Neu im PodcastConny und Kurt – Zwischen Himmel und Erde:
Die Sterne sagen nicht die Zukunft voraus – auch nicht für 2023
Was bringt das neue Jahr? Eine Frage, die gerne spielerisch an Silvester beim Bleigießen beantwortet wird. Wissen, was die Zukunft bringt. Eine uralte Sehnsucht der Menschen, die gerade in Krisenzeiten Konjunktur hat.
Alljährlich untersucht die Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften, Darmstadt, in einem Prognosecheck, ob die Hellseher:innen und Astrolog:innen richtig gelegen haben. Da gibt es manch Absurdes. Das Ende der Rolling Stones, ein Feuer im Schloss Neuschwanstein oder Riesenkaninchen, die eine Stadt angreifen.
Und doch boomt der Markt weiter. Bernd Harder von der GWUP im Podcast Conny&Kurt: „Die Astrologie hat in den letzten zwei Jahren einen Aufschwung genommen. In unsicheren Zeiten will man Orientierung. Vielleicht wissen ja die Sterne doch mehr als unsere Wissenschaft.“
Er weist auch auf die Vernetzung der unterschiedlichen esoterischen Szenen mit denen der Verschörungsgläubigen hin: „Bei den festgenommenen Reichsbürgern war eine Astrologin dabei, die Ministerin werden sollte. Es gibt Verbindungen zwischen den Szenen.“
Astrologie kann eben mehr werden als eine Spielerei.
Aberglaube in Maßen [im Sinne einer positiven Selbstwirksamkeitserwartung] scheint eher positive Effekte zu haben.
Der Aberglaube an Glücksbringer könne aber auch gefährlich und störend wirken, wenn er die Person einschränkt, etwa wenn ein Ritual vor einer Prüfung sehr lange dauere oder wenn man den Glücksbringer vergesse und dadurch unruhig werde.
Allerdings sei es schwierig, „Aberglauben“ überhaupt zu erforschen, weil kaum jemand sich selbst als abergläubisch bezeichne, erklärt Stoberock:
Auch aus moralischen Gründen ist Aberglauben-Forschung nicht so ganz einfach. Man kann ein Ritual im Experiment einüben und dann ausführen lassen, aber man kann Studierenden vor der Klausur nicht den Glücksbringer wegnehmen, oder auch Top-Sportlern wie zum Beispiel Ronaldo die Rituale verbieten, nur um zu schauen, wie danach die Leistung ist. Es würde auch niemand an solchen Studien teilnehmen. Es ist also gar nicht so leicht.
Die Effekte scheinen auch generell nicht riesig groß zu sein, es gab auch Studien, bei denen keine Effekte von Aberglauben auf das Verhalten gezeigt werden konnten. Aber einige Studien zeigen das doch: Aberglaube in Maßen kann durchaus hilfreich sein.
Das mag „im Falle von Silvestertraditionen“ so sein – allerdings weist Katharina Nocun bei nd darauf hin, dass Aberglaube „dann nicht mehr harmlos [ist], wenn Leute wichtige Lebensentscheidungen von so etwas abhängig machen“:
Der Übergang von harmlosem Aberglauben hin zu gefährlicher Esoterik ist fließend. Entscheidend dafür ist oft, in welcher Situation sich der Mensch befindet und welches Gewicht der Aberglaube darin bekommt.
Ob es lediglich irgendein Talisman von der Mutter oder Oma ist, mit dem man schöne Erinnerungen verbindet, oder ob sich jemand, der Krebs hat, einen Heilstein kauft und glaubt, dieser ließe ihn jetzt gesund werden. Dann wird es schnell lebensgefährlich.
Wie brutal selbsternannte „Coaches“, Esoteriker und Astrologen die Sinn- und Glückssehnsucht von Menschen ausnutzen, zeigt – ansatzweise – die 3sat-Doku
Rituale, Esoterik, Aberglaube: Sinnsuche zwischen Spiritualität und Wissenschaft
Erschreckend, wie (bei Minute 31) die Berliner Astrologin Uli Mai mit simplem Barnum-Gewäsch bei ihrer Klientin einen emotionalen Ausnahmezustand herbeiführen kann.
Ob sie irgendeine ernstzunehmende Ausbildung hat, um mit solchen Situationen umzugehen beziehungsweise tatsächlich „Krisenbegleitung“ (LinkedIn) gewährleisten zu können, geht aus ihren Web-Profilen nicht hervor – da ist nur einem Literaturstudium und einer pseudomedizinischen Methode die Rede.
Immerhin halten Prof. Peter Brugger vom GWUP-Wissenschaftsrat und der Astrophysiker David Gruber dagegen, aber die False Balance triumphiert mal wieder (noch viel schlimmer ist es allerdings bei Zeit-Online – da weiß man nicht mal, ob das vielleicht eine Astro-Parodie sein soll).
Dass es in Wahrheit keinerlei Unterschied zwischen „seriöser“ (individueller) und „unseriöser“ (Zeitungshoroskope) Astrologie gibt – geschenkt, die standhafte Behauptung des Gegenteils gehört natürlich zum Selbstmarketing einer jeden sich „seriös“ gebenden Astrologin.
Darüber hinaus plappert Mai irgendwas von einer „Korrelation zwischen dem, was am Himmel passiert und was hier passiert“ daher, die „alle Kulturen seit den Steinzeitkulturen“ beobachten hätten.
Da hat der Zuschauer vermutlich längst wieder vergessen, dass Brugger kurz davor magisches Denken eben mit der Verwechslung von Korrelation und Kausalität erklärt hat.
Und wenn Mai sich wirklich für das astrologische Wissen alter Kulturen interessieren würde, könnte sie sich zum Beispiel beim „Zodiac“-Projekt an der Freien Universität Berlin darüber informieren. Dort wird auch ihre Überzeugung, Astrologie sei keine Glaubenssache und kein Religionsersatz, widerlegt.
Menschen möchten das Gefühl haben, ihr Leben kontrollieren zu können. Zu diesem Wunsch nach Sicherheit gehört auch, sich auf das vorbereiten zu können, was die Zukunft bringt – und dieses Schicksal vielleicht noch ein bisschen umlenken zu können. Die Astrologie bedient dieses Bedürfnis perfekt; auch deshalb, weil sie nicht falsifizierbar ist.
Wenn eintritt, was im Horoskop stand, fühlen sich die Menschen bestätigt. Wenn nicht, finden sie genügend Gründe dafür, warum es nicht stimmte – zum Beispiel, weil die Berechnungen falsch waren. Ein Horoskop liefert Informationen, die wir alle gern hätten und die keine andere Technik beschaffen kann.
Welt am Sonntag: Und was nun ist die religiöse Dimension daran?
Ossendrijver:Die Astrologie verknüpft das menschliche Leben mit Ereignissen im Kosmos und verleiht ihm dadurch einen viel tieferen Sinn. So haben in der Antike schon die Anhänger der stoischen Philosophie argumentiert.
Ich glaube, das finden die Menschen bis heute an Horoskopen attraktiv: die Vorstellung, dass die eigenen Geschicke aufs Engste mit dem großen Ganzen verknüpft sind. Man ist nicht nur ein kleines, unbedeutendes Staubkorn, sondern hat seinen festen Platz im Universum.
Fragt sich nur, was an der Tatsache, dass wir Sternenstaub sind, unbedeutend sein soll?
Zum Weiterlesen:
Wir alle sind aus Sternenstaub – und das sollte uns Trost spenden, rnd am 14. Oktober 2022
Das Nationalarchiv der Vereinigten Staaten (National Archives and Records Administration/NARA) hat Mitte Dezember mehr als 13.000 bislang geheim gehaltene Dokumente zum Attentat auf John F. Kennedy veröffentlicht.
Damit seien nun 97 Prozent der rund fünf Millionen Seiten freigegeben, die bei der NARA zur Ermordung von JFK gelagert sind, heißt es in einer Pressemitteilung.
Eine begrenzte Zahl von Datensätzen werde weiterhin unter Verschluss bleiben. Dies sei laut einem White House Memorandum notwendig, um „die militärische Verteidigung, Geheimdienstoperationen, Polizeiarbeit oder Außenpolitik“ vor Schaden zu bewahren.
Die seit 2017 der Öffentlichkeit zugänglich gemachten Unterlagen bieten schon deshalb keinen neuen Blick auf die Vorgeschichte des Attentats und die Tat selbst, weil sie ausnahmslos schon vor Jahrzehnten der mit der Aufklärung beauftragten Kommission um den damaligen Obersten Richter der USA Earl Warren oder später verschiedenen Untersuchungsausschüssen des US-Kongresses und anderer Institutionen vorgelegen haben.
Was in diesen Unmengen Papier festgehalten wurde, ist daher längst eingeflossen in die schier unüberschaubaren Berichte dieser Gremien. Sie sind inzwischen fast ausnahmslos downloadbar oder stehen gedruckt zumindest in großen Bibliotheken in den USA, teilweise auch in Deutschland, etwa in der Bayerischen Staatsbibliothek in München.
Deshalb hätten auch die in Trumps Amtszeit freigegebenen Dokumente nicht einen substanziellen Fortschritt in Sachen Aufklärung des Dallas-Attentats erbracht.
Dass in den Akten zum Mordfall Kennedy noch sensationelle Fundstücke auftauchen, hält Kellerhoff praktisch für ausgeschlossen:
Alle bekannten Verschwörungstheorien sind widerlegt, was aber ihre Anhänger nicht hindert, sie immer wieder als angeblich neu zu verbreiten. Beispielhaft dafür ist die schon legendenumwobene „magische Kugel“.
Angeblich sollte das Geschoss, das Kennedy zuerst traf und dann den vor ihm sitzenden Gouverneur von Texas John Connally, dabei insgesamt sieben Wunden schlug, fünfmal die Richtung gewechselt haben. Connally wurde schwer verletzt, seine neben ihm sitzende Ehefrau blieb unverletzt.
In Wirklichkeit beruhe dieser falsche Eindruck darauf, dass die Verschwörungstheoretiker unzutreffende Sitzpositionen der beiden Getroffenen zur Grundlage ihrer Spekulationen gemacht hätten.
Bei korrekter Verortung Kennedys und Connallys entsprechend der zahlreichen Fotos und Filmaufnahmen sowie in Kenntnis der Konstruktion der Präsidenten-Limousine jedoch zeige sich eine absolut gerade Schussbahn.
Hier kann man die freigegebenen Unterlagen online einsehen.
Zum Weiterlesen:
Neue Akten zum Kennedy-Mord, Welt+ am 16. Dezember 2022
Tausende Geheimdokumente zur Ermordung von John F. Kennedy freigegeben, spiegel.de am 16. Dezember 2022
US-Regierung veröffentlicht weitere 13.173 Dokumente zum Kennedy-Attentat, grenzwissenschaft-aktuell am 16. Dezember 2022
National Archives Releases New Group of JFK Assassination Documents, archives.gov am 15. Dezember 2022
Vom „Aufwachen“ in den Kaninchenbau und zurück: Bekenntnisse eines ehemaligen Verschwörungsideologen, GWUP-Blog am 25. Dezember 2022
Die Hellseherin Jeane Dixon und das Kennedy-Attentat: kein gutes Beispiel für „Vorahnungen“, GWUP-Blog am 1. Juli 2022
Wie starb JFK wirklich? Fünf Mythen im Faktencheck, Welt-Online am 13. November 2020
Wir sind mitten in den Rauhnächten (eine schöne Fotostrecke dazu bringt zeit.de) – und die Medien entdecken das Thema „Geister“.
Die NDR-„Nordreportage“ setzt die Paranormal Research Group-Hamburg in Szene.
Zu sehen gibt es jede Menge Techno-Mystizismus. Der angekündigte „kritische Blick auf die Ergebnisse“ entpuppt sich dann als Zwei-Minuten-Statement. Zwar immerhin von GWUP-Mitglied Dr. Timur Sevincer (r.), aber für einen 30-Minuten-Beitrag ist das sehr wenig.
So genau wollte man es dann wohl doch nicht wissen.
Das wird indes noch getoppt von der Schwäbischen Zeitung, die ganzseitig über „zwei selbsternannte Geisterjäger“ auf der Waldburg im Landkreis Ravensburg berichtet. Ohne jede kritische Einordnung.
Noch bis zum 30. Dezember sei einer der beiden „paranormalen Ermittler“ mit einem Infostand auf der Waldburg, „um Besuchern Rede und Antwort zu stehen und um sein Equipment zu erklären“.
Nun ja – die erste Frage wäre, wie der junge Mann darauf kommt, dass man mit irgendwelchen Geräten aus dem Bau- oder Elektromarkt „Geister“ detektieren kann, von denen man weder weiß, ob es sie überhaupt gibt und wenn ja, welche Eigenschaften sie haben und wie man diese „messen“ könnte.
Aber das haben wir alles schon x-mal erklärt, zum Beispiel hier oder hier.
Kann man genauso gut zum „John Sinclair“-Gruseldinner gehen.
Zum Weiterlesen:
Spuk und Paranormales, GWUP bei Spiegel-Online, GWUP-Blog am 27. Dezember 2022
Videos: Lydia Benecke und die schwierige Aufklärung über Spuk und Paranormales, GWUP-Blog am 1. November 2022
Geister oder was man dafür hält, GWUP-Blog am 30. Oktober 2022
„Orte, die Besucher das Fürchten lehren“ – aber was spukt da eigentlich? GWUP-Blog am 30. Oktober 2017
“Ihr messt mit tollen Geräten – aber was?” Welt-Online am 19. September 2013
Ghosthunting und Techno-Mystizismus, GWUP-Blog am 16. Oktober 2009
Sonderbare Erfahrungen an unheimlichen Orten: Spuk? GWUP-Blog am 10. Juni 2015
Why Do People See Ghosts? gizmodo am 30. Oktober 2017
What Makes a House Feel Haunted? psychology today am 2. November 2015
A psychologist explains why haunted houses terrify us, fastcompany am 23. Oktober 2019
Unfassbare Erscheinungen: Ein Gespräch mit Joe Nickell über Geister, Skeptiker 4/2008
Spuk-Schwarte: Vier Experten des GWUP-Wissenschaftsrats kommentieren das Buch „Die Geister-Akte“ von Jeff Belanger, Skeptiker 4/2008
„Ist da was?“ Unterwegs mit Geisterjägern, Skeptiker 4/2009
Geisterjäger im Labor, dasgehirn.info am 19. September 2017
Überall spukt es – sogar im Büro eines Skeptikers, GWUP-Blog am 1. November 2013
Vor zehn Jahren konnten wir uns um diese Zeit endlich wieder zurücklehnen.
Nach unzähligen Vorträgen, Interviews und nicht zuletzt einer abgewehrten Abmahnklage gegen die Augsburger Skeptiker wegen ihrer „Weltuntergangsparty“ am 21. Dezember 2012 wurde endlich zwischen den Jahren für jeden offensichtlich, dass der Weltuntergang mal wieder ausgeblieben war.
Auch der sagenumwobene Planet „Nibiru“ hatte die Erde anscheinend nicht erreicht.
Auch nicht 2013, nicht 2014 und nicht 2017, als dieser mysteriöse Himmelskörper sich erneut in die Erdkugel bohren sollte.
Aber kann ja noch werden – oder nicht?
Hoaxilla haben sich den Mythos um Nibiru alias Planet X alias Planet Neun für die aktuelle Folge mal näher angesehen.
Und da auch „Nibiru“ zu den unsinkbaren Gummienten des Eso- und Para-Zirkus gehört, veröffentlichen wir im Folgenden das vollständige Kapitel „Nibiru – der Weltenzerstörer“ aus meinem Buch „2012 oder wie ich lernte, den Weltuntergang zu lieben“ (Herder, 2011).
Der vielleicht längste Blogbeitrag ever. Und ja, so war das damals.
——————————————————————————————————————————————-
Treffen sich zwei Planeten …
Millionen Menschen auf der ganzen Welt können über diesen Witz beim besten Willen nicht mehr lachen:
Sagt der eine Planet zum anderen: „Und, wie geht’s denn so?” Dieser entgegnet: „Ach, nicht so gut, habe gerade Homo sapiens.“ Darauf der andere: „Keine Angst, das geht vorbei.“
Lustig? Nicht unbedingt.
Denn möglicherweise ist es tatsächlich bald vorbei mit der Menschheit. Denn er nähert sich unaufhaltsam. Nibiru ist im Anflug! Jener mysteriöse Himmelskörper, der vor 3600 Jahren schon für die zehn biblischen Plagen verantwortlich war. 2012 ist es wieder soweit. Dann wird der Weltenwanderer erneut Chaos und Zerstörung bringen.
Warum lügen Sie? Er kommt. Und jeder weiß das!
Seit einiger Zeit wird David Morrison,Senior-Fachkraft am NASA-Institut für Astrobiologie, mit solcherlei E-Mails geschmäht. Morrison betreibt die populäre Webseite „Ask an Astrobiologist“ und ist seltsame Fragen nach seltsamen Dingen wie Ufos oder Aliens gewohnt.
Als vor zwei, drei Jahren die Zahl der Auskunftssuchenden plötzlich explodierte, glaubte der Astronom noch an einen kurzlebigen Internet-Hoax als Ursache. Doch schnell wurde ihm klar, dass die Leute es ernst meinten. Todernst sogar.
Ich kann nicht mehr schlafen, ich mache mir wahnsinnige Sorgen – ich will nicht sterben!
war nur eine von zahllosen besorgniserregenden Nachrichten in seinem elektronischen Postfach.
Morrison versicherte den Schreibern, dass kein Planet namens Nibiru existiere und schon gar nicht auf die Erde zurase. Vergebens.
„Hören Sie endlich auf, die Unwahrheit zu propagieren“, forderte eine neuerliche E-Mail-Flut den Space-Experten auf:
Sie gefährden damit das Leben meiner Familie. Wenn die NASA das so massiv leugnet, dann muss etwas dran sein!
Klingt vernünftig. Denn was wissen schon Wissenschaftler?
Ganz offenkundig nicht das, was der unorthodoxe Altertumsforscher Zecharia Sitchin bei der Übersetzung von alten Keilschrift-Texten der Sumerer zutage förderte: In seinem Buch „Der zwölfte Planet“ legte Sitchin Beweise dafür vor, dass die Erde in vorgeschichtlicher Zeit von Außerirdischen besucht wurde.
Genauer gesagt: von den Annunaki, Bewohner des Planeten Nibiru.
Vor Äonen ist dieser Himmelskörper (manchmal auch „Marduk“ genannt) in unser Sonnensystem eingedrungen. Zu den wichtigsten Eckdaten Nibirus gehören eine Umlaufzeit um die Sonne von etwa 3600 Jahren und eine untypische, extrem elliptische Bahn.
Vor zirka 450 000 Jahren begann sich die lebensnotwendige Atmosphäre des Planeten zu zersetzen. Nur das Edelmetall Gold eignete sich als Reparaturmaterial – und eben dieses war knapp auf Nibiru. Also suchten die Nibiruaner/Annunaki die übrigen Planeten nach dem kostbaren Rohstoff ab. Und wurden fündig auf unserer Erde, unter anderem in Südafrika.
Im sumerischen Raum, im Zweistromland, errichteten die Extraterrestrischen Raumhäfen und Basen. Belege für die Besuche der Fremden finden sich auf Rollsiegeln der Sumerer sowie in religiösen Texten, etwa im Buch Genesis des Alten Testaments. Die Bibel benennt diese Götter aus dem All „Nephilim“:
In jenen Tagen gab es auf der Erde die Riesen, und auch später noch, nachdem sich die Gottessöhne mit den Menschentöchtern eingelassen und diese ihnen Kinder geboren hatten. Das sind die Helden der Vorzeit, die berühmten Männer. (Gen 6,4-5)
Wie ist das zu verstehen?
In der Lesart Sitchins so:
Da die Annunaki Sklaven für die Arbeit in den Goldminen benötigten, optimierten sie mittels genetischer Experimente die Hominiden (Menschenaffen/Primaten). „Der Mensch ist das Produkt der Evolution“, schrieb Sitchin. „Aber der moderne Homo sapiens ist das Ergebnis von Göttern.“ Von außerirdischen Göttern.
In der Folgezeit wurden die ursprünglichen Geschöpfe und Sklaven immer intelligenter und vermischten sich mit den Töchtern der Annunaki. Schließlich sei es zur Entstehung der frühen Hochkulturen gekommen – aber auch zu Intrigen und Auseinandersetzungen zwischen Aliens und Homo sapiens.
Am Ende hätten die Annunaki sich wieder von der Erde zurückgezogen. Zurück auf ihren Planeten Nibiru, am äußersten Rand des Sonnensystems.
Wieso eigentlich spricht Zecharia Sitchin von Nibiru als dem „zwölften Planeten“? Schließlich gibt es in unserem Sonnensystem nur acht Planeten – was hieße, dass Nibiru der neunte sein müsste.
Die eigentümliche Zählweise ergibt sich Sitchin zufolge aus dem sumerischen Weltbild:
Im Zentrum steht die Sonne (Apsu), dann kommen Merkur (Mummu), Venus (Lahamu), Erde (Ki), Mond (Kingu), Mars (Lahmu), Nibiru/Marduk, Jupiter (Kischar), Saturn (Anschar), Uranus (Anu), Neptun (Ea) sowie Pluto (Gaga). Für Sitchin gelten sowohl Pluto (seit 2006 nur noch ein „Kleinplanet“) als auch der Mond als Planeten, da die Erde Letzteren in der Frühzeit des Sonnensystems eingefangen habe.
Beweise dafür, dass die Sumerer derart detaillierte Kenntnisse unseres Sonnensystems hatten, will Sitchin auf verschiedenen Fundstücken aus Mesopotamien entdeckt haben. Dort ist auch die Rede von den Annunaki, sumerisch für „Die, die vom Himmel auf die Erde kommen“.
Alle 3600 Jahre nähert Nibiru sich der Erde. Und stets bringt er Aufruhr mit sich, verursacht kleinere und größere Katastrophen. Der letzte Durchgang soll zu der Zeit erfolgt sein, da Moses den Auszug der Israelis aus Ägypten vorbereitete. Die zehn Plagen könnten also Begleiterscheinungen des Nibiru-Durchgangs gewesen sein.
2012 soll es wieder einmal soweit sein. Nibiru wird die Erde heimsuchen und die Annunaki, Schöpfer und Herrscher der Menschen, kehren zurück. „Mit welchen Absichten, das bleibt völlig offen“, merkt Der 2012 Blog an.
Bleibt es nicht.
Denn es gibt jemanden, der Näheres dazu weiß. Eine Frau namens Nancy Lieder.
Bis 1995 war sie eine unauffällige Angestellte und Mutter aus Wisconsin. Doch dann machte Nancy Lieder mit spektakulären Enthüllungen auf sich aufmerksam: Der Planet Nibiru werde bald schon durch unser Sonnensystem donnern und nur knapp an der Erde vorbeischrammen.
Entwarnung? Keineswegs.
Die Gravitation von Nibiru löst einen Polsprung aus, der die Erde um 180 Grad dreht. Die Folgen dieser plötzlichen katastrophalen Umpolung: eine Erhitzung des Erdkerns, kochende Meere, Verschiebungen der Kontinentalplatten, Erdbeben und Vulkanausbrüche. Kurzum: das Ende der Menschheit.
Als Datum gab die Untergangsprophetin den 27. Mai 2003 an. Als nichts passierte, verlegte Lieder die Apokalypse durch den Himmelskörper auf „in den nächsten Jahren“. Als Hotspot gilt nun Dezember 2012.
Woher weiß Nancy Lieder das? Aus zuverlässiger Quelle. Denn Lieder ist ein Channel-Medium, das als „geistiger Kanal“ für den telepathischem Kontakt mit Bewohnern des Planeten Zeta (im Sternensystem Zeta Reticuli) fungiert.
Auf der Internetseite zetatalk.com informieren die „Zetas“ via Kanalarbeiterin Nancy Lieder die Menschheit über den bevorstehenden Untergang der Erde, ausgelöst durch den besagten Polsprung.
Und nun? Was sollen wir tun?
„Liebe mag vor dem Polsprung aufblühen, wie es sollte“, lautet die etwas kryptische Anweisung der Zetas:
Jene mit großer Liebe in ihren Herzen antworten auf die Erkenntnis, dass wenig anderes zählt.
Ersatzweise kann man auch eine „Survival Site CD“ für $ 4,10 von einer verbandelten Organisation mit dem programmatischen Namen „Troubled Times Inc.“ erwerben. Oder eine Broschüre für $ 7,50. Oder eine „Broschüre-/CD-Kombination“.
Gibt’s für das Doppelpack wenigstens Rabatt?
Wem eine solche Frage auch nur in den Sinn kommt, der hat noch nicht den Ernst der Lage realisiert: „Der Polsprung geht uns alle an und niemand kann sich ihm entziehen!“, grollt der Betreiber der deutschen Zetatalk-Präsenz:
Zetatalk wird bald eine der wichtigsten Websites im deutschsprachigen Internet werden. Es ist nicht einzusehen und es frustriert mich sehr, dass ich mich hier immer noch alleine abstrample! Bitte zeigt euch erkenntlich!
Unterstützung für ihre ebenso weltbewegende wie schwierige Mission findet Lieder zum Beispiel bei den „Raumbrüdern“, die mit ihr „den Glauben an eine alte Götterrasse“ aus dem Weltraum teilen. Im Impressum des Internet-Auftritts der „Raumbrüder“ steht denn auch zu lesen: „Die Idee und die Gestaltung dieser Seite entstammt dem universellem Bewusstsein“.
Auf der Seite findet sich ebenfalls eine lange Abhandlung über Nibiru. Er soll allerdings ein Brauner Zwerg sein – also ein Mittelding zwischen Stern und Planet. Einer seiner Monde wird heuer von den Annunaki bevölkert.
Diese humanoide Rasse (Mensch-Reptil-Hybriden) zeige sich in folgender Anmutung:
Sie sehen uns Erdenmenschen teilweise sehr ähnlich. Haarfarbe: blond bis schwarz, auch rot. Größe der Männer: zwei bis 2,20 Meter, Frauen 1,80 bis 2,20 Meter. Sie kommen aus dem Aldebaran-System im Sternbild Stier. Ihre Nachfahren sind in den Plejaden gesiedelt.
Möglicherweise ist den Annunaki ihr Mond zu klein geworden und sie denken nun daran, die Erde endgültig in Besitz zu nehmen. Und dabei lediglich einen winzigen Teil der Erdbevölkerung zu verschonen beziehungsweise in die achte, neunte oder irgendeine andere Dimension aufsteigen lassen.
Vermutlich nur diejenigen, welche die „Survival Site Broschüre-/CD-Kombination“ erworben haben. Ohne Ermäßigung.
Völlig klar, dass solcherlei Enthüllungen ein unvorstellbarer Schock für die Menschheit wären. Und deshalb geheim gehalten werden müssen. Aus diesem Grund hören wir von angeblichen Fachleuten wie David Morrison (in Wahrheit: Verschwörern) denn auch bloß die üblichen Beschwichtigungen.
In der zynischen Logik von NASA, UNO und Co. erscheint das durchaus verständlich, denn wenn tatsächlich ein Todesstern-ähnlicher Planet unser Sonnensystem kreuzt, dann dürften Probleme wie Klimawandel und Schuldenkrise bald sekundär sein:
Dann wird es nur noch um das nackte Überleben der Menschheit gehen. Klar, dass die Weltraum-Organisationen höhere Order haben und nur ihre eigenen Felle beziehungsweise die der Eliten ins Trockene bringen wollen … Das Beispiel des Unterwasserhotels Hydropolis in Dubai ist vor diesem Hintergrund jedenfalls eine völlig neue (Über-) Lebensperspektive für so manchen Hotelgast.
Bleibt allerdings die Frage: Wenn Nancy Lieder ihre Informationen über Nibiru aus erster Hand erhält (nämlich von galaktischen Nachbarn der Annunaki) – wieso ist der ursprünglich gechannelte Termin „Mai 2003“ folgenlos verstrichen?
Auch das ist leicht zu erklären:
Lieder wurde von der NASA erpresst und dazu genötigt, eine Falschinformation zu verbreiten, um so die Glaubwürdigkeit von Sehern, Propheten und anderen Medien auf lange Sicht nachhaltig zu beschädigen, erfahren wir zum Beispiel im Forum des Online-Portals Planet X/Nibiru 2012:
Sie [Regierungsorganisationen] wollen uns sagen: ,Schauen Sie sich diese verrückten Menschen an. Schau Dir all diese dumme Zeug an, das aus dem Internet kommt. Hören Sie besser uns zu, weil wir diejenigen sind, die Ihnen die Wahrheit sagen.‘
Aber was ist die Wahrheit? Und wo ist sie zu finden? Irgendwo da draußen, in unserem Sonnensystem, wo eine todbringende Gefahr sich längst auf den Weg zu uns gemacht hat?
Oder liegt die Wahrheit im Auge des Betrachters – in diesem Fall der Himmelsbetrachter?
Denn die Crux mit allen Konspirationsmythen rund um den geheimnisvollen Planeten Nibiru ist die: „Da sitzen also rund um den Globus in jeder klaren Nacht Zehntausende von (nicht-professionellen!) Beobachtern und gucken in den Himmel“, schreibt ein Kommentator launig im Astronomie-Blog Astrodicticum simplex:
Einige Hundert bis einige Tausend scannen visuell und fotografisch riesige Himmelsareale ab, auf der Suche nach Kometen und Asteroiden. Mit läppischen Acht-Zoll-Teleskopen beobachtet man Quasare in kosmologischen Entfernungen. Aber dieser blöde Nibiru geht einem jedes Mal wieder durch die Lappen.
Soll heißen:Wenn es Nibiru wirklich gibt – dann hat die NASA-Weltverschwörung jeden einzelnen Menschen, der weiß, wie man ein Aldi-Fernrohr bedient, fest im Griff.
Denn: Sofern Nibiru im Jahr 2012 die Erde fast touchieren sollte, müsste er sich mittlerweile längst in Bereichen aufhalten, wo er beobachtet werden kann.
Und zwar nicht nur von professionellen Sternwarten, sondern auch vonunzähligen Amateurastronomen, die den Nachthimmel absuchen und eine beeindruckende Bilanz für die Entdeckung von Kometen und Novas und von allem, was sich da oben tut, aufweisen.
Und die eben keiner Organisation angehören, nichts mit Geheimdiensten, Militärs, ESA, NASA oder sonst wem zu tun haben:
Wenn da irgendein Astronom etwas beobachtet, dann erfahren davon zuerst mal ein Haufen anderer Astronomen überall auf der Welt. Und nicht die Regierung. Da kann niemand was unterdrücken.
Wirklich nicht? Was aber, wenn die Verschwörung ganz woanders ansetzt?
„Es gibt Leute, die blicken an sonnigen Tagen immer wieder sorgenvoll zum Himmel“, schreibt beispielsweise das Focus-Magazin:
Zeigen sich dort bestimmte Kondensstreifen, steht für sie fest: Sie haben wieder gesprüht.
Der Begriff „Chemtrails“ leitet sich vom englischen „contrail“ (Kondensstreifen) her. Anders als ein normaler Kondensstreifen soll ein Chemtrail jedoch Chemikalien enthalten, die entweder durch eigens an Flugzeugen angebrachte Düsen versprüht oder aber dem Treibstoff zugesetzt werden.
Chemtrails „lösen sich angeblich nicht auf, sondern bleiben in der Luft hängen, wobei sie oft perlschnurartige Ausbuchtungen bilden und sich fächerförmig verbreitern“, heißt es im Focus weiter:
Vielfach zeichnen kreuzende Chemtrails ein Gittermuster ins Himmelsblau. Am Ende quellen sie zu eigenartigen Wolkenformationen auf, bevor sie zu einem diffusen Nebel verschmelzen. Solche Streifen sollen früher (in Deutschland vor dem Jahr 2000) nicht beobachtet worden sein, auch auf alten Fotos seien sie nicht zu finden.
Was hat das zu bedeuten?
Bislang sind Konspirologen mehrheitlich davon ausgegangen, dass mithilfe der chemischen Kondensstreifen entweder ruhigstellende Drogen ausgesprüht oder unbekannte Medikamente getestet oder heimliche Massenimpfungen durchgeführt oder todbringende Bio-Kampfstoffe freigesetzt werden, die die Weltbevölkerung um zwei bis vier Milliarden Menschen reduzieren sollen.
Oder dass es sich um ein Geheimprojekt zur Geburten- und/oder Gedankenkontrolle handelt. Oder dass Chemtrails irgendwas mit der Erderwärmung machen sollen.
Womöglich stimmt das aber gar nicht. Mittlerweile wird in einschlägigen Foren diese Variante diskutiert:
Also ich kann mir vorstellen, dass die Chemtrails wegen Nibiru gestreut werden. Das Sonnenlicht kommt nicht mehr richtig durch, Nibiru wird dadurch nicht richtig sichtbar. Die Regierung will so lange es geht verhindern, dass wir ihn sehen, darum auch seit einiger Zeit diese Chemtrails.
Nun ja, dann würde man aber gar keine Sterne mehr sehen – was offensichtlich nicht der Fall ist. Zumal Nibiru eines der hellsten Objekte am Nachthimmel sein müsste.
Andere Möglichkeit: Nibiru ist unsichtbar und wird deswegen von Astronomen nicht wahrgenommen. Seltsamer Gedanke? Kann schon sein.
Aber dem Ansehen der Brüder Grimm hat es auch nicht geschadet, dass nicht ganz klar ist, wie der Wolf Rotkäppchen und die Großmutter verschlucken konnte, ohne sie zu zerkauen. Antworten sind nicht unbedingt vorgesehen. Der Konspiratismus will verkünden, nicht diskutieren – ohne Interesse an einer kritischen Auswertung der Belege.
Und die zeigen in diesem Fall eindeutig: Es gibt auch keinen unsichtbaren Planeten Nibiru.
Wieso nicht? „Ein Himmelskörper macht sich ja nicht nur durch sein Licht bemerkbar“, erklärt der Astronom Dr. Florian Freistetter, „sondern auch durch seine Gravitation.“ Heißt: Auch für Planeten gibt es Regeln:
Die Planeten können sich nicht einfach irgendwie durch den Weltraum bewegen, auf einer beliebigen Bahn und mit beliebiger Geschwindigkeit. So wie alles andere im Universum müssen auch sie sich an die Naturgesetze halten.
Um die Erdbahn bedrohlich zu beeinflussen oder gar durch seine Gravitationskraft auf der Erde Naturkatastrophen auszulösen, müsste Nibiru unserem blauen Planeten außerordentlich nahe kommen.
Die Existenz eines solchen Gestirns in unserem Sonnensystem widerspricht aber allen Gesetzen der Himmelsmechanik. Wenn es sich bei Nibiru nämlich um einen Planeten mit der ihm nachgesagten vier- bis achtfachen Erdmasse handelt, der eine stabile Bahnführung besitzt und der alle paar tausend Jahre an uns vorbeirauscht, dann müsste seine Umlaufbahn die Bahn der anderen Planeten in unserem Sonnensystem regelmäßig kreuzen.
Und das wäre keinesfalls unbemerkt geblieben, denn ein Objekt von solcher Größe würde mit anderen Himmelskörpern massiv wechselwirken und zum Beispiel verhindern, dass die übrigen Planeten sich auf stabilen, annähernd kreisförmigen Bahnen um die Sonne bewegen.
Nibiru hätte Uranus, Neptun und Co. längst aus unserem Sonnensystem herausgekegelt – oder aber bei Kollisionen zerstört. Es ist extrem unwahrscheinlich, dass etwa der Mond immer noch da wäre, wenn regelmäßig Nibiru vorbeikommen würde.
Dass aber nicht zuletzt auch Raumsonden regelmäßig punktgenau ihr vorausberechnetes Ziel erreichen, ist ein sehr starkes Indiz dafür, dass da draußen kein gewaltiger Störfaktor namens Nibiru existiert.
„Würden wir bei dieser Rechnung einen Planeten einfach ignorieren – zum Beispiel den Jupiter – ,dann würde uns ein Teil der wirkenden Gravitationskraft entgehen und die Sonde würde nicht dort lang fliegen, wo sie lang fliegen soll“, so Freistetter bei Astrodicticum simplex:
Bewegen sich also die Himmelskörper nicht so, wie man es vorher berechnet hat, dann ist das ein Hinweis auf einen bisher nicht berücksichtigten Einfluss beziehungsweise einen bisher unbekannten Himmelskörper. Genau auf diese Art und Weise hat man im 19. Jahrhundert den Planeten Neptun entdeckt: Die vorherberechnete Bewegung des Uranus stimmte nicht mit der Realität überein und man hat daraus richtigerweise geschlossen, dass es noch einen weiteren Planeten geben muss.
Aber angenommen, Nibiru ist gar nicht so gewaltig, sondern bloß ein Kleinplanet? Dann hätte er nicht über Milliarden Jahre eine stabile Bahn bewahren können und der umgekehrte Fall wäre eingetreten: Die Heimat der Annunaki wäre von der Gravitationskraft der anderen Planeten vertrieben worden und irgendwo im Universum verschwunden.
Nächster Versuch:
Nibiru hält sich gar nicht in unserem Sonnensystem auf, sondern schleicht sich aus den Tiefen des Alls heran, um im Dezember 2012 ganz plötzlich zu erscheinen, vielleicht gar mit Lichtgeschwindigkeit? Nette Idee, aber ziemlich absonderlich.
Erstens könnte Nibiru dann logischerweise früher ja noch nie dagewesen sein. Und zweitens bewegen sich die schnellsten Sterne, die wir kennen, lediglich mit 0,2 bis 0,5 Prozent der Lichtgeschwindigkeit.
So weit, so gut. Einen Planeten namens „Nibiru“ gibt es also nicht.
Oder vielleicht doch – und er heißt nur anders? Nicht „Nibiru“, sondern ganz simpel „Planet X“. Denn wie sonst kommt es, dass auch anerkanntermaßen seriöse Nachrichtenmedien immer mal wieder einen geheimnisvollen „Planet X“ erwähnen?
Kaum verwunderlich also, dass dieses seltsame Faktum vielen Zeitgenossen große Sorgen macht.
Etwa einem Interessenkreis, der sich im Web-Portal wer-kennt-wen.de zusammengefunden und sich den Namen „Gruppe Roter Vollmond“ gegeben hat. Dort diskutieren die Teilnehmer unter anderem solche Behauptungen:
Es gab ein offizielles Dokument ,The search for planet X‘ der NASA. Und bereits 1983 berichtete die NASA in der Washington Post über eine Sichtung von Planet X, danach war Schweigen angesagt. Die Regierungen beziehungsweise Medien und NASA warnen die Bevölkerung nicht.
Auch im Kommentarbereich von Astrodicticum simplex, wo Astronom Freistetter als deutsches Pendant zu NASA-Frontmann David Morrison hingebungsvoll gegen die Nibiru-Panik ankämpft, tauchen regelmäßig Verschwörungstheorien um „Planet X“ auf.
Zum Beispiel:
Die moderne Bezeichnung für Nibiru ist Planet X. Er wurde 1983 vom IRAS-Team entdeckt und wird seitdem von der NASA totgeschwiegen beziehungsweise geheim gehalten, um auf der Erde eine Massenpanik zu vermeiden.“
Was hat es mit mysteriösen Chiffren wie „IRAS“ oder „Planet X“ auf sich?
Letztendlich wenig.
Mit „Planet X“ wird in der Wissenschaft ein unbekannter Planet bezeichnet. Diesen Ausdruck gibt es seit dem 18. Jahrhundert, als man feststellte, dass anscheinend ein noch nicht entdeckter Planet die Bahn des Uranus beeinflusst. Dieser Himmelskörper wurde dann im 19. Jahrhundert tatsächlich ausfindig gemacht: Es handelte sich um Neptun.
Seitdem ist „Planet X“ ein verbaler Platzhalter für eventuell vorhandene, aber noch nicht lokalisierte Planeten. Das IRAS wiederum war ein Satelliten-Weltraumteleskop, das nach Infrarotquellen im All fahndete und dabei jede Menge neue Objekte entdeckte.
„Nicht alle diese Infrarotquellen konnten gleich identifiziert werden“, schreibt Freistetter. Eben dies war denn auch das Thema eines Artikels, der 1984 im der Fachzeitschrift Astrophysical Journal erschien: „Unidentified point sources in the IRAS minisurvey“.
Eine der wilderen Spekulationen über die Natur dieser unidentifizierten Infrarotquellen fand ihren Weg in die Medien – und floss schließlich auch in den berüchtigten Washington Post-Artikel ein, der von Nibiru-Phobikern immer wieder angeführt wird:
The most fascinating explanation of this mystery body, which is so cold it casts no light and has never been seen by optical telescopes on Earth or in space, is that it is a giant gaseous planet as large as Jupiter and as close to Earth as 50 trillion miles.
Nachfolgebeobachtungen zeigten allerdings, dass es sich bei den okkulten Infrarotquellen lediglich um weit entfernte Galaxien handelt. IRAS fand – „leider“ – keine neuen Planeten. Die Literaturdatenbank ADS (Astrophysical Data System) weist zwar annähernd 120 wissenschaftliche Artikel aus, in denen „Planet X“ schon im Titel vorkommt – allerdings eben nicht als Synonym für den weltzerstörenden Nibiru.
Haben die Kritiker der „Treffen sich zwei Planeten“-Panik mithin Recht, wenn sie konstatieren: „Nibiru wird nur als Goldesel beziehungsweise Ich-mach-mich-wichtig verwendet!“
Es deutet zumindest alles darauf hin.
Gehen wir zurück zum Ursprung des Nibiru-Mythos. Zecharia Sitchin, der 2010 verstarb, war weder anerkannter Orientalist noch „Sumerologe“, sondern ein populärer Prä-Astronautik-Schriftsteller im Gefolge Erich von Dänikens.
Wie kam der vorgebliche „Altertumsforscher“ auf seine spektakulären Auslegungen der Archäologie des Zweistromlands? Durch schlichte Fehler und Irrtümer, ist nicht nur der Physiker Dr. Markus Pössel vom Max-Planck-Institut für Astronomie (Heidelberg) überzeugt.
Wie Sitchin Sumerisch und Akkadisch instrumentalisierte – die für die Frühgeschichte des Orients wichtigsten Sprachen – verdeutlicht Pössel an einem plastischen Beispiel:
Stellen wir uns vor, ein Austauschstudent aus China, der sowohl die deutsche wie auch die englische Sprache erst auf Anfängerniveau beherrscht, legt seiner Sprachlehrerin folgenden kurzen Aufsatz über eine Begebenheit in seiner Gastfamilie vor:
„Als Peter („Der ein Haustier ist”) mit seinem Lastwagen („seinem letzten Wagen”) gefahren war, traf er Annegret („Ein Fischreiher”). Er fragte sie, ob sie auch schon das neueste Buch von Zecharia Sitchin („Der auf seinem Kinn sitzt”) gelesen habe. Sie verneinte, erwiderte aber, Karin („Die im Auto ist”) habe es bestimmt gelesen.”
Nach einem Moment der Verblüffung wird deutlich, dass der Verfasser hier Wörter und Eigennamen übersetzt, indem er die deutsche und englische Sprache wild durcheinander wirft.
Man müsste dem Studenten also erst einmal erklären, dass man zum Beispiel die einzelnen Silben eines Wortes nicht wahlweise auf Deutsch oder auf Englisch wiedergeben kann. Denn ein „Lastwagen“ ist und bleibt nun mal ein Lastwagen – und kein „letzter“ (last) Wagen. Und natürlich ist auch ist die Aussprache von „Last“ (deutsch) und „last“ unterschiedlich: Obwohl beide Wörter identisch geschrieben werden, ist im ersten Fall das „a“ kurz, im zweiten Fall lang.
Auch die differierende Grammatik des Deutschen und des Englischen lässt unser Student völlig außer Acht, denn nur so kann er dem Namen „Peter“ die Bedeutung „Er ist ein Haustier“ geben – indem er das englische Substantiv „pet“ (Haustier) mit dem deutschen Personalpronomen „Er“ kombiniert („pet-Er“).
Mit der Orthografie nimmt der Autor es ebenfalls nicht allzu genau. So ist „ein Fischreiher” im Englischen zwar „an egret“, bloß mit „Annegret“ hat das nichts zu tun, was allein schon durch das zweite „n“ im weiblichen Vornamen deutlich wird.
Ebenso wenig ist unsere deutsche „Karin“ klanglich eine Frau „im Auto“ („car in“).
„Genau so“, erklärt Pössel, sei der Autor Zecharia Sitchin mit der sumerischen und der akkadischen Sprache umgegangen. Und auf diese eigentümliche Art und Weise fand Sitchin in den Überlieferungen der Sumerer alles, was er finden wollte.
Dass Sitchin sich eher als prähistorisch orientierter Science-Fiction-Autor betätigte denn als Wissenschaftler, wird in zahllosen Passagen seines Gesamtwerks deutlich.
Etwa zu den Anfangstagen der Annunaki auf Erden:
„Die Annunaki arbeiteten schwer. […] Vierzig Perioden lang, das heißt, während vierzig Umläufen ihres Planeten vor 144 000 Erdenjahren. […] Ununterbrochen arbeiteten die Annunaki, Tag und Nacht erlitten sie Mühsal. Während die Schächte immer tiefer und die Plackerei immer schlimmer wurde, beklagten sie sich, murrten hinter vorgehaltener Hand im Bergwerk.“
Aber dann: „Die Annunaki, die in den Goldminen arbeiten, meutern. Enki und Ninharsag erschaffen durch genetische Manipulation mit einem weiblichen Affenmenschen die primitiven Arbeiter, die die Schwerarbeit der Annunaki übernehmen.
Enlil überfällt die Minen und verschleppt diese Arbeiter nach Mesopotamien. Sie erhalten die Fähigkeit, sich fortzupflanzen, und der Homo sapiens beginnt sich zu vermehren. […]
„Eine amüsante Geschichte“, urteilt der Prä-Astronautik-Kritiker Dr. Klaus Richter, „der jeder Bezug zur Realität fehlt“.
Weshalb?
„Noch im vergangenen Jahrhundert“, holt Richter aus, „fand man in Südafrika (hier siedelt Sitchin seine Goldminen an) Gold an der Erdoberfläche, andernfalls hätte es in den 1880er-Jahren keinen Goldrausch in Südafrika gegeben“:
Wo ist die Logik, wenn den Annunaki erst nach 144 000 Jahren dämmert, dass sie eigentlich den Menschen als Arbeitssklaven schaffen können, und warum murren sie über die Abbauarbeit, wo ihnen doch als hochtechnisierten Außerirdischen entsprechende Mittel zur Verfügung gestanden hätten?
Wie kommt es, dass es heute noch große Goldvorkommen in Südafrika gibt, wenn doch der Mensch als Arbeitssklave der Annunaki 300 000 Jahre lang die Goldvorkommen geplündert hat? Und: Wo sind die Spuren der damals angelegten Bergwerke? Sie müssten doch heute noch zu sehen sein, das Gelände müsste völlig durchwühlt sein.
Und nicht nur das. Sitchin entwirft ein Bild zur Entstehung des Menschen, das völlig von den Erkenntnissen der modernen Paläoanthropologie abweicht:
Der Homo sapiens entstand vermutlich vor etwa 110 000 Jahren in Südafrika aus dem Homo erectus und bewegte sich von dort im Laufe der Jahrzehntausende nach Nordafrika, Europa (wo er auf den Neandertaler traf), nach Asien, Ozeanien und Amerika. Bislang gibt es keine ernstzunehmenden Hinweise auf außerirdische Eingriffe in die menschliche Evolution.
Sitchinerfinde Rätsel, „wo es keine Rätsel gibt, damit er sie dann im Sinne seiner Theorie lösen kann“.
Das ist alles.
„Nibiru“ ist und bleibt somit lediglich der Name einer Gottheit aus der sumerisch-babylonischen Mythologie. Sehr wahrscheinlich ein Sonnengott, denn „Neb-Heru“ bedeutete beispielsweise bei den alten Ägyptern so viel wie „Herr der Sonne“. Erst Zecharia Sitchin hat daraus mit viel Phantasie und exzentrischen archäologischen Interpretationen einen zerstörerischen Himmelskörper auf Beinahe-Kollisionskurs mit der Erde gemacht.
Und die Zeta-Talkmasterin Nancy Lieder?
Üblicherweise lassen sich weder gechannelten Jenseits- noch „Jenseits des Weltalls“-Botschaften höhere oder außergewöhnliche Einsichten entnehmen. Die „Troubled Times“-Topics (von „Aids“ und „Annunaki“ über „Planet X Denial“ bis zu „Wordwide Infertility“), die Lieder auf ihrer Seite zetatalk auflistet, stellen bestenfalls eine inhaltliche nur lose verbundene Abfolge äußerst simpler, vager und sich ständig wiederholender Ideen und Gedankenfragmente dar.
Hinter den „Botschaften“ von Aliens oder anderen höheren Wesenheiten verbergen sich wohl nichts anderes als unterbewusste, verdrängte oder abgespaltene Anteile des eigenen Seelenlebens des „Mediums“.
Nach Ansicht von Psychologen beruht das Phänomen des Channelings auf einer Art Trance, die entweder per Selbst- oder Fremdhypnose hervorgerufen wird. Dabei verengt sich das Wahrnehmungsfeld, während zugleich eine enorme Phantasietätigkeit freigesetzt wird.
„Volltrance-Medien“ sind sich ihrer Durchsagen meist nicht bewusst – weisen allerdings aber auch „durchwegs die Charakteristika schwerer schizophrener Persönlichkeitsstörungen auf“, urteilt der Autor Colin Goldner.
Auch im Kommentarbereich von Astrodicticum simplex meldete sich im Verlauf einer Diskussion zu 2012 ein angebliches Channel-Medium mit „Botschaften“ von Aliens – ob authentisch oder als Gag, war nicht ganz eindeutig.
Gefragt nach einem knappen Beweis für die Goldbachsche Vermutung – ein ungelöstes mathematisches Rätsel –, antwortete das übernatürliche Geistwesen äußerst diplomatisch:
Zahlenmeister wie du haben bei uns keine Bedeutung. Wir müssen keine Strecken ausrechnen oder etwas bauen, um zu reisen, wir reisen einfach […] Zahlen haben keine Bedeutung, es sind Dinge, die nicht da sind, die nicht existieren. Willst du wissen, was eine Primzahl in der vierten Dimension ist? Bevor ich dir das sage, musst du mir beweisen, dass du das Schema der vierten Dimension begreifen kannst, sonst kannst du auch mit den weiteren Erklärungen nichts anfangen.
Übersetzt heißt das vermutlich: Planet X – wird wohl nix.
Geschäftemacher (aber auch ehrlich Besorgte) legen trotzdem weiter nach. Und präsentieren jede Menge Beweisfotos und Filme vom herannahenden Nibiru, etwa bei Youtube. Oder sollten das alles ganz normale atmosphärische Effekte, Sonnenreflexionen und Kameraartefakte sein?
Wie bei den Unmengen an angeblichen Aufnahmen von außerirdischen Raumschiffen gibt es natürlich auch jede Menge Bilder von Planet X, die in Wahrheit einfach nur Venus, Jupiter oder einen anderen hellen bekannten Planeten zeigen.
Viele Leute haben eben einfach zu wenig Ahnung von den Dingen am Himmel, und wenn dann Planeten wie Jupiter und Venus prominent und extrem hell in der Abend- oder Morgendämmerung zu sehen sind, wissen viele nicht, was sie davon halten sollen, und denken, sie hätten Planet X gesehen.
Nun behaupten indes nicht wenige Nibiru-Fans, der Himmelskörper verstecke sich hinter der Sonne (was himmelsmechanisch gar nicht möglich ist, aber egal). Deshalb solle man die Sonne fotografieren/filmen – und dann sehe man endlich Nibiru auf den Bildern/Clips, so wie sie in allen möglichen Blogs und Foren ausgestellt werden.
Auch das ist Unsinn:
Wenn ich eine so helle Lichtquelle wie die Sonne fotografiere und keine speziellen Vorkehrungen treffe, dann stehen die Chancen nicht schlecht, dass am Ende auf meinen Bildern diverse interne Reflexionen der Kamera-Optik zu sehen sein werden,
Es muss ja nicht einmal die Sonne sein – jede helle Lichtquelle reicht aus, um solche Reflexionen zu bekommen. Man findet sie auf Unmengen Amateuraufnahmen, aber die Wenigstens halten solche Lichtflecken gleich für unbekannte Planeten.
Neben solchen optischen Effekten (von lästigen technisch bedingten Artefakten des CCD-Chips moderner Digitalkameras, von Hotpixel und Deadpixel wollen wir erst gar nicht anfangen) gebe es noch einige atmosphärische Phänomene, die den Anschein erwecken könnten, dort wäre ein unbekannter Himmelskörper.
Zum Beispiel eine sogenannte Nebensonne. Diese kommt zustande, wenn Sonnenlicht durch Eiskristalle in der Luft gebrochen und gespiegelt wird, was dazu führt, dass links und/oder rechts neben der Sonne helle Phantomsonnen sichtbar werden.
Haben wir nun sämtliche Anhaltspunkte bezüglich der realen Existenz eines Planeten Nibiru abgearbeitet? Können wir endlich mit Sicherheit sagen, dass Nibiru lediglich die Heimat des Konjunktivs ist?
Nicht ganz. Bleiben immer noch die merkwürdigen blinden Flecken bei dem visuellen Google-Tool google.sky oder dem World Wide Telescop.
Zensur? Oder bloß fehler- beziehungsweise mangelhafte Daten, die man leicht bei professionellen Astro-Datenbanken wie „Aladin“ überprüfen kann? Wenn Letzteres – dann hat Nibiru entweder eine absolut undurchdringliche Tarnvorrichtung aktiviert.
Oder es gibt ihn nicht.
Zumindest nicht als Planeten.
Aber nicht umsonst hat Nibiru in Skeptiker-Kreisen den Spitznamen „Nie-gib-Ruh“ weg. Vielleicht kommt er durch ein Wurmloch? Oder er dräut als gigantische kugelförmige Raumstation heran? Oder als Asteroid ? Schließlich liest man immer mal wieder: „Nibiru ist übrigens entdeckt worden und trägt normalerweise den Namen Eris.“
Gewiss, das sind Strohmann-Argumente, denn die2012-Freaks reden üblicherweise nicht von Ufos oder erdnahen Asteroiden, sondern von Planeten oder braunen Zwergen aus dem äußeren Sonnensystem. „Eris“ gibt es übrigens tatsächlich – das ist ein Kleinplanet, der seine Runden im Kuipergürtel zieht, dem eisigen Geröllfeld an der äußeren Grenze unseres Sonnensystems. Und dort bleibt er auch. Harmlos.
Die Existenz von Wurmlöchern dagegen ist eine reine Hypothese. Dabei soll es sich um „Abkürzungen“ zwischen verschiedenen Bereichen des Weltraums handeln. Ein anschauliches zweidimensionales Beispiel dafür wäre ein gefaltetes Blatt Papier, in das man ein Loch bohrt und so von einer Ecke des Blattes zur anderen kommt, ohne die ganze Länge des Blattes durchlaufen zu müssen.
Für den dreidimensionalen Raum wäre Ähnliches aufgrund der Allgemeinen Relativitätstheorie möglich. Das Problem: Wenn das Universum gar nicht entsprechend gefaltet ist, sondern flach, dann kann es auch keine Wurmlöcher geben.
Asteroiden? Klar, können immer die Erde treffen. In fünf Minuten oder in fünf Jahren oder in fünf Jahrtausenden. Die meisten sind aber so klein, dass sie keine Gefahr darstellen. Und größere Brocken wären jetzt schon bekannt. So erwarten Astronomen etwa für den August des Jahres 2039 einen nahen Vorbeiflug des Asteroiden „1999 AN 10“, der einen Durchmesser von über einem Kilometer hat.
Astronomen glauben, dass es am alleräußersten Rand unseres Sonnensystems einen Riesenplaneten gibt, der bislang übersehen wurde. „Tyche“, benannt nach der griechischen Schicksalsgöttin, ist so weit von der Sonne entfernt, dass er von außen nicht mehr beleuchtet wird – und andererseits als eiskalter Gasriese auch selbst kein Licht abstrahlt, so dass er buchstäblich im Dunkeln bleibt und mit normalen optischen Teleskopen nicht aufzuspüren ist.
Zwei amerikanische Astrophysiker namens John Matese und Daniel Whitmire von der Universität Lousiana schließen denn auch nur aufgrund von Bahndaten anderer Himmelskörper auf die Existenz ihres mysteriösen Großplaneten. Wie kommen die beiden darauf? Wegen der seltsamen Bahnen bestimmter Kometen. Diese kommen aus dem äußeren Bereich der „Ortschen Wolke“, benannt nach dem niederländischen Astronomen Jan Hendrik Oort.
Die Oortsche Wolke ist eine Art kosmisches Trümmerfeld aus Gesteins-, Eis- und Staubbrocken. Dort lösen sich immer mal wieder größere Teile heraus und gelangen in den inneren Bereich des Sonnensystems. Allerdings auf einem eigenartigen Schleuderkurs, der mit der Gravitationskraft eines verborgenen Großplaneten wie Tyche seine Erklärung finden könnte.
Könnte.
Andere Himmelsforscher halten die Existenz von Tyche vorerst für wenig mehr als eine „wunderbare Idee, auf jeden Fall untersuchungswert“. Möglicherweise wird es noch einige Jahre lang dauern, bis zum Beispiel aktuelle Daten des Weltraumteleskops „Wise“ ausgewertet sind.
Derzeit haben wir die Situation, dass die Tyche-Existenz von theoretischen Überlegungen abgeleitet wird. Ob die stimmen, ist noch längst nicht erwiesen.
Das Entscheidende ist aber:
Selbst wenn Tyche existiert, hat dieser Himmelskörper nichts mit dem Planeten Nibiru der 2012-Mystifizierer zu tun. Tyche wird immer extrem weit von der Sonne entfernt sein (etwa 15 000 Mal weiter als unser Planet) und sich nie auch nur annähernd in die Nähe des inneren Sonnensystems bewegen. Für die Erde macht es absolut keinen Unterschied, ob es den Gasriesen gibt oder nicht.
So? Aber weshalb bereitet sich dann zum Beispiel Norwegen intensiv auf Planet X vor?
Ich bin ein norwegischer Politiker. Ich möchte gern sagen, dass schwierige Dinge zwischen 2008 und 2012 passieren werden. Die norwegische Regierung baut mehr und mehr unterirdische Basen und Bunker. Darüber befragt sagte sie, dies sei nur zum Schutz des Volkes in Norwegen. Israel macht dasselbe, und genauso viele andere Länder […]
Der Planet X kommt und Norwegen hat damit begonnen, Ernährungsgüter und Saaten in der Svalbard-Gegend zu bunkern, ebenso im arktischen Norden mit Hilfe der USA und der EU, und überall im Lande. Sie werden nur diejenigen retten, die zur Machtelite gehören und wieder aufbauen können: Ärzte, Wissenschaftler usw. […]
Die Leute aus der Bevölkerung, die außen zurückgelassen werden und dem Tod ausgeliefert sind, werden keinerlei Hilfe bekommen. Der Plan ist, dass 2 Mio. Norweger in Sicherheit sein werden, der Rest wird sterben. Das heißt, dass 2,6 Mio. im Nichts verschwinden werden und nicht wissen, was dagegen zu tun ist.
Der Ursprung dieses „Briefes eines norwegischen Politikers“ lässt sich bis zur berüchtigten Online-Plattform „Project Camelot“ zurückverfolgen, auf der sich verhaltensoriginelle Internet-Aktivisten treffen. Das Ganze ist denn auch wenig mehr als ein Hoax beziehungsweise eine Verschwörungstheorie, die auf einer fehlinterpretierten Pressemeldung basiert.
2007 berichtete unter anderem der Stern von einem Bauprojekt in Spitzbergen, das schnell als„Tresor des Jüngsten Gerichts“ bekannt wurde.
Es ging darum, in einer alten Kohlemine drei Millionen Saatgutproben von Pflanzen einzulagern. Betrieben wird der „Svalbard International Seed Vault“ (so die offizielle Bezeichnung) vom Global Crop Diversity Trust, zu Deutsch: Welttreuhandfonds für Kulturpflanzenvielfalt. Ziel der Stiftung ist es, den Pflanzen-Genpool der Erde langfristig zu bewahren – nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund eines möglichen nuklearen Krieges oder des Einschlags eines Asteroiden.
Zuvörderst aber ist der Artenreichtum von Nutzpflanzen wie Mais, Reis, Weizen etc. zunehmend durch den Einsatz genetisch veränderten Samen und Pflanzen gefährdet. Der Svalbard International Seed Vault auf der Insel Svalbard (Spitzbergen) ist also eine Art Genbank, die als Sicherheitsreserve für bereits weltweit existierende Saatgut-Genbanken dient.
In dem zitierten Schreiben des anonymen „norwegischen Politikers“ finden sich denn auch zahlreiche Fehler, was beispielsweise die Parlamentswahlen in Norwegen 2009 betrifft:
2009 wird es eine FRP-Regierung geben und Siv Jensen wird Staatsministerin = Regierungschef werden. Dies ist bereits bekannt. Es ist wichtig, dies zu verstehen. Die Wahlen sind alle Fakes, und dieselben Personen und Machteliten werden abwechselnd gewählt.
Das ist nachprüfbar unrichtig, und nicht zuletzt aus diesem Grund können wir den „Brief eines norwegischen Politikers“ getrost in den Reißwolf geben.
Aber irgendwie muss der Mythos Nibiru doch zu retten sein.
Und nicht nur wegen solcher schrägen Vögel wie die beiden Sektenmitglieder, die in Loriots „Papa Ante Portas“ dem Hausherrn ihren überteuerten Kram aufschwatzen:
Nach Berechnungen des international anerkannten Professors Pirckheimer hat der Venusmond Tetra seine Umlaufbahn verlassen und rast auf die Erde zu. Das ist das Ende unserer Zivilisation. Nur wer innerlich und äußerlich sauber ist, hat nichts zu befürchten. Diese handgefertigten Wurzelbürsten und diesen natürlichen Badezusatz könnte ich Ihnen für achtundzwanzig fünfzig überlassen.
Klar kann man darauf mit „Das kommt mir jetzt aber ungelegen“ antworten – so wie im Film. Aber es hilft ja nichts. Wir müssen den Tatsachen ins Auge sehen, belehrt uns ein namenloser Kommentator bei Astrodicticum simplex:
Glaubt was ihr wollt. Die Hinweise sprechen für sich. Lasst euch nur weiter belügen! Im Endeffekt ist Nibiru das Beste, was der Erde passieren wird. Die Welt ist krank und der Mensch ist ihr Virus!
Und damit sind wir wieder am Anfang.
Treffen sich zwei Planeten. Sagt der eine Planet zum anderen: „Und, wie geht’s denn so?“ Sagt der: „Ach, nicht so gut, habe gerade Homo sapiens.“
Darauf der andere: „Keine Angst, das geht vorbei.“
Zum Weiterlesen:
Hoaxilla #309: „Der neunte Planet?“ am 22. Dezember 2022
Keine Spur von Planet Neun, spektrum am 1. März 2021
Schon wieder Weltuntergang. Schon wieder „Nibiru“. Schon wieder Quatsch, GWUP-Blog am 15. August 2017
Nibiru-Update im Skeptical Inquirer, GWUP-Blog am 6. November 2009
„Planet X“ – das wird nix, GWUP-Blog am 18. März 2014
„Ison“ kommt: Weihnachtsstern oder Apokalypse? GWUP-Blog am 3. Oktober 2013
Der Planet Nibiru – und es gibt ihn doch! GWUP-Blog am 22. Januar 2012
Bernd Harder: 2012 – Leitfaden für Endzeit-Liebhaber, Herder 2011
Ansonsten ist der Beitrag eine kaum erwähnenswerte, weil ziellose Zusammenfassung des Themas „paranormale Erfahrungen“ mit dem Fokus auf „Spuk“.
Natürlich darf da auch Walter von Lucadou nicht fehlen, der mal wieder eine eigenwillige „Erklärung“ raushaut:
Der eine bekommt bei einem Problem eine Magenschleimhautentzündung, der andere lässt es eben spuken.
Nur ist der Zusammenhang zwischen Stress und Gastritis plausibel erklärbar, wohingegen es „nicht bekannt ist“, dass quantenphysikalische Phänomene der Verschränkung auch beim Menschen auftreten, wie die Autorin richtig anmerkt.
Und dass Herr von Lucadou das lediglich „nicht gänzlich ausschließen will“, ist stark untertrieben – denn bekanntermaßen sieht Lucadou solche Verschränkungskorrelationen sogar beim Pferde- und Mannschaftssport am Werk.
Interessant ist allenfalls der Hinweis auf die aktuelle Studie „Paranormal beliefs and cognitive function“. Demnach geht der Glaube an Paranormales verstärkt mit intuitivem Denken, Bestätigungsverzerrungen (confirmation bias) und der Unterschätzung des Zufalls einher.
Unsere eigene Umfrage zum „Glauben an das Paranormale“ (Mestel, 2021) findet sich hier und hier, ein SkepKon-Video zum Thema „Welche Faktoren begünstigen den Glauben an das Paranormale?“ (Betsch, 2019) hier.
Zum Weiterlesen:
Ist der Spuk denn nie vorbei? Spiegel+ am 26. Dezember 2022
Videos: Lydia Benecke und die schwierige Aufklärung über Spuk und Paranormales, GWUP-Blog am 1. November 2022
Der „Shootingstar der Psychokinese“ zeigt in einer Doku etwas, was man auch im Zauberfachhandel kaufen kann, GWUP-Blog am 14. Juni 2021
Video: Die PSI-Tests der GWUP – Vortrag bei SitP Wien, GWUP-Blog am 16. Oktober 2022
Paranormal beliefs and cognitive function: A systematic review and assessment of study quality across four decades of research, plos one am 4. Mai 2022
Im 114. WildMics-Special ging es um das Radikalisierungspotential von Esoterik. Dabei sprachen wir unter anderem über die Esoterik im Nationalsozialismus und gingen der Frage nach, warum so viele Menschen gut an die Esoterik andocken können.
Weiterführende Links und viele Informationen findet ihr auf der Seite der Zeugen Kühlwaldis.
Mit dabei waren die Autorin Katharina Nocun und Lydia Benecke (nicht im Bild).
Zum Weiterlesen:
Interviews mit Pia Lamberty und Katharina Nocun über die Gefahren der Esoterik, GWUP-Blog am 11. November 2022
Skeptiker-Interview: „Gefährlicher Glaube – Die radikale Gedankenwelt der Esoterik“ mit Katharina Nocun, GWUP-Blog am 9. Oktober 2022
Alle Jahre wieder klaut Welt-Online (wie viele andere Medien auch) von Sky History die angeblichen Nostradamus-Vorhersagen für die kommenden zwölf Monate und strickt daraus einen kleinen Desaster-Leitfaden:
„Angebliche“ Vorhersagen deswegen, weil die 942 Vierzeiler des französischen Renaissance-Gelehrten (bis auf ein halbes Dutzend Ausnahmen) nicht datiert sind und jede Zuordnung auf ein bestimmtes Jahr völlig willkürlich ist.
Und natürlich geben auch diesmal weder Sky History noch die Welt-Autorin ihre Fundstellen an, sodass wir uns die genannten Vers-Bruchstücke wieder selbst in den „Centurien“ des Meisters zusammensuchen müssen.
Manch einer deutet diese Zeilen so, dass sich die momentan vorherrschende Inflation und dadurch entstehende soziale Ungerechtigkeiten noch mehr verschärfen werden. Andere wiederum sehen darin einen Beleg dafür, dass die Klimakrise sich derart verschärft, dass gewisse Grundlebensmittel knapp werden.
Anscheinend ist die Dame ein wenig vergesslich – denn obwohl laut ihrer Überschrift alles „noch schlimmer als 2022“ werden soll, hat sie diesen Vers einfach aus ihrem Artikel vom 7. Januar 2022 übernommen und nur geringfügig für 2023 angepasst.
Also schauen auch wir einfach mal in unseren Blogpost von damals.
Bei dem Quatrain dürfte es sich um Vers 75 der II. Centurie handeln, der von den zahllosen Nostradamus-Interpreten jeweils völlig anders gedeutet wird.
Drei Beispiele:
Jean-Claude Pfändler übersetzt die eigenwillige sprachliche Mixtur des raunenden Provoncalen aus Altfranzösisch, Latein, Lehnwörtern und Neologismen wie folgt:
Man hört die Stimme des ungewöhnlichen Vogels, den es über dem Luftabzugsrohr gibt. So hoch wird der Preis für den Scheffel Getreide sein, dass der Mensch für den Menschen ein Menschenfresser sein wird.
Man hört die Stimme des ungewöhnlichen Vogels über dem Geschützdonner auf dem Dach. Der Scheffel wird so teuer, dass der Mensch zum Menschenfresser wird.
Die Stimme des seltsamen Vogels wird vernommen, über dem Rohr des Beatmungs-/Überlebens-Stockwerkes. So hoch wird der Scheffel Weizen kommen, dass der Mensch vom Menschen essend, Menschenfresser wird.
Und was soll das bedeuten?
Pfändler sieht hier eine „extreme Hungersnot“, die laut Allgeier vom
… Motorenlärm der Flugzeuge – für Nostradamus ein ungewöhnlicher Vogel – verursacht
wird:
Interessant an diesem Vers ist die recht präzise Vorhersage des modernen Bombenkriegs mit Flugabwehrgeschützen auf den Dächern.
Was Nostradamus wohl meinte
Wie immer verknüpft Nostradamus auch hier Zeitgeschichte mit Motiven aus der Prodigien-Literatur, die in den Wirren des 16. Jahrhunderts wieder auf lebhaftes Interesse stieß:
Nachdem der Vorzeichenglaube in der Antike – vor allem bei den Römern – einen ersten Höhepunkt erlebt hatte, erhielt er im 16. Jahrhundert neuen Aufschwung.
Ob Nordlichter, Nebensonnenerscheinungen, Sonnenfinsternisse, Kometen, Kornregen, Blutwunder, Wunderbrunnen, Geistererscheinungen, Auferstehungen, Missgeburten und so weiter.
Sie alle sorgten bei den Menschen der Frühen Neuzeit für Angst und Schrecken, da sie als Zeichen Gottes galten, der die Menschen für ihre Sünden bestrafen und vor größerem Unheil warnen möchte,
Sogar Drucke zeugen davon, die dem, was Nostradamus in seinem Vers II, 75 beschreibt, verdächtig ähneln.
„Seltsame“/“ungewöhnliche“ Vögel als böses Omen kommen bei Nostradamus öfter vor, zum Beispiel im Vers 55 der IV. Centurie („Wenn die Krähe auf dem Ziegelhaufen sieben Tage lang schreien wird“).
Kein Wunder, denn „Pest-“ und „Sterbe“-Vögel waren seit dem Mittelalter als Vorzeichen populär, wie auf dieser Abbildung zu sehen ist.
Und dass die Formulierung „… der Mensch wird für den Menschen ein Menschenfresser sein“ mehr als nur ein wenig an den römischen Komödiendichter Plautus erinnert („homo homini lupus“), ist bei dem hochgelehrten und bibliophilen Kompilator Nostradamus (1503-1566) auch kein Zufall.
Und genau dieser Eklektizismus in Verbindung mit Nostradamus‘ enormer klassischer Bildung und der Fülle an Gegenwartsbezügen sowie antiken Versatzstücken in seinem Werk sind der Schlüssel zu den übrigen Versen, die Sky History/Welt-Online uns für 2023 präsentieren:
Die verheerende Wirtschaftskrise könnte zudem das Resultat des Ukraine-Krieges sein, der […] auch bereits der Beginn eines dritten Weltkrieges sein könnte.
Es hat himmlisches Feuer im königlichen Gebäude, wenn die Fackel des Krieges erlöschen wird. Während der sieben Monate des großen Krieges ist das Volk wegen des Verbrechens gestorben. In Rouen und Evreux wird man beim König nicht versagen.
Kurt Allgeier:
Himmlisches Feuer fällt auf den königlichen Palast, wenn das Licht des Mars erlöschen wird. Sieben Monate dauert der große Krieg. Die Leute sterben im Elend, Rouen und Evreux können dem Herrscher nicht helfen.
Ray Nolan:
Vom himmlischen Feuer auf das königliche Bauwerk, wenn das Licht des Mars schwächer wird, sieben Monate großer Krieg, Volk stirbt im Elend, Rouen, Evreux werden dem König nicht nachgeben.
Und was soll das bedeuten?
Allgeier sieht hier den Deutsch-Französischen Krieg von 1870 vorweggenommen, während Pfändler vage von einem Luftwaffenangriff auf „einen Königspalast“ und einem „Geschehen der Zukunft“ schreibt.
Was Nostradamus wohl meinte
Wahrscheinlich erinnert Nostradamus an die Belagerung von Rouen (Juli 1418 bis Januar 1419) im Hundertjährigen Krieg.
Die häufige Verwendung von französischen Ortsnamen in den Centurien erklärt der Nostradamus-Experte Elmar R. Gruber mit einem entsprechenden Wunsch von Verlegern oder Verehrern:
Deshalb durchforstete er geografische und landeskundliche Werke. Je mehr Regionen direkt angesprochen wurden, desto größer war der potenzielle Leserkreis.
Der „Mars“ im selben Vers …
bedeutet insofern nicht,
dass der Mensch den Nachbarplaneten endlich betreten könnte, oder aber, dass die Ansiedlungspläne auf dem Roten Planeten endgültig zum Scheitern verurteilt sind (Welt),
sondern gehört zum chronosophischen Konzept der Centurien, also einer Integration von Vergangenem und Gegenwärtigem auf astrologischer Basis.
Gruber:
Die den Planeten und ihren Chronodaten zugeschriebenen Eigenschaften und die damit korrespondierenden Geschehnisse in der Vergangenheit dienen als Grundlage für Spekulationen, wonach in der Zukunft bei ihrer Wiederkehr vergleichbare große Ereignisse und Veränderungen auftreten.
Bei seinen chronosophischen Ansätzen orientierte sich Nostradamus vor allem an dem Kanoniker und Okkultisten Richard Roussat – was auch einen weiteren Vers erklärt, den Sky History für 2023 als „Verschärfung der Klimakrise“ ausgibt und der auf Deutsch nicht bei Welt-Online, aber via Twitter oder bei maennersache.de kursiert:
In Wahrheit ist dieser Vers I, 17 mit dem Regenbogen (Arc du Ciel) und den 40 Jahren (quarante ans) ein Zitat aus Roussats „Livre de l’Etat et mutation des temps“ von 1550 („Buch über den Zustand und die Veränderung der Zeiten“, Seite 137):
Diese Schrift handelt von Planetenkonjunktionen, Zyklen, Zeichen und Referenzen, die Roussat, Nostradamus und ihre Zeitgenossen sowie davor Pierre d’Ailly für die Einordnung vergangener und gegenwärtiger Ereignisse heranzogen.
Dass Nostradamus aber nicht nur „astrophile“, sondern auch „bibliophile“ (Roger Prévost) war, zeigt Vers I, 57, der von Sky History auf „wachsende zivile Unruhen“ in 2023 hingebogen wird:
Die Trompete erschüttert mit großem Unfrieden. Ein gebrochenes Abkommen: das Gesicht zum Himmel heben: der blutige Mund wird mit Blut schwimmen
Auch hier weist Nostradamus lediglich sein humanistisches Gelehrtentum aus, indem er das „Satyricon“ des römischen Politikers und Schriftstellers Titus Petronius paraphrasiert.
In diesen Versen 270 bis 280 („Trompete“, „Zwietracht“, „blutiger Mund“ etc.) geht es um den Krieg zwischen Cäsar und Pompeius:
Als weitere Quelle stand Nostradamus das Buch „De honesta disciplina“ (1504) von Crinitus zur Verfügung, in dem sich auf Seite 202 diese Passage ebenfalls findet:
Intremuere tubae, ac scisso Discordia crine …
Dass diese literarischen Anspielungen ein gebräuchliches Stilmittel waren, zeigt auch Nostradams‘ ältester Sohn Cesar in seiner „Geschichte und Chronik der Provence“ von 1614, in der er mehrfach Bezug auf seinen berühmten Vater nimmt und auf Seite 979 ein ähnliches poème wie Vers I, 57 einschiebt:
Wir können es gut mit dem Dichter sagen: „La trompette a sonné, on a veu la discorde …“
Wir irren uns empor… Folge 3 – Timur Sevincer über Kultur, Zukunft und Denkfehler
“Wir irren uns empor.” – So lautete der Titel des Nachrufs auf den Wissenschaftsphilosophen Karl R. Popper, den Gerhard Vollmer im Jahr 1995 im Skeptikerveröffentlichte.
Mittlerweile handelt es sich dabei um einen feststehenden Ausdruck, der die Leitlinie des kritischen Rationalismus kompakt zusammenfasst. Uns dient Vollmers Wendung als Titel einer neuen Reihe, in der Skeptikerinnen und Skeptiker von ihren eigenen Irrwegen erzählen, Lektionen ableiten und Tipps geben, wie man Denkfehler vermeiden kann.