Das „Nazi-Ufo“ – Die Geschichte einer (multi-)medialen Inszenierung
Nachdem der amerikanische Vertreter und Privatpilot Kenneth Arnold 1947 den Ufo-Mythos begründet hatte, war es zunächst ein gewisser Josef Starziczny, der drei Jahre später die Presse mit einer eigenwilligen Erklärung für die „fliegenden Teller“ versorgte. Es handele sich um Flugapparate aus einem deutschen Nazi-Geheimlabor, berichtete auch Der Spiegel im April 1950 über die „Enthüllungen“ des ehemaligen Agenten der deutschen Abwehr, der in Brasilien in Haft saß.
Bereits vor dieser kurzen Notiz in Ausgabe 15/1950 war Der Spiegel groß in die Ufo-Berichterstattung eingestiegen und präsentierte (Nr. 13/1950) zwei Zeitgenossen, die eine kampftüchtige Flugscheibe erfunden haben wollten, nämlich den italienischen Ingenieur Giuseppe Belluzzo und den deutschen Techniker Rudolf Schriever.
An verschiedenen weiteren Protagonisten entlang erzählt Wiechmann chronologisch den Reichsflugscheiben-Mythos nach, bis hin zu Filmen wie „Iron Sky“ von 2012, wobei zumeist Aufschneider und Abschreiber den Diskurs steuerten. In der Realität hingegen
… erwähnt die Forschungsliteratur mit keinem Wort Projekte oder Projektskizzen, die sich in irgendeiner Form, sei es auch nur theoretisch, mit der Konstruktion von Flugscheiben oder Flugkreiseln auseinandersetzen,
Irgendwie scheinen die erfolgsbeschwipsten Anbieter von „Abnehmen im Liegen“ (die „Revolution der Beauty-Branche“, „Wow-Effekt“, „neueste Technologie“, „einzigartiges Konzept“) auf kritische Nachfragen nicht gefasst zu sein – sodass gleich mal ein Anwalt vorgeschickt wird, der sich inhaltlich und grammatikalisch leicht verheddert.
Wie auch immer: Im neuen Video von Janos Hegedüs sind mit dabei
… der Unternehmer Chris Steiner, Ärztinnen, die das Konzept unterstützen, und natürlich – eine Menge fragwürdiger Aussagen. Ich zeige euch, warum diese „Wunderbehandlung“ wissenschaftlich auf wackeligen Beinen steht und wie mit unrealistischen Versprechen Kasse gemacht wird.
Spoiler: „Das Gerät kann einiges, aber Abnehmen gehört nicht wirklich dazu.“
Am Ende scheint die „Astro Show“-Moderatorin Sasa Schwarzjirg den verschwurbelten Banalitäten ihrer Astrologin Lori Haberkorn selbst nicht zu trauen – als es um die Frage geht, ob „Blick in die Sterne“ wie geplant am 27. Oktober fortgesetzt wird:
Hast Du eine Voraussicht, zum Beispiel was die Sendung betrifft: Geht es weiter, geht es erfolgreich weiter? Hast du noch eine Möglichkeit, außer in die Sterne zu blicken?
Und ganz zufällig hat Haberkorn auch ihre Tarot-Karten dabei – natürlich, denn „es gibt schließlich einen gemeinsamen Nenner: esoterischer Humbug“, wie der Standard die Chose kommentiert.
Ebenso zufällig zieht Schwarzjirg „Das Ass der Stäbe“, woraufhin die Modern-Mystik-Multi-Performerin Haberkorn ein „Oh wow!“ ausstößt und in der farbenfrohen Symbolik ein „sehr schönes Zeichen“ für „Projekte und Visionen“ ausmacht:
Da ist auf jeden Fall, glaube ich, das Glück und das Universum an unserer Seite.
Während Schwarzjirg/Haberkorn also das Glück und das Universum bemühen, hat Sigrid Pilz, die ORF-Stiftungsrätin der Grünen, sich an eine irdische Instanz in Gestalt des ORF-Generaldirektors gewandt:
Sollte sich jemand fragen, warum in Österreich Schwurbelsender und -plattformen erfolgreich sind und Wissenschaftsskepsis Hochkonjunktur hat, dann muss er nur am Samstag um 16 Uhr auf den ORF und die neue Astro Show schauen. Was ORF 2 mit dem Mäntelchen „Unterhaltung“ umhüllt, ist Nonsens auf niedrigem Niveau.
Eine Rezension der ersten Folge hat der Astronom und „Science Buster“ Florian Freistetter verfasst.
Sein Fazit:
Da wird sehr ernst erklärt, dass die Astrologie ein tatsächliches Instrument sei, mit dem man etwas über die Zukunft und den Charakter von Menschen herausfinden kann. Es wird behauptet, dass Astrologie funktioniert, dass die Planeten Einfluss auf unser Leben haben, und so weiter.
In der ganzen Sendung gibt es keinen einzigen Hinweis darauf, dass die Astrologie vielleicht etwas anderes sein könnte, als ein reales und wertvolles Werkzeug zur Untersuchung der Welt. Und so etwas ist problematisch, auf jeden Fall, wenn es in einem öffentlich-rechtlichen Sender passiert.
Nun haben wir Skeptiker schon 2017 versucht, dem ORF zu erklären, dass gänzlich unironische astrologische Ratgebersendungen keine Unterhaltung sind, was aber leider nicht mal zum Gelingen einer vorgeblich „kritischen“ Astro-Doku im Jahr 2022 beitrug.
Offenkundig sind „Gänsehautmomente“ und „Aha-Erlebnisse“ (heißt es in der Pressemitteilung zu „Blick in die Sterne – Die Astro Show“) wichtiger, als „keine Esoterik-Propaganda zu produzieren“, wie Freistetter fordert.
Wir sagen hier und heute voraus, dass Glück und Universum sich wohl gegen die tapfere Sigrid Pilz durchsetzen werden. Allerdings stehen solche Sendungen nicht immer unter einem guten Stern, wie wir wissen, seit die „Astro Show“ der ARD in den frühen 1980ern „massiven Spot“ auf sich zog und schließlich zu einem „großen Flop“ geriet.
Auch beim neuen „Blick in die Sterne“ des ORF scheint das Publikumsinteresse durchaus „überschaubar“ zu sein, meint der Standard.
Zum Weiterlesen:
„Verdummung durch Esoterik“: ORF-Stiftungsrätin fordert Aus der „Astro Show“, derStandard am 30. September 2024
Neue „Astro Show“ im ORF: Eine Sternstunde der Schwurbelei, derStandard am 28. September 2024
Freistetter: „Eine Astrologieshow im ORF ist ein No-Go“, derStandard am 27. September 2024
„Blick in die Sterne – Die Astro Show“: Das große Problem des ORF mit der Pseudowissenschaft, Astrodicticum simplex am 27. September 2024
„Blick in die Sterne – Die Astro Show“: eine Rezension, sternengeschichten am 30. September 2024
Astrologie: So sieht beim ORF ein „kritischer Blick in die Sterne“ aus, GWUP-Blog am 14. Januar 2022
Nein, astrologische Ratgebersendungen sind keine Unterhaltung, lieber ORF, GWUP-Blog am 5. Juni 2017
Astrologie ist Unterhaltung – glauben auch nur die Programmchefs, GWUP-Blog am 14. Februar 2015
Astrologen raus aus dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, GWUP-Blog am 7. Januar 2015
In Springfield essen sie die Hunde, die Leute, die hierhergekommen sind, sie essen die Katzen. Sie essen die Haustiere der Menschen, die dort leben.
Dass Donald Trump an dieser Stelle im TV-Duell mit Kamala Harris (wie später auch sein Vizepräsidentschaftskandidat JD Vance bei X) Fake News verbreitete, lässt sich bis zu einem Buch des amerikanischen Erzählforschers Jan Harold Brunvand aus den 1980ern zurückverfolgen:
So weit, so „absurd“, wie Mimikama schreibt – aber fast noch harmlos gegen den Auftritt der Komikerin Roseanne Barr am Mittwoch bei einem Interview mit dem ehemaligen Fox News-Moderator Tucker Carlson in Fort Worth:
They eat babies. That is not bullshit. That’s true,
brach es aus der 71-Jährigen heraus.
It’s not just the dogs and the cats. There are full on vampires, and everybody still thinks I’m crazy. But I’m not crazy. They’re full on vampires. They love the taste of human flesh, and they drink human blood. They do, Tucker.
Wer „sie“ sind, blieb wie immer vage – vermutlich „die Eliten“ vom ominösen Deep State, den Trump angeblich bekämpft.
Das Gleiche hatte sie bereits im April bei einer Spendenaktion der Trump-Unterstützerin Kari Lake von sich gegeben.
1991 erzählte Barr dem People-Magazine, dass sie während einer Therapie „verdrängte Erinnerungen“ an sexuellen Missbrauch in ihrer Familie wiedererlangt hätte. 2018 rückte sie davon ab, als sie in einer Fernsehshow auf die Frage „Now you don’t think you were sexually abused?“ antwortete:
Well, I think psychologically. Everybody in my whole family is messed up.
Bei ihrem öffentlichen Bekenntnis 1991 in einer Presbyterianerkirche in Denver sei sie „mehr als 20-mal von Applaus unterbrochen“ worden, schrieb People damals. Der Skeptical Inquirer warnte dagegen schon 1993:
Roseanne Barr recently learned for the first time, while in therapy, that she had been repeatedly molested by her parents, starting when she was three months old! Barr’s parents and sisters deny it and have threatened legal action. […]
The point is not to deny that hideous sexual abuse of children occurs, but that, when it does, it is not forgotten and only “remembered” decades later under hypnosis.
Warum Roseanne Barr heute von Babys fantasiert, deren Blut getrunken wird, wissen wir nicht. Der Fall zeigt aber, wie wichtig aussagepsychologische Glaubhaftigkeitsbegutachtungen sind, worauf wir gestern bei unserem Update zum „Horror-Prozess“ von Braunschweig hingewiesen haben.
Wie wenig sich indes die einschlägig bekannte Rituelle Gewalt-Mind Control-Szene (RG-MC) darum schert, erlebte der evangelische Weltanschauungsbeauftragte Andreas Oelze (Stuttgart) bei der Online-Fortbildung „Rituelle sexuelle Gewalt, auch mit satanischem Hintergrund“ der Deutschen Gesellschaft für Verhaltenstherapie (DGVT):
An einem Abend sei sie vom „Hohepriester“ der Gruppe in den Wald geführt und dort lebendig begraben worden. Zurück im Keller habe er sie, ihre Hand mit einem Messer leitend, dazu gezwungen, auf die übrigen Kinder einzustechen und sie umzubringen. Sie selbst habe nach Aussage des „Hohepriesters“ nur deswegen überlebt, weil ihr Geburtstag auf einem satanischen Feiertag liege.
Einige Tage später habe in der Kapelle der [heute nicht mehr bestehenden Lungen-] Klinik eine Trauerandacht mit sechs Kindersärgen stattgefunden. Zurück im Kinderheim habe sie immer wieder Albträume von in schwarzen Kutten gekleideten Männern und von der Trauerfeier gehabt.
Indessen habe sie an all diese Geschehnisse zunächst keine aktive Erinnerung mehr gehabt. Erst mit der Geburt ihrer eigenen Tochter seien die Erinnerungen wieder ausgelöst worden.
Fragen zur Existenz solcher Gruppen […] oder zum Fehlen kriminologischer Belege wurden nicht ernsthaft aufgenommen,
schreibt Oelzen in der Zeitschrift für Religion und Weltanschauung (4/2024).
Auch Falschbehauptungen waren zu hören, zum Beispiel:
Es gibt keine „False-Memory-Bewegung“, sondern Gedächtnisforschung als akademisches Feld, die sich natürlich nicht nur mit „ritueller Gewalt“ beschäftigt, sondern mit Falscherinnerungen in verschiedenen Kontexten.
Oelzens Fazit:
Die Frage nach der faktischen Realität des Erlebten wie nach der Existenz von Gruppierungen, die organisierte rituelle Gewalt im Kontext satanistischer Rituale durchführen, wurde nicht diskutiert.
Auch die Annahme, dass eine Dissoziative Identitätsstörung (DIS) gezielt von Tätern erzeugt werden könne oder dass diese dauerhaft „mind control“ über ihre Opfer ausübten, blieb unhinterfragt.
Insgesamt konnte die Veranstaltungsreihe so dem eigenen Anspruch, eine wissenschaftlich fundierte, nüchterne Stimme im aufgeheizten und polarisierten Diskurs zu sein, leider nicht gerecht werden.
In seinem Artikel streift Oelzen auch die Magazin Royale-Sendung zum Thema „Rituelle Gewalt“ vom September 2023, die aus der ZDF-Mediathek entfernt wurde, nachdem der Fernsehrat des Zweiten sich mit knapper Mehrheit der Kritik von einigen Interessengruppen daran angeschlossen hatte – unter anderem der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs.
Wie grotesk deren Programmbeschwerde auf allen Ebenen war, hat jetzt der Jurist und Chefredakteur von Legal Tribune Online (LTO), Felix W. Zimmermann, herausgearbeitet:
Für die angebliche „unabhängige“ Aufarbeitungskommission darf es schon keine Debatte über die Glaubhaftigkeit von Aussagen über sexuellen Missbrauch geben, selbst wenn darin Satanismus vorkommt.
Dass auch diejenigen Personen schützenswerte Opfer sind, denen durch manipulative Therapeuten Missbrauchserfahrungen eingeredet werden, übergeht die Aufarbeitungskommission dabei vollständig und lässt derartige Personen mithin im Stich.
Denn ihr offenbar unantastbares Credo lautet, dass Missbrauchserfahrungen nicht angezweifelt werden dürfen.
Roseanne Barr Walks Back Story About Incest Claims, Tells Sean Hannity Abuse Was Only Psychological, entertainment tonight canada am 27. Juli 2018
Roseanne makes startling live TV retraction and DENIES her father sexually abused her, despite detailing in 1991 interview how he „molested her until she left home at 17“, dailymail am 27. Juli 2018
Die fragwürdige „Lungenkrebsstudie“, die 2020 in dem renommierten Journal The Oncologist publiziert wurde und mit der Frass et al. angeblich belegen konnten, dass eine homöopathische Therapie ergänzend zur normalen Behandlung nicht nur die Lebensqualität der Studienpatienten mit Lungenkrebs steigerte, sondern sie auch länger überlebten, steht nicht mehr unter einer „Expression of concern“.
Mit dieser „Besorgnisäußerung“ von Dezember 2022 war gemeint, dass die Studie
… unter Verdacht steht, nicht zuverlässig zu sein. Eine ausführliche Untersuchung des Vorwurfs laufe,
Zurückgezogen hat die angesehene Fachzeitschrift die Arbeit allerdings nicht.
Seit drei Tagen ziert nun ein „Korrektur“-Vermerk den Artikel.
Das ist schon leidlich seltsam. Aber wer hat diese „Korrektur“ verfasst?
Erinnern wir uns noch einmal an die Antwort, die die Spiegel-Redaktion auf eine ergänzende Anfrage zu dem Gastbeitrag von Edzard Ernst bekam: Der Oncologist erklärte damals, Bedenken „in Bezug auf die akademische Integrität“ sehr ernst zu nehmen, die Prüfung der Studie dauere an.
Und nun lesen wir im Kleingedruckten unter der „Correction“:
Ernsthaft? The Author(s)?
Also federführend wohl Michael Frass, über den Ernst bei spiegel.de schrieb:
Mir war Frass vor Jahren aufgefallen, nachdem er hintereinander zig Untersuchungen in den unterschiedlichsten medizinischen Fachgebieten publiziert hatte, von denen entgegen jeder Wahrscheinlichkeit alle eine Wirksamkeit von Homöopathie nahelegten.
Entweder hat er eine ganz ungewöhnliche Begabung, so dachte ich mir, oder etwas stimmt da womöglich nicht.
Die Initiative für wissenschaftliche Medizin ging selbstverständlich davon aus, dass die Untersuchung „durch die Herausgeber“ des Oncologist erfolgen würde. Stattdessen listet nun anscheinend der Hauptautor Frass selbst ein paar belanglose Zusatzinfos auf, die allesamt nichts mit dem schweren Vorwurf der Datenmanipulation zu tun haben.
Und die Redaktion vom Oncologist?
Schiebt ein wirres Editorial nach, in dem die Vorsitzende des Editorial Boards, Susan E. Bates, über eigenwillige homöopathische Mixturen, molekulare Pharmakologie, Wirkmechanismen, die Wissenschaft und deren Nachweismöglichkeiten schwadroniert, offensichtlich ohne Peilung, was Homöopathie eigentlich ist und was die Studienkritiker konkret bemängeln.
Trotzdem erklärt sie die Angelegenheit für abgeschlossen.
Die Autoren erklären einige Kleinigkeiten, aber der Elefant im Raum bleibt unerwähnt.
Frass glaubt offenbar ernsthaft, es wäre „nun bewiesen“, dass seine Lungenkrebs-Studie korrekt sei.
Auch das ist in gewisser Weise originell. Wir sind sicher: Es ist noch nicht vorbei.
Zum Weiterlesen:
Komplementärmedizin: Leitlinie für die Behandlung von Krebspatienten – „Je mehr Wallawalla, desto großzügiger“, GWUP-Blog am 13. Juli 2024
Gute Absicht, schlechte Medizin: Edzard Ernst über die Studie zu Homöopathie bei Lungenkrebs, GWUP-Blog am 27. Mai 2024
Ein neuer Tiefpunkt in der Homöopathieforschung, Skeptiker 4/2022
Homeopathy Research Hits New Low, Skeptical Inquirer Volume 47, No. 3, May/June 2023
Homöopathie bei Krebspatienten: Fast zu schön, um wahr zu sein, profil am 28. Oktober 2022
Eine weitere Vorzeigestudie der Homöopathen endet als Desaster, GWUP-Blog am 26. Oktober 2022
Verbesserungen beim Überleben von Lungenkrebspatienten mit homöopathischer Komplementärbehandlung? (Frass et al. 2020) – Update zur Studienkritik, INH am 25. Oktober 2022
Forschung auf Homöopathisch – Ein Update zu: Verbesserungen beim Überleben von Lungenkrebspatienten mit homöopathischer Komplementärbehandlung? INH am 9. August 2021
Verbesserungen beim Überleben von Lungenkrebspatienten mit homöopathischer Komplementärbehandlung? (Frass et al. 2020) – Eine Studienkritik, INH am 8. Juni 2021
Die neue Vorzeige-Studie der Homöopathen: nachträgliche Anpassung der Ergebnisse? GWUP-Blog am 9. Juni 2021
Gefährliches Wunschdenken? Der Hype um Manifestation
Der Beitrag des SWR-Investigativformats beleuchtet die Geschäftspraktiken von Manifestations-Influencern wie Laura Malina Seiler oder Raffael Bettencourt. Kursteilnehmer berichten unter anderem von Schuldumkehr und „unfassbar viel Druck“, immer gut drauf sein zu müssen.
Als Kritiker kommen neben Oettingen der Psychologe Lucas Dixon und die Verbraucherschützerin Julia Gerhards zu Wort.
Im Skeptiker (3/2024) erklärt Oettingen, dass den Manifestierern häufig eine entscheidende Eigenschaft fehle: „die Energie zum Handeln“:
Das haben 20 Jahre Forschung in ganz unterschiedlichen Lebensbereichen gezeigt.
Zum Beispiel Hochschulabsolventen, die positiv darüber fantasierten, gut ins Berufsleben zu gleiten, bekamen weniger Stellenangebote und verdienten nach zwei Jahren weniger Geld als Studierende, die auch negative Gedanken zuließen. Je positiver Personen, die sich zu einem Programm für Gewichtsreduzierung angemeldet hatten, über ihren Erfolg im Programm fantasierten, desto weniger Gewicht hatten sie nach drei Monaten verloren.
Oder ein Beispiel im Bereich der mentalen Gesundheit: Je positiver Personen in die Zukunft fantasierten, desto weniger depressiv waren sie im Moment, aber über die Zeit wurden sie depressiver.
Kurz gesagt: „Wenn wir Sachen verändern wollen in unserem Leben, müssen wir uns mit der Realität auseinandersetzen.“
In dem Gespräch mit Bärbel Schwertfeger stellt die Psychologieprofessorin auch eine
… wissenschaftlich fundierte mentale Strategie, mit der Menschen ihre Wünsche finden und erfüllen, Präferenzen festlegen und ihre Gewohnheiten ändern können
Olivia hat Krebs. Die Diagnose, die ihre Tochter erhält, reißt Erika und Helmut Pilhar den Boden unter den Füßen weg. Sie wollen, dass die Sechsjährige so schnell wie möglich gesund wird. Doch anstatt die Hilfe derjenigen anzunehmen, die Olivia retten könnten, flieht die Familie und läuft stattdessen einem Menschen in die Arme, der sie in Gefahr bringt.
In dieser Folge geht es um einen Mann, der Linderung verspricht, aber Leid vermehrt – und darum, welche fatalen Folgen es haben kann, einem Wunderheiler mehr zu vertrauen als der Wissenschaft.
Eine aktuelle Stellungnahme zur GNM gibt es von Arbeitsgemeinschaft Prävention und Integrative Onkologie in der Deutschen Krebsgesellschaft:
Die „Germanische Neue Medizin“ ist mit allem Nachdruck als gefährlich und unethisch zurückzuweisen.
Zum Weiterlesen:
Heiler aus der Hölle, mordlust am 25. September 2024
Tödliche Heilsversprechen: Die Germanische Neue Medizin im „Mord auf Ex“-Kriminalpodcast, GWUP-Blog am 7. Juni 2024
„Seine Heilkunde tötet“: Die Science Cops über Hamer und die Germanische Neue Medizin, GWUP-Blog am 2. Oktober 2023
„Mein Studentenmädchen“ gegen Krebs: Neues Todesopfer der Germanischen Neuen Medizin, GWUP-Blog am 21. September 2015
Ein Landwirt stellte vor einigen Jahren fest, dass die Eierschalen seiner Hennen brüchig wurden. Nach der Gabe eines homöopathischen Medikaments über das Trinkwasser änderte sich das. Innerhalb von vier Tagen produzieren fast alle Hühner wieder Eier mit robusten, harten Schalen – bei 18.000 Hühnern wohlbemerkt.
heute Abend (22. September, 22.15 Uhr bei ZDFneo) dekliniert Mai Thi Nguyen-Kim die verschiedenen Erklärungsmöglichkeiten durch – von Placebo by proxy und Regression zur Mitte über den Beobachter-Bias bis hin zu Problemen mit der Futtercharge, einem leichten Infekt oder anderen unbemerkten Einflüssen.
Wie auch immer:
Alles ist plausibler, als dass Homöopathie wirklich wirkt.
Im Kern geht es in den 30 Minuten darum, zu erklären, dass der Placebo-Effekt keine Einbildung ist, sondern messbare physiologische Wirkungen zeitigt, und dass er auch dann wirkt, wenn man nicht daran glaubt.
Dazu hat das ZDF noch den Text „Die ehrliche Lüge: Open-Label-Placebos“ veröffentlicht.
Am Ende stellt die Moderatorin klar, dass es keine „Alternative“ zur evidenzbasierten Medizin gibt, bei „ergänzenden Methoden“ kann sie aber doch „mitgehen“.
Alsdann spricht sie zu den Homöopathie-Fans:
Es ist doch gar nicht nötig, so zu tun, als gäbe es ein Wassergedächtnis oder als hätten Globuli eine echte biologische Wirkung. Es kann einem auch ohne Wirkstoff bessergehen, dank Placeboeffekt oder Regression zur Mitte oder Placebo by proxy, you name it – ist doch viel geiler als eine Potenzierung.
Vor diesem Fazit weist sie allerdings auf die Grenzen von Placebos und die mitunter tödlichen Risiken von „Alternativmedizin“ hin.
Darum gibt es den Placebo-Effekt bei Tieren, quarks am 3. Februar 2021
Der Kluge Hans: Das Pferd, das rechnen konnte, watson am 22. August 2021
„Placebo-Eingriffe sind kein gemeiner Trick, sie können sehr effektiv sein“, welt+ am 20. September 2024
To what extent are surgery and invasive procedures effective beyond a placebo response? A systematic review with meta-analysis of randomised, sham controlled trials, BMJ Open 12/2015
Die Homöopathie, die Politik und die Ärzteschaft – eine aktuelle Gemengelage, MIZ 2/2024
Homöopathie hat keinen Platz in der Medizin – und ebenso wenig in der Meeresbiologie, GWUP-Blog am 1. September 2024
Ein „Bund“ zwischen Ärzten und Heilpraktikern? Das freut nur die Pseudomediziner, GWUP-Blog am 21. Juni 2015
Homöopathie, Ganzheitlichkeit und die sprechende Medizin, GWUP-Blog am 20. April 2013
Komplementärmedizin: Leitlinie für die Behandlung von Krebspatienten – „Je mehr Wallawalla, desto großzügiger“, GWUP-Blog am 13. Juli 2024