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Gewerbsmäßiger Betrug: Zwei „Bioscan“-Geschäftsführer zu Haftstrafen verurteilt

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Seit der Report-Sendung vom Januar 2018 haben wir insgesamt zehn Mal über sogenannte „Bioscan“-Analysen berichtet – ein pseudomedizinisches Testverfahren, mit dem man ohne Blutentnahme mehr als 200 Gesundheitsparameter angeblich exakt bestimmen kann.

Dummerweise ist das Gerät aber nicht mal in der Lage, einen lebenden Menschen von einem Leberkäs oder einem feuchten Tuch oder einer Leiche zu unterscheiden.

Trotzdem hat es jetzt vier Jahre gedauert, bis

die beiden Geschäftsführer eines Instituts, das ein Messgerät unter dem Namen Bioscan vertreibt,

wegen Betrugs zu einer Haftstrafe von drei beziehungsweise zwei Jahren ohne Bewährung verurteilt worden sind.

Das berichten der Bayerische Rundfunk und der Südwestrundfunk. Laut Psiram handelt es sich um das „Institut Dr. Rilling“ in Pliezhausen.

Das Gericht ging im Strafmaß über den Antrag der Staatsanwaltschaft weit hinaus und ließ die Angeklagten noch im Gerichtssaal verhaften: Es drohe Wiederholungsgefahr, da die Angeklagten das Gerät weiter vertrieben, sogar noch während des Prozesses, sagte Richter Eberhard Hausch in der Urteilsbegründung.

Das Gerät enthalte keinerlei werthaltigen Bauteile, und könne überhaupt nichts messen. Das hätten beide Angeklagten gewusst. Deswegen wurden sie wegen gewerbsmäßigem Betrug und Verstößen gegen das Heilmittelwerbegesetz verurteilt.

Das Urteil des Amtsgerichts Reutlingen sei noch nicht rechtskräftig.

Das Gericht hatte mehrere Experten und Gutachter geladen, die das Gerät einschätzen sollten. Die stellten allerdings fest: Das Gerät misst nichts, außer den Strom, der durch die Kabel fließt. „Ein Messgerät, das nichts misst, ist ungefähr so sinnvoll wie ein Auto, das nicht fährt“.

Zum Weiterlesen:

  • Harte Strafen wegen Betrugs mit pseudomedizinischen Messgeräten, BR am 28. Mai 2022
  • Haft- und hohe Geldstrafen wegen nutzloser Bioscan-Geräte aus Pliezhausen, swr am 27. Mai 2022
  • Betrug mit „Messung“ wichtiger Gesundheitsdaten, BR am 12. Oktober 2021
  • WildMics Special #46 – „Schwurbelmedizingeräte“ vom 24. Mai 2021
  • Video: „Bioscan“, die Siebte, GWUP-Blog am 8. Oktober 2019
  • Bioscan-Test im Allergo Journal: „Der Leiche wurde beste Gesundheit attestiert“, GWUP-Blog am 22. August 2019
  • „Bioscan“-Analysen: Kammer in Österreich warnt Apotheken vor Imageschaden, GWUP-Blog am 21. Juli 2019
  • „Bioscanner“ diesmal im Marktcheck beim SWR, GWUP-Blog am 11. Juli 2019
  • Video: Noch einmal „Bioscan“, GWUP-Blog am 20. Juni 2019
  • Wieder einmal Bioscan und Co., Gesundheits-Check am 19. Juni 2019
  • Video: Bioscan-Geräte beim NDR-Magazin „Markt“, GWUP-Blog am 18. April 2019
  • Noch immer keine Beweise für die „Bioscan“-Diagnostik, GWUP-Blog am 26. Februar 2019
  • Bioscan-Geräte: Keine Messung nachweisbar, GWUP-Blog am 25. Oktober 2018
  • „Report“-Video: Wenn Leberkäse und Reporter dieselbe Bioresonanz haben, GWUP-Blog am 16. Januar 2018

16 Kommentare

  1. Wurde aber auch Zeit.

    Wenn ich mich auch frage, ob der Unterschied zwischen Leberkäse und Menschen so einfach auszumachen ist… bei so manchen Leuten…

  2. @ Christian Becker:

    Optisch klappt die Unterscheidung meist ganz gut. Schwierig wird es, wenn ein kluger Leberkäs anfängt, sich über Skalarwellen und Bioscan-Geräte lustig zu machen.

  3. Auch wenn das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, sage ich doch schon einmal: Sehr gut!

  4. Eigentlich hätte es ja schon nach Medienberichten und Prozessbeginn klar sein müssen, dass da etwas nicht stimmt

    Es werden immer noch Geräte angeboten bzw. Heilpraktiker werben auf ihren Seiten mir der Anwendung dieses Fake-Verfahrens.

    Bei seriösen Herstellern hätte es schon lange eine Rückrufaktion gegeben. Betrüger haben das nicht nötig.

  5. „Es werden immer noch Geräte angeboten bzw. Heilpraktiker werben auf ihren Seiten mir der Anwendung dieses Fake-Verfahrens. Bei seriösen Herstellern hätte es schon lange eine Rückrufaktion gegeben. Betrüger haben das nicht nötig.“

    Guter Punkt.

    Die Heilpraktiker und sonstigen Anwender der Geräte dürften in Erklärungsnot kommen, wenn sie nun richtig handeln und das Verfahren nicht mehr anbieten.

    Denn sie sind zwar auch Opfer des Betrugs, aber es hätte ihnen auffallen müssen, dass die Werte, die es ausgibt, völlig unbrauchbar sind. Einem Arzt muss ja auch auffallen, wenn sein echtes medizinisches Gerät aufgrund eines Defekts einen Wert angibt, der irgendwie merkwürdig ist und kann/sollte stutzig werden.

    Sie müssten also zugeben, dass sie die Leute bisher aufgrund irgendwelcher Zufallswerte behandelt haben (na gut, ob das jetzt so viel schlechter als Urinkochen, Irisdiagnostik, Dunkelfeldmikroskopie etc. ist, sei mal dahingestellt), ggf. gar falsch behandelt haben.

    Andererseits kam das ja jetzt nicht groß in den Nachrichten und es gibt offenbar keinen Rückruf, so dass die Anwender eventuell gar nichts davon mitkriegen, und munter weiter BioScannen, bis mal vielleicht was am Gerät kaputt geht und man am Servicetelephon niemanden mehr erreicht.

  6. Ergänzung zu RPGNo1: Richtig – abwarten! Wir haben uns nach der ersten Instanz auch sehr mit David Bardens gefreut; nur, um nach der dritten Instanz völlig sprachlos zurückzubleiben.

  7. Tja… in Globuli ist ja auch nichts drin, was sogar nicht mal bestritten wird. Die Bioscan-Betrüger haben halt versäumt, rechtzeitig den Arzneimittelstatus ihrer Produkte ins Gesetz hineinzulobbyieren. Oder übersehe ich da einen Unterschied?

  8. @ nota.bene:

    Eine dritte Instanz gibt’s da nicht. Strafurteile der Landgerichte sind nur mit der Revision zum BGH anfechtbar. Der BGH überprüft die Urteile „nur“ auf Rechtsfehler, nicht auf die Tatsachenfeststellung an sich; wohl aber darauf, ob die Grundsätze der Tatsachenfeststellung eingehalten sind.

  9. @ 2xhinschauen:

    Arzneimittelstatus wäre nicht möglich, bestenfalls wäre der Bioscan-Kasten als Placebo-Medizinprodukt durchgegangen. Bei Medizinprodukten spielt die Nutzenbewertung keine so große Rolle.

    Was ich mich frage: Sind Diagnostik und Versorgung des Leberkäses noch gewährleistet? Gibt es Erfahrungen mit Wünschelruten zu diesem Zweck?

  10. @klauszwingenberger

    Die Geschäftsführer der Firma Institut Dr. Rilling wurden vom Amtsgericht Reutlingen verurteilt. Macht das einen Unterschied?

  11. Ich füge noch hinzu: den ITOVI Scanner von doTerra und das Roenn Vitalscreening mittels Spucke und Bio magnetisch elektrischen Schwingungen, 2 Verfahren, die in meinem Bekanntenkreis gerade Thema sind…aber die habt ihr sicher schon auf Eurer langen Liste…

  12. Sehr gut. Das gleiche jetzt bitte nochmal mit Medicross Labs – von der versprochenen Nährstoffanalyse erfährt man nur ganz versteckt in den AGB, dass es sich um ein „alternativmedizinsches Verfahren“ handelt. Mindestens ein ebenso großer Betrug…

  13. @ RPGNo1:

    Ja, das macht einen Unterschied.

    Gegen Strafurteile der Amtsgerichte gibt es zuerst die Berufung zum Landgericht (Berufung bedeutet: vollständige Überprüfung bis hin zur erneuten Beweisaufnahme), danach die Revision zum Oberlandesgericht (Revision bedeutet: nur Überprüfung auf Rechtsfehler). Danach ist Schicht im Rechtsweg.

  14. Ein Verteidiger hat eine Stellungnahme abgegeben. Es wird wohl Berufung angestrebt.

    „… Die Beweiswürdigung des Amtsgerichts stufen wir als sehr selektiv ein …“

    https://www.presseportal.de/pm/163430/5237341

    Der Anwalt wird hier noch einiges Abschöpfen können bevor seine Mandanten einfahren.

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