5. September 2023
von Bernd Harder
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Heute Abend (5. September) um 22.50 Uhr im Ersten:
Cash und Karma: Ausbeutung beim Yoga?
Den 45-minütigen Beitrag gibt es bereits in der Mediathek.
Es geht um „Deutschlands größte Yogakette“ Yoga Vidya, deren „Struktur“ und „Weltbild“.
Ein begleitender Seite 3-Artikel in der Süddeutschen Zeitung von heute beginnt vor dem Bundesarbeitsgericht in Erfurt, wo eine ehemalige Mitarbeiterin bei Yoga Vidya auf eine angemessene Bezahlung klagt.
Im Mittelpunkt des Beitrags steht die Frage, ob es sich bei den 80 Yogazentren und vier Ashrams in Deutschland um Orte handelt, wo Menschen sich „spirituell weiterentwickeln“ – oder „einfach um Seminargebäude mit angeschlossenem Hotelbetrieb, dessen Mitarbeiter alles dafür tun sollen, damit Ferien- und Wellnessgäste kommen und der Betrieb sich rechnet?“
Die Beiträge in der ARD, der Süddeutschen und bei tagesschau.de zielen also weniger auf krude Weltanschauungen und Verschwörungsdenken in der Yoga-Szene (was in der Coronakrise ein Thema war und in dem ARD-Video ab Minute 30 kurz angesprochen wird), sondern auf arbeits- und vereinsrechtliche Probleme mit dem Anbieter Yoga Vidya, wie etwa Mindestlohn und Gemeinnützigkeit.
Einige „Sevakas“ (was soviel wie „Dienende“ bedeutet) der Gruppierung um den Gründer Volker Bretz sehen sich als „praktisch entrechtet“ an, während Bretz offenbar auch Gemüse putzen, Abwasch und Küche reinigen als „Dienst an Gott“ betrachtet.
Am Ende der ARD Story obsiegt die Yoga-Vidya-Aussteigerin in Erfurt. Das Gericht urteilt, Yoga Vidya sei „weder Religions- noch Weltanschauungsgemeinschaft“, sondern ein Mischmasch verschiedener religiöser und spiritueller Strömungen, es fehle das erforderliche Mindestmaß an Systembildung und Weltdeutung.
Damit ist die Geschichte aber wohl noch nicht zu Ende. Yoga Vidya will jetzt daran arbeiten, eine öffentlich anerkannte Religionsgemeinschaft zu werden, die nicht dem Arbeitsrecht unterliegt.
Das wird noch spannend.
Aber erst mal droht Bretz der Stadt Horn-Bad Meinberg in Nordrhein-Westfalen mit der „Insolvenz“ des örtlichen Yogazentrums, weil das Erfurter Urteil „gravierende finanzielle Auswirkungen“ haben könnte, berichtet die Neue Westfälische.
Bürgermeister und Kurdirektor sind denn auch rechtschaffen bestürzt, sprechen von einem „ganz gravierenden Einschnitt für die Stadt“, finden im NW-Interview Yoga Vidya ganz toll und planen sogar, „gemeinsam Kraft-Energie-Orte zu entwickeln“.
Schön, so ein „einmaliges Modell im Niedriglohnsektor“ (tagesschau.de).
Update
Yoga Vidya hat eine Stellungnahme zu den Vorwürfen veröffentlicht.
Zum Weiterlesen:
- Yoga – um welchen Preis? tagesschau.de am 4. September 2023
- Immer schön dankbar sein, SZ+ am 4. September 2023
- Der Yoga-Unternehmer: Alles ist erleuchtet, impulse am 30. Augst 2013
- Dunkles Geschäft mit dem Yoga-Boom: Der Seelenfänger, handelsblatt am 25. März 2016
- Wie Yoga das Gehirn verändert, spektrum am 4. Januar 2021
- Grams‘ Sprechstunde: Gesundheit, Spiritualität, keine Esoterik, spektrum am 23. Februar 2021
- Verschwörungserzählungen in der Yoga-Szene, ezw am 1. Juli 2021
- Wie Yogis Corona-Mythen verbreiten, BR am 4. Juni 2021
- Yoga in der Pandemie: Mit Aluhut auf der Matte, Belltower News am 26. August 2021