Endlich, möchte man sagen.
Endlich spricht sich herum, dass eine entscheidende Ingredienz der Rituelle Gewalt-Mind Control-Verschwörungstheorie (RG-MC) kaum mehr als eine Luftnummer ist: nämlich die „Studie“
Organisierte und rituelle Gewalt in Deutschland
von 2018, für die der renommierte Hamburger Sexualwissenschaftler Peer Briken seinen Namen hergegeben hat.
Über die möglichen Motive des Direktors des Instituts für Sexualforschung und Forensische Psychiatrie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (Forschungsgelder etc.) wollen wir nicht spekulieren.
Mit seiner anonymen Online-Befragung von 165 „selbstdefinierten Betroffenen“ (die große Mehrheit gab an, rituelle Gewalt in satanistischen Gruppen erfahren zu haben, „aufgespalten“ worden zu sein etc.) ohne jede Überprüfung oder Glaubwürdigkeitsbeurteilung wurde Briken bereits vom Spiegel sowie von den Psychologen Susanne Niehaus und Andreas Krause konfrontiert.
Seine peinlichen Ausreden haben wir hier im Blog dokumentiert.
Jetzt ist in der Psychologischen Rundschau ein Artikel namhafter Experten erschienen (darunter der Rechtspsychologe Andreas Mokros, die Skeptiker-Interviewpartnerin Aileen Oeberst und der Sozialpsychologe Roland Imhoff), der praktisch ein Generaldebunking der „Satanic Panic“ in Deutschland auf höchstem fachlichen Niveau darstellt:
Rituelle sexuelle Gewalt – Eine kritische Auseinandersetzung mit fragwürdigen empirischen Belegen für ein fragliches Phänomen
Dabei geht es nicht nur um das Brikensche Phantasiegebilde, sondern um mehrere Projekte, die ganz offiziell vom Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gefördert wurden.
Die in diesem Zusammenhang erstelllten Veröffentlichungen blenden
… die bereits vorhandene, umfassende und skeptische wissenschaftliche Literatur nahezu vollständig aus,
schreiben Mokros et al.
Kurz zusammengefasst werfen die Autoren den „Satanic Panic“-Proponenten Briken, Susanne Nick und ihren Mitmachern wissenschaftliche Unkenntnis in allen relevanten Bereichen ihres Untersuchungsgegenstandes vor.
Ihr Fazit:
Angesichts der Implausibilität der damit einhergehenden Annahmen wie „Mind Control“, gezielter Persönlichkeitsspaltung oder Amnesien für sich über Jahre erstreckende traumatische Erlebnisse und der Plausibilität anderer Erklärungen wie Scheinerinnerungen kann das Phänomen ritueller sexueller Gewalt auch als Verschwörungstheorie eingestuft werden.
Die Erwiderung auf Mokros et al. in derselben Ausgabe der Psychologischen Rundschau (u.a. von der ehemaligen Familienministerin Christine Bergmann und der Psychotherapeutin Silke Birgitta Gahleitner) ist erschreckend redundant und eindimensional.
Gahleitner tat sich bislang damit hervor, Kritiker des RG-MC-Narrativs als Leugner von organisierter sexualisierter Gewalt zu diffamieren, etwa in dem Aufsatz „Missbrauch mit dem Missbrauch“:
Das ist natürlich leicht, wenn man sexualisierte und „rituelle“ Gewalt praktisch gleichsetzt, alle spezifischen Elemente der RG-MC-Verschwörungstheorie verschweigt und als Beleg für „rituellen Missbrauch“ immer und immer wieder die Colonia Dignidad anführt.
Warum das Unsinn ist, werden wir sowohl bei den „Aktionstagen gegen geistige Brandstiftung“ am 26. April in Wetzlar als auch beim „Skeptical“ am 9. Mai in Augsburg erklären.
In ihrer Entgegnung bringen Mokros et. al. es bereits auf den Punkt:
Es gibt bundesweit keine kriminalistischen Nachweise für konspirative, vernetzte Gruppierungen, die Kinder und Erwachsene in rituellen Zeremonien systematisch sexuell, körperlich und psychisch misshandeln, quälen, foltern oder gar töten und mittels sogenannter Mind Control-Methoden lenken.
Völlig zu Recht dagegen schließen sich Mokros et al. der Forderung
… nach einem sachlichen und kritisch-konstruktiven Austausch
an.
Nur ist diese Forderung eben gerade nicht an die RG-MC-Kritiker zu richten, sondern an Briken, Bergmann, Gahleitner, UKASK und Co., die
… die Auseinandersetzung und Begegnung mit der akademischen Fachwissenschaft (Psychologie, Psychiatrie, Kriminologie) außerhalb der eigenen Kreise in der Regel meiden,
wie Dr. Kai Funkschmidt in einer neuen GWUP-Broschüre schreibt, die am 9. Mai beim „Skeptical“ vorgestellt wird.
Genau dafür liefert der Beitrag „Rituelle sexuelle Gewalt – Eine kritische Auseinandersetzung mit fragwürdigen empirischen Belegen für ein fragliches Phänomen“ von Mokros et al. eine Reihe von Belegen.
Eine Zusammenfassung von den Autoren selbst findet sich hier.
Zum Weiterlesen:
- GIbt es organisierten rituellen Kindesmissbrauch? The Inquisitive Mind 2/2024
- Rituelle sexuelle Gewalt: Eine kritische Auseinandersetzung mit fragwürdigen empirischen Belegen für ein fragliches Phänomen. Psychologische Rundschau am 15. April 2024
- Rituelle Gewalt-Mind Control: Eine Verschwörungstheorie mit Gefahren für die Gesellschaft und hilfesuchende Patienten, GWUP-Blog am 18. April 2024
- Studie zu Falscherinnerungen: Suggestive Praktiken sind ein Problem in der Psychotherapie, GWUP-Blog am 23. März 2024
- Rituelle Gewalt-Mind Control: Protagonisten fabulieren einen „Generalverdacht“ herbei – wir fordern einen neuen Ansatz, GWUP-Blog am 17. Februar 2024
- „Keinerlei empirische Evidenz“ für die Grundannahmen der Satanic Panic-Verschwörungstheorie, GWUP-Blog am 12. Februar 2024
- Video: „Falsche Erinnerungen und ihre Folgen“ mit Aileen Oeberst, GWUP-Blog am 12. Mai 2023
- War alles gar nicht so gemeint: Renommierte Fachleute treten von der Satanic-Panic-Ideologie zurück – aber nur halbherzig, GWUP-Blog am 19. November 2023
- Skeptiker-Interview mit Aileen Oeberst: „Keine überzeugende Evidenz für das Phänomen der verdrängten Erinnerungen“, GWUP-Blog am 20. Juni 2023
- Bennett Braun, Psychiatrist Who Fueled „Satanic Panic“, Dies at 83, New York Times am 12. April 2024
- Keine Aufarbeitung des Narrativs, dissoziationen am 15. April 2024
- Damals und heute: rituelle Gewalt, dissoziationen am 29. März 2024
- Sekten und Psychogruppen: ein Prolog, Infoportal Satanic Panic am 14. April 2024
- Aktionstage gegen geistige Brandstiftung, humanisten-hessen am 16. April 2024