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Illuminati: Erleuchtete oder Dunkelmänner?

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Vor wenigen Tagen startete in Deutschland die Verfilmung des Bestsellers „Illuminati“ von Dan Brown. Buch und Film verweben ihre fiktive Story mit historischen Halbwahrheiten, bekannten Mythen und aktuellen Verschwörungstheorien. Im Mittelpunkt steht der Geheimbund der Illuminaten.

Der Journalist Bernd Harder, Pressesprecher der freundlichen Skeptiker von der gemeinnützigen Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften e.V. (kurz GWUP) hat die wichtigsten FAQs und Fakten zu den legendären Schattenmännern gesammelt. Zu diesem Thema referieren Bernd Harder und der Ex-CERN-Physiker Dr. Holm Hümmler auch bei der GWUP-Konferenz 2009, morgen am 21. Mai um 17.30 Uhr im Hamburger Völkerkundemuseum.

Bernd Harders Artikel „Erleuchtete oder Dunkelmänner? Der Mythos um ‚Illuminati'“ erschien erstmals im SKEPTIKER 4/2005. Aus aktuellem Anlass zum Filmstart von „Illuminati“ veröffentlichen wir ihn jetzt hier auszugsweise im Blog der GWUP. Den SKEPTIKER 4/2005 können Sie im Shop der GWUP bestellen.

Worum geht es in „Illuminati“?

Im europäischen Zentrum für Teilchenphysik (CERN = Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire) in Genf wird der Kernforscher Leonardo Vetra auf grausame Weise ermordet. In seine Brust sind mysteriöse Schriftzeichen eingebrannt, die der Harvard-Professor und Experte für religiöse Ikonografie Robert Langdon (Tom Hanks) als so genannte Ambigramme identifiziert – geheime Botschaften, mit denen eine uralte und mächtige Verschwörergruppe namens „Illuminati“ untereinander kommuniziert.

Vetras Adoptivtochter Vittoria findet heraus, dass dem ermordeten Wissenschaftler ein Behälter mit Antimaterie entwendet worden ist. Anscheinend wollte der Atomphysiker mit dieser hochgefährlichen Substanz im Labor den Urknall simulieren. Bei ihren Nachforschungen werden Langdon und Vittoria in den ewigen Widerstreit zwischen Glaube und Wissenschaft hineingezogen. […]

Wer waren die Illuminaten?

In Dan Browns Roman bildeten sich die Illuminaten um das Jahr 1500 in Rom aus „Italiens klügsten Köpfen – Physiker, Mathematiker und Astronomen“. Ihr führendes Mitglied sei Galileo Galilei gewesen. Brown stilisiert die Illuminaten zur „gefährlichsten antichristlichen Macht auf Erden“, denn im Untergrund habe sich der Geheimbund im Laufe der Zeit „mit anderen Gruppierungen vermischt, die allesamt von der katholischen Kirche verfolgt wurden -Mystikern, Alchemisten, Okkultisten, Muslimen, Juden“. So sei daraus eine tief antichristliche Bruderschaft geworden, eine „sehr mächtige, sehr geheime Sekte“.

Und in Wirklichkeit?

Ein elitärer Club von naiv-harmlosen Weltverbesserern: Mehr vermag die seriöse Geschichtswissenschaft im „Bund der Illuminaten“ nicht zu erkennen, der sich im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts in Bayern entwickelte. Am 1. Mai 1776 rief der Professor für Kirchenrecht Adam Weishaupt an der Universität Ingolstadt einen studentischen Lesezirkel ins Leben, der sich zunächst „Perfectibilisten“ nannte – eine Art Stammtisch seiner besten Schüler. […]

Befreier von Aberglauben und Tyrannei

Adam Weishaupt (geb. 1748) sah sich ganz im Geiste der Aufklärung als Befreier der von Aberglauben und Tyrannei unterjochten Menschheit und als natürlicher Gegner und Antipode der Jesuiten in Ingolstadt. Zeitgenossen schildern den Sohn eines Universitätsprofessors als bleichen, anscheinend harten und stoischen, in sich selbst verschlossenen Mann, der nur einigen wenigen Akademikern den Zutritt zu sich gestattete. Ähnlich unschmeichelhaft fällt das Urteil heutiger Historiker aus: ein weltfremder, misstrauischer und unduldsamer Stubengelehrter sei Weishaupt gewesen.  […]

Was wollten die Illuminaten?

Die traditionelle religiöse und politische Autorität zur Zeit des fürstlichen Absolutismus abschaffen – so lautet die kurze Standardantwort der meisten Experten auf diese Frage. Doch die Sachlage ist etwas komplizierter. Tatsächlich bestehen in der Illuminatenforschung „beträchtliche Meinungsunterschiede über die politischen Ziele und Aktivitäten des Ordens“, merkt der Historiker W. Daniel Wilson an. Unklar ist vor allem, wie der Geheimbund die angestrebten gesellschaftlichen Veränderungen eigentlich erreichen wollte: gewaltlos oder umstürzlerisch?

Der so genannte Illuminatismus galt seinerzeit neben dem Jakobinismus als Inbegriff eines die herrschende Gesellschaftsordnung umstoßenden Systems – und geistert heute noch als Sinnbild konspirativer Politik und Machtentfaltung durch die aktuelle Verschwörungsliteratur. Aber ist diese Lesart der eher kläglichen, nicht einmal ein Jahrzehnt lang währenden Geschichte des Illuminatenordens haltbar? Sehr wahrscheinlich nicht. […]

Existieren die Illuminaten immer noch?

Wer ist für die hohen Benzinpreise verantwortlich? Oder dafür, dass am Wochenende kein Klempner mehr ins Haus kommt? Natürlich die Illuminaten – erklärt der Autor der skurrilen „Illuminatus!“-Trilogie, Robert Anton Wilson, augenzwinkernd.

Und Wilson muss es schließlich wissen, wird er doch von Konspirations-Fans immer wieder geziehen, einer der Anführer der Illuminaten-Bruderschaft zu sein, die vom 18. Jahrhundert bis in unsere Gegenwart hinein fortbestehe. Dass der Kultautor dem ebenso kundig wie vehement widerspricht – natürlich nur ein weiterer Beweis für die große Verschwörung, oder?

„Von den 39 verschiedenen Theorien zu den Illuminaten, die in ‚Illuminatus!‘ enthalten sind, mag eine der Wahrheit näher kommen als die anderen 38″, lässt Wilson sich diesbezüglich ein. „Doch meine eigene diesbezügliche Meinung scheint nicht mehr Geltung zu besitzen als die von jedermann sonst. Ich will nicht, dass meine Leser meine Vermutungen schlucken. Ich will, dass sie für sich selbst denken.“ […]

Links zum Thema:

Autor: Stefan Kirsch

Stefan Kirsch: Diplom-Germanist und Redakteur, aktiv in der GWUP seit 2000. Studium der Germanistik, Journalistik, Philosophie und Psychologie an der Universität Bamberg, Mitglied im Deutschen Journalisten-Verband (djv). Beruflich ist er in der Unternehmenskommunikation eines deutschen Technologie-Konzerns tätig.

6 Kommentare

  1. „Brown stilisiert die Illuminaten zur ‚gefährlichsten antichristlichen Macht auf Erden‘, denn im Untergrund habe sich der Geheimbund im Laufe der Zeit ‚mit anderen Gruppierungen vermischt, die allesamt von der katholischen Kirche verfolgt wurden -Mystikern, Alchemisten, Okkultisten, Muslimen, Juden‘. So sei daraus eine tief antichristliche Bruderschaft geworden, eine ’sehr mächtige, sehr geheime Sekte'“.

    das ist so nicht richtig, brown stilisiert die iluminaten nicht zu weltverschwören hoch, er greift lediglich auf vorhandene verschwörungstheorien zurück.

  2. Hallo,
    Aus dem Text: „…Ein elitärer Club von naiv-harmlosen Weltverbesserern…“. Mit welchem Recht maßen sich die Menschen unserer Zeit ständig an, die Vergangenheit durch den Dreck zu ziehen? Jede Zeit hat ihre geistigen Grenzen, diese Grenzen bestehen in der Nichtverfügbarkeit von Wissen. Was werden die Menschen in 100 Jahren über uns sagen? Ein elitärer Club von naiv-harmlosen Weltverbesserern????

    Warum kann unsere Zeit nicht sachlich und mit Respekt mit der Vergangenheit umgehen, ohne sich über sie zu erheben? Ohne höhnisch und vermeintlich satirisch über sie herzuziehen?

    Dan Brown ist Romanautor, kein Wissenschaftler von dem man unwiderlegbare Wahrheiten erwartet. Belletristik ist Wahrheit und Dichtung. Ob ein Roman in die Trivialliteratur abgleitet, Thriller oder was immer ist, bleibt wertfrei. Das Buch ist spannend geschrieben, mehr erwarte ich von keinem Roman. Jeder Mensch ist frei, den Wahrheitsgehalt selber zu recherchieren.

    Grüße
    Clara

  3. @Clara Blau:

    Ich würde gerne verstehen, worum es Ihnen geht?

    – Was genau wird mit der Bewertung „Ein elitärer Club von naiv-harmlosen Weltverbesserern“ durch den Dreck gezogen?

    – Was konkret ist daran „höhnisch und vermeintlich satirisch“?

    – Das ist eine historisch-wissenschaftliche Einordnung der Illuminaten und hat nichts mit Dan Brown zu tun.

    – Es geht bei dieser Bewertung auch nicht darum, was die Illuminaten damals „wissen“ konnten und was nicht – sondern um ihre politischen und gesellschaftlichen Ziele und Absichten, die man nicht anders als „naiv“ nennen kann – und waren sie auch damals schon.

    Oder was denken Sie, warum progressive Persönlichkeiten wie der Freiherr von Knigge schnell wieder ausgetreten sind und woran das ganze Projekt gescheitert ist?

  4. @Bernd Harder

    Die letzte Frage zuerst. Warum hat Knigge die Illuminaten verlassen? Es ist historisch belegt, dass die Ursache im Charakter und Auftreten Weißhaupts lag, der in seiner Art sehr administrativ war, nicht an den Zielen des Ordens.

    Und genau damit sind wir im Kern. Die Illuminaten entstanden zur Zeit der Aufklärung, einer Zeit, wo man sich versuchte von der Herrschaft des Adels zu befreien. Wir nennen es naiv wie man vorging und dachte, naiv waren auch die schlesischen Weber, die ihre Webstühle zerschlugen. Für die Menschen der damaligen Zeit, der bürgerlichen Menschen, wie Kant und Corvin, waren es ernsthafte gesellschaftliche Probleme. Wollen Sie Kant (Sapere aude) oder Goethe, ein Illuminat oder auch Knigge, naiv nennen? Der Ochse gibt nie mehr als Rindfleisch. Die Ziele möchte ich nicht naiv nennen, die Absichten auch nicht. Weishaupt hat nur seine eigene Erkenntnis missachtet: Wer Revolutionen bewirken will, muss die Sitten verändern.

    Worum es mir geht? Um Respekt gegenüber der Vergangenheit. Ohne die Zeit der Aufklärung, vorherige und nachfolgende Denker, hätten sich gesellschaftliche Entwicklungen vielleicht ganz anders dargestellt.

    Als Hohn betrachte ich all diese respektlosen Aussagen über die Vergangenheit. Es steht uns einfach nicht zu. Auch in unserer Zeit herrscht diese Naivität hinsichtlich gesellschaftlicher Entwicklungen, das werden die Menschen in 100 Jahren ebenso konstatieren.

    Natürlich hat Dan Brown nichts mit der Gründung und Lebensweise des Ordens zu tun, doch der Einstieg von Kirsch beginnt mit Dan Brown. Ich erinnere mich nicht, dass auf dem Buchcover -Tatsachenroman- steht. Lasse man dem Autor seine Fantasie, es gibt Schlimmeres. Film und Buch unterscheiden sich. Brown hat das Thema zumindest versucht spannend zu gestalten.

  5. @Clara Blau:

    Es ist historisch belegt, dass die Ursache im Charakter und Auftreten Weißhaupts lag,

    Der Machtkampf mit Bode und Weishaupt mag ein Grund gewesen sein.

    Genauso historisch belegt ist Knigges Fazit über die Illuminaten:

    „Ich habe mich lange genug mit diesen Dingen beschäftigt, um aus Erfahrungen reden und jeden jungen Mann, dem seine Zeit lieb ist, abraten zu können, sich in irgendeine geheime Gesellschaft, sie möge Namen haben, wie sie wolle, aufnehmen zu lassen. Sie sind alle, freilich nicht in gleichem Grade, aber doch alle ohne Unterschied, zugleich unnütz und gefährlich.“

    Ohne die Zeit der Aufklärung, vorherige und nachfolgende Denker, hätten sich gesellschaftliche Entwicklungen vielleicht ganz anders dargestellt.

    Das bestreitet doch niemand, es geht auch nicht um Goethe oder Kant – sondern um die nüchterne Frage, welchen Beitrag der Illuminatenorden als Organisation realiter für die Aufklärung geleistet hat. Und da fällt das historische Urteil nun mal eher zurückhaltend aus, unabhängig von den hehren Absichten des Gründers und der Mitglieder.

    Darüber hinaus kann ich Ihre Gleichsetzung des Wortes „naiv“ mit „Hohn“, „respektlos“ etc. nach wie vor nicht nachvollziehen.

    Sollte in 100 Jahren mal jemand über die GWUP urteilen, dass unser Anliegen „naiv“ gewesen sei – nehme ich das amüsiert zur Kenntnis, sofern ich es noch erlebe.

  6. Mit welchem Recht maßen sich die Menschen unserer Zeit ständig an, die Vergangenheit durch den Dreck zu ziehen?

    Gewöhnlich mit dem Recht des besseren Arguments. Häufig lässt sich sogar nachweisen, dass es die Menschen in vergangenen Zeit hätten besser wissen können.

    Ich finde es hingegen interessant, woher Clara Blaus Emotionalität rührt. Und warum es (bei ihr) so ein starkes Bedürfnis nach kulturellem oder historischen Relativismus gibt?

    Ansonsten halte ich es mit Bernd Harder.

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