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„Wissenschaftliche Höchststrafe“: Auch Walachs Masken-Studie ist zurückgezogen worden

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Das gibt dann doch auch uns Skeptikern zu denken:

Am 5. Juli sinnierte Prof. Harald Walach in seinem Blog über „Synchronizität“ (akausale Ereignisse, die aber als miteinander verbunden wahrgenommen werden) und die Notwendigkeit, alles neu erfinden zu müssen – auch „uns“ (und damit sich) „selbst“.

Und nur einen Tag später erklärte die Medizinische Universität Poznan (Poznan University of Medical Sciences PUMS) ihre Affiliation mit Walach für beendet:

Den unmittelbarer Anlass gab ein Artikel von Walach et al. zur Corona-Impfung. Allerdings war das nur ein Teil der jüngsten Aktivitäten des klinischen Psychologen, der 2012 das „Goldene Brett vorm Kopf“ erhielt.

Der Laudator hob damals inbesondere Walachs Mut hervor, „grundlegenden Fakten zu trotzen“:

Walach kritisiert auch die wissenschaftliche Methodik selbst, etwa die Verwendung von randomisierten Studien. Diese Haltung bietet ungeahnte ökonomische Vorteile: Nachdem ein diffuses Bauchgefühl viel billiger zu haben ist, als eine fundierte wissenschaftliche Analyse, könnte man durch diese Sichtweise in Zukunft viel Geld sparen.

Das mag schon sein – nur schließt man sich damit halt irgendwann mal aus dem Kreis der anerkannten Wissenschaftler aus. Und da ist Walach nun endgültig angelangt, der 2012 in seiner Erwiderung noch selbstgewiss über eine „erweiterte Form der Rationalität“ räsonierte.

Die zwei entscheidenden Stationen:

  • Am 30. Juni publizierte Walach in der international renommierten pädiatrischen Fachzeitschrift JAMA Pediatrics eine Studie mit dem Titel „Experimental Assessment of Carbon Dioxide Content in Inhaled Air With or Without Face Masks in Healthy Children – A Randomized Clinical Trial“.

Kurz zusammengefasst soll eine Messung mit 45 Probanden belegen, dass unter Gesichtsmasken der Kohlendioxidgehalt in der Atemluft bei Kindern auf inakzeptabel hohe Werte steigt – und Kinder daher „nicht gezwungen werden sollten, Gesichtsmasken zu tragen“.

Allerdings ist die „Studie“ nur ein Forschungsbrief (Research Letter) und initiiert wurde das Ganze von dem Obskuranten-Verein „Mediziner und Wissenschaftler für Gesundheit, Freiheit und Demokratie“ (MWGFD), dem Sucharit Bhakdi vorsteht.

„Harte Evidenz“ suchte denn auch Prof. Edzard Ernst vergebens in dem JAMA-Artikel. Der Volksverpetzer schrieb von „Fake-News“, der „Faktenfinder“ von tagesschau.de von einem „Lehrbeispiel für Manipulation und methodische Fehler“.

Nachdem auch hochkarätige Experten wie der Epidemiologe Eric Feigl-Ding und die EbM-Koryphäe Trisha Greenhalgh sich über den „Complete Horseshit“ von Walach et al. empörten, zog JAMA die „Studie“ heute zurück:

  • Auch eine zweite Studie Walachs ist zurückgezogen worden, in der er den Regierungen empfahl, „ihre Impfpolitik zu überdenken“.

Diese Arbeit war am 24. Juni in dem Journal Vaccines erschienen, das zur (bereits häufig kritisierten) Open-Access-Plattform MDP gehört. Die Hauptaussage: Für drei durch die Corona-Impfung gerettete Menschen würden zwei an der Corona-Impfung versterben.

In einem Twitter-Thread setzte sich Fabian Link ausführlich mit dieser „Unsinns-Studie“ auseinander. Edzard Ernst konstatierte, mit dem Vaccines-Artikel habe Walach „alle seine bisherige Scharlatanerie überboten“, und der Volksverpetzer nennt das Ganze schlicht „Stuss“.

Mehrere namhafte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler traten von ihren Funktionen bei Vaccines zurück, und am 1. Juli kennzeichnete das Journal den Walach-Beitrag als „retracted“.

Das bedeutet gleich zweimal innerhalb von zwei Wochen die „wissenschaftliche Höchststrafe“ (Volksverpetzer) für einen Studienautor.

Die Universität Posen hat sich von Walach getrennt (auf seiner Homepage bezeichnet er selbst sich immer noch als „Professor an der Medizinischen Universität Poznan, Polen“). Die Uni Witten/Herdecke prüft nach eigenen Angaben „den Status der Gastprofessur von Harald Walach. Bis zur Klärung werden alle mit der Gastprofessur verbunden Rechte und Pflichten ruhen“.

Kaum anzunehmen, dass Walach das alles im Sinn hatte, als er sich nach der Verleihung des „Goldenen Bretts“ 2012 immer noch davon überzeugt zeigte, dass „meine Bemühungen Frucht tragen“.

Zum Weiterlesen:

  • Die medizinische Universität Poznan trennt sich von Harald Walach, Gesundheits-Check am 6. Juli 2021
  • Mehr ‚harte Evidenz‘ von Prof. Harald Walach: „Kinder sollen nicht gezwungen werden, Gesichtsmasken zu tragen“, publikum-net am 1. Juli 2021
  • Die Wahrheit hinter Walach-„Studie“: Querdenker erfinden Masken-Gefahr für Kinder, volksverpetzer am 12. Juli 2021
  • Angebliche Studie: Kein Beweis für Maskenschäden bei Kindern, tagesschau.de am 16. Juli 2021
  • Prof Harald Walach und sein Versuch, sich als Impfexperte zu profilieren, publikum-net am 28. Juni 2021
  • Walach-Studie zurückgezogen: Wie ein Impfkritiker mit schlechten Studien die Wissenschaft aufmischt, volksverpetzer am 16. Juli 2021
  • Irreführende Risikokommunikation mit der number needed to vaccinate, Gesundheits-Check am 28. Juni 2021
  • Coronavirus: Virale Studie zu Impfrisiko sorgt für Aufregung, orf am 6. Juli 2021
  • Machen Masken Kinder krank? Science Cops am 17. Juli 2021

15 Kommentare

  1. Angesichts von Bhakdis gleichzeitigen Eskapaden und dessen Rauswurf bei seinem Verlag muss das ein Fall von Synchronizität sein.

    Wir wohnen offensichtlich einem Experiment bei, mit dem Walach die Wahrheit seiner schwachen Quantentheorie mit Verschränkungen auf makrophysikalischer Ebene bewiesen hat.

  2. Du weißt, dass Du endverkackt hast, wenn sich sogar die Anthro-Uni Witten/Herdecke von Dir distanziert. Fehlt nur noch die Absage vom Kopp-Verlag.

    Trotzdem habe ich bei Leuten wie Walach, der in Jahrzehnten quasi in Zeitlupe abgestürzt ist, und Bhakdi, der das in weniger als 1 Jahr hinbekommen hat, ein Gefühl von Tragik und sogar Mitleid. Am jeweiligen Anfang konnte ich bei denen wenigstens nachvollziehen, was sie sagen wollten, auch wenn ich es natürlich für falsch hielt. Aber es half bei der Meinungsbildung.

    Bei Leuten wie Hildmann, Schiffmann und sogar bei Homburg und Kuhbandner war das (bei mir) nie der Fall.

    Wenn Retractions bzw der Rauswurf beim Buchverlag die „Höchststrafe“ sind, ist Mitleid in diesem Bild wohl die Sicherungsverwahrung.

  3. @Joseph Kuhn

    Wir wohnen offensichtlich einem Experiment bei, mit dem Walach die Wahrheit seiner schwachen Quantentheorie mit Verschränkungen auf makrophysikalischer Ebene bewiesen hat.

    Oh, dann darf sich Harald Walach also demnächst am Physik-Nobelpreis erfreuen? ;)

  4. Nun, Walachs Selbstüberzeugung beruht ja auf jahrzehntelangem Tolerieren seines im schlechtesten Sinne „nach oben offenen“ Wissenschaftsverständnisses. Man lese seinen Blog.

    Zur Homöopathie beginnt er mit allerlei Ausführungen, die man noch irgendwie als nachvollziehbar einstufen kann, dann aber kommt der Punkt, wo er wissenschaftliches Bemühen völlig entgrenzt.

    Das ist sein Markenzeichen. Und dafür wird er seit Jahrzehnten in der Szene als ihr Guru und „wissenschaftliches Aushängeschild“ gefeiert.

    Konnte man ihn bisher kopfschüttelnd als eine Art Sonderling sehen, als einen (allerdings immer wieder wirkmächtigen) Esoterik-Rationalisierer, so hat er sich jetzt endgültig die Finger verbrannt bei seinem Schritt in die wirkliche wissenschaftliche Welt. Und mehr als die Finger.

    Denn die Thesen der beiden Arbeiten (Impfstudie und Research Letter zu Masken bei Kindern) sind nichts anderes als Bestätigungsforschung im schlechtesten Sinne. Durchgeführt zur Validierung einer Vorannahme, nicht zur deren Falsifizierung. Ein Tritt vors Schienbein der kritisch-rationalen Methode.

    Hony soit … Ich betreibe hier mal keine Spekulationen zur Motivationslage.

    Die Thesen beider Arbeiten hätten bei den Editorial Boards von vornherein als kritisch eingestuft werden müssen. Es reicht nun mal nicht, den Peer Reviewern das Feld zu überlassen, sondern man muss schon selbst Grips aufwenden, um über die reine Empirie, die eine Arbeit mit vielen Zahlen zu demonstrieren scheint, hinauszuschauen (mein Reden seit ewig …).

    Und wenn dann als Peer Reviewer keine kritischen Köpfe, sondern „Experten“ ausgewählt weden, die in einer Art Binnenkonsens selbst unter speziellen Blickwinkeln reviewen (gerade erlebt: Homöopathen sind doch die Spezialisten für Homöopathie … ), dann wundert einen nichts mehr.

    Die Causa vor allem in Sachen Impftote hat leider international weit mehr Wellen geschlagen, als den meisten bewusst sein dürfte. Im Guten (die Community funktioniert und einige Editoren werden sich wohl auch mal an die eigene Nase fassen) wie im schlechten (durch ihre Verbreitung.)

    Impfgegner waren blitzschnell zur Stelle wie die Wespen am Honigbrot. Facebook kennzeichnete den Eintrag zwar als „teilweise irreführend“ (sic!), aber eine runde Viertelmillion Klicks gingen gleichwohl darauf. Innerhalb der weltweiten Impfskeptiker-Szene dürfte das Paper hunderttausendfach verbreitet worden sein.

    Im populären Podcast „Liz Wheeler Show“ in der als Running Gag in jeder Folge „Lügen“ von Dr. Fauci vorgestellt werden, fand Walach mit seinem Schrott ebenfalls eine Bühne.

    Da ist also jede Menge Porzellan kaputtgegangen. Aber seis drum. Ich gehe mal davon aus, dass die Journals inzwischen mitbekommen haben, wer der German Professor Walach ist.

    https://www.factcheck.org/2021/07/scicheck-flawed-paper-on-covid-19-vaccines-deaths-spreads-widely-before-retraction/

  5. Walach ist rund um die Uhr zutiefst empört.

    Dem Portal „Retraction Watch“ gegenüber erklärte er zum Retract des Maskenaufsatzes:

    „The main reasons for retractions – wrong data, wrong analysis, plagiarism – are neither present, nor proven by the editors or the commentators.“

    Vorher hatte er schon den Hinweis des Messgeräte-Herstellers, das von Walach und Co. verwendete Messgerät sei weder „vorgesehen noch geeignet“ für solche Atemluftmessungen, als „Unsinn“ bezeichnet, ergänzend steuerte sein Experimentator bei, er habe die „Gebrauchsanleitung genau beachtet“.

    I rest my case.

  6. @ Udo Endruscheit:

    Es lohnt sich, bei retraction watch auch mal in die verlinkten Antworten der Autoren an den Verlag zu schauen. Beispielsweise beschreiben sie das Wesen eingetragener Vereine in einer sehr gewagten Weise („they cannot be for profit“).

    Das ist zumindest missverständlich und lässt ihren Verein MWGFD in gutem Licht erscheinen. Dafür schweigen sie vornehm darüber, dass dem Verein 2020 die Gemeinnützigkeit entzogen wurde.

  7. „Umstrittene Masken-Studie zurückgezogen: Die Peinlichkeiten des Journals“:

    https://www.volksverpetzer.de/corona-faktencheck/masken-studie-einkassiert/

  8. Am Anfang der Coronapandemie war Maskentragen noch keine Selbstverständlichkeit – aber sinnvoll, zeigt eine Analyse. Je früher Staaten die Maßnahme einführten, umso verlässlicher reduzierten sie Todesfälle.

    https://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/corona-pandemie-wie-schnelle-einfuehrung-der-maskenpflicht-corona-tote-verhindert-hat-a-c8f7e88c-bf7d-424b-9582-3bec09cc4a32

  9. Pingback: Harald Walach: Ein selbstreferentieller Fall der schwachen Quantentheorie? – Gesundheits-Check

  10. @Joseph Kuhn

    Ok, ich beiße an.

    James Lyons-Weiler, PhD, Editor-in-Chief von „Science, Public Health Policy, and the Law“

    James Lyons-Weiler (born July 4, 1967)[1] is an American scientist who is the CEO of the non-profit organization Institute for Pure and Applied Knowledge. He has degrees in zoology, ecology, and conservation biology, and is a former University of Pittsburgh faculty member. He has made numerous false and misleading claims about COVID-19 and vaccines.[2][3][4][5] United States Court of Federal Claims Special Master Christian J. Moran concluded in 2020 that Lyons-Weiler was „wholly unqualified to opine on the question of vaccine causation“; the decision related to a lawsuit in which Lyons-Weiler had testified claiming that a woman was injured as a result of the HPV vaccine.[2][6] His February 2020 claim that SARS-CoV-2 contains a genetic sequence proving that the virus was probably engineered in a laboratory was discredited by researchers and fact-checkers.[7][8]

    https://en.wikipedia.org/wiki/James_Lyons-Weiler

    Science, Public Health Policy, and the Law

    The Journal of Health Politics, Policy and Law is a bimonthly peer-reviewed academic journal covering health policy and health law as they relate to politics. It was established in 1976 and is published by Duke University Press.

    https://en.wikipedia.org/wiki/Journal_of_Health_Politics,_Policy_and_Law

    Sieht nicht gut aus für Prof. Walach. Seine „Studie“ wurde in einem academic journal wiederöffentlicht und von einem Reviewer begutachtet, der nicht die fachliche Ausbildung besitzt, um über Impfungen urteilen zu können und der zudem bei offensichtlich falschen Äußerungen in Bezug auf COVID-19 ertappt wurde.

    Ich behaupte, dass ist ein Freundschaftsdienst eines amerikanischen Querdenkers für seinen deutschen Kollegen. Das Journal sollte sich gründlich überlegen, ob sein Editor-in-Chief und die von ihm begutachtet Studie für sie tragbar sind.

  11. @ RPGNo1:

    Sehe es ähnlich, vor allem auch, was den Freundschaftsdienst angeht:

    https://scienceblogs.de/gesundheits-check/2021/06/28/irrefuehrende-risikokommunikation-mit-der-number-needed-to-vaccinate/#comment-109931

    Schön ist auch seine Blogüberschrift: „neue Studie im British Medical Journal“. Zuerst dachte ich, das BMJ sei verrückt geworden und habe seine recycelte Studie veröffentlicht.

    Dass das „Journal“ sich überlegen könnte, gründlich oder nicht, ob sein Editor-in-Chief tragbar ist, halte ich allerdings für ausgeschlossen, das müsste dann doch etwas schizophren zugehen:

    https://falseprophets635728819.wordpress.com/tag/ipak/

    Walach scheint seine Hoffnungen, noch irgendwie akademisch respektiert zu werden, aufgegeben zu haben. Das macht frei für neue Bündnisse.

  12. @Joseph Kuhn

    Danke für den 2. Link. James Lyons-Weiler ist schon ein Früchtchen, ein echter Schlangenölverkäufer.

    Ich habe in meinem vorherigen Post auch das falsche Journal verknüpft. Lyons-Weiler ist Editor-in-Chief des Journals „Science, Public Health Policy, and the Law“ und nicht des „Journal of Health Politics, Policy and Law“.

    Zu „Science, Public Health Policy, and the Law“ habe ich jetzt noch folgendes vom 1.8.19 gefunden: IPAK Launches New Open Access Peer-Reviewed Journal

    Die Namensähnlichkeit beider Journale scheint beabsichtigt zu sein, um dem IPAK-Meldeorgan eine Seriösität angedeihen zu lassen, die nicht besitzt.

  13. Ein kurzer Nachtrag:

    In einer der letzten Ausgaben des Ärzteblatts wird das Thema „Fake News in Fachzeitschriften“ beleuchtet und auf das gelegentliche Versagen des Peer Reviews hingewiesen:

    https://www.aerzteblatt.de/pdf.asp?id=222986

    Für sich genommen bereits ein bedenkenswertes Thema, aber besonders deswegen interessant, weil exemplarisch über die beiden Walachschen Arbeiten aus dem letzten Jahr berichtet wird.

  14. Die Uni Witten/Herdecke bietet den Querdenkern Guerot und Homburg und auch dem Corona-impfskeptischen Professor Harald Matthes eine Plattform bei einer Tagung am 21./22. Oktober.

    Sie wollten auch den Rechtswissenschaftler Stefan Huster, Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina und Chef des im Sommer aufgelösten Corona-Sachverständigenrates als Teilnehmer haben, der aber mit geharnischten Worten absagte, nachdem er erfahren hat, mit wem er denn auf einer Bühne stehen sollte.

    https://www.volksverpetzer.de/querdenker/ikonen-der-querdenker-szene-sollen-bei-tagung-an-hochschule-in-witten-sprechen/

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