12. Dezember 2023
von Bernd Harder
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Das Online-Medienmagazin Übermedien versucht sich an einer Einordnung der Kritik an der Böhmermann-Sendung, die letztendlich dazu geführt hat, dass der Beitrag in der ZDF-Mediathek nicht mehr verfügbar ist.
Der Autor Sebastian Fobbe hatte bereits im Münsteraner Stadtmagazin Rums einen Artikel über die Satanic Panic veröffentlicht.
Fobbe stimmt den Beschwerdeführern darin zu, dass sich ein satirisches Format wie das ZDF Magazin Royale „mit seinen extremen Verkürzungen womöglich nicht für das Thema rituelle Gewalt eignet“. Der Begriff „dissoziative Identitätsstörung“ (DIS) etwa tauche als „anerkannte Diagnose“ in dem Beitrag „kein einziges Mal auf“:
So entsteht der Eindruck, dass sich Böhmermann über Betroffene lustig macht, die unter den Symptomen einer solchen Störung leiden.
Vermutlich war es jedoch genau andersrum. Hätte Böhmermann tatsächlich die komplizierte Fachdiskussion um die DIS auch noch mit eingebracht, hätte sein Sendungsthema auf die Zuschauer vollends skurril gewirkt.
Doch von diesen wenigen Kritikpunkten abgesehen, teilt Fobbe durchaus Böhmermanns Anliegen, die sogenannte Satanic Panic skeptisch zu betrachten:
Jan Böhmermann trifft in seiner Sendung einen Punkt: Er spricht das Problem der Suggestion in der Therapie an […] Tatsächlich bleibt in vielen Medienbeiträgen über rituelle Gewalt oft unklar, was belegt und was umstritten ist. Viele Medien versäumen es, Aussagen und Expertisen einzuordnen.
Als Beispiele nennt der Rums-Redakteur die taz und die Zeit, wo Michaela Huber in einem einstündigen Videointerview unwidersprochen über „Gehirnwäsche“ und eine „dunkle Elite“ schwadronieren durfte:
Doch das, was Michaela Huber bei Zeit-Online sagt, geht weit über den aktuellen Stand der Forschung hinaus […] Weder für „Mind Control“-Methoden noch für Programmierung gibt es aus wissenschaftlicher Sicht belastbare Anhaltspunkte.
Fobbe verweist auf einen Feuilletonbeitrag der NZZ, in dem eine Schweizer Kollegin darlegt, dass „Medien auch Erinnerungen an schlimmste Verbrechen, für die es keine Belege gibt, mit einem Vorbehalt versehen“ müssten.
Journalisten seien keine Co-Therapeuten. Und Hinterfragen sei nicht gleichbedeutend damit, das Leid der Betroffenen zu leugnen.
Als Faustregel für Journalisten formuliert Fobbe schließlich:
Es gibt organisierte sexuelle Gewalt. Und es gibt sexuellen Missbrauch, bei dem Rituale eine Rolle spielen können. Das heißt nicht, dass Geheimbünde Kinder abtransportieren und im Verborgenen rituell missbrauchen.
Es gibt Missbrauchsbetroffene, die von ritueller Gewalt berichten. Es gibt aber keine gesicherten strafrechtlichen Fakten, die auf rituelle Täternetzwerke schließen lassen. Das bedeutet nicht, dass hinter jeder Aussage über rituelle Gewalt Suggestion stecken muss. Und dennoch ist es in Ordnung, Aussagen zu kontextualisieren und zu prüfen, ohne das Leid der Opfer zu leugnen.
Es gibt die dissoziative Identitätsstörung, die als Folge von Trauma entstehen kann. Sie kann auch in einer schädlichen Therapie erzeugt werden. Für „Mind Control“, die gezielte Aufspaltung und „Programmierung“ einer Persönlichkeit, fehlt hingegen jede wissenschaftliche Evidenz.
Man wünscht seinem Artikel eine breite Leserschaft.
Zum Weiterlesen:
- Rituelle Gewalt: Wer ist hier im Wahn? übermedien am 11. Dezember 2023
- Satanic Panic: Ominöses rund um die Böhmermann-Sendung zum Thema rituelle Gewalt, GWUP-Blog am 8. Dezember 2023
- „Satanic Panic“: Die Szene gibt sich weiterhin verschlossen, während Recherchen die Missstände klar belegen, GWUP-Blog am 18. Oktober 2023
- „Journalisten sind keine Co-Therapeuten“: Der schwierige Umgang mit den Themen „False Memory“ und „rituelle Gewalt“, GWUP-Blog am 10. Februar 2022