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Janos Hegedüs über seinen Rechtsstreit mit Coach Cecil und was wir daraus lernen können

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Gute Nachrichten:

Dr. Janos Hegedüs hat seinen zwei Jahre dauernden Rechtsstreit mit „Coach Cecil“ gewonnen:

Ich habe im Jahr 2018 eines meiner ersten Debunking-Videos Coach Cecil gewidmet. Es hat ihm nicht gefallen. Nach einem etwa zwei Jahre langen Rechtsstreit habe ich Recht bekommen und mein Video, meine Kritik, blieb online.

Ich denke, dass wir aus diesem Fall viel lernen können und habe deswegen Anwalt Jun um Hilfe gebeten.

Dieses Video ist kein Angriff auf Coach Cecil. Wir haben eher anhand dieses Beispiels untersucht, was man als Kritiker darf. Darf man jemanden als Scharlatan bezeichnen? Was sind Werturteile und was sind Tatsachenbehauptungen? Welche Aussagen sind durch die Meinungsfreiheit gedeckt und was darf man nicht?

Kurz gefasst: Wie scharf darf Kritik sein?

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Zu diesem Anlass veröffentlichen wir nachfolgend das Interview mit Janos Hegedüs, das wir für den Skeptiker 1/2022 geführt haben:

GWUP: Ärzte gibt es mittlerweile einige bei Youtube, die dort sowohl „Patienten aufklären“ als auch ihr „Marketing ankurbeln“, wie derhausarzt.digital schreibt. Zum Beispiel Dr. Johannes Wimmer („NDR Gesund“), Dr. Konstantin Wagner („Richtig Schwanger“) oder Dr. Christian Schulze („Ihr Sportarzt“).

Auch Ihre Videos drehten sich zunächst um Themen wie Reflux, Bluthochdruck, Fettleibigkeit, Zöliakie – ehe sich der Kanal zum entschiedenen Sprachrohr gegen Pseudomedizin und Corona-Mythen wandelte. Wie kam’s?

Hegedüs: Diese Ausrichtung war so tatsächlich nicht geplant.

Ursprünglich sollte „Sprechstunde mit Dr. Hegedüs“ dazu dienen, Patienten zu informieren und ihre Gesundheitskompetenz zu fördern. Die Idee dazu kam mir beim Nachtdienst in der Notaufnahme. Schon in Ungarn hatte ich im Rettungsdienst gearbeitet und dort so einiges erlebt.

Als ich nach Deutschland kam und hier meine ersten Dienste machte, sah ich, dass die Probleme überall die gleichen sind. Viele Patienten können mit ihren Beschwerden überhaupt nicht umgehen. Da fehlt jedes Verständnis für den eigenen Körper und wie man Symptome einordnen kann, ohne sie zu übertreiben oder herunterzuspielen.

Da ich niemand bin, der immer nur meckert, wollte ich daran etwas ändern. So ist der Youtube-Kanal entstanden.

Eine Zäsur markierte dann der zehnte Beitrag vom 9. August 2018. Schon in der Ankündigung heißt es:

In diesem Video nehme ich den Kampf gegen Scharlatane auf. Ich stelle Ihnen Frau Dr. Friederike Feil vor und erzähle Ihnen, welche Irrtümer sie verbreitet. Darmreinigungskuren, Rohmilch mit Laktase, Entgiftung durch die Haare… Wenn Sie wissen wollen, was wahr und was unsinnig ist, schauen Sie sich dieses Video an.

Was ging dem voraus?

Ein Freund hatte mich zu einem Vortrag von Frau Feil in einem Fitnessstudio mitgenommen. Er meinte, sie sei Ärztin und ich solle mir das doch mal anhören.

Schon im Vorfeld fiel mir auf, dass die Dame keine Medizinerin ist, sondern bei Wikipedia als „internationale Sport-Ernährungsspezialistin“ firmiert und ihre Veröffentlichungen einen recht fragwürdigen Eindruck machen.

Genau so lief auch die Veranstaltung. Ich war zunächst hin- und hergerissen, ob ich mich als Arzt outen sollte, beließ es dann aber dabei, ein paar kritische Fragen zu stellen. Die Leute im Publikum reagierten darauf eher genervt. Die fanden das gar nicht so gut, dass ich die Behauptungen von Frau Feil in Frage stellte und konnten nicht so richtig nachvollziehen, warum ich das alles wissen wollte.

Also habe ich ein Video dazu gemacht und den Link auch dem Studio und, soweit möglich, den Vortragsbesuchern geschickt. Jetzt waren die Rückmeldungen überwiegend positiv – was mir wiederum einen Motivationsschub gab.

Es fällt auf, dass Sie in diesem Video erstmals selbst vor die Kamera treten. Davor waren es animierte Erklärvideos.

Genau, das ist ein sehr wichtiger Punkt. Bei dieser Aufnahme ist mir klar geworden, dass ich mit Gesicht und Namen dafür einstehen muss, wenn ich andere kritisiere. Nur so kommt man glaubwürdig und authentisch rüber.

Und macht sich natürlich auch angreifbar. Gerade wenn es gegen „Scharlatane“ geht, die bekanntlich nicht so genannt werden wollen.

Ja, die erste Klage ließ auch nicht lange auf sich warten.

Ich plane schon seit längerem ein Video mit meinem Anwalt dazu, in dem wir gemeinsam erklären, dass und warum wir gegen diesen Youtuber und Fitnesscoach vollumfänglich Recht bekommen haben – nicht zuletzt, um anderen Mut zu machen, sich gegen Scharlatanerie zu engagieren.

Aber auch ich selbst habe bei diesem Prozess viel gelernt. Zum Beispiel darüber, was man sagen darf, wie man es sagen kann, welche Formulierungen heikel sind und ähnliches mehr. Diese Erfahrungen möchte ich gerne weitergeben.

Parallel dazu, also während das Verfahren lief, wurde mein Arbeitgeber mit Schreiben eingedeckt, in denen irgendwelche Leute meine Entlassung forderten. Gegenteiligenfalls würde eine Kampagne gegen das Krankenhaus geführt werden.

Aber nachdem ich der Rechtsabteilung die Hintergründe erklärt hatte, sagten die nur, ich solle mir keine Sorgen machen, sie kümmerten sich darum.

Dankenswerterweise ein starkes Signal. Trotzdem können solche Vorkommnisse ziemlich abschreckend auf Menschen wirken, die sich für Aufklärung und Patientenschutz einsetzen wollen.

Das ist leider so.

Ich suche immer Partner für meine Videos, also Experten, mit denen ich bestimmte Themen besprechen kann – aber das erweist sich als sehr schwierig. Fast alle haben Angst vor Klagen, Verleumdungen etc. Und das kann ich natürlich auch nachvollziehen.

Ich habe es ja selber nicht für möglich gehalten, dass mich jemand verklagen kann, der behauptet, Krebs heilen zu können, und ich ihm öffentlich widerspreche. Aber das geht. Und auch wenn wir solche Prozesse am Ende gewinnen, kostet das erst einmal viel Zeit und Geld. Ich denke, sehr viele Kolleginnen und Kollegen finden das gut und wichtig, was ich mache.

Aber dieses Risiko – und auch der Arbeitsaufwand für die Videos – hält die allermeisten davon ab.

Warum machen Sie es trotzdem?

Weil ich davon überzeugt bin, dass wir der Unwissenschaftlichkeit in vielen Bereichen unserer Gesellschaft etwas entgegensetzen müssen. Und ganz besonders in der Medizin. Das darf so nicht weitergehen.

Was in manchen Heilpraktiker-Praxen angeboten wird, empfinde ich als schockierend. Zum Beispiel intravenöse Eingriffe, die in der Klinik nicht mal eine examinierte Krankenschwester vornehmen darf. Wieso erlauben wir das?

Alternative Behandlungsmethoden mit hohem Schadenspotenzial gehören schlichtweg verboten. Bei anderen Verfahren müsste zumindest deutlich darauf hingewiesen werden, dass sie wissenschaftlich nicht belegt und unwirksam sind.

Homöopathie etwa.

Das ist das Paradebeispiel dafür, wie man Pseudomedizin salonfähig macht. Indem man sie nicht nur erlaubt, sondern über Jahrzehnte hinweg politisch fördert.

Damit spuckt man natürlich der Wissenschaft ins Auge, wenn wirkungslose Zuckerkügelchen von gesetzlichen Krankenkassen bezahlt werden. Und selbst wenn – was ich oft als Argument höre – Homöopathie die effektivste Möglichkeit sein sollte, den Placeboeffekt zu nutzen: Das braucht es nicht. Der Placeboeffekt funktioniert auch dann, wenn der Patient weiß, dass er ein Scheinmedikament bekommt.

Deshalb verstehe ich umso weniger, warum wir die Fakten nicht klar kommunizieren. Es gibt keinen Grund für dieses mystische Lügengebäude um die Homöopathie herum.

Stattdessen wird damit die Tür aufgestoßen für all die Alex Greens, Coach Cecils, Friederike Feils und andere, mit ihren Parasitenkuren, Energieströmen, Nahrungsergänzungsmitteln, Entsäuerungen, Ausleitungen und was immer.

Wie sollte dieser Bereich Ihrer Meinung nach geregelt werden?

Ich habe keinen fertigen Vorschlag für so ein kompliziertes Thema. Aber ich finde, es muss Schluss sein mit Unwissenschaftlichkeit und falschen Erklärungen.

Letztendlich geht es um Aufklärung. Ich würde darauf hinwirken, dass bei jeder Therapie und jedem Mittel erkennbar sein muss, was wirkt und was nicht. Behandlungen und Verabreichungen ohne Wirksamkeitsnachweis dürfen weder von den Kassen finanziert werden noch als wirksam angepriesen werden.

Und bei Heilpraktikern gehört aufs Praxisschild der Hinweis, dass es sich um eine Laienzunft ohne medizinische Ausbildung handelt.

Allerdings bieten auch Ärzte Alternativmedizin an.

Ich bin mir sicher, dass viele das nicht aus Überzeugung tun, sondern wegen finanzieller Zwänge im niedergelassenen Bereich. Da könnte man wohl zumindest teilweise lösen, indem man die sprechende Medizin besser vergütet.

Erstaunlicher finde ich, dass die Patienten oft gar nicht wissen, was sie da beim Arzt oder Heilpraktiker eigentlich nachfragen. Homöopathie wird in der Regel mit Naturheilkunde gleichgesetzt. Das macht die Diskussion um Regelungen, Einschränkungen oder gar Verbote schwierig. Viele reagieren darauf empört, weil sie denken, man könne dann keine Flohsamenschalen, Pfefferminzöl oder Kamillentee mehr kaufen.

Obwohl es darum ja überhaupt nicht geht.

Bleiben wir trotzdem noch bei den Kolleginnen und Kollegen. In Ihren Videos von diesem Jahr ging es mehrfach um die Frage, warum auch Ärzte unter den Corona-Leugnern zu finden sind.

Dazu haben wir mit unseren Gesprächspartnern – darunter Dr. Natalie Grams, der Medizinethiker Prof. Urban Wiesing und der Präsident der Sächsischen Landesärztekammer Erik Bodendiek – verschiedene Erklärungen erörtert.

Den einen Grund, auf den man dieses Verhalten bei allen Corona-leugnenden Ärztinnen und Ärzte zurückführen kann, gibt es wohl nicht.

Mir fällt aber auf, dass die paar wenigen Kolleginnen und Kollegen aus dieser Ecke, die ich persönlich kenne, auch vor der Pandemie schon alternativmedizinisch unterwegs waren und der von ihnen so genannten Schulmedizin ablehnend gegenüberstanden.

Zum Beispiel die homöopathische Ärztin Carola Javid-Kistel.

Ja genau.

Ich glaube jedenfalls nicht, dass das am Studium, an der Ausbildung oder an mangelnder Fachkompetenz liegt. Wenn Sucharit Bhakdi behauptet, dass es keine zweite Welle gibt oder dass die Corona-Impfung das Immunsystem zerstört, dann braucht man doch kein medizinischer Experte zu sein, um zu sehen, dass das nicht stimmt.

Bhakdi ist ein gutes Beispiel für einen der Hauptgründe, den ich hinter der Corona-Verharmlosung sehe: Aufmerksamkeit. Im Rentenalter, einige Jahre nach der akademischen Karriere, kann man natürlich einfach mal eine steile These raushauen und schauen, was passiert. Wenn sich das am Ende als richtig herausstellen sollte, wäre er der große Star und hätte es allen nochmal gezeigt. Und falls nicht, kann ihm das weitgehend egal sein.

Ein anderer Punkt scheinen mir die Finanzen zu sein. Diese Leute nehmen offenbar in großem Umfang Spenden entgegen, wie etwa Bodo Schiffmann. Ich denke, in den meisten Fällen geht es um Geld, Ruhm, Aufmerksamkeit.

Nicht in allen?

Ich habe auch Videos von Ärzten gesehen, die auffallend laienhaft mit der PC-Kamera in der Praxis aufgenommen worden sind. Ich kann mir vorstellen, dass da der eine oder andere Kollege wirklich das Gefühl hatte, eine kleine Alarmglocke läuten zu müssen – vielleicht weil er zwei, drei Impfkomplikationen mehr gesehen hat als sonst.

Das sind aber nicht die großen Influencer. Ich bin sicher, dass diese Kolleginnen und Kollegen auch irgendwann einsehen werden, dass sie überreagiert haben und die Filme wieder löschen. Das sind nicht die Menschen, um die es in meinem Kanal geht.

Und wie sieht es nach Corona mit Ihrem Youtube-Channel aus?

Derzeit sind wir noch so ein wenig in der Corona-Krise gefangen. Mit „wir“ ist meine Frau mitgemeint, die mich seit längerem unterstützt. Da sie auch Ärztin ist, teilen wir uns die Lektüre der Studien, auf die wir in den Videos eingehen, besprechen sie abends gemeinsam und schreiben dann unsere Gedanken zu einer Art Skript zusammen.

Die „Sprechstunde mit Dr. Hegedüs“ wird auch nach Corona weitergehen. Die Themen gehen uns sicher nicht aus.

Allerdings sind wir immer noch auf der Suche nach dem richtigen Format dafür. Wir möchten die Zuschauer natürlich auch unterhalten, die Inhalte sollen leicht verständlich rüberkommen, ohne dass die Seriosität darunter leidet. Daran arbeiten wir noch.

Sie bieten via Patreon Fördermöglichkeiten für Ihren Kanal an. Dazu gab es nicht nur hier im GWUP-Blog einige Fragen.

Das war eine unmittelbare Folge des besagten Gerichtsverfahrens.

In einem Punkt hatte ich mich tatsächlich angreifbar gemacht: Mein Kanal hatte nämlich kein Impressum. Das war durchaus Absicht, weil ich nach all den Drohungen, die ich bekam und immer noch bekomme, keine unerwünschten Hausbesuche von seltsamen Leuten haben wollte.

Das Gericht entschied aber, dass die Nonprofit-Videos, die ich in meiner Freizeit und aus Überzeugung produziere, dennoch als geschäftliche Angelegenheit im Rahmen meiner ärztlichen Berufsausübung betrachtet werden müssen. Das bringt neben der Impressumspflicht einiges an zusätzlichen Anforderungen mit sich, die allesamt Geld kosten – neben den Aufwendungen für den zweijährigen Rechtsstreit.

Wir hätten den Kanal auch ohne externe finanzielle Unterstützung weitergeführt, aber die Patreon-Abos geben uns ein bisschen zusätzliche Sicherheit. Reich werden wir damit nicht. Und ist auch nicht das Ziel.

Zum Abschluss doch nochmal Corona: Könnten Sie sich vorstellen, dass die vielzitierte Infodemie während der Pandemie als Weckruf begriffen wird, dass es mit Homöopathie, Heilpraktikerei und Pseudomedizin so nicht weitergehen kann?

Ich hoffe, dass Corona so manchem die Augen öffnet.

Andererseits wussten die Politiker das alles auch schon vor der Pandemie. Es dürfte ziemlich schwierig gewesen sein, die vielen kritischen Einwände gegen die Homöopathie von Frau Grams, vom INH, von der GWUP und anderen in den letzten Jahren zu überhören oder zu überlesen. Deshalb bleibe ich eher pessimistisch gestimmt.

Und deshalb müssen wir auch weitermachen und mit unseren Möglichkeiten etwas gegen die Unwissenschaftlichkeit tun.

Zum Weiterlesen:

  • Vom Fitness- in den Club der Verschwörungstheoretiker: „Coach Cecil“ und Corona, GWUP-Blog am 10. April 2020
  • Dr. Janos Hegedüs: „Wir müssen zusammen weiterkämpfen“, GWUP-Blog am 3. August 2022
  • Interview mit Janos Hegedüs: „Der Unwissenschaftlichkeit etwas entgegensetzen“, Skeptiker 1/2022

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