gwup | die skeptiker

… denken kritisch seit 1987.

27. September 2023
von Bernd Harder
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Das Goldene Brett 2023: Die Finalisten stehen fest

Wer bekommt am 5. Oktober in Wien das „Goldene Brett vorm Kopf“ verliehen?

Die Jury hat drei Finalisten ausgewählt.

Aus der Pressemitteilung des Veranstalters:

Die Shortlist zeigt, dass ein fragwürdiger Umgang mit Fakten oder ein bedenklicher Hang zur Verschwörungstheorie nichts mit mangelnder Intelligenz zu tun haben muss.

Die Nominierten sind gebildete Menschen, die intellektuelle Fähigkeiten bewiesen haben, dann im Lauf der Zeit aber immer mehr in die Nähe von Fake News und Verschwörungstheorien gerieten und zu Stars der antiwissenschaftlichen Querdenker-Szene wurden:

Ulrike Guerot

Ulrike Guerots Arbeit mag auf den ersten Blick harmlos und konstruktiv erscheinen: Sie sprach
sich scharf gegen Corona-Maßnahmen aus – eine prinzipiell legitime Meinung. Sie setzte sich
für „Corona-Aussöhnung“ ein – wer könnte da dagegen sein?

Doch ein genauerer Blick offenbart dahinter ein verschwörungstheoretisch-antiwissenschaftliches Weltbild. Daten werden selektiv ausgewählt, Statistiken werden falsch dargestellt, trotz klarer Widerlegung bleibt eine Korrektur aus. Man stößt bei Guerot auf die wissenschaftlich falsche Vorstellung, man könne mit „Yoga und Spiritualität“ das „Immunsystem stärken“ und so auf Corona-Maßnahmen verzichten.

Manchmal sind ihre Thesen unfreiwillig komisch – etwa wenn sie behauptet, die „männliche Brutalität“ bei einem Fernsehinterview habe bei ihr spontan zu einem Herpes-Ausbruch geführt. Manchmal klingen ihre Slogans aber auch bedrohlich: Um Leute wie Anthony Fauci und Bill Gates solle man „sich kümmern“. Und „die dunklen Gestalten von Pfizer und Co.“ lasse man „nicht entkommen“.

Guerot propagiert damit das Narrativ der großen Corona-Verschwörung, obwohl gerade sie als Politologin es besser wissen müsste. Auch mit Aussagen über Russlands Angriff auf die Ukraine sorgte Guerot für Aufsehen: Die Rolle der Ukraine sei es gewesen, stellvertretend für den Westen einen Krieg mit Russland zu beginnen, erklärt sie. Wer hier wen angegriffen hat, wird kurzerhand umgedreht.

Auch falsche Zitate und Plagiatsvorwürfe brachten Guerot wiederholt in die Medien. Die Universität Bonn hat sich von ihr distanziert, der Rechtsstreit über ihre Kündigung ist noch nicht abgeschlossen.

Stefan Homburg

Stefan Homburg ist Finanzwissenschaftler. Er muss daher eigentlich wissen, wie man die Wirklichkeit mit mathematischen Formeln beschreibt. Trotzdem wurde er während der Pandemie mit seinen alternativen Dateninterpretationen zu einem Star der antiwissenschaftlichen Querdenkerszene.

Es gebe gar keine Pandemie, das sei bloß „kollektiver Wahn“, schrieb Homburg. „Long Covid“ sei bloß ein Marketingbegriff, nur das Testen sei das Problem. Schließlich erweiterte er seine Attacken gegen die wissenschaftlich belegte Medizin auch auf das Thema AIDS: Auch das sei ein „Fake“, mit dem man einen „Milliardenmarkt“ geschaffen habe. Er würde mit einem positiven HIV-Test „ganz sicher keine Medikamente nehmen“.

Nachdem Homburg die Corona-Maßnahmen in Deutschland mit den Ereignissen unter der Nazi-Diktatur im Jahr 1933 verglichen hatte, distanzierten sich Senat, Präsidium und Hochschulrat seiner Universität, der Leibniz Universität Hannover, von ihm.

2021 trat er in den vorzeitigen Ruhestand, erreicht aber nach wie vor eine große öffentliche Sichtbarkeit.

Ferdinand Wegscheider

Der Sender ServusTV, als dessen Intendant Ferdinand Wegscheider ab 2016 arbeitete, machte während der Corona-Pandemie einen Wandel durch: In Sendungen wie dem „Corona-Quartett“ wurde zentralen Persönlichkeiten der antiwissenschaftlichen Querdenkerbewegung eine Plattform geboten, unter anderem Sucharit Bhakdi, Träger des „Goldenen Bretts vorm Kopf“ des Jahres 2020.

Besonders bekannt wurde Wegscheider durch seinen „satirischen Wochenrückblick“ mit dem Namen „Der Wegscheider“. Sprachliche Zurückhaltung übt er dort selten: Die Corona-Impfstoffe werden als „Genspritzen“ bezeichnet, von der „Impflobby“ ist die Rede, die „Menschen als Versuchskaninchen“ für „unzureichend getestete“ Impfungen missbrauchen würde. Das Entwurmungsmittel Ivermectin wird als sinnvolle Behandlung von Covid-19 präsentiert.

Auch mit anderen Verschwörungserzählungen spielt Wegscheider, etwa im Zusammenhang mit den Terroranschlägen vom 11. September oder in Form von Attacken gegen die Klimabewegung. Der Kritik an der Sendung wird mit dem Hinweis begegnet, es handle sich bloß um „Satire“. Schließlich tritt Wegscheider mit einem bunten Kasperl-Kopf auf.

Doch gerade diese Ausrede ist besonders problematisch: Satire ist eine Kunstgattung, die mit beißendem Humor und Ironie Kritik übt. Verschwörungstheorien werden allerdings weder humorvoll noch ironisch, bloß weil man sie mit dem Begriff „Satire“ versieht.

Die Argumentation impliziert somit einen Freibrief für jede Art von Fake News, solange sie durch das Etikett der Satire gegen berechtigte Kritik immunisiert wird.

Die Verleihung findet am 5. Oktober um 19.30 Uhr im Stadtsaal Wien statt, moderiert von „Science Buster“ Martin Puntigam. Da das Event bereits ausverkauft ist, gibt es einen Live-Stream.

Marco Pogo und Andre Wolf von Mimikama treten als Side Acts auf. Die Laudationes kommen von Gerald Gartlehner, Heidi Kastner und Daniela Angett-Pfeiffer.

Zum Weiterlesen:

  • „Verschwörung & Fakten“: Die Radikalisierung der Ulrike Guérot, GWUP-Blog am 19. März 2022
  • Prof. Dr. Verschwörung, Süddeutsche am 14. Mai 2020
  • Der große Homburg-Faktencheck, volksverpetzer am 4. Februar 2022
  • ServusTV: Der Sender der Querdenker? BR am 15. Februar 2022
  • Zwischen Tierdokus und Verschwörungserzählungen: die wundersame Welt von Servus TV, rnd am 19. Januar 2022

26. September 2023
von Bernd Harder
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„Verschwörungstheorien“ bei MAITHINK X mit Salwa Houmsi

„Verschwörungstheorien“ bei MAITHINK X – mit 13 Fragen-Moderatorin Salwa Houmsi als Elternzeitvertretung von Mai Thi:

Was hat Selena Gomez mit der Mondlandung zu tun? Ist Angela Merkel eine Echse? Aber vor allem: Wieso haben wir alle so einen Sweet Spot für die Muster von Verschwörungserzählungen?

Sagen wir mal so:

Die knapp 30-minütige Sendung gibt einen brauchbaren Schulvortrag ab, mit Beispielen aus der juvenilen Popkultur (Avril Lavigne, Britney Spears, Justin Bieber) und einem Alltags-Szenario aus einer Dreier-WG.

Zum Weiterlesen:

  • Ein Wimmelbild voller Verschwörungstheorien, GWUP-Blog am 19. September 2023
  • Wie der Bau vieler Windräder an der Neigung zu Verschwörungstheorien scheitert, nordbayern.de am 25. September 2023

26. September 2023
von Bernd Harder
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Horoskope, Hexen und Co.: Ein Skeptiker bei „Britt – Der Talk“

Huch – sind die 90er zurück?

Die Moderatorin paktiert augenzwinkernd mit dem Astrologen, und gemeinsam geht es gegen den Skeptiker, den „wir uns jetzt mal angucken wollen“:

So passiert in der SAT1-Talkshow Britt vom 28. Februar 2023:

Horoskope, Hexen und Co. – Was steckt dahinter?

Kaum betritt Rainer Bechtel (2.v.l.) von der Kölner Regionalgruppe der GWUP die Bühne, legt der Sternseher Malkiel Rouven Dietrich (r.) auch schon los:

„Analytisch“ habe Bechtel „einen Merkur im Steinbock stehen, mit sehr guten Aspekten auf wissenschaftlichen Dingen, zum Beispiel er ist definitiv ein ganz klar rationaler Mensch, er hat Mond-Saturn in der Konjunktion …“

Britt bekommt ob dieses Gefasels eine „Gänsehaut“. Rainer Bechtel merkt mäßig amüsiert an, dass er diese Prognose jetzt nicht so überraschend findet, „wo du schon weißt, dass ich der Wissenschaftler, der Skeptiker hier bin“.

Woraufhin „Malki“ wortreich seine Kunst verteidigt und Britt ihm immer wieder beispringt.

Beim Skeptical in Frankfurt sprachen wir über Skeptiker im Fernsehen – über gute und schlechte Erlebnisse.

Das Format Britt muss man offenbar zum TV-Bodensatz zählen. Die 90er lassen grüßen.

Bechtel gegenüber unserem Blog:

Bei der Aufzeichnung waren zufällig auch einige Bekannte von mir anwesend, die mir allesamt attestierten, dass ich die anderen mit guten Argumenten und Fakten an die Wand geredet hätte. Leider war davon bei der Ausstrahlung fast nichts mehr übrig.

Praktisch alle guten Argumente, Fakten, Hinweise gegen Astrologie und den übrigen Unsinn wurden rausgeschnitten. Hinweise auf den Barnum-Effekt, die Verschiebung von „Sternzeichen“ in Tausenden von Jahren, die 3D- beziehungsweise 2D-Betrachtung der Sternzeichen (dass also die einbezogenen Sterne überhaupt keinen räumlichen Zusammenhang haben) und noch mehr wurden gar nicht gesendet.

Übrig bleibt meine reine Ablehnung. Und zum Schluss wird dann dem Kartenleger noch eine schöne Bühne gegeben, und die Moderatorin zeigt sich ganz beeindruckt von den „verblüffenden“ Aussagen dieses Herrn.

Ich hätte vor Wut in den Fernseher springen können! 

Deshalb kann ich auch nur davon abraten, sich auf solche Müllsendungen einzulassen. Natürlich hatte ich nicht mit hohem Niveau gerechnet. Das ist schließlich nicht Terra X oder Quarks & Co. Aber so einen großen Mist hatte ich auch nicht erwartet.

Danke, Rainer, für dein Engagement und den sympathischen Auftritt.

Trotz dieser negativen Erfahrung ist es wichtig, skeptische Präsenz zu zeigen. Das geschäftstüchtige Gehabe des Astrologen, der Seherin, der Hexe und des Kartenlegers und die Parteilichkeit der Moderatorin waren eh selbstentlarvend.

Zum Weiterlesen:

  • SkepKon-Video: Was Skeptiker nach TV-Auftritten erleben, GWUP-Blog am 23. August 2023
  • Hex und hopp: Skeptiker im TV, GWUP-Blog am 29. Januar 2013
  • „Mein Horoskop stimmt immer!“ – Ja und? GWUP-Blog am 4. Mai 2013

25. September 2023
von Bernd Harder
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Geld, Erfolg, schönes Leben: „Access Consciousness“ und die Heilpraktiker von nebenan

Zeit-Online warnt vor einer „Psychogruppe, die sich rasant in Deutschland ausbreitet“ und „deren Radikalität selbst Experten überrascht“.

Es geht um „Access Consciousness“, ein pseudowissenschaftliches Angebot aus den USA:

So wie viele Gruppen ist sie kaum bekannt, kommt harmlos und doch größenwahnsinnig daher. Schon ihre Webseiten sprechen tiefste Sehnsüchte an. Nach Geld, nach Erfolg, besserem Sex, einem schöneren Leben. Da steht: „Wer würdest du sein, wenn du alles sein könntest?“

Und dann: „Access Consciousness erlaubt dir alles zu verändern, das du nicht ändern kannst, und alles zu kreieren, was du dir wünschst.“

Nachdem er Kontakt zu einem Betroffenen bekam, der seine Ehefrau nebst 50.000 Euro an die Gruppierung verlor, meldete sich Zeit-Autor Alexander Kauschanski zu einen „Kennenlern- und Austauschabend“ bei Access Consciousness in Berlin an.

Was er dort erlebte, zeigt deutliche Parallelen zu Scientology (worauf auch Psiram hinweist):

Emilia erklärt, wie die „Access Bars“ funktionieren. Auf ihrem Kopf hätten Menschen 32 Punkte, die würden sie stimulieren. „Diese Stellen sind mit Traumata aufgeladen – aus sechs Generationen plus der ganzen Menschheitsgeschichte“, sagt Emilia. „Zellerinnerungen.“ Die Frauen hängen an ihren Lippen.

„Wir drücken hier wie auf den Reset-Knopf beim Computer: LÖSCHEN! MÜLL RUNTER!“, ruft sie und presst zwei Finger auf den Tisch. Ein Lächeln. „Und dann, okay: Was brauchen wir jetzt? Was geben wir bei Google ein? Wir löschen das alte Programm und laden neue Dinge drauf. Du erlebst einen anderen Bewusstseinszustand.“

An nüchternen Fakten hat Kauschanski recherchiert:

  • Gegründet wurde Access Consciousness („Zugang zum Bewusstein“) von dem ehemaligen Immobilienmakler Gary Douglas Anfang der neunziger Jahre in Kalifornien.
  • Access Consciousness sei eine Psychogruppe, die sich als Wellness-Coaching tarnt.
  • In ihrer Lehre ähnele die Gruppe der Scientology-Sekte. Auch deren Mitglieder sollen auf einen „clearen“ Zustand hinarbeiten, der letztlich unerreichbar bleibt.
  • Zentral dafür sei ein sogenanntes Clearing-Statement – eine Mantra-artige Formel: „Right and Wrong, Good and Bad, POD and POC, All 9, Shorts, Boys and Beyonds“. Wiederhole man den Satz ständig, dringe man in verborgene Bewusstseinsschichten ein. So könne man aus dem Kopf heraus die eigene Wirklichkeit ändern.
  • Bleibt der Effekt aus, so seien die Anhängerinnen dafür selbst verantwortlich.
  • Hinter der Fassade von Access Consciousness verberge sich ein profitables Multi-Level-Marketing-Unternehmen. Recht schnell würden die Anhängerinnen ermutigt, als „Facilitator“ zu unterrichten.
  • Für das höchste Zertifizierungslevel zahlten die „Facilitator“ 15.000 Euro im ersten Jahr. Ein esoterisches Vermarktungssystem, das immer mehr Menschen hineinziehen solle.

Der grundlegende Unterschied zu Scientology sei indes:

Access Consciousness hat so gut wie kein Hauptquartier, keine festen Organisationsstrukturen, keine festen Begegnungsorte, keine Mitgliederpolitik. Es sind Heilpraktikerinnen, die Coaches von nebenan, die im regionalen Dialekt sprechen, die den Kontakt zu Access herstellen.

Im Zeitalter sozialer Medien bewerben sie Access Consciousness auf YouTube, auf Instagram, auf ihren Webseiten. Selbst eine Access-App gibt es. In ihren Wohnzimmern, in Heilpraxen kommen die Anhängerinnen dann zusammen.

Der evangelische Weltanschauungsbeauftragte Oliver Koch warnt vor psychischer und sozialer Abhängigkeit. Derzeit gebe es rund 1000 „Access Consciousness“-Kursanbieterinnen in Deutschland.

Eine entsprechende Heilpraktiker-Webseite sieht zum Beispiel so aus:

Sogar vor „Traumatherapien“ schreckt Access Consciousness nicht zurück:

„Warum kann sich in Deutschland eine missbräuchliche Sekte einfach ungestört ausbreiten?“, fragt Kauschanski am Ende seines Artikels. Was kann man dagegen tun?

Nichts. Nur „Aufklärung“ und „Prävention“.

Zum Weiterlesen:

  • Sekten: „Meine Frau hat mit Geistern gesprochen, aber nicht mit mir“, zeit+ am 23. September 2023
  • „Access Consciousness“ bei Psiram
  • Die Esoterik als Antwort auf alles, kurier am 17. September 2017

24. September 2023
von Bernd Harder
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Löwenjagd in Berlin: Als die Panik den Verstand besiegte

Als am 20. Juli in Berlin die „Löwenjagd“ losging, haben wir uns von Anfang an auf eine klassische Sommerloch-Phantomsichtung festgelegt – was uns zunächst durchaus Kritik einbrachte.

Heute veröffentlicht Welt am Sonntag die Einsatzprotokolle der Polizei Berlin und der Gemeinde Kleinmachnow:

Sie beinhalten auch die Mitschriften der Einsatzleitzentrale, die die Notrufe entgegennahm, sowie Bürgerhinweise, die über ein Online-Formular eingingen.

Benjamin Stibi erzählt in der WamS exklusiv „eine Geschichte mit falschen Fährten und wildem Aktionismus“ – und „wie Panik den Verstand besiegte“.

Und so fing es an:

02:12 Uhr Auf Twitter postet der User @lqzze1 ein Handyvideo. Zu sehen: ein Baum am Straßenrand im Scheinwerferlicht eines Autos, vor dem Baum die Konturen eines löwenartigen Tieres, das etwas zu verschlingen scheint. Das Video habe ein Freund um Mitternacht aufgenommen und anschließend die Polizei verständigt, so @lqzze1.

In den Morgenstunden wird das Tier dann auch von einer Polizeistreife gesichtet, „auf 20 m Entfernung ohne Zweifel“, heißt es im Einsatztagebuch. Die Jagd beginnt. Als Kleinmachnow erwacht und die Geschichte von dem Löwen die Runde macht, häufen sich die Notrufe.

Nach Informationen des Tagesspiegel ereignete sich diese „Sichtung“ von zwei Polizeibeamten um drei Uhr nachts – also in völliger Dunkelheit und zudem aus einer erheblichen Distanz.

Wie man daraus sofort und „ohne Zweifel“ die reale Existenz eines Löwen in freier Berliner Wildbahn stricken kann, bleibt das Geheimnis der örtlichen Polizei. Wahrnehmungspsychologie gehört dort anscheinend nicht zur Ausbildung.

Und natürlich kommt es, wie es kommen muss: Sobald die „Sichtung“ amtlich zum Faktum erklärt wird, sieht praktisch jeder Spaziergänger überall Löwen.

Den Protokollen zufolge geht der erste Anruf bereits um 7.30 Uhr ein. Gesehen hat die Anruferin im Grunde nichts, die Rede ist lediglich von „Geräuschen“ und einem „wackelnden Gebüsch“ und dass „etwas“ von der Frau „weggesprungen“ sei.

Eine reine Luftnummer also – aber selbstgewiss rekurriert die Anruferin darauf, dass sie sich auskenne und es sich auf keinen Fall um ein Reh oder Wildschwein gehandelt haben kann.

Wieso nicht? Das bleibt völlig offen. Anscheinend fragt auch keiner nach.

Ähnlich gehaltvoll die nächsten Anrufe ab 7.52 Uhr.

Ein Augenzeugenbericht dreht sich vage um ein „großes gelbliches Tier“, ein anderer um ein „sandfarbenes helles Tier“, beim nächsten Telefonat geht es nur darum, dass der Haushund beim Gassi gehen irgendwie „panisch“ reagiert, andere berichten von einem „verdächtigen Wildtiergeruch“ oder dass „etwas Gelbes durch den Garten“ flitzt.

Die Highlights:

21:04 Uhr Der Drohnenführer meldet ein Tier, das in Richtung Autobahn läuft.

21:29 Uhr Es war nur ein Reh.

23:17 Uhr „Frau mit Kindern hat ein großes Tier gesehen und traut sich nicht vom Auto ins Haus.“

01:37 Uhr Aus Berlin-Zehlendorf melden „2 unabhängige Anrufer Löwengebrüll“.

01:40 Uhr Über den Polizeifunk kommt die Meldung, dass ein Auto auf einer Shell-Tankstelle in Berlin-Zehlendorf „Löwengebrüll abspielt.“

Ermittlungen bei Zirkussen, wie Rogall und Berolina, bleiben ohne Ergebnis. Aufkommende Gerüchte, der Löwe sei dem Remmo-Clan entlaufen, verweist das LKA ins Reich der „Provokation und Wichtigtuerei“.

Obwohl es also praktisch keinen ernstzunehmenden Hinweis auf ein reales Raubtier gibt, ist die Berliner Polizei mit 300 Beamten im Einsatz, die Polizei von Brandenburg mit 250, Drohnen und ein Hubschrauber steigen auf, um nach der Großkatze Ausschau zu halten.

Erst am Freitagmorgen (21. Juli) setzt sich langsam die Erkenntnis durch, dass es sich bei der „Löwin“ auf dem Video um nichts weiter als „ein Schwarzwild in Sommerdecke“ handelt:

Am frühen Nachmittag wird der Polizeieinsatz beendet.

Allerdings reißen die Löwenmeldungen natürlich nicht ab, sodass

… der Fokus sich nun darauf richtet, die Bevölkerung zu überzeugen, dass es nie einen Löwen gegeben hat.

Genauso gut kann man versuchen, verstreute Federn wieder einzusammeln.

Am Ende fragt Benjamin Stibi auch nach den Kosten für das 40-stündige Spektakel. Die seien nicht zu beziffern:

Keine Ahnung, so die Antwort der Polizei.

Schätzungen gehen von „mehreren 100.000 Euro“ bis in die Millionen aus. Was soll man dazu noch sagen, außer:

Einfach unbezahlbar, dieses Sommermärchen.

Der neue Skeptiker (3/2023) kostet nur sieben Euro. In dem Artikel „Ungeheuer in unseren Köpfen – Warum Kryptiden nur in unserer Vorstellung leben“ von Georgy Kuakin heißt es:

Schlechte Wetterbedingungen, Nebel, große Entfernungen und Wahrnehmungstäuschungen können fast jedes Objekt als Monster erscheinen lassen.

Zum Weiterlesen:

  • Sommerloch-Alarm: Der Löwe ist los – endlich wieder mal, GWUP-Blog am 20. Juli 2023
  • Löwenjagd-Protokolle: Wie in Berlin die Panik den Verstand besiegte, welt+ am 24. September 2023

23. September 2023
von Bernd Harder
2 Kommentare

Skeptics in the Pub Köln: Fakten und Fehlannahmen zu Burgen in Realität und Fiktion

Am Mittwoch (27. September) bei Skeptics in the Pub Köln:

Faszination Burg – Fakten und Fehlannahmen zu Burgen in Realität und Fiktion

Mit den am weitesten verbreiteten Mythen und Fehlvorstellungen zu Burgen und mittelalterlichen Befestigungen wird sich dieser Vortrag eingehender befassen:

die Drehrichtung von Wendeltreppen, der Begriff der „Ritterburg“, Geheimgänge, Schlossgespenster/-geister, der Zusammenhang von Pechnasen und dem Begriff „Pech gehabt“ sowie weitere mittelalterliche Herleitungen von Sprichwörtern: All dem wird auf den Grund gegangen.

Darüber hinaus werden auch die gerade im deutschsprachigen Raum verbreiteten Rekonstruktionen aus der Zeit der Burgen-Romantik des 19. Jahrhunderts kritisch betrachtet, und auch Burgen aus fiktionalen Werken wie „Game of Thrones“ oder „Der Herr der Ringe“ werden einer genaueren Inspektion unterzogen.

Los geht’s um 19.30 Uhr – vor Ort im Herbrand’s oder live bei Youtube.

Ein Interview mit dem Referenten Dr. Jochen Blom gibt’s bei den GWUP-News.

Zum Weiterlesen:

  • Skeptics in the Pub über Fakten und Fehlannahmen zu Burgen, gwup-news am 15. September 2023

22. September 2023
von Bernd Harder
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Braco gibt wieder seinen Blick – und nimmt dafür 20 Euro.

Prinz Valium ist wieder da.

In Köln, Zürich und Frankfurt schaut Braco ein paar Minuten lang leicht belämmert ins Publikum, kassiert dafür 20 Euro von jedem Besucher und verschwindet wieder von der Bühne.

Der „gebende Blick“ nennt sich das. Kann man sich nicht ausdenken.

Das sind so Momente, in denen man sich – mit Kolja Half von der Süddeutschen Zeitung – fragt, ob es überhaupt sinnvoll ist, „diesen ganzen albernen Selbstbetrug gründlich auseinanderzunehmen“ beziehungsweise „gegen eine vermeintliche Esoterikwelle anzuschreiben“.

Kolja meint nein – und plädiert für eine „neue Einstellung zu alternativen Glaubensformen“.

Wie etwa diese (aus Welt-Online):

Braco steht auf einer Bühne und blickt stumm ins Publikum. Umgeben von Musik blickt er durch die Reihen, in denen Zuschauer weinen, schwanken, Fotos ihrer Liebsten halten. Dies geht einige Minuten so, bevor Braco abtritt.

Davor und danach gibt es Reden und Filme über Bracos vermeintliches Wirken – und, natürlich, allerlei Schmuck und Bücher zum Kauf.

Ist jetzt die Frage, ob man solchen Quatsch tatsächlich „gesellschaftlich integrieren kann – statt [ihn] zu belächeln oder davor zu warnen“, wie der SZ-Autor meint.

Welt+ zitiert heute unseren Skeptical-Gast Nicolas Wöhrl von Methodisch inkorrekt:

Das Schweigen sei geschickt, sagt Wöhrl. Der Physiker kennt Bracos Hinweis, kein Heiler zu sein. „Damit will er sich aber wohl eher vor juristischen Problemen schützen. Sein Internetauftritt, die Videos und Berichte von Zuschauern suggerieren definitiv einen heilenden Effekt.“

Braco sei ein geschickter Geschäftsmann. „Scharlatane wie Braco, Phänomene wie Homöopathie oder anderer Wunderglaube machen mir große Sorgen“, so Wöhrl.

In Folge 127 wird Braco kurz erwähnt (ab 1:16:40), und zwar als „der absolute Inbegriff von Esoterik-Abzocke“:

Dass dieser Mensch sich überhaupt noch auf die Straße traut.

So kann man’s auch sehen.

Zum Weiterlesen:

  • Wenn sich der „Wunderheiler“ fürs Schweigen bezahlen lässt, welt+ am 22. September 2023
  • „Braco“: Wenn Prinz Valium den Wunderheiler gibt, GWUP-Blog am 1. Februar 2015
  • „SOKO Stuttgart“ mit aktuellen Bezügen: „Fredo, der heilende Blick in deine Seele“, GWUP-Blog am 2. Februar 2020
  • Schweigen ist Gold – wie Geistheiler Braco die Welt narrt und dick Kasse macht, watson am 30. September 2017
  • Guru im Test: Wunderheiler Braco mit dem „gebenden Blick“, derStandard am 20. Februar 2018
  • Spüren Sie’s? Sein Blick soll heilen können, welt.de am 1. Februar 2015
  • SkepKon 2019: das Skeptical, hpd am 18. Juni 2019
  • Esoterik: Tun wir ihr Unrecht? Süddeutsche am 10. Februar 2023
  • Spiritualität auf Abwegen, spektrum am 17. Dezember 2021
  • Esoterik: „Wir leben in magischen Zeiten“ – und das ist nicht nur politisch hochbrisant, GWUP-Blog am 14. September 2023

22. September 2023
von Bernd Harder
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Video: Ken Jebsen ist zurück, und zwar „als er selbst“

Ken Jebsens „neue Pläne“, über die wir im vergangenen Jahr berichteten, haben sich wohl weitgehend zerschlagen.

Mittlerweile nennt Jebsen sich wieder Kayvan Soufi-Siavash und ist „zurück als er selbst“, wie es auf seiner neuen Plattform Soufisticated heißt.

Verschwörung & Fakten hat sich das Formal mal angesehen.

Das Video verdeutlicht, wie Kayvan Soufi-Siavash um neue Themen bemüht ist und daran scheitert.

Er meint, dass es eine Verschwörung der Eliten gibt, die die Menschen wie in der Truman-Show in einer Scheinwelt leben lässt. Das Mittel dazu ist die Psychologie, auf die er gern verweist, aber den Stand der Wissenschaft nicht zu kennen scheint.

Es werden das Stanfort-Prison-Experiment, das Stockholm-Syndrom und das Werk „Psychologie der Massen“, auf die Soufi-Siavash referenziert, unter die Lupe genommen.

Zum Weiterlesen:

  • Ken Jebsens neue Pläne, GWUP-Blog am 4. August 2022

21. September 2023
von Bernd Harder
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Krebs und Esoterik: Was tun gegen das Geschäft mit der Verzweiflung Schwerkranker?

Am 16. Juni fiel das Urteil im Heilpraktiker-Prozess von Ingolstadt (wir berichteten).

Neben der Heilpraktikerin Renate G. wurde auch der Hersteller des wirkungslosen Krebs-„Wundermittels“ BG-Mun zu einer Haftstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt.

Als Zeugin in dem jahrelangen Gerichtsverfahren gegen das betrügerische Duo war die Medizinstudentin Sandra Kloiber aufgetreten, die auch von Stern-TV interviewt wurde.

Die Mutter der 29-Jährigen erkrankte 2015 an Brustkrebs und suchte unter anderem Hilfe bei dem BG-Mun-Hersteller Ulrich B. Sandra Kloiber war dabei und schildert in einem aktuellen SZ-Artikel ihre Eindrücke:

Allein schon der Treffpunkt: Ein Büro im Osten Bayerns, billig eingerichtet mit Pflanzen auf griechischen Säulen. Und dann Ulrich B., ein Mann in schlabbrigem T-Shirt, das schüttere Haar zum Pferdeschwanz gebunden, auf seiner Visitenkarte ein falscher Adelstitel.

Er zeigte ein Video, das an Unterkomplexität kaum übertroffen werden kann: Ein Mann hatte Krebs, dann ging es ihm wieder gut, der Grund: BG-Mun. Einfach so sollten sie das glauben. Wie es genau wirke, wollte Kloiber wissen und B. redete von Metastasen, die sich verflüssigten. Er überzeugte sie nicht.

Ihrer Mutter gefiel, was er über die Pharmaindustrie sagte. Früher sei das Mittel zugelassen gewesen, aber die mächtigen Konzerne wollten mit Chemotherapien Geld verdienen. Kloibers Mutter nickte, sie fotografierte seine Kreditkarte ab, überwies später 6000 Euro.

Und spritzte sich gleich dort die erste Dosis in eine Bauchfalte.

Alexandra Kloiber starb 2018 mit 48 Jahren.

Allerdings war BG-Mun nicht der einzige Strohhalm, an den die Patientin sich klammerte. Von „Krebs-Diäten“ nach der Warburg-Hypothese über Pseudo-Ratgeber wie „Krebs als Chance“ bis hin zu Hyperthermie und einer dendritischen Zelltherapie versuchte Sandra Kloibers Mutter so ziemlich alles – nur keine evidenzbasierte Behandlung mit guten Erfolgsaussichten.

Und Sandra Kloiber, angehende Ärztin, musste hilflos zusehen:

Wie oft haben sie gestritten! Die Gespräche liefen immer gleich ab, sagt Kloiber. Ihre Mutter redete von einer neuen Methode. Ihr Vater sagte: „Ich bin Bäcker, was soll ich da sagen?“ Sandra Kloiber referierte ihre Recherchen und ihre Mutter reagierte „zickig“.

In dem SZ-Artikel geht es daher nicht nur um das Geschäft mit der Verzweiflung schwerkranker Menschen, sondern auch um die Fragen: Warum glauben Menschen diese kruden Theorien? Und wie könnte man das verhindern?

Bei Alexandra Kloiber waren es wohl „schlechte Erfahrungen mit Krankenhäusern“ und darüber hinaus das, was Edzard Ernst hier auflistet: der Glaube an das eigene Bauchgefühl und die Verlockung unhaltbarer Heilsversprechen.

Was hätte man dagegen tun können?

Verständlich erklären, was Krebs überhaupt ist, und die Angst vor der Chemo nehmen, sagt Prof. Jutta Hübner in dem Beitrag:

Ärzte seien nicht geschult darin, auf skeptische Patienten einzugehen […] „Viele Ärzte haben nicht ausreichend Zeit, sich um Nebenwirkungen zu kümmern. Für Ernährungsberatung ist oft kein Geld da. Da haben wir ein Riesenproblem.“

Noch ein Riesenproblem:

„Die Wunderheilerei findet weit verbreitet im System statt“, findet Jutta Hübner. Kliniken wie die, in die Alexandra Kloiber ging [für eine sogenannte regionale Chemotherapie] seien im Gesundheitssystem verankert, in ihnen arbeiten Ärzte, einige Therapien werden von den Kassen übernommen. Wirkt alles überzeugend.

Wie soll ein Laie wissen, dass er woanders, etwa in einem zertifizierten Brustzentrum, in dem Ärzte Abweichungen von den Leitlinien begründen und dokumentieren müssen, wahrscheinlich besser aufgehoben wäre?

Der Artikel endet damit, dass Alexandra Kloiber kurz vor ihrem Tod im Geldbeutel eine Visitenkarte von Ulrich B. findet und nach der Erinnerung ihrer Tochter „Was für ein Schwein“ flüstert.

Zu spät.

Zum Weiterlesen:

  • Krebs und Esoterik: Getrennte Welten, sz+ am 14. September 2023
  • Therapiefreiheit ist kein Freibrief für Betrug: Haftstrafen im Ingolstädter Heilpraktiker-Prozess, GWUP-Blog am 16. Juni 2023
  • Stern-TV über den BG-Mun-Prozess in Ingolstadt, GWUP-Blog am 25. Juni 2023
  • „Warum Deutsche ihre Heiler lieben“ von Edzard Ernst, GWUP-Blog am 6. September 2023

21. September 2023
von Bernd Harder
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Unheimliche Begegnung der dritten Art: Ufos in der DDR

Die einzige Ufo-Sichtung in der DDR, die es bis ins Project Blue Book

… und in die Archive der CIA schaffte:

Am 17. Juni 1950 ist der Bürgermeister von Gleimershausen (Thüringen), Oskar Linke, mit seiner elfjährigen Stieftochter Gabriele auf dem Heimweg von einer Vortragsveranstaltung im Nachbardorf, als er gegen 2.30 Uhr nachts mit seinem NSU-Motorrad auf der Landstraße liegenbleibt.

Später gibt er zu Protokoll, dass sie bei ihrem Fußmarsch nach Haselbach auf einer Wiese in etwa 40 Metern Entfernung zwei Gestalten in metallisch glänzender Kleidung erblickten, neben einem Objekt, das aussah „wie eine riesige Bratpfanne“ oder eine alte ovale Wärmflasche aus Zink.

Das Fluggerät habe Reihen von Löchern von etwa 30 Zentimetern Durchmesser besessen, auf der Oberseite habe sich „ein schwarzer und ungefähr drei Meter hoher Turm“ befunden. Als die beiden Personen in ihren dicken metallischen Overalls Linke und Gabriele bemerken, verschwinden sie in dem runden Objekt, das sich kurz darauf in die Luft erhebt und davonfliegt.

Ausführlich beschrieben wird der Fall Oskar Linke (der Ufo-Fans als authentische „Nahbegegnung der dritten Art“ gilt) im CENAP-Report 116, 121 und 122

… sowie von Ralf Bülow in diesem PDF.

Bülow konnte 2014 mit Gabriele Linke (r.) sprechen.

Sie blieb bei ihrer damaligen Geschichte und hielt zugleich „eine beinahe ironische Distanz“ zum Ufo-Thema, was ihr Bülow zufolge „eine gewisse Glaubwürdigkeit“ verleiht.

1951 flüchtete Oskar Linke mit seiner Familie in den Westen und hinterlegte im Sommer 1952 seinen Sichtungsbericht bei einem Berliner Notar. Die spektakuläre Ufo-Story wurde von verschiedenen Zeitungen und Agenturen aufgegriffen und landete schließlich in den Archiven amerikanischer Geheimdienste – obwohl Linkes Beschreibungen „den damaligen Stereotypen entsprachen, wie sie im Zusammenhang mit anderen Untertassenberichten in den Medien bereits kursierten“.

Gestern rekapitulierte auch der MDR noch einmal Oskar Linkes close encounter vor über 70 Jahren, verbunden mit der Frage nach weiteren Ufo-Fällen in der DDR.

Damit sieht’s aber ziemlich mau aus.

Wie schon der Soziologe Andreas Anton bei der SkepKon 2014 ausführte, galten in Ostdeutschland sämtliche Spielarten von Esoterik/Okkultismus offiziell als „Irrlehren, Täuschungen, Pseudowissenschaften“.

Der MDR schreibt:

In der DDR galt die Auffassung, dass es sich bei den meisten UFO-Sichtungen um Fehlinterpretationen von Flugzeugen, Asteroiden, der Venus und anderer Himmelskörper handelte. Der Rest der Berichte sei auf bewusste Täuschungen, Unsinn oder psychologische Probleme zurückzuführen.

Ein gewisses Interesse weckten lediglich ein paar wenige „Verletzungen des Luftraums im Grenzgebiet“ und ein „Ufo“ über Halle 1985, das sich als Meteorit entpuppte (wie schließlich „Zeitungen aus der Bundesrepublik“ aufklärten):

Vor Aliens hatte die Staatssicherheit dabei stets weniger Furcht als vor dem Klassenfeind. Unbekannte Flugobjekte in der Nähe von militärischen Einrichtungen deuteten nach Stasi-Lesart nicht auf Besucher von Mars oder Venus, sondern allenfalls auf ein besonders raffiniertes Täuschungsmanöver des „Gegners“.

Auch die angebliche „Entführung“ des 16-Jährigen Norbert Haase durch Aliens im Jahr 1962 in Stendal wurde als Hirngespinst zu den Akten gelegt.

Der größte Fall kam dann erst kurz nach der Wende: die Greifswald-Ufos von 1990.

Zum Weiterlesen:

  • Warum Ufos einen Bogen um die DDR machten, mdr am 20. September 2023
  • SkepKon-Rückblick: Der okkulte Untergrund der DDR, GWUP-Blog am 27. Juni 2014
  • Buchneuerscheinung: Das Paranormale im Sozialismus. Zum Umgang mit heterodoxen Wissensbeständen, Erfahrungen und Praktiken in der DDR, grenzwissenschaft-aktuell am 10. Dezember 2018
  • Ufos in der DDR: Untertassen über Oberhof, mz am 4. Februar 2011
  • DDR und Außerirdische: Wie die Stasi auf Ufo-Jagd ging, mz am 17. April 2014
  • Das Haselbach-UFO von 1950 – die Augenzeugin spricht, grenzwissenschaft-aktuell am 26. Januar 2016
  • Der Fall Oskar Linke – Eine Ufo-Nahbegegnung in der DDR, ufo-information am 26. Oktober 2014
  • Die „Greifswald-Ufos“ fliegen immer noch – neue Videos zu einem alten Phänomen, GWUP-Blog am 24. August 2015
  • Alien-Mumien, UAPs und die NASA: der neue Ufo-Hype, GWUP-Blog am 17. September 2023