15. Oktober 2024
von Bernd Harder
9 Kommentare
2001 formulierte König Charles III. erstmals seine Vorstellung von „integrativer Medizin“:
Im Kern geht es dabei um „das Beste aus beiden Welten“, also um einen Mix aus „Schul-“ und „Alternativ“-Medizin.
Aber was soll das eigentlich genau sein? Und wie soll das gehen?
Verkörpert „The best of both worlds“ möglicherweise jene britische Ärztin, die „in einem traditionellen indischen Kräutermix (Carctol) ein wirksames Krebs-Medikament entdeckt haben“ will, wie vor einigen Jahren durch die Medien ging?
Allerdings ist Carctol mitnichten eine „Alternative“ oder auch nur „Ergänzung“ zu irgendwas, weil vollkommen wirkungslos, wie Edzard Ernst schon 2009 schrieb.
In seiner aktuellen Spiegel+-Kolumne schildert Ernst denn auch einen konkreten Fall, bei dem ein Mann „unter großen Qualen“ nach einer mehrmonatige Behandlungsserie mit besagtem Carctol starb.
Hier im Blog haben wir schon öfter darüber geschrieben, dass es gar nicht möglich ist, die völlig konträren „Welten“ der evidenzbasierten und der „alternativen“ Medizin auf irgendeine Weise zusammenzuführen.
Auch Edzard Ernst legt in seinem Beitrag dar, dass in der Medizin nur das Wirksamste „das Beste“ bedeuten kann – genauer gesagt dasjenige Verfahren, das nachweislich mit dem besten Nutzen-Risiko-Profil einhergeht:
Wenn wir „das Beste aus beiden Welten“ in diesem Sinn verstehen, erscheint das Konzept zwar einleuchtend und attraktiv, aber zugleich ist es auch synonym mit dem der evidenzbasierten Medizin. Nach den Grundsätzen der EBM werden bekanntlich alle Behandlungsweisen befürwortet, die nachweislich mehr Nutzen als Schaden bringen.
So gesehen, schreibt Ernst weiter, sei die integrative Medizin kaum mehr als eine irreführende und kontraproduktive Ablenkung von wesentlichen Zielen der wissenschaftlich fundierten Heilkunde. Hinter den attraktiven Slogans vom „Besten beider Welten“ verberge sich oft „reine Quacksalberei“.
Und um noch einmal auf das Eingangsbeispiel von der „erfahrenen britischen Krebsforscherin“ zurückzukommen, die „Wunder“ gesehen haben will, seit sie Carctol verschreibt:
Diese und viele ähnliche Geschichten zeigen aus meiner Sicht, dass die integrative Medizin oft als Fassade für unausgegorene Konzepte dient, hinter denen manchmal Scharlatanerie die Gesundheit, das Wohlbefinden und das Bankkonto ahnungsloser Patientinnen und Patienten gefährdet.
Auch im Münsteraner Memorandum „Integrative Medizin“ von 2022 heißt es:
Die These vom „Besten beider Welten“ beeindruckt viele. Was jedoch unter dem „Besten“ zu verstehen ist, bleibt unklar. Viele ihrer Ansprüche sind elementare Bestandteile jeder guten Medizin und können somit nicht zu ihren charakterisierenden Eigenschaften gezählt werden.
Schließlich ist kaum zu übersehen, dass die Anhänger von IM diese als Vorwand benutzen, um unbewiesene oder widerlegte Verfahren in die konventionelle Medizin einzubringen.
Entgegen anderslautenden Versprechungen hat IM kein erkennbares Potential zur Verbesserung der Medizin. Sie stiftet vielmehr Verwirrung und bringt Gefahren mit sich.
Zum Weiterlesen:
- Das leere Versprechen vom „Besten aus beiden Welten“, spiegel+ am 15. Oktober 2024
- „Zur Sache Baden-Württemberg“: Man kann eben in der Tat nicht Arzt und Homöopath sein, GWUP-Blog am 7. Oktober 2022
- Ein „Bund“ zwischen Ärzten und Heilpraktikern? Das freut nur die Pseudomediziner, GWUP-Blog am 21. Juni 2015
- Wider die These vom „Besten beider Welten“: Das neue Münsteraner Memorandum zum Thema Integrative Medizin, GWUP-Blog am 23. November 2022
- Ayurvedic medicine in the management of hypertension: how to kill millions with quackery and bullshit, edzardernst am 15. Oktober 2024