20. Juli 2023
von Bernd Harder
68 Kommentare
Beneidenswert:
So eine Hysterie wie heute hat unser alter Freund, Waldphantom und Kryptide Gustav noch nie ausgelöst. Da muss wohl erst der König der Tiere daherkommen – ein, äh, „Löwe“:
Anscheinend driftet unser Land tatsächlich langsam in den Panik-Modus – anders ist das kaum noch zu erklären („Roar and Order“ kommentiert die britische Sun).
Ein Jammer, dass weder die Polizei Brandenburg noch andere wortstarke Experten das diesjährige WTF-Festival in Leipzig oder die SkepKon 2014 besucht haben:
Oder sich hier im Blog mal über Gustav informierten.
Nun ist Gustav allerdings ein Panther – und ganz Berlin-Brandenburg macht Jagd auf eine Löwin, die dem initialen Handyvideo vom späten Mittwochabend zufolge so aussehen soll:
Aha.
Ein wissenschaftlicher Angestellter der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung sieht in diesem Tier allerdings eher einen Hund. Andere halten es für ein Wildschwein.
Auch die Story macht keinen Sinn. Der Videofilmer will gesehen haben, „wie die Raubkatze ein Wildschwein gejagt und erlegt habe“. An der Stelle, wo das Video aufgenommen wurde, finden sich aber keinerlei Kampfspuren oder Beutereste.
Der Wildtierfotograf Marco Papajewski sagt:
Ungewöhnlich sei auch, dass alle anderen Tiere ihre Tagesroutine nicht geändert hätten. „Wäre ein Löwe in dem Waldstück, würden sich die Tiere nicht so verhalten wie sie sich verhalten.“
Dazu kommt:
Sowohl Phantom-Löwen/Pumas/Löwinnen etc. als auch echte entlaufene Löwen werden (auch in und um Berlin oder in Augsburg oder in Lausanne oder in der Normandie oder bei Paris) immer wieder gesichtet, erklärten wir schon 2019 dem Newsportal nordbayern.de.
Nur werden leibhaftige Tiere sehr schnell wieder eingefangen oder erschossen:
Denn:
Die Tiere sind in der Regel jung, unerfahren, nur an Gefangenschaft gewöhnt, verängstigt und zunächst orientierungslos. Nicht zu vergessen ist der große Aufwand, der betrieben wird, diesen nachweislich entlaufenen Exoten nachzuspüren und sie wieder in Gefangenschaft zu überführen.
Und es wird in der Regel ohne großen Verzug klar, ob es sich um ein echtes Tier handelt:
Grundsätzlich kann ein Löwe nicht einfach weg sein, auch so eine Löwin nicht. Sie hinterlässt Spuren,
erklärt im aktuellen Fall der Wildtierreferent des Landes Berlin Dirk Ehlert.
Auch andere exotische Ausreißer oder Zuwanderer wie Wölfe, Bären, Luchse, Schakale, Kängurus, Elche produzieren Beweise für ihre Anwesenheit.
Dagegen lösen sich die diversen Phantom-Sichtungen nach einiger Zeit spurlos in Nichts auf.
Bester Satz der Berliner Behörden:
Es gibt eine gesicherte Wahrnehmung der Polizei.
Nö – „Wahrnehmungen“ sind immer subjektiv und nie „sicher“.
Zumal diese darauf beruht, dass zwei Polizisten um drei Uhr nachts die „Löwin“ aus 20 bis 30 Metern Entfernung beobachtet haben wollen.
Wir sind gespannt, wie lange der Hype diesmal andauert. Immerhin ist gerade Sommerloch.
Und wir freuen uns auf neues Vortragsmaterial.
Update vom 21. Juli
Das war’s dann mal wieder:
Eine erneute Analyse des am Donnerstag viral gegangenen Sichtungsvideos durch zwei Experten hat demnach ergeben, dass es sich höchstwahrscheinlich nur um ein Wildschwein handelt – und nicht um ein Raubtier oder eine Löwin.
Am Montag (24. Juli) bestätigten Laboranalysen diese Einschätzung.
Eine Zusammenfassung der ganzen Geschichte gibt es hier.
Update vom 24. September 2023
Zum Weiterlesen:
- Schwarz wie die Nacht, mit glühenden gelben Augen, Skeptiker 2/2001
- Panther, Ufos – und die Glaubensmaschine, GWUP-Blog am 28. Oktober 2010
- Panther Gustav – der deutsche Yeti, GWUP-Blog am 7. November 2009
- “Sommerlochtiere” zwischen Urangst und Bambi-Syndrom, GWUP-Blog am 22. August 2013
- Es gibt ihn wirklich, den berühmten Sommerloch-Panther, GWUP-Blog am 20. September 2020
- Kein Sommer ohne Sommerlochtier, Spiegel-Online am 11. August 2013
- Sommerloch: Es wimmelt wieder von Panthern und Krokodilen, GWUP-Blog am 20. September 2020
- Die Panther-Jagd von Parsberg, nordbayern am 22. Oktober 2019