft des Regimes.

Um seine Forschungen glaubhaft zu machen, umgab sich „Das Ahnenerbe“ mit mit Forschern und Ärzten, die Verrat am Erbe der Aufklärung begingen. Sie entwickelten abstruse Thesen, durch die das NS-Regime seine Tötungsmaschinerie pseudowissenschaftlich untermauern konnte.

Den Beitrag (zirka 90 Minuten) gibt’s auch bei Youtube. Eine siebenminütige Kurzfassung findet sich hier.

Weiterlesen:

  • Mythos Wewelsburg: Wie die „Schwarze Sonne“ zum Ersatz-Hakenkreuz wurde, spiegel.de am 6. März 2023