gwup | die skeptiker

… denken kritisch seit 1987.

7. August 2023
von Bernd Harder
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Videos: „Bullshit-Resistenz“ – Vorlesungen von Philipp Hübl

Zu seinem Buch „Bullshit-Resistenz“ hat der Philosoph Philipp Hübl im April eine Vorlesungsreihe über Kritisches Denken an der Berliner Universität der Künste gehalten.

Die 14 Teile sind jetzt bei Youtube verfügbar:

  • Einführung: Lügner, Bullshitter und Trottel
  • Teil 2: Fake News
  • Teil 3: Wahrheit
  • Teil 4: Wissen und Wissenschaft
  • Teil 5: Verschwörungstheorien
  • Teil 6: Rationalität (1): Denkfehler, Kurzschlüsse, Vorurteile
  • Teil 7: Rationalität (2): Vernunft versus Intuition
  • Teil 8: Identitätsschützende Denkfehler
  • Teil 9: Pseudowissenschaft
  • Teil 10: Bullshit im Namen der Wissenschaft
  • Teil 11: Sprachkritik – Gegen die Macht der Worte
  • Teil 12: Bildkritik – Gegen die Macht der Bilder
  • Teil 13: Digitaler Bullshit und Bullshit-Resistenz
  • Teil 14: Sondersitzung „Gendern“

In der Vorlesung geht es darum, was Wahrheit ist, wie man Wissen erlangt und wie man durch kritisches Denken Unfug entlarven kann […] Weil es so viel Unfug gibt, ist Bullshit-Resistenz – oder allgemeiner: kritisches Denken – eine der wichtigsten Tugenden im Zeitalter der Digitalisierung.

Zum Weiterlesen:

  • Unsinn erkennen: Auf dem Weg zur Bullshit-Resistenz, Deutschlandfunk Nova am 8. März 2020
  • Harry G. Frankfurt: Bullshit. Suhrkamp 2014, 47 Seiten, 6 €
  • Philipp Hübl: Bullshit-Resistenz. ‎ Nicolai Publishing 2018, 112 Seiten, 20 €
  • Das Ende der Wahrheit, spiegel.de am 7. Juli 2023
  • Lässt sich Wissenschaft von Unsinn unterscheiden? derStandard am 8. Juli 2023
  • Plädoyer für eine Schwurbel-resistente Uni-Lehre, laborjournal am 14. Juli 2023
  • Wie erkennt man Pseudowissenschaften? Skeptiker 2/2017 (online hier und hier)

7. August 2023
von Bernd Harder
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Science Cops über das „Medical Medium“ Anthony William

Der neueste Fall der Quarks Science Cops dreht sich um den

… selbstgekrönten König des Detox und einen der meistgelesenen Sachbuchautoren der Welt. Anthony William verspricht Heilung – und zwar bei jeder möglichen Krankheit.

Das von ihm „entdeckte“ Wundermittel für Detox heißt Selleriesaft. Trinkt man davon jeden Tag fast einen halben Liter morgens auf nüchternen Magen, soll das dem Körper beim Entgiften helfen.

Woher Anthony William das alles weiß, obwohl die Wissenschaft angeblich noch im Dunkeln tappt? Er hat Kontakt zu einem Geist, der ihm die Weisheiten ins Ohr flüstert.

Und nein, das ist kein Scherz. Anthony William nennt sich deshalb auch das Medical Medium – das medizinische Medium.

Die Folge gibt’s als Podcast und bei Youtube.

Zum Weiterlesen:

  • „Medical Medium” Anthony William: Die Geister, die er rief, medwatch am 5. August 2023
  • The Medical Medium and the True Believer, Vanity Fair am 26. April 2023
  • The Antithesis of Science-Based Medicine: The Medical Medium’s Fantasy-Based Health Advice, Science-Based Medicine am 1. August 2017
  • The Medical Medium’s Thyroid Pseudoscience, Science-Based Medicine am 4. Mai 2017
  • Schlechte Wissenschaft verhaften: Der „Science Cop“ Maximilian Doeckel beim Skeptical 2023 in Frankfurt, GWUP-Blog am 3. August 2023
  • „Ausgemachter Humbug“: Prof. Edzard Ernst über Detox, GWUP-Blog am 6. November 2022

6. August 2023
von Bernd Harder
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Video: „TikTok-Hexen und die neue Esoterik“

Schönes Video im Youtube-Kanal Ultralativ von Fynn Kröger:

TikTok-Hexen und die neue Esoterik

Der Mediaproducer und Grimme-Preisträger war einst Uri Geller-Fan und reflektiert in dem 17-Minuten-Beitrag zunächst, wie und warum TV-Sendungen wie „The next Uri Geller – Unglaubliche Phänomene Live“ ihn in seinen Bann zogen, ehe er auf die heutige Esoterik zu sprechen kommt:

Hunderttausende, wenn nicht sogar Millionen von Menschen, machen aktuell genau das gleiche durch wie ich damals 2008 vor dem Fernseher. Nur eben jetzt auf TikTok, Instagram und mehr oder weniger überall sonst im Internet, denn Esoterik erlebt dieser Tage einen neuen Hype. Eine, wie manche Forscher sagen, Neuauflage der New-Age-Bewegung, in der Influencer alle Karten in der Hand haben.

Fazit:

Die Gewänder sind neu, doch die Gefahren sind dieselben.

Zum Weiterlesen:

  • Eso-Coaching treibt Betroffene „eher in Richtung Suizid als auf den Weg der Heilung“, GWUP-Blog am 5. August 2023
  • Die bunte aber betrügerische Welt der Heilkristalle auf TikTok, vice am 19. September 2022
  • Videos: Esoterik – das Business und die Gefahren, GWUP-Blog am 26. Januar 2023
  • Falsche Heilsversprechen für Geld: Marvin Wildhage und seine „Heilsteine“-Influencer, GWUP-Blog am 22. Juli 2023
  • „Ein Gefühl von Kontrolle“: Die neuen Witchfluencerinnen aus der Hexen-Bubble bei TikTok, GWUP-Blog am 9. Juni 2023
  • 13 Fragen am Problem vorbei: Reaction-Video zur Esoterik-Sendung, GWUP-Blog am 22. Juli 2023
  • Armut als Charakterschwäche: Der alte neue Hype um das „Manifestieren“ von Geld, GWUP-Blog am 2. Mai 2023

6. August 2023
von Bernd Harder
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Fußnote der Weltgeschichte: Die Illuminaten bei „Terra X“

Sogar die Hobby-Konspirologen bei TikTok tun sich sichtlich schwer damit, Popsuperstar Taylor Swift vor ihrer Deutschlandtournee eine Zugehörigkeit zu den Illuminaten anzudichten:

Bei Youtube sieht es auch nicht besser aus:

Woran liegt’s?

Tarnt sich Taylor Swift zu geschickt? Oder ist es eher so, wie in dem neuen Terra X-Beitrag „Das Geheimnis der Freimaurer und Illuminaten“ (zirka 14 Minuten) gesagt wird:

Wer Symbole sehen will, sieht sie auch.

Und außerdem ist die einstige Illuminaten-Bruderschaft von Adam Weishaupt in Wahrheit „nicht mehr als eine Fußnote der Weltgeschichte“.

Zum Weiterlesen:

  • Videos: „Verschwörungen – Die Wahrheit der Anderen“, GWUP-Blog am 5. August 2023
  • Die Illuminaten im PM-Podcast, GWUP-Blog am 1. Mai 2023
  • Lady Gaga und die Illuminaten, GWUP-Blog am 13. Oktober 2013
  • Experte: Was hinter den Verschwörungstheorien über die Freimaurer steckt, sonntagsblatt am 29. Juli 2023
  • Video: Das Geheimnis der Illuminaten, zdf.de am 1. November 2021
  • Video: Der Code der Illuminaten, zdf.de am 12. Juni 2016
  • Ich bin bald Illuminat und beherrsche die Welt – aber vorher soll ich Geld dafür zahlen, GWUP-Blog am 22. Januar 2018
  • Illuminati: Erleuchtete oder Dunkelmänner? GWUP-Blog am 20. Mai 2009

6. August 2023
von Bernd Harder
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Verschwörungstheorien: „Immer mehr Menschen“ glauben daran – ist das wirklich so?

Immer mehr Menschen glauben an Verschwörungstheorien

titeln heute Medien wie noz.de oder ga-online oder oz-online.

Nein, tun sie nicht – allenfalls auf Biegen und Brechen.

Diese Schlagzeile geht zurück auf die neue Studie „Das ist alles bewiesen“ der Konrad-Adenauer-Stiftung.

Der Glaube an Verschwörungstheorien wurde mit der Standardfrage

Es gibt ja einige Behauptungen, bei denen man manchmal nicht so sicher ist, ob sie stimmen. Wie sehen Sie das bei den folgenden Behauptungen? Es gibt geheime Mächte, die die Welt steuern.

erhoben.

Bei 1524 Befragten ergab sich dabei folgendes Bild:

Also eine aktuelle Zustimmung von 31 Prozent („sicher richtig“ und „wahrscheinlich richtig“).

Davor waren es 27 Prozent (2022/12), 24 Prozent (2022), 24 Prozent (2020) und 30 Prozent (2019/2020).

Vor drei Jahren war der Verschwörungsglaube also praktisch genauso hoch wie heute:

Worauf diese Schwankungen beruhen, muss offenbleiben,

schreibt die KAS selbst in ihrer neuen Erhebung.

Die Daten der Leipziger Autoritarismus-Studie von 2022 zeigen ein ähnlich schwankungsreiches Bild:

Nach wie vor spricht eigentlich nichts gegen die Faustregel, dass in Deutschland rund ein Drittel der Bevölkerung eine „manifeste Verschwörungsmentalität“ zeigt.

Interessant sind indes einige Einzelergebnisse der KAS-Studie, etwa

Das scheint den schon älteren Befund zu bestätigen, dass Bildung tendenziell vor Verschwörungsglauben schützt. Allerdings ist gerade eine neue Studie erschienen, der zufolge nicht Bildung an sich, sondern eine höhere kognitive Reflexionsfähigkeit (oder allgemeiner „critical thinking skills“ vs. „intuitive thinking“) als Schutzfaktor gegen Verschwörungstheorien wirkt.

Darauf hatten wir bereits hier hingewiesen.

Den Hauptteil der KAS-Studie nimmt allerdings die „Corona-Verschwörung“ ein:

Die große geschlossene Corona-Verschwörungserzählung findet sich bei keinem Befragten. Jeder Befragte erzählt von sehr eigenen Einsichten.

Zum Beispiel:

  • „Die Neigung zu Verschwörungstheorien taucht häufig auf, wenn die Befragten komplexe Geschehnisse mit einfachen Formeln erklären. So wird immer wieder sinngemäß auf die Formel „Geld regiert die Welt“ zurückgegriffen. Dies entspricht weitgehend dem, was in der Literatur zu Verschwörungstheorien geläufig ist.“
  • „Da die Impfung nicht vollständig vor einer Erkrankung schützt, dies aber bei den Befragten erwartet wurde, wird die Impfung entweder kritisch gesehen oder abgelehnt. Die Argumentation, dass es zumindest zu milderen Verläufen kommt, ist zudem für Laien schwer begreiflich, da schon vergleichsweise harmlose Symptome (aus medizinischer Sicht) aus Sicht der Befragten als schwerer Verlauf gewertet werden.“
  • „Auch die Änderungen in den Maßnahmen und Empfehlungen, die Geltungsdauer und die Unterschiede zwischen den Bundesländern werden in den Gesprächen häufig erwähnt. Meistens zeigen sich die Befragten überfordert, hilflos und sind ratlos, obwohl sie bereit sind, den Maßnahmen zu folgen.“

Zum Weiterlesen:

  • Narcissistic susceptibility to conspiracy beliefs exaggerated by education, reduced by cognitive reflection, Front. Psychol. am 6. Juli 2023
  • Verschwörungsgläubigkeit und ihre Zusammenhänge mit Bildung und kritischem Denken: Neue Erkenntnisse aus aktuellen Studien, dmz am 28. Juli 2023
  • Verschwörungstheorien und paranoider Wahn, GWUP-Blog am 5. August 2023
  • Verschwörungsglaube und sozioökonomische Faktoren, GWUP-Blog am 27. Juli 2022
  • Verschwörungsmentalität und politische Orientierung, GWUP-Blog am 27. Juli 2022
  • Ist Religion ein Treiber für Verschwörungsaffinität? GWUP-Blog am 2. Juli 2023
  • „Epistemische Laster“ machen anfällig für den Glauben an Verschwörungstheorien, GWUP-Blog am 18. Juli 2021
  • Faktoren des Glaubens an Verschwörungstheorien, GWUP-Blog am 28. Juni 2023
  • Neue Zahlen zum Glauben an Verschwörungstheorien, GWUP-Blog am 27. April 2023
  • Studie: Der Glaube an Verschwörungstheorien hat nicht zugenommen, GWUP-Blog am 22. Juli 2022
  • Neue Umfragen: Ist der Verschwörungsglaube rückläufig? GWUP-Blog am 29. Dezember 2020
  • Neue Studie: Kritisches Denken gegen Verschwörungsglauben, GWUP-Blog am 17. April 2023

6. August 2023
von Bernd Harder
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„Präpotente Quadratschädel“: Deutsche Coronaflüchtlinge in Colonia Independencia

Spiegel-Reporter Guido Mingels hat deutsche „Coronaflüchlinge“ in Paraguay besucht – oder wollte es zumindest. Allerdings bekam er „von den meisten keine Antworten“ auf seine Fragen:

Ein Auftritt in der „Systempresse“ ist für viele hier so verlockend wie eine Dreifachimpfung.

Und so geht es in seiner Geschichte „Oh, wie schön ist Paraguay“ eher um die deutsche Siedlung Colonia Independencia an sich, eine halbe Autotagesreise östlich der Hauptstadt Asunción gelegen, in der rund 30.000 Menschen leben:

Wie viele Deutsche nach Paraguay gekommen sind während der Pandemie, ist schwer zu beziffern. Die nationale Migrationsbehörde verzeichnete von 2020 bis Ende Mai 2023 rund 12.500 Anträge auf Aufenthaltsbewilligungen von Deutschen […] Der Bürgermeister von Colonia Independencia, José A. Resquin, schätzt die Welle der Neuankömmlinge während der Pandemie auf etwa 2000.

Das Wenige, was man über die geflohenen Impfgegner erfährt, berichten Altkolonisten dem Mann vom Spiegel:

  • Die neuen deutschen Zuwanderer seien „zu 90 Prozent Arschlöcher“. Außerdem „präpotente Quadratschädel“. Und „Hornochsen“. Alle jammerten nur und könnten einander nicht leiden.
  • „Nur Yogastunden anbieten oder Biogemüse ziehen reicht nicht“, viele fänden kein dauerhaftes Auskommen und unterschätzten die Kosten und Herausforderungen des Expat-Lebens in einem Schwellenland.
  • „Die Neuen wollen sich nicht integrieren.“ Die meisten sprächen kein Spanisch und lernten es auch nicht. Sie schickten zwar ihre Kinder an die Schule, wollten aber während der Pandemie die Maskenpflicht nicht einhalten, mogelten sich um die Masernimpfung herum, meckerten über die Unterrichtsmethoden. Für den deutschen Kirchenchor oder die deutsche Theatergruppe im Ort, die es schon seit vielen Jahrzehnten gibt, interessierten sie sich nicht.

  • Für die Deutsche Schule allerdings, gegründet 1956, waren die Neuankömmlinge „ein Segen“, wenn nicht gar die Rettung. Rund hundert neue Kinder habe die Privatschule bekommen, die Gesamtzahl wurde fast verdoppelt.
  • Das Virus, das in Deutschland aus Medien und Politik weitgehend verschwunden ist, lebt hier weiter in den Köpfen und Debatten, als gemeinsames Feindbild.

Nach „fünf Tagen und ein paar Dutzend Begegnungen in Colonia Independencia“ zieht der Reporter das Fazit:

Viele hier tun einem leid, weil sie sich unrettbar in ihren schiefen Weltbildern verlaufen haben. Und weil sie in der Fremde aus eigenem Verschulden genauso isoliert und ausgestoßen bleiben, wie sie sich in Deutschland fühlten. Andere machen einen wütend, besonders wenn sie ihre Kinder mitgeschleppt haben, denen sie ihren Wahn einbläuen und die für alles nichts können.

Daneben gebe es in Colonia Independencia natürlich auch „ein paar richtige Leben zwischen den falschen“.

Zum Weiterlesen:

  • Das vermeintliche Paradies der Corona-Freiheit: „Heilpraktiker, Wunderheiler und rechte Impfgegner“ in Paraguay, GWUP-Blog am 26. Dezember 2021
  • Video: Impfgegner in Paraguay, GWUP-Blog am 18. August 2022
  • Oh, wie schön ist Paraguay, spiegel+ am 23. Juli 2023

6. August 2023
von Bernd Harder
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Eso-Coaching treibt Betroffene „eher in Richtung Suizid als auf den Weg der Heilung“

Martin Gommel leidet selbst an Depressionen, ist Reporter für psychische Gesundheit bei Krautreporter und reagiert bei Instagram auf zweifelhafte Videos der Coaching-Szene:

Auch in einem Interview mit Julian Aé von Spiegel+ warnt Gommel vor Online-Coaches – sowohl vor Businesscoaches als auch denjenigen, die sich auf Spiritualität oder Zwischenmenschliches spezialisiert haben:

Das Leben wird als ewiger Urlaub inszeniert, immer mit der Verheißung: „Das kannst du auch schaffen.“ Es geht im Wesentlichen darum, einen Lebensstil zu verkaufen, der bei rationaler Betrachtung völlig unrealistisch und für die meisten unerreichbar ist. Das eigene Ego steht im Vordergrund: Man soll reich, muskulös und immer gut drauf sein. Wer das nicht erreicht, dem wird Faulheit unterstellt.

Das unterschwellige Narrativ ist: Wenn du ein durchschnittliches Leben führst, bist du weniger wert. Das hat eine verheerende Wirkung auf Menschen, die sich vielleicht gerade in einer prekären Situation befinden und etwas an ihrer Lage ändern möchten.

Ein Coach hat mal gesagt, „Geld macht nicht glücklich“ sei ein Satz, den arme Menschen als Ausrede benutzen. Ich denke, das steht für sich.

Insbesondere kritisiert Gommel Scharlatane, die die Grenze zwischen Coaching und Therapie verwischen:

Menschen, die tatsächlich unter psychischen Problemen leiden, sind sehr verletzlich und manche besonders empfänglich für solche Botschaften. Wer schon einmal in so einer Situation war, weiß, dass es in Deutschland viele Monate dauern kann, bis man einen Platz bei einer Psychotherapeutin oder einem Psychotherapeuten bekommt.

Viele Coaches haben keine Hemmungen, meist etwas verklausuliert Heilung von Ängsten oder gar Depressionen zu versprechen – natürlich in der Regel ohne eine fundierte psychotherapeutische Ausbildung. Das Narrativ ist dabei fast immer: „Du bist selbst für dein Elend verantwortlich“ und „Ich zeige dir, wie du reich, glücklich und gesund wirst“.

Kranken Menschen wird das falsche Mindset unterstellt. Das ist nicht nur perfide, sondern kann auch gefährlich werden.

Spiegel: Inwiefern?

Gommel: Wenigen Menschen ist bewusst, wie bedrohlich etwa eine Depression sein kann. Oft werden die Symptome als Traurigkeit oder Melancholie bagatellisiert. Dabei handelt es sich um eine Erkrankung, die ohne eine wissenschaftlich fundierte Behandlung tödlich enden kann. In meinem Fall kann ich zum Beispiel sagen, dass mir die Psychiatrie das Leben gerettet hat.

Richtig wütend macht mich deshalb, dass manche Coaches sogar die Psychotherapie diskreditieren. Ein häufiges Symptom bei Depressionen sind Schuldgefühle. Wenn dann ein Influencer daherkommt und dir erzählt, dass alles nur an deiner falschen Einstellung liegt, kann das die Situation verschlimmern.

Ähnlich ist es bei Problemen wie Armut, Ausgrenzung oder Mobbing: Laut vielen Coaches sind diese Probleme allein die Folge von falschen Gedanken. Dabei gibt es selbstverständlich viele Aspekte, auf die man eben keinen direkten Einfluss hat. Durch diese „Du kannst alles schaffen, wenn du nur willst“-Mentalität werden auch gesellschaftliche Missstände verleugnet.

Auch esoterischer Nonsens wie das „Gesetz der Anziehung“ empört Gommel:

Schwere Traumata oder Krankheiten kann man nicht einfach „wegmanifestieren“ […] Wenn man Betroffenen vermittelt, dass sie nur nicht hart genug an sich gearbeitet hätten, treibt man sie eher in Richtung Suizid als auf den Weg der Heilung.

Zum Weiterlesen:

  • Das gefährliche Wunschdenken der Online-Gurus, spiegel+ am 23. Juli 2023
  • Warum mich Laura Melina Seiler traurig und wütend macht, krautreporter am 17. Mai 2023
  • SkepKon-Video: „Coaching auf Abwegen“ mit Uwe Kanning, GWUP-Blog am 5. Juli 2023
  • „Erleuchtet oder abgezockt?“ ZDF-Doku zum Thema Coaching, GWUP-Blog am 27. April 2023
  • Geburtsdatenalgorithmen und Lichtsprache: Coaching-Methoden unter der Lupe, GWUP-Blog am 15. März 2023
  • Wenn Coaching gefährlich wird: Aussteigerin berichtet über die dunklen Seiten der Szene, watson am 15. März 2023
  • Video: „Die Money-Machine der Coaches“, GWUP-Blog am 25. Februar 2023
  • Neu im „Nachgefragt“-Podcast: Mythen, Irrtümer und Bullshit in Coachings und Trainings, GWUP-Blog am 14. August 2019
  • Armut als Charakterschwäche: Der alte neue Hype um das „Manifestieren“ von Geld, GWUP-Blog am 2. Mai 2023

5. August 2023
von Bernd Harder
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Videos: „Verschwörungen – Die Wahrheit der Anderen“

ZDFinfo hat drei weitere Videos der Doku-Reihe

Verschwörungen – Die Wahrheit der Anderen

veröffentlicht.

Mit dabei ist unter anderem Amardeo Sarma.

Die neuen Folgen:

Die älteren Folgen:

Zum Weiterlesen:

  • Gründe für Verschwörungsideologien, indeon am 31. Juli 2023
  • Verschwörungstheorien und paranoider Wahn, GWUP-Blog am 5. August 2023
  • Videos: „Verschwörungen – Die Wahrheit der Anderen“, GWUP-Blog am 24. Mai 2023

5. August 2023
von Bernd Harder
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Verschwörungstheorien und paranoider Wahn

Sind Menschen, die an Verschwörungstheorien glauben, verrückt?

Diese Frage wird immer mal wieder – auch hier im Blog – gestellt.

Immerhin findet sich die Annahme einer „Paranoia“ schon in dem Essay „The Paranoid Style in American Politics“ von Richard Hofstadter, worunter der Autor auch „Verschwörungsfantasien“ (conspiratorial fantasy) subsummierte.

Dem widerspricht neben dem ungarischen Psychologen Péter Krekó („Der Glaube an Verschwörungserzählungen ist kein Produkt einer gestörten Psyche.“) der Sozialpsychologe Roland Imhoff von der Uni Mainz.

In seiner Studie „How paranoid are conspiracy believers?“ fand Imhoff zwar Überschneidungen zwischen den beiden Phänomenen Paranoia und Verschwörungsüberzeugung – aber auch deutliche Unterschiede:

Während paranoide Menschen glauben, dass praktisch jeder hinter ihnen her ist, denken Verschwörungsideologen, dass ein paar mächtige Menschen hinter fast jedem her sind.

Gesellschaftliche Verschwörungserzählungen sind also von paranoiden Wahnvorstellungen klar unterscheidbar: Die wahrgenommene Handlung richtet sich gegen ein Kollektiv als Nation, Gruppe oder Kultur, während ein paranoider Mensch Angst vor Verschwörungen gegen die eigene Person hat und dabei sogar die eigene Familie als Bedrohung ansehen kann.

Paranoide Menschen misstrauen anderen grundsätzlich, während Verschwörungsideologen eher „dem System“ insgesamt argwöhnisch gegenüberstehen,

fassen Nocun/Lamberty die Arbeit von 2018 zusammen.

Eine neuere Studie zu diesem Thema ist jetzt mit dem Publikationspreis 2022/2023 der Stiftung für Forschung und Bildung der Frankfurt University of Applied Sciences (UAS) ausgezeichnet worden.

In ihrer Arbeit „Verschwörungstheorien und paranoider Wahn“ (2022) stimmt Stephanie Mehl, Professorin am Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit der UAS, Imhoff zu und benennt die qualitativen Unterschiede zwischen Verschwörungstheorien und paranoiden Wahnüberzeugungen.

Verschwörungstheorien seien

  • eher unpersönlich formuliert; die Bedrohung ist auf eine Gruppe oder die Gesamtgesellschaft ausgerichtet.
  • Die Theorie und ihre Realisierung bzw. die Gefahr, die von ihr ausgeht, lässt sich durch das Sammeln von Beweisen und die Aufklärungsarbeit abwenden [in der Vorstellung der Gläubigen].
  • Die verschwörungsgläubige Subkultur bietet eine große soziale Vernetzung, soziale Aufwertung und Anerkennung und eine ausgeprägte Toleranz gegenüber sich widersprechenden Theorien, deren Anhänger trotzdem in die Gruppen aufgenommen werden.

Paranoider Wahn zeichnet sich hingegen dadurch aus, dass

  • man selbst als Person bedroht ist.
  • Menschen, die unter paranoiden Wahnüberzeugungen leiden, gelingt es in den meisten Fällen nicht, andere Menschen von ihrem paranoiden Wahn zu überzeugen (außer in den seltenen Fällen, in denen Paare oder Lebensgemeinschaften eine „folie à deux“ ausbilden, einen geteilten gemeinsamen Wahn).

Der wichtigste Faktor sei jedoch, dass Personen mit paranoiden Wahnüberzeugungen meistens (nicht immer) unter einer behandlungsbedürftigen psychischen Störung leiden, während eine solche bei Personen, die an Verschwörungstheorien glauben, meist nicht vorliegt.

Darüber hinaus zieht Mehl jedoch noch weitere Vergleiche zwischen den Denk- und Verhaltensmustern von Personen mit einer psychotischen Erkrankung und Anhängern von Verschwörungstheorien.

Neben belastenden Lebensereignissen und einem „externalisierenden personalisierenden Kausalattributionsstil“ (Ursachenzuschreibung) sieht die Neuropsychologin als eine weitere hervorstechende Gemeinsamkeit die Neigung, voreilige Schlussfolgerungen zu ziehen:

Wir wollten herausfinden, ob ein mit Psychosen verbundener Denkfehler, das sogenannte voreilige Schlussfolgern, auch bei jenen Personen vorhanden ist, die stärker an Verschwörungstheorien glauben.

Dabei stellten wir zudem fest, dass Menschen, die eine höhere Zustimmung zu Verschwörungstheorien aufwiesen, im Vergleich zu anderen Personen eher intuitiv und weniger analytisch denken. Sie entscheiden sehr schnell, ohne viele Informationen zu sammeln.“

Auf diesen „Jumping to conclusions“-Bias beziehungsweise kognitive Heuristiken haben indes bereits Raab/Carbon/Muth 2017 hingewiesen.

Als Fazit schlägt Prof. Mehl vor, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Verschwörungstheorien und psychischen Störungen weiter zu untersuchen:

Möglicherweise könnten moderne niedrigschwellige Interventionsmethoden der kognitiven Verhaltenstherapie von Psychosen in die Beratung oder Prävention von Verschwörungstheorien implementiert werden.

Zum Weiterlesen:

  • Study: Conspiracy theorists are not necessarily paranoid, PsyPost am 10. Mai 2018
  • How paranoid are conspiracy believers? onlinelibrary am 20. April 2018
  • Voreilige Entscheidungen: Gemeinsamkeit bei Schizophrenie und dem Glauben an Verschwörungstheorien entdeckt, idw-online am 30. März 2021
  • Voreilige Schlussfolgerung: das haben psychotische Störungen und Verschwörungstheorien gemeinsam, idw-online am 28. Juli 2023
  • Verschwörungstheorien und paranoider Wahn: Lassen sich Aspekte kognitionspsychologischer Modelle zu Entstehung und Aufrechterhaltung von paranoiden Wahnüberzeugungen auf Verschwörungstheorien übertragen? Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie volume 16, pages 195–204 (2022)
  • Verschwörungstheorien unter dem Blickwinkel der Forensischen Humanwissenschaften, Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie 2/2021
  • Verschwörungsglaube und sozioökonomische Faktoren, GWUP-Blog am 27. Juli 2022
  • Verschwörungsmentalität und politische Orientierung, GWUP-Blog am 27. Juli 2022
  • Ist Religion ein Treiber für Verschwörungsaffinität? GWUP-Blog am 2. Juli 2023
  • „Epistemische Laster“ machen anfällig für den Glauben an Verschwörungstheorien, GWUP-Blog am 18. Juli 2021
  • Faktoren des Glaubens an Verschwörungstheorien, GWUP-Blog am 28. Juni 2023

4. August 2023
von Bernd Harder
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Video: Janos Hegedüs über zwei Pseudoexperten und ketogene Diät bei Krebs

Ein Finanzexperte und ein Heilpraktiker mit „Kriminalgeschichte“ (Psiram) schwurbeln über ketogene Ernähung gegen Krebs.

Dr. Janos Hegedüs nimmt dazu Stellung:

In diesem Video untersuchen wir die seltsame Geschichte eines Heilpraktikers, der Millionen durch den Verkauf von wirkungslosen Heilmitteln an Krebspatienten verdiente, und versuchen herauszufinden, was aus ihm geworden ist. Ist er immer noch in der Praxis?

Zusätzlich wird ein scheinbar ungewöhnlicher Held vorgestellt: der Gebüschmann, auch bekannt als Finanzexperte Philip Hopf. Trotz seiner Expertise in der Finanzwelt scheint Hopf eine neue Leidenschaft gefunden zu haben – die Gesundheitspflege.

Gemeinsam mit Dr. Heinz Reinwald, einem Heilpraktiker mit einem fragwürdigen Doktortitel, diskutieren wir die Rolle der Ernährung bei der Krebsprävention und behandeln kontroverse Themen wie die Wirksamkeit der ketogenen Diät.

Fortsetzung folgt:

Seid jetzt schon gewarnt. Der zweite Teil dieses Videos war sogar für mich zuviel.

Zum Weiterlesen:

  • Heilpraktiker muss vier Jahre in Haft, ÄrzteZeitung am 16. Mai 2019
  • „Rerum“ bei Psiram
  • „Heinz Reinwald“ bei Psiram
  • „Mikro-Energie-Therapie nach Reinwald“ bei Psiram
  • „Ketogene Diät“ bei Psiram
  • Wirkt ein Verzicht auf Zucker gegen Krebs? spektrum am 25. Juli 2023
  • „Ketogene Diät: den Krebs verhungern lassen?“ bei medizin-transparent
  • Janos Hegedüs-Video: Ein Finanzmann und ein Polizist müssen ja wissen, woher die Übersterblichkeit kommt, GWUP-Blog am 19. Februar 2023
  • SkepKon-Video: Janos Hegedüs und sein Youtube-Kanal, GWUP-Blog am 15. Juni 2023