gwup | die skeptiker

… denken kritisch seit 1987.

26. Februar 2024
von Bernd Harder
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Video: Das „grüne Paradies“ für Impfgegner in Paraguay

Eine weitere Reportage über „El Paraiso Verde“, das grüne Paradies für „Coronaflüchtlinge“ in Paraguay, ist bei ARTE erschienen:

2016 gründete der Ex-Scientologe Erwin Annau das El Paraiso Verde, das grüne Paradies. Corona-Geimpfte sind dort unerwünscht. Er und seine Frau Sylvia verwandelten ein Feuchtgebiet von 16 Quadratkilometern im Süden von Paraguay in eine gigantische Gated Community mit bewaffneten Aufpassern.

Die Maskenbildnerin Irina aus Dresden glaubte anfangs an die Versprechungen von einem sorgenfreien Leben bei sonnigem Wetter in einer fröhlichen Gemeinschaft. Sie zahlte für ein Haus im „grünen Paradies“ Geld an.

Heute ist sie ernüchtert und kämpft um die Rückkehr ihrer Tochter, die im El Paraiso Verde geblieben ist. Auch andere deutsche Siedler sind enttäuscht. Sie sehen sich durch das undurchsichtige Geschäftsmodell des grünen Paradieses um ihre Ersparnisse gebracht. Viele gehen jetzt gerichtlich gegen die Betreiber vor.

Ein Reaction-Video dazu von El Paraiso Verde gibt’s bei Youtube.

Zum Weiterlesen:

  • Das vermeintliche Paradies der Corona-Freiheit: „Heilpraktiker, Wunderheiler und rechte Impfgegner“ in Paraguay, GWUP-Blog am 26. Dezember 2021
  • Video: Impfgegner in Paraguay, GWUP-Blog am 18. August 2022
  • „Präpotente Quadratschädel“: Deutsche Coronaflüchtlinge in Colonia Independencia, GWUP-Blog am 6. August 2023

24. Februar 2024
von Bernd Harder
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„Was Esoterik Macht“: Neue Download-Broschüre

Eine weitere Esoterik-Broschüre:

Was Esoterik Macht

Themen sind unter anderem Anthroposophie (Ansgar Martins), „Esoterik in sogenannten Alternativmedien“, die Anastasia-Bewegung sowie „Esoterik und alternative Heilmethoden als Zugangspunkt zu Verschwörungsideologien“ (Nora Pösl).

Herausgeber ist das Zentrum Liberale Moderne.

Die Publikation steht hier zum kostenlosen Download bereit, die einzelnen Beiträge sind auch online verfügbar.

Zum Weiterlesen:

  • FAQ Verschwörungsideologien und Esoterik: neue Broschüre, GWUP-Blog am 22. Februar 2024
  • Neue Broschüre: „Mystische Menschenfeindlichkeit“ und der Umgang mit rechter Esoterik, GWUP-Blog am 6. Februar 2024

23. Februar 2024
von Bernd Harder
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Satan Wants You: Eine Doku über „Michelle Remembers“ und den Beginn der Satanic Panic

Ein Buch, das Familien zerstörte (einschließlich die des Autoren-Duos), Menschen unschuldig ins Gefängnis brachte und eine „höllische Hysterie“ lostrat:

Die Rede ist von „Michelle Remembers“, das 1980 erschienen ist.

Darin schildert die damals 31-jährige Michelle Smith ihre wiederhergestellten Erinnerungen an „rituellen Missbrauch“ in einer Satanssekte, die während einer Therapie bei ihrem Psychiater Lawrence Pazder nach und nach zum Vorschein gekommen seien.

Das Buch und die Reaktionen darauf prägten zwei berüchtigte Begriffe:

Ritual Sexual Abuse

und

Satanic Panic

Die ganze bizarre Geschichte zeichnet die 90-minütige kanadische Doku „Satan Wants You“ nach, die jetzt bei der amerikanischen Streaming-Plattform Tubi TV verfügbar ist. Allerdings benötigt man dafür in Deutschland einen Anonymisierungsdienst wie anonymoX oder CyberGhost, um das Geoblocking zu umgehen. Außerdem ist „Satan Wants You“ im Video-on-Demand-Bereich von Vimeo für 9,99 CA$ verfügbar. Dort ist er von Game Theory Films veröffentlicht worden.

1979 ließ sich der gläubige Katholik Pazder von seiner Ehefrau scheiden und heiratete seine Patientin und Mitverfasserin Michelle Smith, die sich ihrerseits von ihrem Partner Doug Smith trennte. In dem Film wird deutlich, dass Michelle Smith von Pazder regelrecht besessen war. Der angesehene Psychiater wiederum war von dem Fall „Sybil“ fasziniert, der sich in den frühen 1970ern um eine Frau mit einer angeblichen Dissoziativen Identitätsstörung drehte.

Obwohl die Story von den 16 Persönlichkeitsabspaltungen wohl weitgehend erfunden war, machte er die Patientin, ihre Therapeutin und eine clevere Buchautorin bekannt und reich.

In „Satan wants you“ sagt Pazders Exfrau Marylyn aus, ihr Mann habe es ihnen gleichtun wollen:

He said, „I don’t want to be just an ordinary psychic; I want to be famous“, and he said, „I’ve got a patient just like that“, and that’s when he phoned her.

Michelle Smith und Lawrence Pazder in „Satan Wants You“

Nachdem das Buch „Michelle Remembers“ erschienen war, reisten die beiden wie Popstars von Interview zu Interview durch die USA. Sogar der Vatikan interessierte sich für die „Braut des Satans“, wie Michelle von Boulevardmedien genannt wurde. Für die Podcasterin Sarah Marshall ist Smith „the Patient Zero of the Satanic Panic“.

Pazders Exfrau und Michelles Geschwistern war dagegen schnell klar, dass die „Recovered Memories“ keinerlei reale Entsprechung in der Familiengeschichte hatten. In „Satan Wants You“ kommen sie nun ausführlich zu Wort. Pazder starb 2004 an einem Herzinfarkt. Smith weigerte sich, vor die Kamera zu treten.

Mit dabei sind Elizabeth Loftus, der Soziologe Jeffrey S. Victor, Blanche Barton und der ehemalige FBI-Agent Kenneth Lanning, der das Duo Pazder/Smith 1987 bei einer Konferenz in Virginia traf – und bei ihren Erzählungen sofort misstrauisch wurde.

Kenneth Lanning in „Satan Wants You“

Bei umfangreichen Ermittlungen fand Lanning keine Spur von „satanistisch-rituellem Missbrauch“.

Lanning ist es auch, der in „Satan Wants You“ den vielleicht wichtigsten Kommentar abgibt:

I came to realize this story is one of the most relevant topics that you could ever talk about in today’s world. It’s just not about Satanic Ritual Abuse of children, but this problem of what people believe when there is no real objective professional evidence of it – is an amazing thing to behold.

Die beiden Regisseure der Doku, Steve J. Adams and Sean Horlor, sagten dem Independent:

General consensus …is: „Oh no, here we go again.“ And it’s like, 40 years on from Michelle Remembers and the Satanic Panic, and yet here we are, in the present day with the same rumors happening, the same people using satanic conspiracies to accuse people of crimes they never committed.

Trotzdem werden die aktuellen Protagonisten der „Satanic Panic“ in Deutschland auch vor diesem detailreichen Aufklärungswerk ganz fest Augen und Verstand verschließen.

Zum Weiterlesen:

  • Michelle erinnert sich falsch: Wie ein Psychiater im Jahr 1980 die „Satanic Panic“ lostrat, GWUP-Blog am 25. Dezember 2023
  • Jeffrey S. Victor: Satanic Panic – The Creation of a Contemporary Legend. Open Court 1993
  • Kenneth Lanning: FBI Report on Satanic Ritual Abuse
  • Satanic panic: Documentary takes a new look at Michelle Remembers book, timescolonist am 8. August 2023
  • A doctor helped his patient recall childhood torture by a cult. Their story sparked a global „Satanic Panic“, The Independent am 24. März 2023
  • This book plunged the world into a terrifying obsession with satanic cults in the 1980s, CBC am 5. Januar 2024
  • Satanic Panic: Wie Familien an Falscherinnerungen zerbrechen, GWUP-Blog am 21. Oktober 2022
  • Erschreckend: Die Wiederkehr der „Satanic Panic“ in den USA, GWUP-Blog am 17. September 2022
  • Chris French: Satanic child abuse claims are almost certainly based on false memories, The Guardian am 18. November 2014
  • Die „Satanic Panic“, ihre Opfer und die Aufklärung, GWUP-Blog am 3. September 2018
  • The Last Victim, National Review am 23. August 2018
  • Texas pair released after serving 21 years for ’satanic abuse‘, The Guardian am 5. Dezember 2013
  • The history of Satanic Panic in the US — and why it’s not over yet, vox am 30. Oktober 2016
  • The Real Victims of Satanic Ritual Abuse, slade am 7. Januar 2014

22. Februar 2024
von Bernd Harder
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Ufos und was man dafür hält

Der ZDF-Backgroundcheck widmet sich dem aktuellen Ufo-Hype in den USA.

Es geht um Unsinn wie die „Alien-Mumien“ von Mexiko, um Fragwürdiges wie die Behauptungen von David Grusch (in dieser Szene vom Ufo-Hearing am 26. Juli 2023 in Washington sind in der ersten Reihe, direkt hinter Grusch, schön deutlich die beiden bekannten Ufo-Aktivisten und Influencer George Knapp, dritter von links, und Jeremy Corbell, rechts, zu sehen) …

… sowie um seriöse Forschung à la AARO und NASA.

Fazit:

Die Show geht […] weiter. Wie sich das Ganze entwickelt, müssen wir wohl abwarten. Um mehr Antworten zu finden, müssen wir vor allem eins sein: geduldig.

Auch das Kinder- und Jugendmagzin PUR+ begibt sich auf „die Spuren der Aliens“.

Mit dabei ist Hans-Werner Peiniger von der GEP. Es geht um die belgische Ufo-Welle Ende der 1980er, die Tic-Tac-Sichtung 2004, den Fehrenbach-Fall 1994 und natürlich um Roswell.

Außerdem gibt’s in der ARD-Mediathek die französische Serie „Ufos“ von 2021.

Zum Weiterlesen:

  • Why Weird Stuff Matters: An Expanded Interview with Chris French on The Science of Weird Shit, skeptical-inquirer am 21. Februar 2024
  • Independent-Doku „The UFO Movie THEY Don’t Want You to See“ von Brian Dunning, GWUP-Blog am 1. Januar 2024
  • Die neuen Ufo-Influencer, Skeptiker 3/2023
  • Alien-Mumien, UAPs und die NASA: der neue Ufo-Hype, GWUP-Blog am 17. September 2023
  • „Das habe ich als Ufo-Jäger der US-Regierung gelernt“, ufo-info am 22. Januar 2024
  • Hat das Pentagon beim Thema UAP versagt? ufo-info am 26. Januar 2024
  • Statistiken zu UFO-Sichtungen in Deutschland: GEP gibt erweitertes Datenmaterial frei, grenzwissenschaft-aktuell am 25. Januar 2024

22. Februar 2024
von Bernd Harder
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FAQ Verschwörungsideologien und Esoterik: neue Broschüre

Zwei von 22 Fragen haben etwas mit Verschwörungstheorien zu tun – insofern ist der Titel etwas irreführend:

FAQ Verschwörungsideologien und Esoterik

heißt eine neue Publikation der Amadeu Antonio Stiftung:

Esoterik ist längst Mainstream: Ob Yogastudio, Globuli, heilenden Kristallen im Wasser, Achtsamkeitsseminaren oder in den Aushängen im lokalen Bio-Markt.

Es ist stets wichtig zu betonen, dass Esoterik, ebenso wie esoterisch interessierte Menschen, nicht grundsätzlich antidemokratisch sind. Eine kritische Auseinandersetzung ist dennoch wichtig. Denn Esoterik kann eine Verbindung zwischen vermeintlich harmloser Spiritualität und antidemokratischen Ideologien darstellen.

Gleichzeitig gibt es Überschneidungen zwischen Esoterik und gefährlichen Praktiken wie der wissenschaftsleugnenden Neuen Germanischen Medizin, Sekten und völkischen Siedlungsbewegungen sowie teuren Produkten ohne medizinischen Nutzen, welche professionell und für viel Profit vermarktet werden.

Die 28-seitige Broschüre steht hier zum kostenlosen Download bereit.

Zum Weiterlesen:

  • Wie sich Verschwörungstheorien und Esoterik überlappen, Deutschlandfunk am 29. Mai 2020
  • Der gemeinsame Nenner von Homöopathie, Esoterik und Verschwörungstheorien, GWUP-Blog am 17. Oktober 2020
  • Esoterik und Verschwörungstheorien: „Gerade die bürgerliche Mittelschicht ist anfällig“, Zeit-Online am 25. Januar 2022
  • Konspiritualität: Die Schnittmenge von Esoterik und Verschwörungstheorien, Deutschlandfunk am 26. Januar 2023
  • Esoterik als Türöffner für Verschwörungstheorien, DW am 30. Dezember 2021
  • Video: „Keine Liebe für Schwurbler*innen | Esoterik, alternative Lebensstile und Verschwörungstheorien“ vom 6. April 2022

22. Februar 2024
von Bernd Harder
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Schizo und Hegedüs über die berüchtigte „Schwarze Salbe“

Dr. Janos Hegedüs über die berüchtigte „Schwarze Salbe“:

Kennt ihr den Kanal SchizosWoche? Ich habe mich mit Patrick unterhalten und wir haben beschlossen, zusammen ein Videoprojekt zu starten.

Während unseres ersten Gesprächs zeigte er mir plötzlich Bilder von der Behandlung mit einer sogenannten „Indischen Schwarzen Salbe“, und ich war sprachlos. Obwohl ich schon seit einigen Jahren Videos mache, habe ich so etwas noch nie gesehen. Diese Salbe frisst buchstäblich Löcher in die Haut, und die Leute scheinen das sogar zu begrüßen.

Noch bizarrer ist, dass sie Kichererbsen in die entstandenen Löcher in ihrem Fleisch stecken! Einfach unfassbar! Ich wusste sofort, dass ich darüber ein Video machen muss. Die Bilder in diesem Video sind so schockierend, dass ich sie zensieren musste.

Wenn ihr die unzensierte Version sehen möchtet – was ich ausdrücklich nicht empfehle –, dann werdet Kanalmitglied oder Patron.

Auch bei Schizos Woche gibt es ein – kürzeres – Video dazu:

Schizo und Hegedüs – Querdenker und die Eigenbehandlung mit Säure

Zum Weiterlesen:

  • „Schwarze Salbe“: Klingt unheilvoll, ist es auch, GWUP-Blog am 21. Juli 2018
  • Keine gute Idee: Schwarze Salbe gegen Hautkrebs, GWUP-Blog am 1. Juni 2016
  • Vorsicht, schwarze Salbe, medical-tribune am 16. April 2023
  • Conspiracy Theories and Pseudoscience Are Hurting Our Health, skeptical-inquirer am 22. Januar 2024

20. Februar 2024
von Bernd Harder
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Video: „Zwischen Religion und Verblendung“ – Esoterik und gefährliche Heiler

Der letzte Teil der vierteiligen Reihe

Jenseits des Glaubens – Zwischen Religion und Verblendung

bei SAT.1 Gold ist online:

Gefährliche Heiler

Es geht darin um verschiedene esoterische Angebote und Gruppierungen, wie etwa „Lichtarbeit“ und „No Eyes Indian Hope“.

Mit dabei sind Lydia Benecke und Bianca Liebrand.

Zum Weiterlesen:

  • Video: „Zwischen Religion und Verblendung“ – Shincheonji, GWUP-Blog am 19. Februar 2024
  • Video: „Zwischen Religion und Verblendung“ – Saseks OCG, GWUP-Blog am 14. Februar 2024

19. Februar 2024
von Bernd Harder
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Video: „Zwischen Religion und Verblendung“ – Shincheonji

Eine weitere Folge der eine vierteilige Reihe

Jenseits des Glaubens – Zwischen Religion und Verblendung

bei SAT.1 Gold ist online:

Shinchonji

Die koreanische Glaubensgemeinschaft „Shincheonji“ agiert in Deutschland oft unter einem Tarnnamen. Die ehemaligen Mitglieder Sophie, Michelle und Gregor berichten von ihrer Zeit bei der Organisation

Mit dabei sind Lydia Benecke und Christoph Grotepass.

Zum Weiterlesen:

  • Video: „Zwischen Religion und Verblendung“ – Saseks OCG, GWUP-Blog am 14. Februar 2024
  • Die Superspreader-Sekte „Shincheonji“ ist auch in Deutschland aktiv, GWUP-Blog am 20. März 2023
  • Ein Endzeitkult, der in Deutschland missioniert, tagesschau.de am 24. September 2023
  • „Komplette Unterordnung. Man muss Tag und Nacht zur Verfügung stehen“, welt.de am 22. Dezember 2023
  • Secta.fm: „Shincheonji-Update“
  • Secta.fm: „Shinchonji – Der unsterbliche Pastor der Endzeit“
  • Video: „Sophie ist einer Sekte nur knapp entkommen“

18. Februar 2024
von Bernd Harder
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Video: „Aromatherapie“ bei den Quarks Science Cops

Neu bei den Science Cops:

Aromatherapie nennt es sich: Ätherische Öle sollen, wenn sie inhaliert oder einmassiert werden, nicht nur die Stimmung verbessern, sondern angeblich auch Krankheiten bekämpfen und heilen. Die Quarks Science Cops gehen der Frage nach, ob ätherische Öle wirklich mehr können als nur gut riechen.

Die Folge gibt es als Podcast und bei Youtube.

Zum Weiterlesen:

  • Was bringen ätherische Öle? quarks.de am 17. Februar 2024
  • „Aromatherapie“ bei Psiram

17. Februar 2024
von Bernd Harder
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Rituelle Gewalt-Mind Control: Protagonisten fabulieren einen „Generalverdacht“ herbei – wir fordern einen neuen Ansatz

Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Protagonisten der „Satanic Panic“ im deutschprachigen Raum von der aggressiven Abwehr der gut belegten Vorwürfe zur „Opfer“-Attitüde übergehen würden.

Ein willfähriges Medium dafür haben sie in der österreichischen Wochenzeitung Die Furche gefunden.

In einem Artikel vom Januar (4/2024) verteidigt das Blatt längst widerlegte Behauptungen zum Thema Gedächtnis und Erinnerung. Der ganzseitige Beitrag fokussiert weitschweifig darauf, dass

… schreckliche Ereignisse aus der Kindheit so abgespalten werden können, dass man lange Zeit nichts davon weiß – und Erinnerungsfragmente erst im Erwachsenenalter ins Bewusstsein zu treten beginnen.

Das ist falsch.

Die Entscheidung in den „Memory Wars“, von denen die Furche schreibt, ist bereits „vor Jahrzehnten gefallen und sie steht bis heute“, erklärte Sebastian Herrmann letzten Sommer.

In einem Skeptiker-Interview (2/2023) führte die Psychologin Prof. Aileen Oeberst aus, es gebe „keine überzeugende Evidenz für das Phänomen der verdrängten Erinnerungen“.

Unisono äußerten sich kürzlich die Professorinnen für Rechtspsychologie Silvia Gubi-Kelm (Hamburg) und Luise Greuel (Bremen) im Report Psychologie:

Die wissenschaftlich fundierte psychotraumatologische Forschung kommt in Übereinstimmung mit den Befunden aus der gedächtnis- und aussagepsychologischen Forschung zu dem Ergebnis, dass emotional bedeutungsvolle und somit auch traumatische Erlebnisse in der Regel besonders gut und langfristig erinnert werden.

Zu dem Furche-Geraune von der dissoziativen Amnesie („Traumatische Erinnerungen sind dissoziiert“, laut Bessel van der Kolk) sagte Oeberst im Skeptiker:

Ich bin keine Expertin für die Krankheitsbilder der Dissoziativen Identitätsstörung, aber selbst wenn das traumatische Erlebnis nur von einem Persönlichkeitsanteil erinnert werden könnte und der Gesamtperson nicht zur Verfügung stünde, selbst wenn es dissoziative Erinnerungsbarrieren gäbe, auch in diesem Fall müsste es doch möglich sein, Belege dafür zu erbringen, dass die zutage geförderten Erinnerungen korrekt sind – also mit einem tatsächlichen Ereignis übereinstimmen.

Solche Studien gibt es aber ebenfalls nicht.

In derselben Ausgabe (4/2024) räumt die Furche dem Schweizer Psychiater Jan Gysi ein anderthalbseitiges Interview ein.

Gysi war unter anderem im Zusammenhang mit den „haarsträubenden Zuständen an einer der größten psychiatrischen Kliniken des Landes“ (NNZ) bekannt geworden.

Wie die Neue Zürcher Zeitung berichtete, stellte der Gutachter zu den Vorkommnissen am Psychiatriezentrum Münsingen

… Gysi wiederholt als zentrale Figur eines Netzwerks von Therapeuten dar, die das Mind-Control-Konzept in der Schweiz verbreiten würden und die Opfer vor der angeblichen Fernsteuerung durch die Täter schützen wollten.

Im Schweizer Medienportal Blick wird Jan Gysi deshalb als ein „wichtiger Spin Doctor“ der Satanic Panic in der Schweiz bezeichnet. In einem SRF-Podcast taucht Gysi als „Vordenker der [Satanic Panic-] Verschwörungstheorie in der Schweiz“ auf.

Auch Der Spiegel fand Belege dafür, „wie klar Gysi Thesen zur Gedankenkontrolle verbreitete“.

In seinen Stellungnahmen im Spiegel und bei Blick stellte Gysi alles als eine Art Missverständnis dar.

In dem Furche-Interview fabuliert der Psychiater nun von Falscherinnerungen als „Propagandabegriff“ und beklagt eine „massive Hetzjagd“, die „längst die Ebene eines redlichen und sachlichen Diskurses verlassen“ hätte.

Eifrig flankiert von der Interviewerin Dagmar Weidinger, die allen Ernstes von einem „Medienkrieg“ gegen „die gesamte Traumatherapie-Szene in Deutschland und der deutschsprachigen Schweiz“ spricht – wie auch in dem „Memory Wars“-Artikel ihres Kollegen Martin Tauss von der angeblichen Diskreditierung „des ganzen Feldes der Traumatherapie“ die Rede ist.

Das kann man nur als sehr eigenwillige Deutung der kritischen Medienberichte über die Rituelle Gewalt-Mind Control-Verschwörungstheorie (RG-MC) bezeichnen.

Denn das Hilfskonstrukt vom „Generalverdacht“ gegen die Psychotraumatologie entspringt offenkundig keiner Faktenwahrnehmung, sondern den Interpretationen und Selbstzitaten der Satanic-Panic-Szene.

Der Begriff taucht zum Beispiel auf in einem „Positionspapier zur Debatte über False Memories“ (das unter anderem von der Huberschen „Deutschen Gesellschaft für Trauma und Dissoziation“ und von der DGVT unterzeichnet wurde). Auch die umstrittene „Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs“ schreibt von einer „generellen Infragestellung“ von „Berichten über organisierte sexualisierte und rituelle Gewalt“.

Nur: Niemand von den Kritikern der RG-MC tut dies.

So erklärte im Dezember 2023 der Spiegel-Redakteur Christopher Piltz:

Viele Therapeuten fühlten sich aufgrund unserer Recherche angegriffen. Manche lasen den Text so, als würden wir Traumatherapie oder die Aussagen von Missbrauchsopfern generell infrage stellen.

Dabei schreiben wir das an keiner Stelle.

Manchmal reichten wenige Wörter, und Menschen fühlten sich angegriffen. So trug unser Artikel online die Überschrift „Im Wahn der Therapeuten“. Manche hatten den Eindruck, wir würden eine ganze Branche verurteilen.

Dabei differenzieren wir im Text.

Auch wir haben hier im Blog stets nur von einem „kleinen, sehr speziellen Kreis von Traumatherapeuten“ oder einer „speziellen Traumatherapeuten-Szene“ geschrieben, zum Beispiel hier oder hier.

So ist es auch in der GWUP-Publikation

Rituelle Gewalt und Mind Control: Elitenverschwörung oder Verschwörungstheorie?

die im März erscheint.

Der Autor Kai Funkschmidt schreibt darin beispielsweise:

Die Betroffenen [von angeblich satanistisch-rituellem Missbrauch] werden von einer relativ kleinen Gruppe engagierter, gut vernetzter Therapeuten betreut. Diese haben zum einen spezielle Traumatherapien für sie entwickelt und versuchen zum anderen, öffentliche Aufmerksamkeit auf dieses ihres Erachtens durch die Gesellschaft „tabuisierte“ Verbrechen zu lenken.

Das ist ebensowenig ein „Generalverdacht“ wie der Hinweis darauf, dass

… nur ein kleiner Teil der psychosozialen Praktiker die RG-MC-Theorie unterstützt. (Traumatherapien jenseits des RG-MC-Themas, etwa für Verbrechens- und Unfallopfer, sind seriöse, evidenzbasierte Verfahren, die nicht mit den speziellen „Traumatherapien“ im RG-MC-Zusammenhang zu verwechseln sind.)

Allerdings dominieren beim Thema RG-MC die Anhänger den öffentlichen Diskurs, während Fachwissenschaft und die RG-MC-skeptische Mehrheit der Therapeuten und Berater eher schweigen.

Das ist genau das, was der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), Prof. Andreas Meyer-Lindenberg, im Januar dem Spiegel sagte – nämlich dass „die haltlosen Theorien zu Programmierung und Geheimkulten über Jahre in Weiterbildungen vorgetragen wurden“, ohne dass sich Widerspruch aus den eigenen Reihen erhob.

Vor diesem Hintergrund ist zu Jan Gysis larmoyanten Rundumschlag gegen die RG-MC-Kritiker damit praktisch alles gesagt:

Suggestive Fehltherapien sind es, die durch iatrogene Scheinerinnerungen die Errungenschaften der seriösen Traumatherapie gefährden – ganz abgesehen vom menschlichen Schaden, den diese Falschtherapien unter vulnerablen Patientengruppen anrichten.

In der aktuellen Ausgabe der Furche (7/2024) meldet sich darüber hinaus der Weltanschauungsbeauftragte der Erzdiözese München, Axel Seegers, zu Wort, der sich seit über 20 Jahren mit dem RG-MC-Narrativ beschäftigt.

Seegers greift Jan Gysis Forderung nach einer „sachlichen und respektvollen thematischen Auseinandersetzung“ auf – merkt dazu aber kritisch an:

Wie derart sinnentstellende und pauschale Vorwürfe mit seinem [Gysis] Wunsch nach einer sachlichen und respektvollen thematischen Auseinandersetzung zusammengehen sollen, bleibt ein Rätsel.

Dass die Fronten verhärtet seien und ein Fortschritt in der Debatte kaum möglich scheine, habe vielerlei Gründe:

Zum einen liegt das sicherlich daran, dass das Thema „rituelle Gewalt“ sehr komplex ist und eine Vielzahl wissenschaftlicher Disziplinen berührt, ein interdisziplinärer Austausch allerdings schwierig scheint.

Zum anderen führen Vertreter des Narrativs seit Jahren selbst einen ideologischen Kampf mit z.T. unredlichen Mitteln.

Seegers nennt speziell drei Punkte:

Erstens gibt es bis heute keine einheitliche Definition, was unter ritueller Gewalt zu verstehen ist.

Das ist richtig – und kann man zum Beispiel nachvollziehen auf der Webseite des RG-MC-geneigten „Infoportals Rituelle Gewalt“, wo allein 20 Definitionen aufgelistet werden.

Nicht umsonst heißt eine Kapitelüberschrift in der demnächst erhältlichen GWUP-Publikation „Verwirrung durch wechselnde Bezeichnungen“.

Die Absicht hinter diesem bewussten Begriffswirrwarr ist klar, schreibt Funkschmidt darin:

Diese Begriffe verraten zum Teil kaum noch, wie sich das Phänomen RG-MC von „normaler“ sexueller Gewalt durch organisierte Banden und Pädophilennetzwerke unterscheidet.

Dadurch können Außenstehende kaum erkennen, dass die RG-MCTheorie viel mehr beinhaltet als Kindesmissbrauch durch organisierte Verbrecherbanden, dass es sich vielmehr um ein Konstrukt sui generis mit vielen unverzichtbaren Elementen handelt, die über organisierte pädophile Verbrechen hinausgehen.

Durch die Verknüpfung von RG-MC mit sonstigem Kindesmissbrauch soll suggeriert werden, Kritik am RG-MC Konzept impliziere die Verharmlosung oder Leugnung dieses Verbrechens an Kindern.

Seegers weiter:

Zweitens verschweigen Befürworter häufig wesentliche Aspekte des Narrativs.

Auch das ist korrekt, wie etwa die vielen Auslassungen in den beiden Furche-Artikeln von Martin Tauss und Dagmar Weidinger zeigen (vgl. dazu dissoziationen.de).

Seegers weiter:

Drittens ist seit Jahren in der Szene eine Immunisierung gegen Kritik feststellbar. Wer Zweifel formuliert oder wissenschaftliche Kritik anbringt, sieht sich dem Vorwurf ausgesetzt, Missbrauch und Gewalt zu verharmlosen und Organisierte Kriminalität zu leugnen.

Auch hier muss man Seegers vollumfänglich zustimmen, wie wir aus eigener Erfahrung wissen:

Was also bleibt von Gysis Wunsch nach einer „sachlichen und respektvollen thematischen Auseinandersetzung“?

Nichts – solange die „Forschungsprojekte“ in diesem Bereich kaum mehr beinhalten als die immergleichen anonymen Online-Befragungen von selbstdefinierten Betroffenen, die von den immergleichen Szene-Protagonisten konzipiert und ausgewertet werden.

Daher fordert Funkschmidt in der bald verfügbaren 120-seitigen GWUP-Publikation einen gänzlich anderen Studienansatz:

Inhaltlich sollte es dabei nicht wie bisher primär um die Erhebung des Ausmaßes von RG-MC durch Umfragen gehen, nicht um die Jagd nach Tätern, nicht um Elitenverschwörungen und nicht um die Frage, wie man träge Ermittlungsbehörden und eine ahnungslose Öffentlichkeit besser aufrütteln könnte.

Untersuchungsgegenstand sollten darum, wie zuletzt in der Schweiz, die speziellen Traumatherapien sein, die im Umfeld der RG-MC-Theorie propagiert und praktiziert werden. Die Schweizer Untersuchungen geben gute methodische Hinweise, welche Fragen im Zusammenhang solcher unabhängiger Studien zu klären sind: Wie wirksam sind diese Therapien? Kann man ihren Erfolg messen?

Solange solche neutralen Untersuchungen unterbleiben und staatliche Stellen wie die UBSKM und das Bundesfamilienministerium die RG-MC-Theorie aktiv verbreiten, bleibt man diesen falsch therapierten Patientinnen die angemessene Hilfe schuldig.

Zum Weiterlesen:

  • „Memory Wars“: Kampf um Erinnerung, furche.at am 24. Januar 2024
  • Jan Gysi: „Wir sind mit einer Hetzjagd konfrontiert“, furche.at am 24. Januar 2024
  • „Memory Wars“: Im Zeichen eines fragwürdigen Narrativs, furche.at am 14. Februar 2024
  • Verdrängte Erinnerungen: Ein Klischee, für dessen Wahrheitsgehalt Beweise fehlen, GWUP-Blog am 23. August 2023
  • Skeptiker-Interview mit Aileen Oeberst: „Keine überzeugende Evidenz für das Phänomen der verdrängten Erinnerungen“, GWUP-Blog am 20. Juni 2023
  • „Keinerlei empirische Evidenz“ für die Grundannahmen der Satanic Panic-Verschwörungstheorie, GWUP-Blog am 12. Februar 2024
  • Grams‘ Sprechstunde: False Memories – Gedanken im Nachhinein konstruieren, spektrum am 7. Juli 2023
  • Satanic Panic: Der bizarre Streit in der Psychiatrie zieht immer weitere Kreise, NZZ am 24. August 2023
  • Unfassbar: Drei Suizide von Patientinnen an psychiatrischer Klinik wegen „Satanic Panic“? GWUP-Blog am 24. November 2022
  • Neuer SRF-Podcast: Der Vordenker und Netzwerker der „Satanic Panic“ in der Schweiz? GWUP-Blog am 28. Juni 2023
  • „Unhaltbare Thesen“: Die Verschwörungsideologie vom satanistisch-rituellen Missbrauch gerät immer mehr unter Druck, GWUP-Blog am 10. November 2023
  • War alles gar nicht so gemeint: Renommierte Fachleute treten von der Satanic-Panic-Ideologie zurück – aber nur halbherzig, GWUP-Blog am 19. November 2023
  • Satanic Panic: „Böhmermann hat nichts falsch gemacht“, urteilt die größte psychiatrische Fachgesellschaft Deutschlands, GWUP-Blog am 28. Januar 2024
  • Differences Between True and False Autobiographical Memories: A Scoping Review, European Psychologist, January 2024
  • Podcast: Susanna Niehaus spricht über Scheinerinnerungen, orf am 29. Juli 2023
  • Österreich: Keine „Insel der Seligen“, dissoziationen.de am 14. Februar 2024