In dem Beitrag „Die großen Pläne ‘Gottes’ … sind undurchschaubar“ schreibt Pöhl, die stark missionarisch angehauchte Mission Freedom-Leiterin Gaby Wentland zeige Verhaltensmuster, wie sie auch bei religiösem oder geistlichem Missbrauch zu beobachten seien. Ihre „geradezu narzisstische Selbstüberschätzung “ erscheine für die im Umfeld von „Mission Freedom“ Schutzsuchenden offensichtlich äußerst gefährlich.
Wie wir im Juli berichteten, hat der Hamburger Verein im Allgäu eine vollstationären Jugendeinrichtung für minderjährige Betroffene von sexuellem Missbrauch eröffnet.
Um auf die Ausgangsfrage zurückzukommen: „Werden hier sehenden Auges schwerst missbrauchte Minderjährige in die Obhut einer missionarisch ausgerichteten christlich-fundamentalistischen Organisation gegeben?“. Das kann anhand der Fakten wohl nur bejaht werden.
Das Schwerpunktthema der aktuellen MIZ-Ausgabe ist „Wissenschaft“.
„Eine Pille gegen die Erwärmung der Erde“: Gespräch mit Ernst Peter Fischer über das Erfolgsmodell Wissenschaft, Geheimnisse und unrealistische Erwartungen
Auch vier Beiträge aus skeptischer Sicht finden sich darin:
Mittlerweile ist der erste Termin für den 2. Oktober angesetzt worden, heißt es auf der Webseite von Querdenken 711. Laut SWR sind bis Ende April nächsten Jahres über 30 Verhandlungstage angesetzt.
Wie wir berichteten, muss Ballweg sich wegen versuchten Betrugs in 9.450 Fällen vor der großen Wirtschaftskammer am Landgericht Stuttgart verantworten. Außerdem geht es um Steuerhinterziehung und versuchte Steuerhinterziehung.
Im Kern wird dem „Querdenken“-Gründer vorgeworfen, Spendengelder beziehungsweise „Schenkungen“ für private Zwecke verwendet zu haben und die mehr als 9000 Zuwender darüber getäuscht zu haben, was mit dem Geld passiert.
Wie die Süddeutsche Zeitung heute in ihrer gedruckten Ausgabe schreibt, wird es in dem Prozess „nicht zuletzt darauf ankommen, wie diejenigen auf die Sache blicken, die Ballweg einst das Geld überwiesen haben“.
Seinen letzten großen Auftritt hatte Ballweg bei einer Demo Anfang August in Berlin. Zwar schreiben die Medien von etwa 12.000 Besuchern – trotzdem attestiert die SZ der Bewegung „ein Problem“:
Aus Ballwegs Umfeld ist zu hören, dass den „Querdenkern“ ihr zentrales Thema abhanden gekommen sei. Die beklagten Corona-Einschränkungen gibt es nicht mehr. Man könnte sogar sagen: Das Land blickt heute deutlich kritischer auf die Maßnahmen von damals.
Für den ersten Verhandlungstag am 2. Oktober begrüßt Ballweg „jede friedliche Unterstützung vor dem Gerichtssaal, es wird jedoch keine von Querdenken 711 organisierte Demonstration geben“.
In der derselben SZ-Ausgabe findet sich ein Artikel über eine neue Studie, der zufolge ein natürlicher Ursprung des Sars-CoV-2-Virus die plausibelste Hypothese ist. Es sei so gut wie sicher, dass das Virus von einem Markt im chinesischen Wuhan stammt.
Alles geklärt sei damit freilich nicht:
Um einen wirklich neuen, starken Beleg für die Markt-Hypothese vorzulegen, müsste man das Virus in seiner ursprünglichen Form in einem Abstrich von einem Tier finden – darin sind sich alle Fachleute einig. Einig sind sie sich allerdings auch darin, dass sich eine solche Probe kaum finden lassen wird.
Zum Weiterlesen:
Der Fall Ballweg, Süddeutsche am 19. September 2024
Prozessbeginn gegen „Querdenken“-Gründer Ballweg im Oktober, swr am 5. August 2024
„Querdenken“-Initiator Michael Ballweg nun doch wegen versuchten Betrugs angeklagt, GWUP-Blog am 30. Januar 2024
Keine Anklage gegen Michael Ballweg wegen Betrugs, GWUP-Blog am 12. Oktober 2023
Bis zu 12.000 „Querdenker“ ziehen durch Berlin – vereinzelte Festnahmen, rbb am 3. August 2024
Bei „Querdenker“-Demo ziehen Tausende durch Berlin, zeit.de am 4. August 2024
Warum die Laborthese unwahrscheinlich bleibt, Süddeutsche am 19. September 2024
Studie: Sars-CoV-2 stammt vermutlich von Wildtieren, Süddeutsche am 20. September 2024
Neue Belege: Coronavirus soll Ursprung auf Tiermarkt haben, rnd am 20. September 2024
Vor vier Wochen haben wir es vorausgesagt – und recht behalten.
In unserem Blogpost über die sechs neuen „Wunder“-Regeln der katholischen Kirche vermuteten wir, dass es das Hauptziel dieser „Normen für das Verfahren zur Beurteilung mutmaßlicher übernatürlicher Phänomene“ sein könnte, „den unbequemen Fall Medjugorje endlich zu einem Abschluss zu bringen“.
Und tatsächlich hat heute der Vatikan sein Verdikt über die noch immer andauernden „Marienerscheinungen“ in dem kleinen Dorf im Südwesten von Bosnien und Herzegowina gesprochen:
Es ist an der Zeit, eine lange und komplexe Geschichte rund um die geistlichen Phänomene von Medjugorje abzuschließen.
Nur was die Kategorie angeht, lagen wir falsch:
„Nihil obstat“, das bedeutet (wir schrieben es am 19. August):
Keine Gewissheit über die übernatürliche Echtheit, aber doch Anzeichen für ein Wirken des Heiligen Geistes.
Dass der Vatikan keine „Übernatürlichkeit“ anerkennen würde, war klar und steht so auch in der offiziellen Note („keine Erklärung des übernatürlichen Charakters des fraglichen Phänomens“, die Gläubigen sind „nicht verpflichtet, daran zu glauben“).
Trotzdem überrascht die positive Einschätzung der Vorgänge in Medjugorje (zur Erinnerung: Es hätten drei deutlich vorsichtigere Urteilsmöglichkeiten zur Verfügung gestanden.).
Dies umso mehr, da die heutige Verlautbarung durchaus eine Reihe von kritischen Punkten aufzählt, zum Beispiel:
Auch wenn die positiven Früchte dieses geistlichen Phänomens in der ganzen Welt verbreitet sind, wird damit nicht geleugnet, dass es Gruppen oder Personen geben kann, die dieses geistliche Phänomen in unangemessener Weise nutzen und in falscher Weise handeln.
Oder:
Obwohl sich im Ganzen der mit dieser geistlichen Erfahrung verbundenen Botschaften viele positive Elemente finden, die helfen, den Ruf des Evangeliums zu verstehen, würden bestimmte Botschaften – nach der Meinung einiger – Widersprüche darstellen oder Wünsche bzw. Interessen der angeblichen Seher oder anderer Menschen beinhalten.
Oder:
In einigen Fällen scheint die Muttergottes eine gewisse Verstimmung zu zeigen, weil einige ihrer Anweisungen nicht befolgt wurden; sie warnt vor bedrohlichen Zeichen und der Möglichkeit, nicht mehr zu erscheinen, auch wenn die Botschaften danach unvermindert weitergehen.
Oder:
Auch wenn derartige Botschaften in Medjugorje nicht häufig vorkommen, finden wir einige, die sich eindeutig aufgrund der persönlichen Wünsche der angeblichen Seher erklären lassen.
Wie sehr die „Phänomene“ von Medjugorje von recht offenkundig irdischen Interessen und Wünschen geleitet werden, haben wir 2011 in einer fünfteiligen Serie zum 30. Jahrestag der „Erscheinungen“ zusammengefasst:
Angesichts dieser Masse von Einwänden, die der Vatikan alle kennt und zum Teil in der Note selbst formuliert, ist ein „Nihil obstat“ (es steht nichts entgegen, praktisch eine Unbedenklichkeitserklärung) für den umstrittenen Erscheinungsort ungewöhnlich.
Noch in der gedruckten Zeit von heute erklärt der Vatikanexperte Andreas Englisch (vor der Veröffentlichung der „Nota“), schon Papst Johannes Paul II. sei skeptisch gewesen, und Benedikt XVI. habe nie an die Erscheinungen von Medjugorje geglaubt. Auch Franziskus habe sich mehrfach abwertend geäußert.
Vielleicht geschieht ja das Wunder, und der Papst urteilt barmherzig.
Ein Wunder also?
Nicht unbedingt. Vielleicht hat man gar nicht trotz, sondern wegen all dieser Sonderbarkeiten so entschieden, wie die FAZ nahelegt:
Ungeachtet der anhaltenden Signale der Ablehnung aus Rom entwickelte sich Medjugorje zu einem Magneten für „volksgläubige“ Wallfahrer aus aller Welt. Mehr als 50 Millionen Pilger – zuletzt bis zu drei Millionen jährlich – haben seit 1981 Medjugorje besucht.
Offenbar war der Wallfahrtsort mit seiner signifikanten Bedeutung für die Volkswirtschaft der kargen Gegend „too big to fail“ geworden, als dass ihn der Vatikan länger hätte mit einer Art Bann belegen können.
Die Mitarbeiter der Gemeinde sagen, dass 2024 ein Rekordjahr werden könnte, da die christlichen Pilger wegen des Krieges im Nahen Osten Israel eher meiden und sich stattdessen für Medjugorje entscheiden würden.
Zum Weiterlesen:
Inszenierte Marienerscheinung und die neuen „Wunder“-Regeln der katholischen Kirche, GWUP-Blog am 19. August 2024
Wie Medjugorje gegen den Willen des Vatikans zum Wallfahrtsort wurde, faz am 19. September 2024
Medjugorje: Papst Franziskus gibt sein „Nihil obstat“, vatican-news am 19. September 2024
Nihil obstat: Vatikan erlaubt öffentliche Verehrung in Medjugorje, katholisch.de am 19. September 2024
Leuchtende Madonnen – solved, GWUP-Blog am 29. September 2013
Mysteriöser „Cold spot“: Neues Rätsel um eine Christusstatue in Medjugorje, GWUP-Blog am 26. Dezember 2020
Nachdem die Main-Post über eine Ghosthunter-Gruppe berichtete, die in der Alten Schutzengelkirche in Gräfendorf eine „paranormale Untersuchung“ (PU) durchgeführt hatte, erreichten die Redaktion erstaunlich kritische Kommentare („Kokolores“ etc.) – was den Redakteur Simon Hörnig heute zu einem Nachklapp veranlasste:
In dem Artikel werden die GWUP und Joe Nickell (beziehungsweise unser Skeptiker-Interview mit ihm) erwähnt. Die wesentlichen Kritikpunkte an der technophilen Geisterjägerei haben wir hier im Blog schon oft erklärt.
Nowara äußert sich darin zur „psychologischen Problematik beim Ghosthunting“:
Ist Ghosthunting gefährlich? Die meisten Ghosthunter würden wohl klar antworten: Natürlich nicht, man muss halt in Lost Places aufpassen, wo man hintritt, und sollte keine Angst im Dunkeln haben.
Und in Privathaushalten? Da würde ein hoher Anteil der Ghosthunterinnen wohl immer noch verständnislos reagieren. Was soll denn da schon gefährlich sein?
Vor allem eines, meint Nowara:
Dass Spuk und die menschliche Psyche zusammenhängen (können) und eine laienhafte Intervention zu einer Verschlechterung der Gesamtsituation führen könnte, ist den meisten Ghosthuntern nicht bewusst […]
Es gibt meines Wissens keine deutsche Ghosthunter-Gruppe, die ein Mitglied mit psychologischer Ausbildung vorweisen kann. Ein möglicher Zusammenhang von psychischen Erkrankungen und Spukphänomenen oder Symptomen, die von Betroffenen als paranormale Erfahrungen gedeutet werden (z. B. bei einer Schizophrenie), wird nur von sehr wenigen Teams berücksichtigt oder überhaupt wahrgenommen.
Ist Ghosthunting also gefährlich für von Spuk betroffene Privatpersonen? Wenn ich mir Videos von Kollegen anschaue, die vor Ort fahrlässig handeln oder sogar Geld verlangenn, dann muss ich diese Frage bejahen.
Nowara plädiert dafür, dass „Ghosthunting“ sich auf die Bereiche konzentrieren sollte, „in denen keine Menschen Schaden nehmen können – also auf die Feldforschung“.
Allerdings – das merken Nowara und Mayer in ihrem Aufsatz ebenfalls kritisch an – ist auch da noch einiges zu tun, was etwa die Annäherung der Laienforscher an wissenschaftliche Standards betrifft.
Anfang des Jahres hatten wir hier ein Art Disclaimer vorgeschlagen, den jede Zeitung ihren Artikeln über Hellseher, Wahrsager, Astrologen beistellen könnte.
Das Onetz der Oberpfalz Medien griff praktisch diesen Gedanken auf – und jetzt auch die FAZ.
Der Artikel von Chiara Becker über eine Volksfest-Wahrsagerin namens Maria Magdalena Friedrich ist zwar relativ wohlwollend formuliert, aber doch von einer gewissen Distanz der jungen Journalistin zu dem Hokuspokus durchdrungen.
Dass Menschen sich nach einem Treffen mit Hellsehern potentiell eher gut fühlen, liege unter anderem an dem sogenannten Barnum-Effekt, bei dem Menschen die Tendenz haben, vage und allgemeine, meist positive Aussagen über sich so zu interpretieren, dass sie als zutreffend erscheinen.
Nach dem Totalflop der FAZ im vergangenen Jahr zum Thema „Übersinnliches“ durchaus erfreulich.
Zum Weiterlesen:
Über Tod und Krankheit schweigt die Hellseherin, faz+ am 19. September 2024
Wenig Übersinnliches: Besuch bei der Klischee-Wahrsagerin, GWUP-Blog am 3. April 2024
„Disclaimer: Wahrsagerei ist blanker Humbug“, GWUP-Blog am 2. Februar 2024
Wie eine Diashow: Besuch bei einer Promi-„Seherin“, GWUP-Blog am 22. März 2023
„Energien von Verstorbenen“, Felder und Schwingungen wabern durch die FAZ, GWUP-Blog am 25. Oktober 2023
Im True-Crime-Podcast Mord am Mittwoch geht es um „Exorzismus in Deutschland“ – genauer gesagt um den Fall „Zimmer 433“. Das befindet sich im Hotel InterContinental in Frankfurt und war 2015 Schauplatz einer „Teufelsaustreibung“, bei der eine 41-jährige Koreanerin starb.
Tatsächlich gab es noch bis in die 2000er hinein offiziell genehmigte Austreibungen in der katholischen Kirche in Deutschland. Heute dürfte die gängige Praxis in allen 27 deutschen Bistümern sein, dass Menschen, die sich für besessen halten, seelsorgerisch begleitet werden und professioneller therapeutischer Hilfe zugeführt werden, schreibt dazu eine Gruppe von diözesanen Weltanschauungsbeauftragten in einer Handreichung:
Wer Menschen, die sich in besonderer Weise vom Bösen bedrängt fühlen, ernst nimmt und sich den Erkenntnissen theologischer und humanwissenschaftlicher Forschung nicht verschließt, benötigt unabdingbar eine pastoral verantwortungsvolle interdisziplinäre Zusammenarbeit in Medizinisch-psychiatrischer, psychologisch-therapeutischer und seelsorgerisch-theologischer Hinsicht.
Was hat es dann jedoch mit den „zwei bis drei Teufelsaustreibungen pro Tag in Deutschland in der katholischen Kirche“ auf sich, „die aber nicht offiziell sind“, von denen der Journalist Marcus Wegner spricht? Aus Reihen der evangelikalen Szene seien es „sechs bis sieben.“
Offenbar gibt es in der katholischen Kirche in Deutschland eine Grauzone, in der etwa Gastpriester aus der Weltkirche ohne bischöfliche Erlaubnis „Dämonen“ austreiben. Ebenso steigt die Zahl der Menschen, die nach Deutschland kommen und einen Exorzismus als etwas „einigermaßen Normales“ ansähen.
Der Schweizer Pfarrer Joachim Müller warnte schon 2002 vor „wilden Exorzismen im kirchlichen Raum“, die „leider trotz Verbot auch heute noch vorkommen“, und artikulierte seine Zweifel daran, ob „gewisse fundamentalistische Kreise innerhalb der katholischen Kirche“ wirklich die „Vorbehalte und Stoppschilder“ ihrer Dienstherren dem Exorzismus gegenüber berücksichtigen.
Ein schillerndes Beispiel dafür dürfte der Freisinger Pallotinerpater Jörg Müller sein (o.l. bei STRG_F), der sich laut Stern „dazu bekennt, Exorzismen durchzuführen“.
In den Freikirchen sind es Gestalten wie Nature23 oder „Torik“, die mit der Selbstinszenierung und medialen Wirkmächtigkeit katholischer Star-Exorzisten wie Gabriele Amorth nahezu gleichgezogen haben:
Hand auflegen, beten, zack: geheilt. Das hilft anscheinend gegen alles, nur Dämonen müssen richtig ausgetrieben werden. Das kann er aber auch. Davon gibt es etliche Videoclips.
Einige Ausschnitte daraus gab es beim Skeptical im Mai in Augsburg zu sehen. Koreferentin Jasmina Eifert (r.) skizziert im Skeptiker unter anderem die Gefahren von solchen Praktiken für Betroffene.
So zeigt etwa eine Einzelfallstudie von 2017, dass Exorzismen auf die biografisch vorbelastete und traumatisierte Frau einen retraumatisierenden Effekt hatten. Diese und andere Untersuchungen disqualifizieren zudem auch Fixierungen (wie z.B. Nature23 sie anwendet) als probates Hilfsmittel einer solchen Prozedur:
Im Gegenteil: Betroffene berichten eher von weiterer Traumatisierung und einer Verstärkung von Problemen, inklusive erhöhtem Therapiebedarf.
Wie aber kann man sinnvoll den Menschen helfen, die sich selbst als „besessen“ wähnen und einen Exorzismus verlangen (Jörg Müller erwähnt „hunderte Anfragen“ allein aus dem Raum München und Freising jedes Jahr)?
Eifert spricht sich für eine interdisziplinäre Zusammenarbeit „zwischen verschiedenen Stellen wie der Psychiatrie, der Psychotherapie und der Seelsorge“ aus. Von zentraler Bedeutung sei es, die Menschen dort abzuholen, wo sie derzeit stehen, und möglichst flexibel nach gemeinsamen Lösungen zu suchen:
Als primäres Ziel ist gerade aktuell wichtig, Betroffene vor Schäden durch Falschbehandlungen zu bewahren.
Denn was von den Zusagen eines Nature23 zu halten ist („Wir bieten alternative Behandlungsmöglichkeiten an, die zu einem Erfolg führen, zu einer sogenannten Heilung, im Bereich der multiplen Persönlichkeitsstörung … Wenn eine Fixierung stattfindet, dann ist die Heilungsgarantie zumindest gegeben“), zeigt der kürzliche Suizid einer seiner „Patientinnen“.
Riesenskelette erfreuen sich bemerkenswerter Beliebtheit in der Pseudowissenschaft: Alternativarchäologische Autoren sammeln historische Fundberichte in Büchern, Internet-Blogs verbreiten Fake-Nachrichten über angeblich neu entdeckte Riesenskelette.
Doch was steckt hinter diesen Funden? Wieso lieben Pseudowissenschaftler sie so sehr? Und was hat die heutige Begeisterung für Riesen mit Religion und Rassismus zu tun?
Zum Weiterlesen:
Buchtipp: „Archäologie vs. Pseudowissenschaft“, GWUP-Blog am 6. August 2019
Das war die SkepKon 2024 in Augsburg, hpd am 21. Mai 2024
Die „Superbayern“ (eine Söder-/Aiwanger-/Stoiber-Parodie von Wolfgang Krebs auf Bayern 1) gratulieren heute dem „Mühlhiasl“ zum Geburtstag – gleichwohl völlig unklar ist, ob der legendäre bayerische Volksseher überhaupt gelebt hat:
Die Rituelle Gewalt-Mind Control-Verschwörungstheorie (RG-MC) bekommt zunehmend Gegenwind – auch der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend des Deutschen Bundestags zeigt sich einsichtig (anders als das Familienministerium).
Was war geschehen?
Am 23. September lädt der Familienausschuss zu einer öffentlichen Anhörung mit dem Titel „Menschenunwürdige Zustände in der Prostitution beenden – Sexkauf bestrafen“ ein. Dazu können Interessengruppen auch unangeforderte Stellungnahmen einreichen, die man hier einsehen kann.
Das machte sich eine Organisation namens „netzwerkBplus“ zunutze und schickte ein 322-Seiten-Pamphlet hin, das sich auch auf der Homepage dieses Vereins findet.
Allerdings hat dieser Schrieb genau nichts mit dem Thema Prostitution/Sexkauf zu tun – sondern perpetuiert bis ins Detail die RG-MC-Verschwörungstheorie mit allen ihren spezifischen Elementen, einschließlich der Erzählungen von selbstdefinierten Betroffenen, die überwiegend von der Webseite50 Voices of Ritual Abuse stammen.
Das fiel auch dem Frankfurter Verein Doña Carmen auf, der daraufhin einen Offenen Brief an die Ausschussvorsitzende Ulrike Bahr schrieb.
Darin forderte Doña Carmen die SPD-Politikerin auf, „derartige Verschwörungsmythen und esoterischen Unsinn“ zu löschen.
Diese Einschätzung ist wohl durchaus zutreffend, betrachtet man zum Beispiel ein Video mit der 50 Voices of Ritual Abuse–Initiatorin Chantal Frei bei kla.tv, in dem sie sagt:
Wörtlich schreibtDoña Carmen-Vorstandsmitglied Gerhard Walentowitz in dem Offenen Brief:
Weder mir noch dem Verein Doña Carmen e.V. steht es zu, über die im Beitrag von netzwerkBplus e.V. zu Wort kommenden Personen zu urteilen. Wir sehen uns aber sehr wohl dazu in der Lage, die dort präsentierten Ausführungen als Zeugnisse von Menschen einzuordnen, deren psychische Verfassung ganz offensichtlich erheblich beeinträchtigt ist.
Der geballte Irrationalismus disqualifiziert diese Ausführungen, in der öffentlichen Auseinandersetzung um Prostitution irgendeine Rolle zu spielen. Die mit obsessiven Gewaltphantasien und wahnhaften Vorstellungen in der Stellungnahme zu Wort kommenden Menschen benötigen möglicherweise qualifizierte psychologische Unterstützung und therapeutische Begleitung.
Es ist uns völlig unverständlich, wie die unkommentierte 1:1-Übernahme derart abstruser, auf bizarren Verschwörungsmythen basierender Ausführungen mithilfe der Website des Deutschen Bundestags in den Rang einer ernstzunehmenden „Stellungnahme“ erhoben und obendrein auch noch an sämtliche Abgeordneten des Deutschen Bundestags weitergeleitet werden konnte.
Mit Erfolg.
Das „netzwerkBplus“-PDF ist mittlerweile verschwunden, in einer kurzen Mitteilung des Familienausschusses an Doña Carmenheißt es,
… die von Ihnen in Frage gestellte Stellungnahme wurde zur weiteren Prüfung von der Internetseite genommen.
Am Rande spricht Walentowitz noch einen sehr interessanten Punkt an. Er weist nämlich Ulrike Bahr darauf hin, dass die Vorsitzende des Familienausschusses Gefahr laufe,
… mit dem Strafrecht in Konflikt zu geraten. Denn angesichts der vielen, in der von Ihnen veröffentlichten Stellungnahme [von „netzwerkBplus“] zu Wort kommenden Personen, die sich darin der Tötung bzw. der Beteiligung an der Tötung anderer Menschen bezichtigen, greift § 258 StGB („Strafvereitelung“).
Im Anhang zu dem Offenen Brief listet Doña Carmen fast drei Dutzend selbstdefinierte Betroffene von „rituellem Missbrauch“ auf, die sich selbst und andere schwerster Straftaten bezichtigen, bis hin zu Kindstötungen.
Auch wir finden es immer wieder erstaunlich, dass Skeptiker und Aufklärer gegen die RG-MC-Verschwörungstheorie als „Täterschützer“ diffamiert werden, während die zahlreichen selbstdefinierten Betroffenen keinerlei Aktivitäten zeigen, um ihren Fall zu beweisen und die Täter vor Gericht beziehungsweise hinter Gitter zu bringen.
Bis heute kursiert zum Beispiel ein Video in den sozialen Medien, in dem eine der 31 Personen, auf die Doña Carmen im Anhang des Offenen Briefes verweist, auf die Frage, ob sie selbst gezwungen wurde, jemanden zu töten, antwortet:
Ja. Ja, ganz häufig. Also ich glaube, in diesem Rahmen ist das auch schon fast Standard.
Zu den Schauplätzen dieser Verbrechen erklärt sie:
Wenn man jetzt heute irgendwie versuchen würde, da DNA-Spuren zu finden, die würde man auf alle Fälle finden. Hundertprozentig.
Wir fragen uns natürlich: Warum versucht sie es dann nicht?
Im September 2022 habe ich bei der Staatsanwaltschaft Gießen Strafanzeige wegen Mordes und anderer schwerer Straftaten oder Vortäuschen schwerer Straftaten erstattet.
Am 13. Mai 2024 wurde das Ermittlungsverfahren eingestellt.
Ferner schreibt die Staatsanwaltschaft, „alle erfolgversprechenden Ermittlungsansätze“ seien ausgeschöpft worden.
Wir warten also weiter auf „50 proofs of Ritual Abuse“.
Oder wenigstens einen.
Zum Weiterlesen:
Website des Deutschen Bundestags als Plattform für bizarre Verschwörungsmythen, frankfurter-info am 15. September 2024
„Erklärvideo“ des BMFSFJ zur sexualisierten Gewalt gegen Kinder verbreitet Verschwörungstheorie, ezw-berlin am 24. März 2020
Rituelle Gewalt-Mind Control: „Systematische Fehlinformationen“ von hochoffizieller Stelle verhindern die kritische Aufarbeitung, GWUP-Blog am 9. Juni 2023
Ritueller Horror oder Justizirrtum? „Hanebüchenen Schilderungen auch mal Einhalt gebieten“, GWUP-Blog am 3. September 2024
„Verschwörungsmythos“: Netzwerk-Recherche-Diskussion zu rituellem Missbrauch, GWUP-Blog am 24. Juli 2024
Studie zu Falscherinnerungen: Suggestive Praktiken sind ein Problem in der Psychotherapie, GWUP-Blog am 23. März 2024