gwup | die skeptiker

… denken kritisch seit 1987.

25. Oktober 2023
von Bernd Harder
6 Kommentare

„Energien von Verstorbenen“, Felder und Schwingungen wabern durch die FAZ

Wussten Sie schon, dass man die negativen Energien in einem Raum nicht einfach so ausräuchern kann?

Keinesfalls ist es damit getan, „mit einer Räucherschale durch das Haus zu gehen“.

Sondern:

Wer das Ritual anwendet, muss damit achtsam und respektvoll umgehen: einen Tag festlegen, an dem sonst niemand im Haus ist, um Schutz und Erlaubnis bitten und dann klar die Absicht formulieren, warum hier geräuchert wird – um etwa Energien vom Vorbesitzer zu neutralisieren oder nach einer Krankheit die Energie zu bereinigen. Dann durchschreitet man von der Eingangstür angefangen alle Räume, anschließend wird gut gelüftet.

So liest man jedenfalls.

Und wo? Nicht in der Raum & Zeit. Nicht in Happinez. Nicht in mystery.

Nein, die Frankfurter Allgemeine (FAZ) beglückt ihre Leserschaft mit einem Interview aus der lebhaften Phantasiewelt einer „Geomantin“. Jene Zeitung also, die man abonnieren soll, wenn man sich „intelligent informieren“ möchte und die laut Eigenwerbung für „sorgfältig recherchierte Fakten“ steht.

Schauen wir uns die aufgetischten „Fakten“ mal an:

  • Ein Grundstück, auf dem sich „einst ein Friedhof oder ein Schlachtfeld befand oder auch nur in der Nähe davon liegt“, ist mit den Energien der Verstorbenen belastet.
  • Strukturen und Flächen haben „ihre eigenen Schwingungen“.
  • Der menschliche Organismus reagiert auf „negative Energien“ aus der Umgebung mit „Kurzatmigkeit, Sauerstoffmangel und daraus folgen negative Emotionen“.
  • Man kann aber „unruhige Energien“ ins Positive wandeln, etwa indem man „Findlinge aus dem Bayerischen Wald“ auf das Grundstück setzt und sie auf bestimmte Weise „polarisiert“ und im Boden verankert.

Und so weiter, und so fort.

Dass die „Geomantin“ auch noch studierte Innenarchitektin ist, lässt diesen Aberwitz eher noch ärger erscheinen. Nach eigenem Bekunden wartet die Dame „seit zehn Jahren“ auf einen Großmeisterkurs (irgendwas mit „Feng-Shui“ oder „Tao-Geomantie“), der „demnächst auf Sri Lanka“ stattfindet:

Diese professionellen Kurse werden in Europa gar nicht angeboten.

Und möglicherweise zu Recht, denn man weiß bis zuletzt nicht, ob dieser Artikel ein Scherz, eine abgedrehte Eso-Parodie, eine Direktbewerbung fürs Goldene Brett, eine Fantasy-Kurzgeschichte, Leserverarsche, bezahlte Werbung oder – man wagt es kaum anzunehmen – ernst gemeint ist.

Falls Letzteres zutrifft, verwechselt die FAZ in ihrem aktuellen Marketingclaim anscheinend „freies Denken“ mit freischwebendem Unsinn.

Die Leser nehmen’s indes mit Humor. Bester Kommentar:

Aha, die FAZ hat jetzt also auch eine Comic- und Witzseite! Dann möchte ich die Redaktion doch bitten, unter allen Umständen eine Fortsetzung zu präsentieren, sobald unsere „Geomantin“ von ihrem Großmeisterkurs aus Sri Lanka zurück gekehrt ist, um von ihren bestimmt sensationellen neuen Erkenntnissen zu berichten. Merke: Lachen ist gesund!

Zum Weiterlesen:

  • Geomantin im Interview: „Mit einer Party ziehen gute Energien ein“, faz.net am 21. Oktober 2023
  • Wünschel Dir was, spiegel.de am 27. Februar 2012
  • Magisch-religiöse Vorstellungen in der Architekturtheorie, Skeptiker 2/2002
  • Warum Wünschelrutengehen keine Wissenschaft ist, GWUP-Blog am 17. November 2013
  • Wünschelrute: Muter zwischen Vermutungen und Wirklichkeit, GWUP-Blog am 7. Februar 2015
  • Das Berliner Ensemble und der Geomant: entstört oder gestört? GWUP-Blog am 30. August 2017
  • Feng-Pfui-Affäre in Bamberg: negative Schwingungen, GWUP-Blog am 18. August 2023
  • GWUP-Infos: Feng Shui
  • Feng-Shui bei Psiram
  • GWUP-Info: Morphische Felder
  • Felder ohne Früchte, Skeptiker 3/2004
  • Ein WLAN für das Übersinnliche, futurezone am 2. Oktober 2018
  • Morphogenetische Felder: Wie man Quantenquark potenziert, Relativer Quantenquark am 1. Januar 2017
  • „Morphisches Feld“ bei Psiram
  • Ulrich Magin: Geheimwissenschaft Geomantie. Der Glaube an die magischen Kräfte der Erde. Beck’sche Reihe 1996, 175 Seiten, ab 3,96 €

25. Oktober 2023
von Bernd Harder
Keine Kommentare

SkepKon 2024: „Call for Papers“ verlängert bis zum 6. November

Noch bis zum 6. November können Vorträge für die SkepKon 2024 in Augsburg eingereicht werden:

Von Donnerstag, 9. Mai (Skeptical), bis Samstag, 11. Mai, treffen sich in der Kongresshalle Augsburg Skeptikerinnen und Skeptiker aus dem gesamten deutschsprachigen Raum zur SkepKon 2024, der Jahreskonferenz der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften.

Seien Sie als Referent mit dabei und reichen Sie Ihren Vorschlag für eine 30-minütige Präsentation (plus 10 Minuten Diskussion) ein.

Mögliche Themen sind zum Beispiel:

  • Fake News und Verschwörungstheorien: Ursprünge, Gefahren, Gegenstrategien
  • Esoterik und irrationale Überzeugungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft
  • Elektrosmog und 5G-Mythen
  • Pseudowissenschaftliche Behauptungen zu Landwirtschaft, Gentechnik, Energie und Klima
  • Kritisches Denken
  • Effektive Wissenschaftskommunikation und die Förderung des kritischen Denkens

Auch für ausgefallene, „nerdige“ Themenvorschläge sind wir offen, etwa zu klassischen Skeptiker-Themen wie Ufos, Astologie oder neue Hexen.

Das sollte Ihr Vorschlag enthalten:

  • Titel: Was ist Ihr zentrales Anliegen? Der Titel sollte bereits neugierig machen.
  • Abstract (~300 Wörter): Worum geht es konkret? Fachliche Analysen? Spannende Berichte? Beides?
  • Kurzbiografie: Wer sind Sie? Was ist Ihr fachlicher Hintergrund?
  • Bonus: Haben Sie bereits zu Ihrem Thema (oder zu Ähnlichem) referiert und/oder veröffentlicht? Schicken Sie uns gerne Links zu Ihren Vorträgen und Publikationen.

Die Rahmenbedingungen:

  • Konferenzsprache ist Deutsch.
  • Für Vortragende entfällt die Teilnahmegebühr.
  • Reise- und Übernachtungskosten können erstattet werden.

Möchten Sie die SkepKon 2024 mit Ihrem Beitrag bereichern? Dann freuen wir uns auf Ihren Vortragsvorschlag per E-Mail an zentrum [at] gwup.org. Bewerbungsschluss ist der 6. November.

Zum Weiterlesen:

  • „Open Stage“ bei der SkepKon 2024 in Augsburg: Skeptische Musiker, Poeten, Rapper, Zauberer und mehr gesucht, GWUP-Blog am 9. September 2023

24. Oktober 2023
von Bernd Harder
7 Kommentare

Vortrag in Augsburg: Die Pro-Ana-Bewegung – Anorexie als gefährlicher Lifestyle

Die Augsburger Skeptiker laden am 2. November (Donnerstag) zu einem Vortrag ein:

„Meine Freundin Ana“: die Pro-Anorexie-Bewegung und ihre Gefahren

Aus der Ankündigung:

„Du bist niemals zu dünn!“ – Das ist eines von „Anas Gesetzen“, die in der Pro-Ana-Bewegung kursieren. Dahinter verbirgt sich eine Online-Community, die das Störungsbild Anorexie verherrlicht und als „Freundin Ana“ personifiziert.

In Blogs, Foren und Kontaktbörsen huldigen die überwiegend weiblichen Mitglieder dieser Szene einem extremen Schlankheitsideal – nicht selten mit lebensbedrohlichen gesundheitlichen Folgen.

Im Rahmen ihres Psychologiestudiums hat sich Jasmina Eifert (Innsbruck) intensiv mit diesem Lifestyle-Phänomen beschäftigt. In ihrem Vortrag beleuchtet sie Motive und Hintergründe und weist auf die Gefahren hin.

Die Regionalgruppe trifft sich um 19.30 Uhr in der Kellerbar des Annapam. Der Vortrag beginnt gegen 20.30 Uhr.

Zum Weiterlesen:

  • Safer Internet: Was sind Pro-Ana/Pro-Mia-Plattformen?
  • Ich habe auf einem Schweizer Blog einen Pädophilen getroffen, der mich in die Magersucht treiben wollte, vice am 3. Juni 2015

23. Oktober 2023
von Bernd Harder
6 Kommentare

„Baumgeschwurbel“ und Waldesoterik beim WTF-Talk

Wegen der Resonanz auf unseren Blogpost zu Peter Wohllebens „geheimem Leben der Bäume“ geht es auch beim WTF-Talk am Montag (23. Oktober) um dieses Thema:

Baumgeschwurbel

Mit dabei sind die Biologin Jasmin Schreiber und der Forstwissenschaftler Marcus Schwarz.

Los geht’s um 20 Uhr bei Twitch.

Zum Weiterlesen:

  • Neue Studie: Keine Beweise für Peter Wohllebens „geheimes Leben der Bäume“, GWUP-Blog am 27. September 2023
  • Der Wald der Pseudogefühle: Ein Gastbeitrag zum Bestseller „Das geheime Leben der Bäume”, GWUP-Blog am 7. August 2017

21. Oktober 2023
von Bernd Harder
6 Kommentare

Video: „Skeptiker trifft auf Überlebende ritueller Gewalt“

Bei Bittel TV gab es dieser Tage den Versuch einer Annäherung zwischen einer Satanic-Panic-Proponentin und einem Skeptiker zu sehen:

Etwa eine halbe Stunde lang diskutierte Marko Kovic mit Chantal Frei, Autorin von „ICH REDE! Mein Leben und Ausstieg aus satanisch ritueller Gewalt“.

Die Bereitschaft dazu und die Gesprächsatmosphäre in gegenseitigem Respekt sind hoch anzuerkennen – allerdings wird auch deprimierend deutlich, wie weit die Positionen inhaltlich auseinanderliegen.

Zu Beginn möchte Frau Frei wissen, warum die Kritiker der Satanic Panic ihr und anderen selbstdefinierten Betroffenen zwar möglichen Missbrauch glauben – nicht aber die spezielle Rituelle Gewalt-Mind Control-Theorie.

Dazu genügt eigentlich ein Blick auf die Webseite 50 Voices of Ritual Abuse, die Chantal Frei laut Impressum verantwortet:

Hier wird praktisch komplett das Satanic-Panic-Narrativ dargelegt und als Tatsache hingestellt – von generationenübergreifenden globalen Satanskulten bis hin zu „Mind Control“ mittels „hochkomplexer Methoden der Bewusstseinsaufspaltung und Konditionierung“.

Nichts davon konnte in großangelegten Recherchen jemals bestätigt werden, wie zum Beispiel die jüngste Untersuchung in den Niederlanden gezeigt hat oder aus der aktuellen Stellungnahme der Mitgliederorganisationen der Föderation Deutscher Psychologenvereinigungen (BDP/DGPs) hervorgeht, die „Mind Control“ in der beschriebenen Form ins Reich der Fabel verweisen.

Den Skeptikern vorzuwerfen, sie würden ohne Grundlage und kenntnislos „satanistisch-rituellen“ Missbrauch einfach leugnen, ist so gesehen ziemlich dreist. Und Roger Bittels Einlassung, dass „bis jetzt die andere Seite“ (also die der selbstdefinierten Betroffenen) von Skeptikern und Medien nicht beleuchtet worden sei, ist schlichtweg Unsinn.

Immer wieder wird in dem Gespräch zwischen Kovic und Frei deutlich, dass ein Grundkonflikt darin besteht, was als „Beweis“ gelten kann und welche Anfordungen an valide Belege zu stellen sind.

Die Bücher eines Verschwörungsideologen wie Guido Grandt sind eben keine Beweise, ebensowenig wie die „50 Voices“ von selbstdefinierten Betroffenen, die Frau Frei auf ihrer Seite gesammelt hat.

Immerhin endet der Austausch mit dem Wunsch Freis, „gemeinsam diese Verbrechen“ aufzudecken. Dafür will sie „gewisse Namen“, „gewisse Orte“ und „alle Hinweise“ preisgeben, was dann handfeste Ermittlungen möglich machen soll.

Nichts anderes fordern die Skeptiker seit vielen Jahren immer wieder ein. Bislang ohne jede Resonanz.

Schauen wir mal.

Zum Weiterlesen:

  • „Satanic Panic“: Die Szene gibt sich weiterhin verschlossen, während Recherchen die Missstände klar belegen, GWUP-Blog am 18. Oktober 2023

21. Oktober 2023
von Bernd Harder
1 Kommentar

„Acht Regeln, die Querdenker versemmelt haben“ – erklärt von Anwalt Jun im Video

Anwalt Jun zum Thema

Reich werden und bleiben mit Verschwörungsmythologien: Acht Regeln, die Querdenker versemmelt haben

Bodo Schiffmann, Attila Hildmann, Reiner Füllmich und Michael Ballweg sind hoch gestiegen und tief gefallen. Wir zeigen acht Regeln, die man beachten sollte, wenn man mit Verschwörungserzählungen nicht nur reich werden, sondern es auch bleiben will.

  • 1. Auf Zielgruppe fokussieren
  • 2. Zweckbindung von Spenden vermeiden
  • 3. Keine unhaltbare Versprechen abgeben
  • 4. Kein QuatschJura gegenüber dem Finanzamt
  • 5. Wenn schon, dann diskret und gut geplant flüchten
  • 6. Keine Gefährten prellen
  • 7. Nicht mit QuatschJura echte Juristen angreifen
  • 8. Volksverhetzungen vermeiden

Zum Weiterlesen:

  • Reiner Fuellmich wegen Untreuevorwürfen verhaftet, GWUP-Blog am 16. Oktober 2023
  • Keine Anklage gegen Michael Ballweg wegen Betrugs, GWUP-Blog am 12. Oktober 2023
  • Geldstrafe für Party-Veranstalter aus „Querdenker“-Bewegung, swr am 19. Oktober 2023
  • Querdenker Bodo Schiffmann: Gerichtsverfahren erst 2024 wegen falscher Atteste und Holocaust-Verharmlosung, wnoz am 17. Oktober 2023
  • Zwangsvollstreckung bei Attila Hildmann: Erfolg für Volker Beck und HateAid, hateaid am 12. Oktober 2023

19. Oktober 2023
von Bernd Harder
7 Kommentare

„Retracted“: Artikel über Homöopathie bei ADHS von Walach und Co. zurückgezogen

Vor anderthalb Jahren fragten wir hier im Blog, wo „die Reviewer ihre fünf Sinne hatten“, als sie in dem Journal Pediatric Research diesen Artikel von Harald Walach, Katharina Gaertner und Michael Teut einfach durchwinkten:

Die Meta-Analyse belege angeblich, dass Homöopathie eine „klinisch relevante Wirksamkeit bei Behandlung von ADHS“ zeige, titelten die supportiven Medien der Szene.

Das INH und Edzard Ernst wiesen dagegen darauf hin, dass diese Schlussfolgerung der drei Autoren mitnichten gerechtfertigt sei und betonten, „dass dieser Review die Hindernisse für eine Veröffentlichung in einem renommierten Journal nicht hätte nehmen dürfen“:

Ob dem Journal das vermittelt werden könnte, wäre eine noch zu klärende Frage.

Im Sommer dieses Jahres forderten Edzard Ernst, Norbert Aust und Udo Endruscheit Pediatric Research erneut auf:

We ask you to review your decision, or better still, consider a retraction of the paper altogether.

Jetzt ist der Artikel tatsächlich als „RETRACTED“ gekennzeichnet worden:

Damit wächst die Retraction-Liste von Harald Walach weiter.

Gegenüber unserem Blog sagte Udo Endruscheit:

Es ist wichtig, dieser unkritischen Veröffentlichungspraxis entgegenzutreten. Manchmal glaube ich, die Journale verstehen gar nicht, was sie damit anrichten – sie fördern die „wissenschaftliche Reputation“ von Pseudomedizin und machen deren Geschwafel zitierfähig.

Zum Weiterlesen:

  • ADHS und Homöopathie – ein neuer Review. Was ist dran? INH am 20. Juni 2022
  • „Wo hatten die Reviewer ihre fünf Sinne“, als sie diese Arbeit zu Homöopathie und ADHS begutachteten? GWUP-Blog am 21. Juni 2022
  • Our struggle to publish criticism of a questionable homeopathy paper, edzardernst am 8. Juli 2023
  • A new systematic review of homoeopathy reported a positive result – but I can’t take it seriously, edzardernst am 13. Oktober 2023
  • „Wissenschaftliche Höchststrafe“: Auch Walachs Masken-Studie ist zurückgezogen worden, GWUP-Blog am 16. Juli 2021

19. Oktober 2023
von Bernd Harder
Keine Kommentare

Esoterik: „Gefährlicher Glaube“ jetzt als bpb-Sonderausgabe

Gefährlicher Glaube – Die radikale Gedankenwelt der Esoterik

von Pia Lamberty und Katharina Nocun gibt’s jetzt als preisgünstige Sonderausgabe bei der bpb für 4,50 €:

Der Markt für esoterische Angebote boomt. Viele Menschen versprechen sich durch die Hinwendung zur Spiritualität Antworten auf private, gesundheitliche, aber auch auf gesellschaftliche Herausforderungen und Krisen. Bewusst propagieren Esoteriker die Abkehr von wissenschaftlich fundierten, rationalen Weltdeutungen und Erkenntnissen […]

Pia Lamberty und Katharina Nocun analysieren die gesellschaftlichen und politischen Implikationen der Esoterik-Szene und das dort verbreitete Denken.

Zur Bestellseite geht es hier.

Das Original ist bei Quadriga erschienen und kostet 22 €.

Zum Weiterlesen:

  • Skeptiker-Interview: „Gefährlicher Glaube – Die radikale Gedankenwelt der Esoterik“ mit Katharina Nocun, GWUP-Blog am 9. Oktober 2022

18. Oktober 2023
von Bernd Harder
4 Kommentare

„Satanic Panic“: Die Szene gibt sich weiterhin verschlossen, während Recherchen die Missstände klar belegen

Im März berichteten wir hier über eine junge Frau namens Malin, die während einer drei Jahre langen Traumatherapie in Münster das Opfer von suggestiv erzeugten Falscherinnerungen an satanistisch-rituellen Missbrauch wurde.

Auch Der Spiegel hatte den Fall aufgegriffen.

Kurz danach schloss das Bistum Münster die „Beratungsstelle Organisierte sexuelle und rituelle Gewalt“:

Die Leiterin dieser Beratungsstelle, die Diplom-Psychologin Jutta Stegemann, war auch Malins Therapeutin gewesen.

Jetzt schreibt das Münsteraner Stadtmagazin Rums: Malin war kein Einzelfall.

Für meine Recherche habe ich mehrmals mit einer Frau gesprochen, die das Angebot der Beratungsstelle am Bistum genutzt hat und dazu mit Jutta Stegemann in Kontakt stand,

erklärt der Autor Sebastian Fobbe:

Was sie mir am Telefon berichtet, deckt sich weitgehend mit den Vorwürfen im Spiegel-Bericht: Es geht um fehlende professionelle Distanz, emotionale Abhängigkeit und suggestive Befragungsmethoden. Auch andere Quellen schildern mir ähnliche Erfahrungen von Klient:innen der Beratungsstelle.

Zudem hätten sich immer wieder Betroffene über die Beratung beschwert, teilte die Bistums-Pressestelle Fobbe mit. Weitere Nachfragen ließ man dort unbeantwortet. Die Psychotherapeutenkammer NRW will sich ebenfalls nicht zu dem Fall äußern.

Auch mit Michaela Huber (die „bei manchen als treibende Kraft hinter der Erzählung um rituelle Gewalt in der Psychotherapie“ gelte und bei der auch Stegemann „mindestens eine Weiterbildung“ besucht habe) nahm Fobbe Kontakt auf.

Daraufhin bekam der Journalist ein Schreiben von einem bekannten Medienanwalt mit „vier knappen Antworten, die ich zitieren darf, und einer Reihe von Hintergrundinformationen, die ich nicht zitieren darf“.

Huber verweist in ihrer anwaltlich übermittelten Stellungnahme auf eine vom Bistum Münster im Jahr 2022 vorgelegte Missbrauchsstudie, in der „sechs Fälle rituellen Missbrauchs beispielhaft dokumentiert“ seien.

Tatsächlich ist in den fast 600 Seiten lediglich die Rede von drei Betroffenen,

… die gegenüber dem Bistum Münster im Hinblick auf Zeiträume in den 1950er, 1960er, 1970er und 1980er Jahren angeben, sexuellen und rituellen Missbrauch in einem ideologisch oder okkult überformten Netzwerk erlebt zu haben.

Allerdings (Seite 358):

Bei allen drei Betroffenen haben sich die Erinnerungen allerdings erst Jahrzehnte nach den mutmaßlichen Taten wieder eingestellt, dabei in zwei Fällen im Zusammenhang mit einer Traumatherapie, im dritten Fall im zeitlichen Umkreis eines weiteren traumatischen Erlebnisses.

„Beispielhaft dokumentiert“ ist das Thema Ritueller Missbrauch in der Studie mitnichten, im Gegenteil (Seite 356/357):

Die Einordnung solcher Berichte ist schwierig und die Diskussion in der Öffentlichkeit sowie in Fachkreisen hochgradig polarisiert. Da die Erinnerungen häufig erst nach langer Zeit, mitunter erst nach Jahrzehnten und im Nachgang zu Therapien auftauchen, sind sie hinsichtlich der Faktizität des Erinnerten schwerlich als belastbar einzustufen.

Zudem scheint die Gefahr gegeben, dass durch suggestive Befragungstechniken seitens Therapeuten, kirchlichen Mitarbeiter:innen und anderen forensisch ungeschulten Personen Aussagen erzeugt werden, die sich einer empirischen Kontrolle vollständig entziehen.

Nicht zuletzt können auch populärkulturelle Formate und Phänomene die öffentlichen Diskurse um satanistische Praktiken antreiben.

Bei seiner mehrmonatigen Recherche gewann Fobbe zunehmend den Eindruck:

Wer sich kritisch mit diesem Thema beschäftigt, betritt gefährliches Gebiet.

Jutta Stegemann „schweigt“. Michaela Huber schickt ihren Anwalt vor, dessen Kanzlei den Journalisten „vorsorglich“ darauf hinweist, „dass sie bereits beauftragt wurde, gegen eine etwaige rechtsverletzende Berichterstattung vorzugehen“. Das Bistum Münster gibt sich „schmallippig“. Und von der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Trauma und Dissoziation im Mai in Münster wurde Fobbe kurzerhand ausgeschlossen.

Deren Vorsitzender Dr. med. Harald Schickedanz bezeichnete den eingangs erwähnten Spiegel-Artikel nebenbei als „Rufmord-Kampagne“.

Alles sehr merkwürdig.

Es bleibt also dabei, dass die „Satanic Panic“-Vertreter keinerlei Interesse zeigen, seriöse Untersuchungen und Forschung im Kreis der Rituelle Gewalt-Mind-Control-basierten Therapien anzustoßen und die Versorgungsqualität der Patientinnen von unabhängigen Gutachtern einschätzen zu lassen.

Stattdessen gerieren sich die Anhänger der RG-MC-Theorie weiterhin als geschlossener Zirkel, in dem sie sich gegenseitig in ihrem Glauben bestärken.

Zum Weiterlesen:

  • Das Bistum und der Satanismus, rums am 17. Oktober 2023
  • Nicht wiedergutzumachender Schaden: Unser Gespräch mit dem Opfer einer „Satanic Panic“-Fehlbehandlung aus der aktuellen Spiegel-Story, GWUP-Blog am 12. März 2023
  • „Keine Evidenz“: Der Spiegel widerlegt die Narrative der Verschwörungstheorie vom satanisch-rituellen Missbrauch, GWUP-Blog am 10. März 2023
  • Video „So ein Bullshit“ – Jan Böhmermann im Magazin Royale über die Satanic Panic, GWUP-Blog am 8. September 2023

18. Oktober 2023
von Bernd Harder
Keine Kommentare

Alternativmedizin: Vortrag von Prof. Edzard Ernst in Wien

Prof. Edzard Ernst ist am 25. Oktober (Mittwoch) in Wien zu Gast.

An der Medizinischen Universität spricht er über

Die Veranstaltung findet um 14 Uhr im Großen Hörsaal Physiologie am Zentrum für Physiologie und Pharmakologie (Schwarspanierstraße 17) statt.

Der Vortrag ist öffentlich zugänglich, eine Anmeldung nicht erforderlich.

Zum Weiterlesen:

  • Individuals believing in so-called alternative medicine (SCAM) and homeopathy have cognitive biases, edzardernst am 14. Oktober 2023
  • A new systematic review of homoeopathy reported a positive result – but I can’t take it seriously, edzardernst am 13. Oktober 2023
  • „Warum Deutsche ihre Heiler lieben“ von Edzard Ernst, GWUP-Blog am 6. September 2023