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Astrologie: So sieht beim ORF ein „kritischer Blick in die Sterne“ aus

| 17 Kommentare

Immer wieder erstaunlich zu sehen: die Beißhemmung auch großer, seriöser Medien gegenüber der Astrologie.

Zuletzt haben wir das beim SWR, beim SR, beim ZDF und bei der Zeit verfolgt.

Jetzt versucht es der ORF – und lässt sich ebenfalls von den ach so netten und leutseligen Astrologinnen und Astrologen sanft einlullen.

Zwar versichert die Moderatorin Lisa Gadenstätter am Ende, an die Wissenschaft zu glauben, und zwar „in allen Bereichen“ – verteidigt aber zugleich Astrologie als „Sinnsuche“ und „wenn man sich danach besser fühlt“.

Stefan Wallner von der Wiener Urania-Sternwarte weist zwar den Mondglauben zurück – allerdings mit dem schwammigen Satz, dass es „bis heute keine Daten“ gebe, die „darauf hinweisen“.

Nun mag es wissenschaftlich verpönt sein, Sachverhalte rundweg als widerlegt darzustellen – in einer Fernsehsendung wirkt sich diese Vorsicht aber fatal aus, weil sie letztendlich doch alles offen lässt: Vielleicht gibt es die Daten ja „morgen“. Oder irgendwann.

Ebenso wie die Ankündigung der Doku, aus der nur hervorgeht, dass die vielen Facetten der Sterndeuterei „wissenschaftlich nicht beweisbar“ seien.

Tja, dann ist Wissenschaft vielleicht nicht dafür geeignet, um all die in dem Beitrag gezeigten subjektiven Gewissheiten der Astrologen zu beweisen.

Und vielleicht liegt dieser sorglose Umgang des ORF mit dem Thema auch an der Rücksichtnahme auf die hauseigene Astrologin Gerda Rogers, die in der Doku natürlich auch nicht fehlen darf.

Fazit:

Einen „kritischen Blick“ in die Sterne, wie es in der Pressemitteilung hieß, wirft hier nur der Psychologe Martin Felinger (Foto). Ansonsten dominieren die üblichen bunten Eso-Vögel die Show, auf die anscheinend kein Sender verzichten kann oder will.

Die Sendung gibt es noch fünf Tage in der Mediathek.

Zum Weiterlesen:

  • Prognosen: Wenn Astrologen gar nichts mehr einfällt, kommt eben die Zombie-Apokalypse, GWUP-Blog am 15. Dezember 2021
  • Video: „Die Macht der Sterne“ im Saarländischen Rundfunk, GWUP-Blog am 7. März 2021
  • Warum Menschen an Horoskope und Astrologie glauben, GWUP-Blog am 7. Dezember 2021
  • “Mein Horoskop stimmt immer!” Ja und? GWUP-Blog am 4. Mai 2013 (mit zahlreichen Links zum Thema Astrologie und Wahrsagen)
  • Nein, astrologische Ratgebersendungen sind keine Unterhaltung, lieber ORF, GWUP-Blog am 5. Juni 2017
  • „Warum die Wahrsagerei in Krisenzeiten blüht“, GWUP-News am 8. Januar 2022

17 Kommentare

  1. Das ist noch sehr höflich formuliert. Ich hab mir die „Doku“ oder was das war teilweise angesehen.
    Da dreht es einem die Fußnägel auf.

    Außer der Astrologie Folge von TerraX mit Harald Lesch gibt es kaum was brauchbares zu dem Thema.

  2. @Bernd Harder

    Worin sehen Sie die Ursachen der beschriebenen „Beißhemmung“ im Journalismus seriöser Medien?

  3. @Carsten Ramsel:

    Eine umfassende Erklärung dafür habe ich nicht.

    Wie gesagt, beim ORF sehe ich den eklatanten Widerspruch, dass die eine eigene Astrologie-Sendung mit dieser Frau Rogers betreiben.

    Bei meinem eigenen Auftritt beim SR war es so, dass meine Ko-Expertin sicher keine Esoterikerin war, aber von dem Thema keine Ahnung hatte und – nach meinem Eindruck – sich kurzfristig etwas dazu angelesen hatte, was völlig falsch bzw. längst widerlegt ist.

    Generell, fürchte ich, hat Astrologie einen so hohen Stellenwert in der Gesellschaft, dass kein Medium sich traut, dazu eindeutig Stellung zu beziehen. Deshalb wird das immer, wie beim ORF, auf der „Glaubens“-Ebene behandelt.

  4. @Bernd Harder

    Vielen Dank.

  5. @Carsten Ramsel:

    Möglicherweise, wenn ich die Frau Gadenstätter so sehe, kommt noch dazu, dass das Gefahrenpotenzial der Astrologie nicht wirklich ernstgenommen wird.

    Diesem Blödsinn ernsthaft den Rang von „Sinnsuche“ einzuräumen und jedes Schadenspotenzial zu negieren, also das Ganze gewissermaßen als harmlosen persönlichen Ulk zu betrachten, scheint zumindest in diese Richtung zu weisen.

  6. Die Beißhemmung ist wohl auch der Quote geschuldet – vor allem die Nachmittagsprogramme der Dritten sind oft vollgestopft mit Esoterik, weil das typische Publikum der ÖR das eben sehen will.

    Da darf das „Kräuterweiblein“ nicht fehlen, das selbstverständlich auch Heilpraktikerin ist, der Ernährungsberater, der von der immunstärkenden Wirkung bestimmter Ernährungsformen faselt, der Gartenexperte, der Pflanzen homöopathisch behandelt, der Biobauer, der nach Mondkalender aussät (die konventionelle Landwirtschaft hat überhaupt keinen Platz mehr), usw usf.

    Was mich am meisten ärgert, ist die hingebungsvolle Bewunderung, mit der die Moderatoren und Innen diesen Schwachsinn präsentieren. Müssen die das, oder glauben sie etwa selbst daran?

  7. @Martina:

    Im neuen Spiegel gibt’s was Kritisches über Astrologie, gehe ich bei Gelegenheit mal drauf ein.

  8. Ja, anscheinend ist Astrologie einfach sehr in der Mitte der Gesellschaft etabliert.

    Ich war mal kurz in der Ausbildungskommission eines Berufsverbandes und hatte dort darauf zu achten, dass Ausbildungstrainer:innen ihrer Pflicht nachkamen, regelmäßig eine bestimmte Anzahl von Fortbildungsstunden nachzuweisen.

    Eine von diesen war sehr empört darüber, dass von ihr „als Mutter, ergo automatisch ständig Selbsterfahrung und Persönlichkeitsentwicklung Betreibender“ so etwas verlangt wurde (kein Scherz). Als triumphales Argument kam dann, dass sie bei ihrem Astrologenverband schließlich auch keine Weiterbildung nachweisen müsse.

    Dass ich mir an diesem Punkt das Lachen nicht mehr verbeißen konnte, kam nicht gut an.

  9. @Susanne, den Humor darf man echt nicht verlieren, … erinnert mich an „Jedes Ding hat drei Seiten, eine positive, eine negative und eine komische.“ Und da taucht er auch auf, der Spruch:

    https://www.mimikama.at/mycoronastory/corona-menschheit-verstand/

  10. Zitat Artikel

    Zwar versichert die Moderatorin Lisa Gadenstätter am Ende, an die Wissenschaft zu glauben, und zwar „in allen Bereichen“ – verteidigt aber zugleich Astrologie als „Sinnsuche“ und „wenn man sich danach besser fühlt“.

    Das ist der Einstieg zur Droge: „Gefühlte Wahrheiten“ ;-)

    Wie ärmlich wäre der Mensch, wenn sein Schicksal durch „Sterne“ aufoktroyiert wäre :-)

  11. Ein Einkaufszentrum bereitet einer „Wahrsagerin“ im Rahmen einer Werbeaktionen eine Bühne und ein Regionalmedium verbreitet die fragwürdige Aktion unkritisch weiter:

    https://www.come-on.de/luedenscheid/a45-sperrung-luedenscheid-seherin-ueber-die-zukunft-der-autobahnbruecke-91277187.html

  12. Astrologische Monatsvorhersage für den Februar 2022, insbesondere am 24.2. schaukelten wir voller Glück auf weichen Wellen erhabener Glücksgefühle voller Frieden, Glück und Frieden (ca. min 3:50). So soll eine Prognose aussehen: Präzise, verbindlich, griffig, zuverlässig, umfassend, kurzum – total seriös.

    https://youtu.be/pPzVVNRE2Q4

  13. „Friede, Freude, Eierkuchen“

    Aber den Krieg und das Leiden in der Ukraine hat keiner der Kristallkugelgucker, Kartenleger und Astrollogen vorher gesehen, nicht wahr? Wie redet sich die Szene eigentlich ob dieses totalen Reinfalls heraus?

  14. @RPGNo1:

    „…äääh….also da die Sterne haben uns da nicht festgelegt, äääh….also da kann jeder, äääh….also selber frei…also gestalten, äääh… also jeder kann sein Leben ganz individuell, äääh…völlig selbstbestimmt…also…äääh…“

  15. @ RPGNo1:

    Das kann man ziemlich genau nachvollziehen an Hand eines Threads, der vor ein paar Jahren beim Astridicticum Simplex ablief. Da wurde den notorischen Markus Termin vorgehalten, wieso er denn das große Erdbeben in Haiti nicht vorhergesehen habe. Seine Reaktion war: mea culpa, denn (denn!) man hätte es vorhersagen können. Und dann entwickelte er ein Stundenhoroskop mit ganz vielen Linien und Symbolen, aus denen ganz klar hervorging: da wird es mächtig beben!

    Als sei der Unsinn nicht ohnehin groß genug, ging er dabei davon aus, dass das Geburtsdatum von Haiti (von Haiti!) das Datum der Staatsgründung sei. Also das Erdbeben nicht als geologisches, sondern als staatshistorisches Ereignis betrachtet.

    Ergo: keine Erklärung ist so irrsinnig, dass sie nicht von den Stars der Szene propagiert werden könnte.

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