Die MDR-Doku
Spuk – Leben mit dem Unheimlichen
von gestern Abend war im Grunde ein Zusammenschnitt von vier Einzel-Episoden zu jeweils rund 20 Minuten, die im Web und in der ARD-Mediathek verfügbar sind.
Beim #ferngespräch am letzten Dienstag („Spuk!“) hatten wir über diese TV-Produktion schon gesprochen:
Die Erlebnisse der vier Protagonisten werden sowohl von einer „Geisterjägerin“ (von der Art, vor der man nur warnen kann) als auch von dem Sozialpsychologen Timur Sevincer und der Kriminalpsychologin Lydia Benecke kommentiert.
Die Erklärungen der beiden Wissenschaftler sind sachlich und überzeugend – nur offenbar nicht für die Betroffenen, die lieber dem Geschwurbel der „Geisterjägerin“ (die sich natürlich auch als „Medium“ sieht) erliegen.
Und am Ende (vor allem der dritten Folge) ist es sichtlich frustrierend, wenn Benecke dem „von Geistern heimgesuchten Heiko Theile“ mehrfach eindringlich erklärt, dass sie nicht sein Erlebnis bezweifelt, sondern lediglich dessen Deutung – und als Antwort bekommt:
Die Geschichte ist so, wie sie passiert ist, wirklich passiert und in keinster Weise irgendwie aus dem Gedächtnis herausgezogen oder eine Show, sondern die ist wirklich so passiert.
Was, wie gesagt, weder Sevincer noch Benecke in Abrede gestellt haben.
Anscheinend suchen die vier Betroffenen überwiegend keine Antworten, sondern Bestätigung.
Nachvollziehbar – aber wenig hilfreich, betont Benecke am Schluss von „Der Schatten“:
Ich weiß nicht, ob es wirklich gut ist, dauerhaft an diesen Annahmen festzuhalten. Denn wenn man die Annahme hat, dass es diese übersinnlichen Phänomene gibt, finde ich, dass wenn man mal rational darüber nachdenkt, das nicht unbedingt die Angst nimmt.
Denn dann geht man ja wirklich davon aus, dass überall irgendwelche unsichtbaren Entitäten vermeintlich einen beobachten könnten oder Dinge tun könnten. Und ich finde, gerade wenn man solche Erfahrungen gemacht hat, ist das auf Dauer als Erklärungsansatz nicht unbedingt hilfreich.
Und das würde ich auch hier eher kritisch sehen, ob das jetzt als Lösung wirklich die beste ist auf lange Sicht, das so festzuhalten im Weltbild.
Und was die „dubiosen Untersuchungen“ der „Geisterjägerin“ angeht:
Dass das alles wirklich stimmt und dass es dafür vermeintlich objektive Belege gibt: Spoiler – nein, die sehe ich auch in dieser sogenannten Untersuchung nicht.
Danke für dieses unbequeme, aber notwendige Statement.
Lydia Benecke ist auch in der BR-Doku
Bayerische Spukgeschichten – Weiße Frauen, Werwölfe und Geisterjäger
mit dabei (zirka 45 Minuten).
Natürlich darf auch hier eine „Ghosthunter“-Gruppe mit High-Tech-Equipment nicht fehlen – allerdings klar eingeordnet mit dem Off-Kommentar:
Naturwissenschaftliche Belege für übernatürliche Ereignisse fehlen.
Einige Szenen von der „Spuknacht“ auf Schloss Egg mit Skeptiker-Interviewpartnerin Dr. Lucia Moiné zeigen denn auch, wie vermeintlich paranormale Erlebnisse häufig zustandekommen:
Die Gruppe deutet jedes Geräusch als Erscheinung […] Der Enthusiasmus ist groß, die Beweiskraft klein.
Ein psychologisches Experiment in einem „Spukhotel“ zu der Frage, wie Erwartungshaltungen die Wahrnehmung beeinflussen, kommentiert Lydia Benecke auch in der ZDF-Sendung
Mythos: Geister und Gespenster
vom vergangenen Jahr.
Zum Weiterlesen:
- Video: Bayerische Spukgeschichten – Weiße Frauen, Werwölfe und Geisterjäger, BR Fernsehen am 31. Oktober 2022
- Schreckgespenst und Todesbotin: Die Legende um die Weiße Frau, nationalgeographic am 29. September 2022
- Geister oder was man dafür hält, GWUP-Blog am 30. Oktober 2022
- Halloween: „Orte, die Besucher das Fürchten lehren“ – aber was spukt da eigentlich? GWUP-Blog am 30. Oktober 2017
- Der Spuk von Rosenheim, GWUP-Blog am 21. November 2013
- “Ihr messt mit tollen Geräten – aber was?” Welt-Online am 19. September 2013
- Ghosthunting und Techno-Mystizismus, GWUP-Blog am 16. Oktober 2009