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CERN & Illuminati: Dichtung und Wahrheit?

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Im Film „Illuminati“ nach dem Roman von Dan Brown stehlen Bösewichte aus Europas Kernforschungszentrums CERN eine Bombe mit Antimaterie, um den Vatikan zu vernichten. Das ist Unsinn, aber das ist man von Dan Brown gewohnt: Dan Brown ist Schreiber fiktionaler Romane, kein Journalist. Er spielt mit Legenden und verarbeitet sie zu Thrillern. Dan Brown ist also ein Geschichtenerfinder. Macht ja nix, das kann kreativ und spannend sein. Mit der Realität hat es aber so viel zu tun wie die ZDF-Mainzelmännchen mit der ARD-Tagesschau, nämlich wenig.

Wo verläuft die Grenze zwischen Dichtung und Wahrheit am CERN?

Die freundlichen Skeptiker von der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften e.V. (GWUP) haben einen gefragt, der sich damit auskennt: einen ihrer vielen Physiker. Dr. Detlef Küchler arbeitet seit über zehn Jahren am CERN und schrieb im Blog der GWUP bereits über den LHC und Schwarze Löcher. Sein Insider-Bericht „Das CERN – Dichtung und Wahrheit“ erschien erstmals im SKEPTIKER 4/2005. Aus aktuellem Anlass zum Filmstart von „Illuminati“ veröffentlichen wir ihn jetzt hier im Blog der GWUP:

Das CERN – Dichtung und Wahrheit:
Ein Insider-Bericht von CERN-Mitarbeiter Dr. Detlef Küchler

Das CERN ist das europäische Kernforschungszentrum. Es befindet sich in Genf an der Grenze zwischen der Schweiz und Frankreich. Es wurde 1954 gegründet, um im Nachkriegseuropa eine Keimzelle der friedlichen Kooperation und der wissenschaftlichen Zusammenarbeit zu legen. 2004, zum 50-jährigen Bestehen, kamen am Tag der offenen Türen über 30.000 Gäste aus weiten Teilen Europas, um einen Eindruck vom größten Beschleunigerlabor der Welt zu bekommen. Unter ihnen waren sicher auch einige, die Dan Browns Buch gelesen hatten und nun vor Ort sehen wollten, was dran ist an der Geschichte von den „Illuminati“.

Der erste Unterschied zwischen Dichtung und Wahrheit, der sofort ins Auge fällt: Hier sind weder eine Glaskathedrale noch rote Ziegelsteinbauten zu finden. Die Gebäude des CERN wurden zu verschiedenen Zeitpunkten der 50-jährigen Geschichte gebaut, die meisten sind weiß und aus Beton. Das CERN beschäftigt etwa 2.600 Mitarbeiter, und es halten sich beständig mehr als 6.000 Gäste aus aller Welt in den Räumlichkeiten auf – nicht nur Physiker, sondern auch Informatiker, Ingenieure und Techniker.

CERN-Mitarbeiter und -Gäste sehen nicht irgendwie besonders aus und machen auch keine irgendwie verrückten Sachen. Allerdings besteht durchaus die Möglichkeit, beim Mittagessen einem Nobelpreisträger über den Weg zu laufen. Der Generaldirektor des CERN ist gegenwärtig Dr. Robert Aymar [Update: Rolf-Dieter Heuer seit 2009]. Aber im Gegensatz zu seinem literarischen Pendant in Dan Browns „Illuminati“ ist er Manager eines wissenschaftlichen Großunternehmens und handelt dementsprechend.

Die Suche nach den fehlenden Bausteinen der theoretischen Physik

Viele der Beschäftigten arbeiten für das zurzeit größte Projekt am CERN – das LHC (Large Hadron Collider). Diese Maschine befindet sich ca. 100 Meter unter der Erde und hat einen Umfang von 27 Kilometern. Sie soll 2007 in Betrieb gehen. Jedoch nicht um Antimaterie zu produzieren, sondern für die Suche nach den noch fehlenden Bausteinen in den Modellen der Theoretiker – dem Higgs-Boson und den leichtesten supersymmetrischen Teilchen sowie einem besonderem Zustand der Materie, dem Quark-Gluonen-Plasma, von dem man annimmt, das es kurze Zeit nach dem Urknall existiert hat.

Für diese Experimente werden Protonen bzw. Bleikerne mit Energien von einigen Teraelektronenvolt im LHC kollidieren, und vier riesigen Detektoren werden die entstehenden Teilchenspuren für die spätere Auswertung aufzeichnen. Für den Betrieb der Anlage sind viele Spezialisten notwendig, einer allein (wie der Kernforscher Leonardo Vetra in „Illuminati“) kann diese große Maschine nicht bedienen. Außerdem ist der Aufenthalt während des Betriebes an der Maschine aufgrund technischer und strahlentechnischer Überlegungen nicht gestattet.

Antimaterie gibt es wirklich!

Für die Untersuchungen von Antimaterie gibt es eine spezielle Maschine: den Antiprotonen Decelerator (AD). Hier werden pro Jahr etwa eine Million Millionen Antiprotonen „hergestellt“. Um ein Gramm Antiprotonen zu erzeugen, müsste indes die Ausbeute von 1.000 Milliarden Jahren gesammelt werden. Eine sichtbare Menge, wie sie in „Illuminati“ beschrieben wird, ist also so ohne weiteres gar nicht herstellbar. Für die Experimente am AD reichen die zur Verfügung stehenden Mengen Antimaterie jedoch aus. Die Forscher suchen dabei unter anderem nach der Asymmetrie zwischen Materie und Antimaterie.

Antimaterie annihiliert mit Materie. Es findet dabei eine vollständige Umwandlung von Masse in Energie statt. Aus geringen Mengen Antimaterie könnte man so gewaltige Mengen Energie bei einem Wirkungsgrad von 100 Prozent gewinnen. Aber die Herstellung der Antimaterie ist äußerst ineffizient und verschlingt viel größere Energiemengen. Um die sofortige Annihilation zu verhindern, werden die am AD erzeugten Antiprotonen in Ionenfallen eingefangen.

In diesen Fallen muss ein sehr gutes Vakuum herrschen, um die Wechselwirkung mit dem Restgas zu minimieren, da jede Wechselwirkung den Verlust der Antiprotonen durch Annihiliation bedeutet. Da ein absolutes Vakuum nicht erzeugbar ist, ist die Lebensdauer in der Falle begrenzt. Die für die elektromagnetischen Felder der Falle notwendigen Stromversorgungsgeräte, die Falle selbst und deren Vakuumsystem können nicht – wie im Buch geschildert –  in einem tragbarem Gerät vereinigt werden, und somit ist es unmöglich, Antimaterie in großen Mengen zu stehlen.

Fakten versus „Illuminati“: die Webseite des CERN

Das CERN hat neben diesen grundlegenden Arbeiten auch Ergebnisse vorzuweisen, die das tägliche Leben betreffen. Tim Berners-Lee entwickelte hier die Grundlagen für das WWW (nicht für das Internet, wie häufig kolportiert wird). Gegenwärtig wird hier auch am Nachfolger des WWW, dem Grid, gearbeitet. Die Entwicklung der Detektoren für die Großexperimente kann als Ergebnis Detektorkristalle vorweisen, die auch in der medizinischen Diagnostik eingesetzt werden. Aber ein eigenes Fluggerät wie die X33 in „Illuminati“ besitzt das CERN nicht.

Dan Browns Buch hat dem CERN zu mehr Popularität verholfen. Das ist gut, aber leider bekommt der Leser einen falschen Eindruck von den realen Gegebenheiten. Aufgrund der vielen Anfragen bezüglich der im Roman aufgestellten Behauptungen hat die Pressestelle des CERN eine eigene Webseite dafür eingerichtet: Angels & Demons: The Science Behind The Story.

Der Mythos um die „Illuminati“ ist auch Thema bei der GWUP-Konferenz 2009, die morgen am 21. Mai in Hamburg (Völkerkundemuseum) beginnt: Der Autor und Journalist Bernd Harder spricht am 21. Mai um 17.30 Uhr zum Thema „Dunkelmänner oder Erleuchtete? Der Mythos um Illuminati“. Den gleichnamigen SKEPTIKER-Artikel dazu lesen Sie hier im GWUP-Blog.

Trailer zum Film „Illuminati“:

Links zum Thema:

Autor: Stefan Kirsch

Stefan Kirsch: Diplom-Germanist und Redakteur, aktiv in der GWUP seit 2000. Studium der Germanistik, Journalistik, Philosophie und Psychologie an der Universität Bamberg, Mitglied im Deutschen Journalisten-Verband (djv). Beruflich ist er in der Unternehmenskommunikation eines deutschen Technologie-Konzerns tätig.

3 Kommentare

  1. Die Antimaterie ist nicht verschwunden

    Allgemein wird davon ausgegangen, dass ein Proton aus zwei Up-Quarks und einem Down-Quark besteht. Tatsächlich ist dieses Down-Quark ein Schein-Down-Quark, welches die gleiche elektrische Ladung wie das Down-Quark aufweist und auf untergeordneten Ebenen die Gegenmaterie enthält.

    Ein Neutron soll aus einem Up-Quark und zwei Down-Quarks bestehen. Tatsächlich besitzt das Neutron ein Up-Quark und ein klassisches Down-Quark. Das zweite angebliche Down-Quark ist gleichfalls nur ein Schein-Down-Quark, welches die Gegenmaterie enthält.

    D. h.: Zu jedem Materieteilchen im Universum existiert ein dazugehöriges Antimaterieteilchen. Es hat somit nie eine Symmetriebrechung stattgefunden (die den Überschuss an Materie erklärt). Es hat auch nie eine teilweise oder maximale Paritätsverletzung gegeben.

    Bekannt ist, dass ein Down-Quark aus einem Up-Quark, einem Elektron und einem Elektron-Antineutrino (plus Energie) besteht. Dies weiß man, weil sich beim Zerfall eines Neutrons ein Proton, ein Elektron und ein Elektron-Antineutrino ergeben:
    (u+ d- ‚d-‚) = (u+ u+ ‚d-‚) + e- + e-a-n + E

    Dieses Elektron-Antineutrino e-a-n stellt Antimaterie dar. Und niemand wundert sich, woher diese Antimaterie stammt. Das Neutron besteht angeblich aus zwei Down-Quarks. Und niemand wundert sich, warum nur eines der ‚beiden‘ Down-Quarks in ein Up-Quark, in ein Elektron und in ein Elektron-Antineutrino zerfällt. Noch nie wurde beobachtet, dass beide angeblichen Down-Quarks zerfallen.

    Es wird immer behauptet, dass ein Neutron ein Materieteilchen ist. Wenn das freie Neutron nach rund 886 Sekunden in seine Bestandteile zerfällt, wobei eines dieser Bestandteile ein Elektron-Antineutrino ist, dann kann ein Neutron keine klassische Materie sein. Die einzigen klassischen Materieteilchen sind das Up-Quark, das Elektron und das Elektron-Neutrino, weil sie die unterste Stufe darstellen. Die übrigen so genannten Materieteilchen haben bestenfalls eine Art ‚äußere Erscheinung‘ als Materie.

  2. Waldi: Interessante Theorie, mir aber völlig neu. Kann man irgendwo auch die Details nachlesen?

    Ich wäre auch sehr vorsichtig mit Aussagen wie “ […] ein Down-Quark [besteht] aus einem Up-Quark, einem Elektron und einem Elektron-Antineutrino“. Erstens hat es damit immer noch ein Überschuss an Materie (Up, Elektron) gegenüber Antimaterie (Antineutrino), zweitens kann ein Down-Quark zwar entsprechend umgewandelt werden, besteht aber dafür noch lange nicht aus diesen Bauteilen. Die Vorstellung, dass bei solchen Reaktionen ein komplexes Teilchen in seine bereits vorhandene Einzelteile zerfällt, ist schlicht falsch.

    Dass Teilchenzahlen nicht konstant sind, kann man an vielen Reaktionen leicht nachvollziehen. Etwa der Erzeugung von Photonen durch eine Glühlampe, oder der gegenseitigen Vernichtung von Elektron und Positron (Anti-Elektron) mit Erzeugung von 2 Photonen. Es gibt aber Erhaltungssätze, so muss z.B. bei der Erzeugung eines Elektrons auch immer ein Antiteilchen (Anti-Neutrino oder Positron) mit entstehen.

    Gegen die These, nur das Up-, nicht das aber Down-Quark sei ein klassisches Materieteilchen spricht im übrigen der beta+Zerfall. Dabei wandelt sich ein Proton zu Neutron + Positron + e-Neutrino, oder fundamentaler, aus Up wird Down + Positron + e-Neutrino. Freie Protonen sind zwar stabil, aber in Kernen mit starkem Protonenüberschuss stimmt das nicht mehr, die erforderliche Energie wird durch die Bindungskräfte im Atomkern geliefert.

  3. @Waldi
    „Symmetriebrechung“ ist aber „Schöpfung“…ohne einer „Symmetriebrechung“ wäre alles „Nichts“, Oder? ;-)

    Das Vakuum ist voller Teilchen, die sich gegenseitig vernichten, und dieser Druck ist sogar messbar:

    http://de.wikipedia.org/wiki/Casimir-Effekt

    Dass aber etwas „Bestand“ hat, ist eine folge der „Symmetriebrechung“…

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