Dass Taylor Swift eine Hexe, Satanistin oder Illuminatin ist – geschenkt, das ist das übliche TikTok-Geraune, das seit Jahren kursiert.
„Beweise“ dafür finden sich natürlich zuhauf in ihren Videos, etwa zu dem Song „Willow“:
She’s doing some sort of witchcraft or satanic ritual or something,
meint dazu ein TikToker:
Oder zu „Bad Blood“, wegen dieser angeblichen Augen-Symbolik:
Das kennen wir seit langem von Lady Gaga, Katy Perry, Ariana Grande und vielen anderen Stars.
Vielleicht ist Taylor Swift aber auch gar nicht Taylor Swift, sondern in Wirklichkeit Zeena LaVey, die Tochter von Anton Szandor LaVey, dem Gründer der Church of Satan.
Soweit der gewöhnliche, mehr oder weniger harmlose Quatsch.
Doch dann kam der 6. Dezember 2023.
Das Time Magazine hatte gerade Taylor Swift zur „Person of the Year“ gekürt – da twitterte der rechtsextreme Politaktivist und Verschwörungsideologe Jack Posobiec, die „Taylor-Swift-Girlboss-Psyop“ sei nun vollständig aktiviert worden:
Einen Tag später ergänzte der rechtsextreme Trump-Berater Stephen Miller, die Popularität der Sängerin sei „nicht organisch“:
Die „Beweise“ dafür postete dann am 9. Januar der Trump-nahe Anwalt Jeffrey Clark:
Dieses Video stammt von der CyCon 2019 in Estland, einer Konferenz des NATO Cooperative Cyber Defence Centre of Excellence (CCDCOE), bei der es um Cybersicherheit und ihre Bedeutung für die Außen- und Sicherheitspolitik ging.
Und tatsächlich fällt in dem Referat der Datenwissenschaftlerin Alicia Marie Bargar von der Johns Hopkins University der Name „Taylor Swift“ (bei Minute 19:16):
Allerdings nur als „zufälliges Beispiel für eine berühmte Person, um dem Publikum ein Konzept der sozialen Netzwerkanalyse zu erklären“, wie Bargar später sagte.
Daraus strickte der Fox News-Moderator Jesse Watters (der Nachfolger von Tucker Carlson) am 9. Januar in seiner Show „Jesse Watters Primetime“ eine Verschwörungstheorie, wonach Taylor Swifts Beziehung mit dem Football-Star Travis Kelce „aus dem Labor“ stamme und von der „Pentagon Psychological Operations Unit“ arangiert worden sei, um die Präsidentschaftwahl in den USA zugunsten der Demokraten um Joe Biden zu beeinflussen:
Als „Beleg“ zeigte Watters 22 zusammengeschnittene Sekunden aus dem Bargar-Referat, in denen irgendwas von „Einflussnahme auf die sozialen Medien“ und „Verhaltensänderungen“ und von Taylor Swift als „einigermaßen einflussreiche Persönlichkeit“ zu hören ist.
Was das Ganze soll, erklärt die Washington Post mit dem
… weitverbreiteten Glaube der Rechten, dass die Demokraten nur dann legitime Wählerstimmen bekommen können, wenn sie ihrer idiotischen Basis eine Gehirnwäsche verpassen.
Was wiederum die FAZ zu dem Kommentar veranlasste:
Das ist beunruhigend nahe dran an der These Trumps, die 2021 zum gewaltsamen Sturm auf das Kapitol führte: Wenn er nicht gewinnt, muss betrogen und geschoben worden sein. Insofern sind die wilden Verschwörungstheorien um Taylor Swift nicht nur abenteuerlich – sie sind gefährlich.
Nichtsdestotrotz legen Watters und andere (darunter der ehemalige republikanische Präsidentschaftskandidat Vivek Ramaswamy, der Trump-freundliche Podcast-Moderator Mike Crispi und der politische Kommentator Benny Johnson) permanent nach.
Laut dem Rolling Stone-Magazin bereitet sich Trumps MAGA-Fraktion auf einen „heiligen Krieg“ gegen Taylor Swift vor, falls sich die Sängerin tatsächlich für Biden positionieren sollte – was sie bislang (anders als 2020) nicht getan hat, gleichwohl die 34-jährige als linksliberal gilt und „ihre Stimme“ immer wieder auch „für politische Zwecke“ einsetzt (Rolling Stone).
Das Skript der angeblichen Psyop-Verschwörung um Taylor Swift sieht vor, dass in der nächsten Szene die Kansas City Chiefs um Travis Kelce den Super Bowl am 11. Februar in Las Vegas gewinnen. Danach komme es zur Verlobung zwischen Kelce und Swift, und wenn beide am Zenit der medialen Aufmerksamkeit sind, werden sie Joe Biden unterstützen, um dessen Wahlkampf zu retten.
Allerdings, merkt spiegel.de heute an, tritt Taylor Swift
… am Tag zuvor in Tokio auf, fast 9000 Kilometer und 17 Stunden Zeitverschiebung entfernt. Wie sie so schnell in Las Vegas sein könne, darüber grübeln selbst seriöse Nachrichtenmedien, als gehe es um einen Staatsbesuch.
Zum Weiterlesen:
- Lady Gaga und die Illuminaten, GWUP-Blog am 13. Oktober 2013
- Irre Verschwörungstheorie: Ist Taylor Swift in Wirklichkeit eine 52-jährige Satanistin? stern.de am 11. September 2016
- Mastermind Taylor Swift und die Theorien ihrer Fans, stern.de am 14. November 2023
- Joe Biden und der Taylor-Swift-Effekt, spiegel.de am 1. Februar 2024
- Timeline: Alle Attacken der extremen Rechten gegen Taylor Swift, rolling stone am 2. Februar 2024
- Agentin-Verschwörung um Taylor Swift, taz am 1. Februar 2024
- Taylor Swift im Zentrum wilder Verschwörungsmythen, tagesschau.de am 2. Februar 2024
- Faktencheck: Viele Fakes zu Taylor Swift, dw am 31. Januar 2024
- Taylor Swift und pornografische Deepfake-Bilder, glamour am 29. Januar 2024
- Ferngesteuerte Geheimwaffe der Demokraten? tagesschau.de am 2. Februar 2024
- Wird Taylor Swift Donald Trump verhindern? Die Republikaner fürchten den Megastar, tagesspiegel am 31. Januar 2024
- Pentagon kontert krude Verschwörungstheorie zu Taylor Swift, watson am 13. Januar 2024
- Haters gonna hate: Pentagon pushes back against Fox News conspiracy theory involving Taylor Swift, politico am 10. Januar 2024
- Taylor Swift als Agentin des Pentagon? faz am 1. Februar 2024
- Rechte US-Medien gegen Taylor Swift: „Misch dich nicht in die Politik ein“, rnd am 1. Februar 2024
- Angst der Republikaner: „Swifties“ im US-Wahlkampf, WDR 5 am 2. Februar 2024
- Warum es so viele Verschwörungserzählungen über Taylor Swift gibt, spiegel.de am 16. Januar 2024