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Neue Studie: Keine Beweise für Peter Wohllebens „geheimes Leben der Bäume“

| 8 Kommentare

Aktuelle Ergänzung zu unserem Gastbeitrag „Der Wald der Pseudogefühle“ von 2017 über den Bestseller „Das geheime Leben der Bäume“ des Forstwirts Peter Wohlleben:

Insgesamt 35 Autoren haben für einen Aufsatz in dem Fachjournal Trends in Plant Science zwei „highly popular books“ analysiert, nämlich Wohllebens „Das geheime Leben der Bäume“ und „Die Weisheit der Wälder“ von Suzanne Simard.

Die Forscher kritisieren die „Vermenschlichung“ von Pflanzen, denen Wohlleben eine Reihe von anthropomorphen Eigenschaften zuschreibt (zum Beispiel Schmerz empfinden, glücklich sein, sich um andere Bäume kümmern, mit anderen Bäumen kommunizieren etc.) und sie bedauern, dass etablierte Pflanzenwissenschaftler nicht bereits viel früher auf solche pseudowissenschaftlichen Interpretationen reagiert haben.

Darüber hinaus geht ein Vorwurf an die Verlage, die eine Faktenprüfung bei populärwissenschaftlichen Büchern nicht zu ihren Aufgaben zählten.

Anhand von 87 wissenschaftlichen Publikationen untersuchen Robinson et al. Begriffe wie „altruistische Pilze“ oder „Mutterbäume“, die Wohlleben und Simard verwenden, um das angeblich feste Sozialgefüge des Waldes zu beschreiben.

Aber weder für das „Mutterbaum“-Konzept (wonach Bäume ihren Nachwuchs gezielt aufpäppeln und mit Nährstoffen versorgen) noch für ein altruistisches Kommunikationsnetzwerk aus Pilzfäden im Waldboden (Mykorrhiza-Netzwerke oder „Wood Wide Web“) gebe es Beweise.

Welt+ befragte eine der Autorinnen der Trends in Plant Science-Studie, die Leiterin der Abteilung Forstbotanik und Baumphysiologie an der Uni Göttingen Prof. Andrea Polle:

Natürlich hätten auch Bäume Mutter und Vater, aus deren Samen und Eizelle die nächste Generation im Wald hervorgeht. Auch das unterirdische Geflecht aus Wurzeln und Pilzen stelle niemand infrage.

Falsch hingegen sei die „propagierte Fürsorge“, so Polle. „Die Mengen an Kohlenstoff, die von einem Baum zu einem anderen wandern, sind marginal und spielen für den Empfänger kaum eine Rolle“, erklärt sie. Zudem geschehe der Transfer weder gezielt noch allein an die eigenen Nachkömmlinge.

Polle sagt: „Der Wald ist keine harmonische Gemeinschaft, wie die Bücher vermitteln wollen.“ Es gebe keinerlei wissenschaftlichen Belege dafür, dass ausgewachsene Bäume die Schwachen unterstützen. Im Gegenteil. Im Wald herrscht ein harter Konkurrenzkampf.

Die Forscher betrachten Wohllebens und Simards Bücher als „irreführend“ für die Vermittlung eines wissenschaftlichen Verständnisses von Wäldern. Für eine zeitgemäße Waldbewirtschaftung aber brauche es einen fundierten Blick – ohne Verklärung.

Motiviert sei die Veröffentlichung auch von Sorge darüber, dass Medien und Entscheidungsträger Wohllebens „pseudowissenschaftliche Interpretationen“ weiterhin für bare Münze nähmen und Politiker sich auf die vermeintliche Expertise verließen, kommentiert die FAZ:

Erwähnt wird etwa Wohllebens Ernennung zum Beiratsmitglied für die „UN-Dekade für die Wiederherstellung von Ökosystemen“.

Update vom 28. September

Peter Wohlleben hat bei Facebook auf den Trends in Plant Science-Artikel reagiert:

Neben dem „Lobby“-Vorwurf postet Wohlleben diesen Beitrag aus National Geographic, der wohl irgendwie belegen soll, dass „Bäume/Pflanzen kommunizieren können“:

Dazu Prof. Andrea Polle gegenüber unserem Blog:

Der Artikel basiert auf vernünftigen Daten. Er zeigt, dass Pflanzen bei Trockenheit eine physikalische Reaktion zeigen (Luftblasen), die man lange kennt, aber bislang nicht beim Entstehen messen konnte. Das ist durch die Erfassung von Schallgeräuschen möglich geworden.

Er ist dennoch kein Beweis für Kommunikation, denn dafür müsste es einen Empfänger geben, indem durch das Geräusch eine Reaktion ausgelöst wird.

Zum Weiterlesen:

  • 35 Wissenschaftler wehren sich gegen Wohllebens Baum-Thesen, welt+ am 27. September 2023
  • Wissenschaftler wehren sich gegen Wohllebens Baum-Thesen, faz+ am 21. September 2023
  • Mother trees, altruistic fungi, and the perils of plant personification, cell.com am 19. September 2023
  • Der Wald der Pseudogefühle: Ein Gastbeitrag zum Bestseller „Das geheime Leben der Bäume”, GWUP-Blog am 7. August 2017
  • Was ist dran am „Wood-Wide-Web“? scinexx am 14. Februar 2023
  • Kommunizieren Bäume über ein unterirdisches Pilz-Netzwerk? mdr am 19. Februar 2023

8 Kommentare

  1. Ist ja wohl klar, dass die Bäume nicht mit jedem reden.
    So ein dahergelaufener Skeptiker wird da Schweigen im Wald herrschen.
    ;o)

  2. Wohlleben hat übrigens umgehend darauf reagiert:

    https://www.facebook.com/PeterWohlleben.Autor/posts/pfbid02fi9eVmTuCCSmQMWzRotmoygQYwz4geKgzdA5ECpSKu6399ARsqZDgSeHuzkYWYfPl

    „Guten Morgen! Ich sitze gerade im Zug nach Paris und möchte euch natürlich trotzdem mit Neuigkeiten versorgen. Aktuell bestreiten ja mal wieder Forstwissenschaftler, die der Forstlobby zu arbeiten, dass Bäume/Pflanzen kommunizieren können. Hier gibt es einen schönen Bericht aus der National Geographic vom April, der noch ganz andere Entdeckungen ausbreitet.“

    https://www.nationalgeographic.de/wissenschaft/2023/04/koennen-pflanzen-schreien-gerausche-stress

    Könnte man das vielleicht noch in die obige Meldung nachtragen und einordnen?

  3. @Arno Nym:

    Danke für den Hinweis, wir haben upgedated.

  4. Ich finde Peter Wohllebens Reaktion sehr entlarvend.

    Abgesehen davon, dass ein Artikel in einem populärwissenschaftlichen Magazin eigentlich nichts beweist und NG auch immer mal wieder ins Klo gegriffen hat, zeigt es auch, dass Wohlleben den Kontext des Artikels nicht verstanden hat.

    Aber wie sollte es auch anders sein. Der Mann ist Förster. Er hatte eine Ausbildung zum Diplom-Forstingenieur (neudeutsch BSc) an der heutigen Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg.

    Seine Kenntnisse in Biologie, Botanik, Mykologie etc., die für die Gesamtbeurteilung des Lebewesens „Baum“ erforderlich sind, dürften sich auf besserem Abiturientenniveau befinden.

  5. Danke für diesen Beitrag. Ich bin jetzt bald 20 Jahre aus dem Thema raus, habe aber früher selber über Zuckertransporter in Ektomycorrhizapilzen veröz. Als ich vor Jahren sehr oberflächlich von Wohlebens Büchern gehört habe, war ich froh, dass dieses spannende Thema endlich mal Aufmerksamkeit bekam

    Näher reingeschaut habe ich nie, mich störte das salbungsvolle Auftreten. Wo ich jetzt lese, was der für ein Zeug absondert, bin ich gelinde gesagt schockiert und froh, das ehemalige Kollegen (ich war nur ein kleiner Doktorand) so klar Stellung beziehen.

  6. @ RPGNo1:

    Mit solchen ad homininems trifft man m.E. den relevanten Punkt nicht, zumal sie gegenüber Suzanne Simard, die wesentliche Konzepte für Peter Wohllebens Bücher liefert, als Universitätsprofessorin ins Leere gehen.

    Die Thesen Wohllebens wird man zum einen auf der biologischen bzw. botanischen Ebene, siehe den im Blog zitierten Artikel, zum anderen sozialpsychologisch betrachten müssen.

    Biologisch sind seine bzw. Simards Thesen zunächst legitim und und sie sind zu Recht Gegenstand wissenschaftlicher Kritik. So funktioniert Wissenschaft.

    Sozialpsychologisch hat man den Eindruck, er verdinglicht sein Unbehagen und das vieler Menschen an der herkömmlichen Forstwirtschaft, also ein Mensch-Natur-Verhältnis, in Form einer Beseelung des Waldes, also als Naturverhältnis selbst.

    Damit macht er mit der Kritik an der Forstwirtschaft dasselbe wie die Homöopathen mit der Medizinkritik: Man will kritikbedürftigen Verhältnissen auf der falschen Ebene mehr Vernunft und Menschlichkeit einhauchen, eine Spielart der fallacy of misplaced concreteness.

  7. Das wahre Leben der Bäume: ein Buch gegen eingebildeten Umweltschutz
    Buch von Torben Halbe

    war schon sehr erhellend, und der W.. ist halt auch so ein typischer esoterischer Selbstvermarkter, das sind ja aber viele lobby gruppen, interessensverbände etc…..

    Wer den Käse glauben will, und lieber Bäume umarmt, anstatt andere sinnvollere Dinge zu machen….

    Hier geht es ja nicht wie bei Covid und Impfung um Menschenleben…

    Hier gehts halt um „Glauben“… und romatische Vorstellungen… ja mei….

    Ham wir nicht andere Probleme?

    Dekarbonsierung, Energiesysteme umstellen, Transport umstellen, Kreisläufe bilden anstatt nur Müll zu erzeugen, Upcycling, Recycling usw usw….

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