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Podcast: Hellseher gegen die RAF – natürlich erfolglos

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Nein, „Medien“ oder „Psychic Detectives“

… klären keine Verbrechen auf, helfen nicht der Polizei und sie finden auch keine vermissten Personen,

schreibt Susan Gerbic in der Online-Ausgabe vom Skeptical Inquirer (März 2024).

Das haben wir 2015 am Beispiel der „Vermisstenhellseherin“ Evelyn Störzner beschrieben.

Und so war es auch 1977 bei der Suche nach dem entführten Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer.

Auch damals mischte ein „Hellseher“ mit – der Niederländer Gerard Croiset, der von dem Freiburger Parapsychologen Hans Bender ans BKA vermittelt wurde, wo man zu jener Zeit „sehr wohl willens“ war, auch „unorthodoxe Wege zu gehen“.

Davon handelt die fünfte Folge des SWR-Podcasts Geisterjäger:

„Ein Hellseher fahndet mit“ schrieb der Stern damals, im Deutschen Herbst.

Hellseher eingeschaltet – nichts gefunden,

lautet dagegen das Fazit der Podcasterin Verena Fiebiger am Ende der Episode.

Das ist recht dünn, und tatsächlich bleibt diese Geisterjäger-Folge vergleichsweise blass und oberflächlich.

Zu dem berühmten Kriminaltelepathen Gerard Croiset aus Laren in Nordholland hätte es mehr zu sagen gegeben. Eine ausführliche Darstellung („Gerard Croiset und die Suche nach Hanns Martin Schleyer“) hat der Historiker Uwe Schellinger in der Zeitschrift für Anomalistik veröffentlicht.

Schellinger nennt Croisets Angaben zum Entführungsfall Schleyer „vage, verwirrend und unklar“, ein Gesprächsprotokoll etwa beinhalte „keinerlei eindeutige Angaben“ und in den dokumentierten Aussagen des Paragnosten ließen sich „keine zielführenden Hinweise“ finden.

Nach Schleyer Ermordnung

… mussten alle Beteiligten erkennen, dass auch Gerard Croiset nicht das Geringste zur Auffindung Hanns Martin Schleyers hatte beitragen können.

Wie auch?

Seinen Ruhm verdankte Croiset nicht handfesten und belegbaren Erfolgen, sondern den „propagandistischen Bemühungen“ des niederländischen Bender-Pendants Wilhelm Heinrich Carl Tenhaeff, Parapsychologe an der Universität Utrecht und gewissermaßen Croisets „Impressario“, erklärte der Enthüllungsjournalist Piet Hein Hoebens im Skeptical Inquirer (1981).

Dass Croisets Angaben auch in früheren Vermisstenfällen „weitschweifig“ und „größtenteils unzutreffend“ waren, machte Hoebens an einem konkreten Fall deutlich, bei dem es um einen verschwundenen Zehnjährigen aus Velsen im Jahr 1953 ging.

Und wie sehr die Glaubenssucht seiner Anhänger Croisets Fehlschläge bemäntelte, illustrierte der Telegraaf-Redakteur an einer bizarren Begebenheit:

Eine vom amerikanischen Journalisten Jack Harrison Pollack zitierte Anekdote ist ein fast burleskes Beispiel dafür, welche Anstrengungen entschlossene Gläubige unternehmen, damit das Ergebnis der Vorhersage entspricht.

Pollack ist der Autor einer ausführlichen Biographie des niederländischen Hellsehers Gerard Croiset, bei der Tenhaeff ihm half und für die er bürgte.

Als er 1950 bei einem Vergewaltigungsfall in Arnheim zu Rate gezogen wurde, „sah“ Croiset, dass der Täter „ein ungewöhnlich großes Genital“ hatte. Als die Polizei einen Verdächtigen festnahm, konnte davon jedoch keine Rede sein.

Egal, sagt Pollack: „Sie erfuhren, dass es sich um einen zwanzigjährigen Koch handelte, der in der Küche eine große rote Bratenspritze benutzte, was angeblich Croisets Bild eines ungewöhnlich großen männlichen Genitals hervorgerufen hatte.“

Und Hans Bender, um den es eigentlich im Geisterjäger-Podcast geht? Er hielt Croiset für „eine der beeindruckendsten lebenden Personen mit paranormalen Fähigkeiten“, rekapituliert Verena Fiebiger.

Mehr muss man nicht wissen. Am Ende dieser fünften Folge wird denn auch erstmals ausgesprochen, dass der Nestor der deutschen Parapsychologie wohl „etwas verpeilt“ war.

Weiterlesen:

  • Hellseher gegen die RAF, Geisterjäger am 22. März 2024
  • Ahnenerbe, Geisterjäger am 22. März 2024
  • Gerard Croiset: Investigation of the Mozart of „Psychic Sleuths“
  • Hellsehen für den Staat: Gerard Croiset und die Suche nach Hanns Martin Schleyer, Zeitschrift für Anomalistik 18 (2018)
  • „Vermisstenhellseher“: Ein Nach-SkepKon-Facebook-Posting von Lydia Benecke, GWUP-Blog am 10. Mai 2016
  • Warum nicht einfach „alles“ versuchen, um ein vermisstes Kind zu finden? Lydia Benecke am 9. August 2015
  • Wenn “Hellseher” vermisste Kinder finden wollen, GWUP-Blog am 5. August 2015
  • Die Vermisstenhellseherin wütet gegen die Skeptiker – und präsentiert „Beweise“, GWUP-Blog am 7. August 2015
  • Immer mehr „Beweise“ von der Vermisstenhellseherin – und der Dritte Weltkrieg, GWUP-Blog am 8. August
  • 2015 Evelyn Störzner: Ein weiterer Fall der „Vermisstenhellseherin“ – und Gegenbeispiele zur Warnung, GWUP-Blog am 10. August 2015
  • Evelyn Störzner: Die angebliche „Vermisstenhellseherin“ und der Tod des kleinen Elias, GWUP-Blog am 4. November 2015
  • Psychic Detectives: Was können „übersinnliche“ Ermittler? GWUP-Blog am 12. August 2010
  • WNYT Channel 13 Promotes Psychic in Kidnapping Case, skeptical-inquirer am 24. November 2023
  • Why Won’t Mediums Solve Crimes? skeptical-inquirer am 4. März 2024
  • Video: „Psychics“ bei Last Week Tonight vom 25. Februar 2019

2 Kommentare

  1. „Können Wahrsager Kriminalfälle lösen?“

    https://plus.rtl.de/podcast/fake-busters-phh35m0a0mx7b/neue-folge

  2. „Mit Ängsten von Eltern zu spielen, das ist ja wohl hoffentlich Konsens in unserer Gesellschaft, dass das das asozialste Niveau von allen ist, mit Ängsten von Eltern von entführten Kindern zu spielen, ekelhafter geht’s ja gar nicht.“

    https://www.youtube.com/watch?v=2UCRm9ysL7U

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