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Alien-Mumien, UAPs und die NASA: der neue Ufo-Hype

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Schöne großformatige Fotos gibt’s durchaus zu sehen im neuen

Unidentified Anomalous Phenomena Independent Study Team Report

der NASA – etwa von Red Sprites und Nordlichtern und einer Karman-Wirbelstraße.

Irgendwo dazwischen tauchen auf den 36 Seiten dann noch drei kleine, unscharfe Bildchen des eigentlichen Sujets auf: UAPs („Unidentified Aerial Phenomenon“), die neue Bezeichnung für Ufos.

Möglicherweise handelt es sich dabei um zwei Sensorartefakte und etwas, das sich wegen „limited data“ nicht aufklären lässt (Mitte).

Es geht in dem Bericht also weder um Außerirdische noch andere Sensationen – sondern um die nüchterne Frage, was die NASA „zur Erhebung zukünftiger Daten beitragen kann“ beziehungsweise darum, „einen Fahrplan [zu skizzieren], wie die NASA ihre wissenschaftlichen Instrumente einsetzt, um nutzbare Daten zu erhalten, mit denen die Natur von UAP bewertet und kategorisiert werden kann“.

Zeit-Online fasst den Unidentified Anomalous Phenomena Independent Study Team Report so zusammen:

  • Über bisherige Sichtungen sagt das Papier nichts Neues. Zurückliegende Analysen hatten sich zumeist als unzureichend herausgestellt, mit anderen Worten: Aufnahmen, Videos, Augenzeugenberichte oder Sensordaten taugten nicht, sodass „die Herkunft zahlreicher UAP unklar bleibt“.
  • „Momentan gibt es keinen Anlass anzunehmen, dass UAP-Berichte auf eine außerirdische Herkunft deuten.“ Dieser Satz dürfte die größte Enttäuschung darstellen für diejenigen, die partout an Ufos aus dem All glauben wollen.
  • Das Thema UAP aus dem Bereich der Spökenkiekerei zu lösen, ist erkennbar Anliegen der Studienautoren. Sie beklagen ein „Stigma“, das daran hafte und welches man beseitigen müsse. Nur dann würden sich mehr Menschen trauen, von möglichen Sichtungen zu berichten. Dabei muss man wissen: Eine wichtige Gruppe für solche Sichtungen sind Militärpiloten, die sicher nicht als Spinner gelten möchten, die ein Ufo gesehen zu haben glauben. 
  • Der Report ist ein einziges Dokument der Versachlichung und ein passagenweise ziemlich technisches „further research needed“. So lautet die klassische Formulierung am Ende vieler Forschungsaufsätze, dass eben weitere Forschung vonnöten sei. Es brauche also mehr und bessere Daten, um UAP untersuchen und womöglich zuordnen zu können.

Das „UAP Independent Study Team“ der NASA besteht nach eigenen Angaben aus 16 Experten mit unterschiedlichem Background in den Bereichen Wissenschaft, Technologie, Daten, künstliche Intelligenz, Weltraumforschung, Luft- und Raumfahrtsicherheit, Medien und Innovationsprozesse.

Die Einsetzung dieses Gremiums war im Juni 2022 verkündet und die Mitglieder im Oktober ernannt worden. Am 31. Mai 2023 fand ein Arbeitstreffen statt, bei dem es darum ging, wie man sich „dem Phänomen mit bester Wissenschaft und entsprechend hochwertigen Daten“ annähern könne:

Einig war sich das Gremium darin, dass es derzeit keine Belege für einen Zusammenhang zwischen UAP und dem Einfluss einer außerirdischen Intelligenz gibt.

Bei der Veröffentlichung des Unidentified Anomalous Phenomena Independent Study Team Report vergangene Woche gab die NASA zugleich bekannt, dass die US-Raumfahrtbehörde einen eigenen Direktor für UAP-Forschung ernannt hat: Mark McInerney.

Aber wieso eigentlich? Woher kommt der Ufo-Hype in den USA, nachdem das Thema bereits eine „tote Angelegenheit“ war?

Im neuen Skeptiker (3/2023) legen wir dar, dass das neuerliche Interesse an Ufos auf die zielgerichteten Aktivitäten einer kleinen, guten vernetzten Gruppe von Influencern zurückgeht, zu denen der Multimilllionär Robert Bigelow, der (verstorbene) demokratische Senator Harry Reid, der Verschwörungsideologe Georges Knapp, der Künstler und Ufologe Jeremy Corbell sowie die „paranormal enthusiastic“-Journalistin Leslie Kean zählen.

Kean war es auch, die mit ihrem Artikel

Glowing Auras and ‘Black Money’: The Pentagon’s Mysterious U.F.O. Program

in der New York Times vom 16. Dezember 2017 es schaffte, „aus dem schrägen Nischenprojekt einiger Ufo-Gläubiger eine Staatsangelegenheit“ (Zeit) zu machen:

Damit war das US-Militär plötzlich unter Zugzwang […] Oder wie der New Yorker schreibt: Die weitverbreitete Faszination für den Gedanken, dass sich die Regierung für Ufos interessiert, brachte die Regierung dazu, sich für Ufos zu interessieren.

Obwohl die New York Post Kean vorwirft, „97 Prozent der wahren Geschichte ausgelassen“ zu haben, kam es am 26. Juli 2023 zu einer Kongress-Anhörung, bei der der sogenannte Whistleblower David Grusch von abgestürzten Alien-Raumschiffen und „Körpern nicht-menschlicher Spezies“ fabulierte (wir berichteten).

Beweise gab’s keine zu sehen, dafür fingen die Kameras Georges Knapp und Jeremy Corbell ein, die gleich hinter Grusch in der ersten Reihe saßen:

Dieses „ufo congressional hearing“ war indes nur der vorläufige Höhepunkt eines künstlichen Getöses um UAP/Ufos, zu dem auch die Gründung einer „UAP Task Force“ des US-Verteidigungsministeriums 2020 gehört, die im Sommer 2022 in AARO (All-domain Anomaly Resolution Office) umbenannt wurde.

Am 31. August 2023 ging die offizielle AARO-Webseite online:

Nicht überraschend steht der neue NASA Director for UAP Research, Mark McInerney, sowohl mit der Raumfahrtbehörde als auch mit dem Pentagon auf bestem Fuße:

McInerney ist ein Nasa-Veteran, dessen bisherige Laufbahn zwei interessante Schwerpunkte aufweist. So war er einerseits bei der Umweltbehörde NOAA und im Nationalen Hurrikancenter tätig, andererseits diente er in der Vergangenheit als Verbindungsmann der Nasa zum US-Verteidigungsministerium zur Frage – genau –, nicht identifizierter anomaler Phänomene,

schreibt Zeit-Online.

Diese Tatsache ist nicht ganz unbedeutend, denn:

Nicht nur durch die Liaison des neuen UAP-Direktors mit dem Verteidigungsministerium liegt bei alledem auf der Hand: Die rationale Seite des Interesses an anomalen Phänomenen ist nicht zuletzt militärisch motiviert. Etwas Unbekanntes? Das könnte immer auch ganz einfach neue Wehrtechnik aus Russland oder China sein.

Bereits im vergangenen Jahr sagte der Vorsitzende des Unterausschusses für Spionageabwehr im Repräsentantenhaus, André Carson:

UAP sind unerklärlich, das ist wahr. Aber sie sind real. Sie müssen untersucht werden.

Wie schwierig es aber nach wie vor ist, „die Existenz von nicht identifizierten Luftphänomenen einzugestehen und sich zugleich gegen Esoterik abzugrenzen“ (NZZ), zeigt ein Ereignis am vergangenen Dienstag. Bei einer öffentlichen Anhörung des mexikanischen Abgeordnetenhauses präsentierte der Ufologe Jaime Maussan die mumifizierten Körper zweier „Außerirdischer“:

Offenbar hatte Maussan sich diesen Überraschungscoup in den USA abgeschaut, wo es schon 2013 um den „Atacama Humanoid“ ging, eine ungewöhnlich aussehende Mumie aus der Atacama-Wüste in Chile, die sich schließlich als Kinderleiche mit zahlreichen genetischen Mutationen herausstellte.

2020 machten dann mehrere „Alienkörper“ aus der peruanischen Wüste nahe Nazca Schlagzeilen – bei denen es sich offenbar um manipulierte Mumien aus Tier- und Menschengewebe handelte. Hier war Maussan bereits involviert.

Auch Maussans neue Funde stellen für die Nachrichtenagentur Reuters wenig mehr dar als ein „bereits entlarvter, möglicherweise krimineller Trick“.

Und grenzwissenschaft-aktuell fragt sich,

… welchen Dienst eine solche Veranstaltung einem seriösen Anliegen tut, wenn Präsentationen und Aussagen angesehener Forscher und Wissenschaftler mit maximal spekulativem Sensationalismus auf der Grundlage offenkundiger Fälschungen vermischt werden […] Ein wirkliches PR-Fiasko für das Ansehen der UFO-Forschung.

Als der Leiter des „UAP Independent Study Team“ der NASA, der Astrophysiker David Spergel von der Universität Princeton, bei der Pressekonferenz zum Unidentified Anomalous Phenomena Independent Study Team Report am 14. September auf Maussan und seine Alienmumien angesprochen wurde, sagte er nur:

Wer etwas Seltsames hat, soll halt Proben nehmen und sie der globalen Wissenschaft zugänglich machen. Dann werden wir sehen, was wir da haben.

Zum Weiterlesen:

  • Sag nicht mehr Ufo, zeit+ am 15. September 2023
  • NASA ernennt Direktor für Ufo-Forschung, zeit.de am 14. September 2023
  • NASA ernennt Direktor für Ufo-Forschung, tagesschau.de am 15. September 2023
  • NASA gibt nun doch neuen UAP-Direktor bekannt, grenzwissenschaft-aktuell am 15. September 2023
  • NASA veröffentlicht Ufo-Bericht von Experten, t-online am 15. September 2023
  • Warum die NASA jetzt Ufos jagt, FAZ am 15. September 2023
  • Die Ufo-Frage ist in der amerikanischen Politik angekommen, NZZ am 22. Mai 2022
  • Der NASA UAP-Bericht in deutscher Übersetzung, ufo-information am 15. September 2023
  • Was steckt hinter dem neuen Ufo-Hype? br.de am 14. September 2023
  • Inside Robert Bigelow’s Decades-Long Obsession With UFOs, wired am 24. Februar 2018
  • How the Pentagon Started Taking U.F.O.s Seriously, The New Yorker am 30. April 2021
  • How Washington Got Hooked on Flying Saucers, New Republic am 21. Mai 2021
  • „Crazy“ UFO-believing Pentagon bosses missed spy craft for years, New York Post am 21. März 2023
  • How Wealthy UFO Fans Helped Fuel Fringe Beliefs, Scientific American am 25. August 2023
  • Die Untertassen-Lobby, zeit+ am 21. Juni 2021
  • Erster Leak aus dem US-„Ufo“-Bericht: Aliens, Hyperschallwaffen – wer weiß? GWUP-Blog am 4. Juni 2021
  • Wieder ein Ufo-Whistleblower, Raumschiffe und tote Aliens, GWUP-Blog am 5. Juli 2023
  • Innerhalb des geheimen Ufo-Programms des Pentagons, ufo-information am 26. März 2020
  • „Wir brauchen Daten“: Interview zum neuen „Ufo-Report“ der US-Navy mit Professor Hakan Kayal, GWUP-Blog am 26. Juni 2021
  • Die Ufo-Videos der US-Navy sind echt – und jetzt? GWUP-Blog am 3. Oktober 2019
  • Ufo-Videos der US-Navy freigegeben: zwei Flugzeuge und ein Ballon? GWUP-Blog am 2. Mai 2020
  • Drohnen, Artefakte, Aliens? Neue „Ufo“-Videos der US-Marine, GWUP-Blog am 28. Mai 2021
  • Ein Stanford-Genetiker über den Atacama-Alien und den „Starchild-Schädel“, GWUP-Blog am 6. Juni 2014
  • Das Rätsel um die Alien-Mumie von Atacama scheint gelöst, GWUP-Blog am 12. Mai 2013
  • Wie ein toter Alien Ufo-Freaks endlich Gehör in Washington verschaffen soll, GWUP-Blog am 28. April 2013
  • Aliens im mexikanischen Parlament – warum die „Forscher“ berüchtigt sind, geo.de am 13. September 2023
  • A close encounter with the ‚alien bodies‘ in Mexico, reuters am 17. September 2023

7 Kommentare

  1. Mit zunehmender Fassungslosigkeit – und zunehmendem Ärger – habe ich vor kurzem die eine oder andere „Enthüllungssendung“ zu UFOs bei einschlägigen, sich durchaus seriös gebenden Sendern verfolgt.

    Was dort kolportiert wurde, teils unter bemühter Berufung auf Bigelow, war auf ätzende Weise unkritisch bis unlogisch, es fehlte jedes Hinterfragen.

    Das ist ja an sich nichts Neues. Aber ich habe eben auch das Gefühl (zugegeben, ohne Empirie dafür liefern zu können), dass es sich um einen teils mediengetriebenen neuen Hype handelt.

    Die Volksverdummung hat sich mal wieder auf die Außerirdischen fokussiert, die fraglos für 99,9 Prozent aller Sichtungen verantwortlich sind.

    New Age 2.0, wie ich schon einmal in einem anderen Zusammenhang fragte?

  2. @Udo Endruscheit

    Ich kenne keine neuere, systematische, religionssoziologische Erhebung zu den Neuen religiösen Bewegungen – Sie können es auch Esoterik oder New Age nennen.

    Bislang ging man in der Religionssoziologie davon aus, dass derartige Überzeugungen, Erfahrungen und Handlungen zu selten in der Gesellschaft vorkommen, als dass sie in einer repräsentativen Studie aufscheinen würden.

    Vielleicht hat sich das in den letzten 50 Jahren geändert. Außerdem ist man in der Religionssoziologie bisher mit seinen christentumsbezogenen Variablen zufrieden.

    Wenn es eine New-Age-Bewegung 2.0 geben soll, wüsste ich gerne, was das Neue daran ist. Mir fällt dazu nur ein, dass diese Überzeugungen in einzelnen Fällen neuerlich politische Relevanz bekommen (WHO, Krankenhaus in Wien, Granderwasser in einer Gemeinde etc.) haben.

    Sonst bleibt es das Alte, dass regelmäßig medial hochgespült wird.

  3. @Carsten Ramsel:

    New Age 2.0 – ich hatte das ja nicht umsonst als Frage formuliert. Klar, das Alte wird hochgespült, das ist immer mit dabei – schließlich gibt es ja nichts Neues unter der Sonne, wie schon das Alte Testament postulierte.

    Was mich (und nicht nur mich) umtreibt, das ist innerhalb der medizinisch-akademischen Forschung so mancher Versuch, die wissenschaftliche Methode mehr oder weniger subtil zu diskreditieren und eine Art soziokulturellen Modus von „Ganzheitsmedizin“ mindestens gleichberechtigt zur evidenzbasierten Medizin als dem derzeitigen Forschungsparadigma zu etablieren.

    Da spielt sich „hinter den akademischen Kulissen“ bereits ein teils harter Schlagabtausch ab.

    Natürlich ist der interessengeleitet – und auch nicht neu. Aber ich zweifle nicht daran, dass die Proponenten solcher Tendenzen derzeit gesellschaftlichen und soziokulturellen Rückenwind verspüren – eine Art „New Age 2.0“.

    Genau wie in den 1970er Jahren die Dämme auch in der Medizinforschung brachen (Homöopathie, Akupunktur und anderes) und das trotz der Gegenbewegung von Sacketts Evidenzbasierter Medizin (1997) bis heute nicht wieder eingefangen ist.

    Q.e.d.

  4. „UFO-Experte zeigt angebliche Alien-Leichen im mexikanischen Parlament“:

    https://www.merkur.de/welt/mumie-news-ufo-mexiko-leiche-alien-experte-parlament-zr-92527335.html

  5. Herrliche Pseudo-Doku von „Ancient Aliens“:

    https://www.youtube.com/watch?v=va4k_MtQ4O4

    Die Regierung der Vereinigten Staaten hat also bestätigt, dass es unbekannte Flugobjekte an unserem Himmel gibt.

    Was nie jemand bestritten hat.

    Nun hoffen viele, dass sie bald als außerirdischen Ursprungs erklärt werden.

    Viele? Oder nur die Skinwalker-Ranch-Clique?

    Am Ende kommt allen Ernstes Erich von Däniken zu Wort.

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