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„Auf dem Schlachtfeld“: Umgang mit Verschwörungsgläubigen

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Die Konrad-Adenauer-Stiftung hat eine repräsentative Umfrage zu Verschwörungstheorien veröffentlicht. Demnach weist ein knappes Drittel der Deutschen einen Hang zu Verschwörungsmythen auf:

Wer diese „geheimen Mächte“ sein sollen, ist unklar:

Jeder sechste Befragte konnte diese Frage nicht beantworten. 13 Prozent der Befragten, die an solche Mächte glauben, dachten an Wirtschaftsunternehmen, Banken oder „das Finanzkapital“. Zwölf Prozent nannten Geheimdienste wie die CIA, den Mossad oder den 1991 aufgelösten KGB. Elf Prozent sprachen von „reichen Menschen“, „reichen Familien“ oder benannten einzelne Familien wie die Rockefellers oder die jüdische Familie der Rothschilds.

Die aktuellen Zahlen unterscheiden sich indes kaum von bereits vorliegenden Studien. Die Arbeit der KAS kann hier heruntergeladen werden. Außerdem gibt es von der Konrad-Adenauer-Stiftung die Veröffentlichung „Verschwörungsmythologische Tendenzen in der Corona-Krise“.

Wie wird man eigentlich zum Verschwörungsgläubigen?

Auch dazu gibt es einen neuen biografischen Bericht bei Zeit+.

Der Zeit-Mitarbeiter Alexander Eydlin malt darin das alte „Akte X“-Motto

Ich will glauben

in den Farben von 2020 aus:

Ich will glauben. Und so ging es mir, als ich – ein politisch links stehender säkularer Jude aus der oberen Mittelschicht mit einem bildungsbürgerlichen Elternhaus und einem gesunden sozialen Netz – in den Konspirationsglauben eintauchte. Ich wollte mich nicht etwa, wie mir oft unterstellt wurde, von persönlichen Problemen ablenken. Ich wollte einfach glauben.

Glaube: nicht etwas Politisches. Etwas Poetisches. Hinter allem Politischen steht, grob formuliert, der Gedanke. Hinter dem Poetischen aber steht das Gefühl.

Als mir verschwörungsgläubige Freunde die vermeintlich richtigen Quellen lieferten, war ich im wahrsten Sinne des Wortes bezaubert. All die Trostlosigkeit des Zufalls, die geheimen Hintergründe destruktiver politischer Entscheidungen, der Widerspruch zwischen dem Ist und dem Könnte – Verschwörungstheorien versprechen, ein festes Fundament aus Sinn zu liefern, welches die Wissensgesellschaft nicht zu bieten vermag […] Wen Angst oder Wut noch nie zur Irrationalität verleitet haben, der werfe nun den ersten Stein.

Auf der persönlichen Ebene ist der Artikel stark – in der allgemeinen Analyse des Phänomens Verschwörungstheorien allerdings fehlerhaft. So schreibt Eydlin zum Beispiel:

Ein beliebtes Vorurteil über Verschwörungstheorien ist, dass sie die Komplexität der Welt reduzieren und bequeme Erklärungen liefern. Doch das ist ein Irrtum. Verschwörungstheoretisches Denken kann sehr komplex sein.

Ja – aber das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.

Natürlich sind Verschwörungstheorien nicht immer die einfachsten Varianten der Verknüpfung von Ereignissen. Zum Beispiel ein weltumspannendes Konvolut von geheimen Plänen und Absprachen mit Abertausenden Mitwirkenden anzunehmen, ist deutlich komplexer, als simple Kondensstreifen am Himmel zu sehen.

Aber auch wenn das „Chemtrail“-Narrativ selbst hochkomplex ist, so dient es dennoch lediglich der Verschleierung und Ausschmückung des dahinterstehenden einförmigen Denkens (Suche nach „Verursachern“, „Schuldigen“, keine Zufälle etc.).

Eydlin weiter:

Konspirationsgläubigen geht es nämlich nicht darum, Komplexität zu reduzieren – sondern darum, sie zu integrieren. Sie gehen Widersprüchen nicht aus dem Weg, sie nehmen sie in Kauf. Schließlich können die geheimen Eliten nicht gleichzeitig in Besitz von Alien-Raumfahrttechnologie sein und die Mondlandung gefälscht haben müssen.

Und Corona kann nicht zugleich nur ein Vorwand sein, um mit einem völlig ungefährlichen Erreger eine weltweite Impfpflicht durchzusetzen, und nebenbei genau das Virus, das die Weltbevölkerung reduzieren soll.

Auch das ist falsch.

Die COSMO-Studie der Uni Erfurt zeigt, dass Menschen durchaus „an mehrere widersprüchliche Verschwörungen gleichzeitig“ glauben können:

Dieses Phänomen logisch einander ausschließender Überzeugungen trat auch bei früheren Studien zum Verschwörungsglauben hervor, etwa im Zusammenhang mit dem Tod von Lady Diana oder Osama bin Laden.

Beachtenswert ist aber Eydlins Schilderung des Ausstiegs aus dem Verschwörungssumpf:

Keine der gewöhnlich angeratenen Strategien wie pointiertes Hinterfragen, Entlarven falscher Quellen oder Aufzeigen von Widersprüchen hat mich auf diesen Weg gebracht. Damit will ich gar nicht sagen, dass es immer falsch wäre, das Falsche (irgendwann) mit dem Richtigen zu konfrontieren. Doch wo derzeit oft noch – so zumindest habe ich das erlebt – der Glaube vorherrscht, im Umgang mit Verschwörungsgläubigen gehe es unmittelbar ums Überzeugen, möchte ich eine Akzentverschiebung anregen […]

Auf keinen Fall sollte man Verschwörungsgläubige in politische Schubladen einordnen […] Ebenso wenig zielführend ist meiner Erfahrung nach jegliche Form der Konfrontation […]

Wer mit Konspirationsgläubigen reden will, muss den Impuls unterdrücken, die Legitimität ihrer Quellen und damit die praktische Basis ihres Glaubens zerstören zu wollen, ohne im Gegenzug mehr anzubieten als nüchterne Fakten. Verschwörungsglaube ist in höchstem Maße identitätsstiftend, das macht die Emanzipation von ihm so schwierig. Und niemand baut seine Identität auf Fakten allein.

Was meiner Erfahrung nach stattdessen hilft, sind Demut und Geduld. Ob man einem ehrlich interessiert wirkenden Zuhörer erzählt, was man gestern über verdeckte CIA-Operationen herausgefunden zu haben meint, oder einem ideologischen Gegner, der rhetorische Fragen stellt und lächelnd mit dem Kopf schüttelt, ist ein enormer Unterschied.

Das Interesse des Ersteren steckt an und öffnet Wege, wertungsfrei die eigenen Widersprüche zu entdecken. Die Skepsis des Letzteren mobilisiert Wehrimpulse. Nur durch den Wunsch zu verstehen – nicht den Willen zu widerlegen – kann gedankliche Deeskalation geschaffen werden.

Daneben sind in den vergangenen Tagen einige weitere Artikel zum Umgang mit Verschwörungsgläubigen erschienen.

Im Stern (Nr. 37/2020) stellt Claudia Minner verschiedene Initiativen gegen Fake News und Verschwörungsmythen vor, zum Beispiel

Bei Futurezone gibt eine Redakteurin fünf einfache Hinweise:

  1. Fragen stellen
  2. Quellen angeben
  3. Ängste ansprechen
  4. Nutzer melden
  5. Sachlich bleiben

Bei Youtube spricht der „Jobcoach“ Mathias Fischedick über Kollegen, die am Arbeitsplatz Verschwörungstheorien verbreiten. Fischedick rät dazu, „nicht wegzugucken“, sondern genau hinzuhören, wenn Corona-Leugner und Maskengegner ihre Behauptungen verbreiten. Ebenso wie Zeit-Autor Eydlin rät der „Business-Coach“ dazu, Verständnis zu zeigen und verschwörungsgläubigen KollegInnen nicht konfrontativ zu begegnen.

Wenn allerdings jedes Gesprächsbemühen scheitern sollte, sei es an der Zeit, „eine klare Grenze zu ziehen“ – und zum Beispiel Vorgesetzte zu informieren.

Interessehalber kann man auch mal bei Focus-Online die Einschätzung von „fünf Experten“ lesen, „wie wir Verschwörungstheorien den Boden entziehen“ (darunter auch Gerald Hüther). Da geht es dann eher ums Große und Ganze, etwa „politische Transparenz“, „Differenzkompetenz und Ambivalenztoleranz“, „Verantwortungsallianzen“ und ähnliches mehr.

Im Deutschlandfunk rät Prof. Michael Butter davon ab,

… einem verschwörungsgläubigen Gegenüber lediglich Fakten an den Kopf zu werfen.

Besser sei es, Fragen zu stellen, um damit im Idealfall eine Selbstreflexion auszulösen. Dennoch begrüßt Butter auch eine Faktenoffensive wie das nationale Gesundheitsportal der Bundesregierung. Auch Maßnahmen der sozialen Netzwerke, die zum Teil bereits stattfinden, wie die Kennzeichnung der Verschwörungstheorien oder die Ausblendung durch Algorithmen, seien Schritte in die richtige Richtung.

Der Zeit-Podcast mit Michael Butter ist interessanter, ausführlicher (zirka eine Stunde) und streift eine Reihe von verschiedenen Punkten, darunter auch unsere kürzliche Kommentardiskussion um den Begriff „Verschwörungstheorie“. Der Tübinger Kulturwissenschaftler spricht sich dabei dezidiert gegen Neologismen wie „Verschwörungsmythen“ oder „Verschwörungserzählungen“ aus.

Exemplarisch für den Umgang mit Verschwörungsgläubigen kommentiert Butter zwei kurze Originalaussagen von Attila Hildmann und Anselm Lenz.

Web.de hat mit dem Wirtschaftspsychologen Carl Naughton gesprochen:

Zunächst einmal gilt: nicht abwerten und nicht darüber lustig machen. Auf dieser Basis ist keine Diskussion möglich. Vielmehr sollten wir uns fragen, warum nahestehende Personen uns Informationen zu Verschwörungstheorien mitteilen. Es kann ein Signal für Unsicherheit sein, vielleicht möchte derjenige uns sogar retten.

Wir müssen also die Frage „Was verspricht sich der andere davon, das zu teilen?“ klären. Das kann in der Praxis dann so klingen: „Hi, ich habe Deine Nachricht bekommen. Danke, dass Du an mich denkst. Worum geht es Dir denn dabei genau?“. Da emotionale Inhalte weniger hinterfragt und schneller geteilt werden, sollten wir beim Sender auch nachhorchen, welche Gefühle hinter dem Verbreiten der Verschwörungstheorien stecken […]

Was nicht hilft ist: Vorträge halten, verärgert reagieren, beschimpfen oder beleidigen. Auch von einer Rhetorikschlacht ist abzuraten.

Stattdessen hat sich nachweislich das „Erst validieren, dann drehen“-Prinzip bewährt. Im ersten Schritt zeigt man sich offen für Argumente beispielsweise mit dem Satz: „Ich hab auch schon andere über die Frage sprechen hören und gebe dir recht. Es gibt so viele Informationen da draußen, man weiß gar nicht, was man glauben soll.“

Im Gegenzug werden dann eigene Gedanken vorgebracht. Es könnte also wie folgt weiter gehen: „Ich bin da skeptisch. Vieles deckt sich nicht dem, was ich gelesen habe. Hier ist ein Artikel, den ich vor kurzem dazu gefunden habe…“

Dieser Text sollte dann aus einer verlässlichen Quelle sein, die auch der Gesprächspartner kennt.

Weitere Tipps gibt’s in unserem Blogpost „Der schwierige Umgang mit Verschwörungsgläubigen“ beziehungsweise in unserem Skeptiker-Sonderheft.

Zum Weiterlesen:

  • Neue Zahlen zum Corona-Verschwörungsglauben, GWUP-Blog am 19. Juli 2020
  • Der Triumph des Aluhuts, Spiegel-Online am 6. September 2020
  • Wie wird man eigentlich zum Verschwörungsgläubigen? GWUP-Blog am 3. Juni 2020
  • Verschwörungstheorien: Ich sah das Schlachtfeld, Zeit+ am 5. September 2020
  • Nein, wir werden nicht von geheimen Mächten gesteuert, Welt-Online am 6. September 2020
  • Der schwierige Umgang mit Verschwörungsgläubigen, GWUP-Blog am 15. Mai 2020
  • Sozialpsychologin: Müssen das Thema Verschwörungstheorien ernster nehmen, brf am 4. September 2020
  • Corona-Krise: Mit Ungeduld und Spucke, Zeit-Online am 5. September 2020
  • Corona-Verschwörungsmythen: Phantastereien von „dunklen Mächten“ statt sachlicher Kritik, GWUP-Blog am 2. September 2020
  • Seehofer-Zitat „… und diejenigen, die gewählt werden, haben nichts zu entscheiden“ im Faktencheck, GWUP-Blog am 4. September 2020
  • Skeptiker-Sonderheft 2020 erschienen: Das Virus der Verschwörungstheorie, hpd am 4. September 2020

7 Kommentare

  1. Meine Erfahrung ist, dass man mit den meisten Leuten ganz sachlich debattieren kann und viele auch sehr dankbar für hilfreiche Informationen sind. Nur hält die Negation nie lange an. Und es kommen immer wieder die selben, ausgekauten Themen auf den Tisch.

    Das eigentliche Problem aber sind für mich, diejenigen bei denen, der Glaube Identitäts stiftend ist und die eine große Freude daran haben, sich überlegen zu fühlen. Man erkennt sie am Dominanzlächeln und dem Speichelfluss, wenn sie ihre Thesen in „feindlicher“ Umgebung, wie einen erregierten Penis, vor sich her tragen.

    Sie bekommen einen unheimlichen Kick, durch ihr provokantes gehabe und sind mit Adrenalin geflutet, weil sie grad den Konsens gebrochen haben und sich das aber normalerweise nicht trauen.

    Wenn man hier nicht vorsichtig ist und behutsam vor geht, verwandelt sich ein Dialog schnell in etwas, das einem Grabenkrieg ähnelt. Kritische Fragen werden dann oft mit glühendem Hass beantwortet.

    Diese Personen wollen Anerkennung. Sie wollen ihre Überlegenheit bestätigt bekommen. Die verweigerung kommt einer tiefen Kränkung gleich. Wenn das komplette Selbstwertgefühl von einem Machterleben, durch die Narration einer Verschwörung abhängt, betrachten sie die Widerlegeung als Angriff auf ihre Identität.

    Das macht dann jede Diskussion zwecklos und man kann nur noch hoffen, dass man sich aus dem Weg gehen kann.

    Schlimmstenfalls wird so jemand Präsident.

  2. Ich finde diese Tipps in der Sache schon gut und hilfreich.

    Bevor man sich die zu Herzen nimmt sollte man sich aber auch bewusst sein dass das richtig viel Kraft und Energie kostet. Bei Familienmitgliedern und engen Freunden kann man das machen, bei allen anderen ist mir das viel zu aufwändig.

    Bei allen Überlegungen warum und wieso die Schwurbler das so machen sollte man auch die eigene mentale Verfassung nicht vergessen. Und sich im Zweifelsfall lieber was schönes gönnen als sich mit Fanatikern zu streiten.

    Anders als in einem 1:1 kommt man eh nicht durch, sobald Publikum vorhanden ist oder gar Applaus sehe ich da gar keine Chancen, dann kann man nur die Unbeteiligten retten.

    Das wiederlegen frei erfundener Dinge ist viel viel anstrengender als sie einfach zu behaupten, deswegen gibt es ja diese Seite hier überhaupt.

  3. @dalbert Hichel

    „Meine Erfahrung ist, dass man mit den meisten Leuten ganz sachlich debattieren kann und viele auch sehr dankbar für hilfreiche Informationen sind. „

    Die Erfahrungen die ich mache sind sehr unterschiedlich. Ich kann noch nicht ein mal sagen, ob es von der Bildung des Gegenübers abhängt oder nicht. Vieles hängt wohl auch von Charakter des Menschen ab. Davon wie die Sozialisation in Bezug auf die Gesprächskultur verlief. Manchmal scheitert die Diskusion aber auch an einem selbst.

    Ich persönlich habe einige Zeit gebraucht um das zu lernen. Wenn man sich als Kind, Jugendlicher bzw. später als Erwachsener immer wieder durchsetzen musste, weil das Gegenüber oder die Gegenüber einen nicht zu Wort kommen lies lernt man notfalls lauter oder unangenehmen zu werden. Ist kein feiner Zug.

    Ich musste Jahre lang üben, dass nicht jeder oder die wenigsten Debattier-Partner „Feinde“ sind. Und ich musste auch lernen, dass es nicht immer nur darum geht recht zu behalten.

    Es ist so oder so recht kompliziert. Menschen sind kompliziert. Wahrscheinlich viel komplizierter als das Universum *gg

  4. Man kann sich den rechtsesoterischen Hirnfraß ja auch unter epidemiologischen Gesichtspunkten anschauen und so die Frage nach einer Strategie stellen. Man muss leider feststellen, dass die individuellen „Heilungschancen“ lausig sind. Der Aufwand, einen einzelnen „Infizierten“ zurückzuholen, ist immens und hat unsichere Erfolgsaussichten.

    Und, folgt man den Zitaten im Blogpost, erfordert die Diskussion mit diesen Leuten erhebliche Qualifikationen in fachlicher, empathischer, psychotherapeuthischer und rhetorischer Hinsicht, dazu Geduld und Durchhaltewillen. All das bringt doch kaum jemand auf.

    Der jahrelange Umgang z.B. mit den vergleichsweise braven Homöopathiefreunden ist da nicht viel mehr als eine Grundausbildung für die Debatte mit den richtig harten Fällen. Es gibt also verschieden schwere „Infektionsverläufe“, und im folgenden meine ich die schlimmen Fälle.

    In Familie und Freundeskreis kann oder muss man das Zurückholen wohl versuchen. Mehr Erfolg verspricht aber womöglich die Einigung darauf, das jeweilige Thema einfach nicht mehr anzusprechen. Sonst wird der ohnehin unvermeidliche Knacks in der persönlichen Beziehung leicht zum endgültigen Bruch.

    Mitglieder in Organisationen (Behörde, Betrieb, Verein…) können das praktisch nicht leisten. Bei Einzelfällen kann man „Containment“ versuchen, d.h. den Betroffenen klar Kontra geben und mit dem beeinflussbaren Rest reden, damit ihnen nicht dasselbe passiert. Auch das ist schon viel Arbeit. Sollte die „Infektion“ grassieren, kann es sein, dass man selbst derjenige ist, der gehen muss.

    Gesamtgesellschaftlich hat das Containment offenbar versagt: Die diversen Erreger breiten sich aus und verschmelzen sogar. Letzteres dürfte zwar nicht von Dauer sein, aber momentan sind wir so oder so in der „Mitigation“, also in dem Versuch, die Ausbreitung zu verlangsamen, ohne dass man konkret was gegen die Ursachen oder die einzelnen Fälle tut.

    Mir scheint, dass wir als Gesellschaft (schon vor Corona, aber jetzt wird es offenbar) plusminus 10% unserer Mitbürger/innen an die diversen rechten und esoterischen Glaubenssysteme verloren haben, d.h. mit diesen ist keine Einigung mehr möglich, was Fakten sind und was ein Minimalkonsens des gesellschaftlichen Miteinanders ist. Und das auf Dauer.

    Sehr traurig, und es wird auch nicht dadurch besser, dass de Prozentsatz in anderen Ländern viel größer ist.

    p.s. Containment und Mitigation erklärt Mai Thi: https://www.youtube.com/watch?v=3z0gnXgK8Do. Übrigens ein seltener Fall, dass ein Corona-Video/-Artikel etc vom April immer noch nicht überholt ist.

  5. Ich würde sogar so weit gehen und behaupten ein gesammt gesellschaftliches Containment hat es nie gegeben.
    Seit Jahrhunderten rennt die wissenschaftliche Methode gegen den Schwachsinn der Leute an. Scheinbar mit mäßigem Erfolg, denn der Schwachsinn hört ja nicht auf. Jeder lebt in seiner eigenen Welt und möchte teil einer guten Geschichte sein. Logik und Fakten stören oft nur dabei sich angemessen zu präsentieren.

    Die Behörden in Brandeburg haben festgestellt, dass es dieses Jahr so viele Rechtsextreme, wie noch nie zuvor gab. Als wären die, wie ein Lämpchen, plötzlich an gegangen. Wer verrät den armen Behörden oder den Journalisten die Berichteten, dass die Rechtsextremen vermutlich schon vorher da waren und einfach nur nicht aufgefallen sind?

    Oder das große Unrechtsregime, das die Welt ins Chaos gestürzt hat:
    Hat sich doch niemand dafür interessiert, das die Rassenlehre Unsinn ist. Im Gegenteil. Alles was die Macht des Regiemes gefährdet hatte, wurde beseitigtg. Die für diesen Umstand nötige Bereitschaft, in der Bevölkerung, gab es lange vor der Machtergreifung.

    Ich glaube, dass sich an den möglichen Persönlichkeitsstrukturen, einzelner Menschen, nicht viel verändert hat, weil immer wieder das Selbe passiert. Die rationalen Empathischen gegen die antisozialen Selbstdarsteller. Dazwischen die Unentschlossenenen. Wie früher in der Schule oder im Kindergarten. 33% Bullies, 33% Unentschlossen, 33% „Opfer“.

    Worauf ich hinaus will ist, dass es oft keinen Sinn macht zu Diskutieren, wenn eine Person die zugrunde liegende Logik nicht nachvollziehen kann oder will. Es sei denn man traut sich zu, sie für ein mögliches Publikum zu führen.
    Abseits der Sensationslust sind die Aufklärer aber eher unter sich.
    Zu lahm und zu unsexy.

    Aber die Aufklärer vernetzen sich eben auch und können sich auch selbst genügen. Das fürt zu Echokammern. Dennoch, wird Wissenschaft inzwischen viel mehr Kommuniziert. Auch hier sind etablierte Gatekeeper, durch den technischen Fortschritt, weg gefallen. Youtube Kanäle und Wissenschaftsblogs infizieren dann, den einen oder anderen, mit Skeptizismus. Und das ist wunderbar.

    Ich glaube auch, das sich das gesellschaftliche Miteinander sogar immer empathischer gestaltet. Nur dass man sich in der Anonymität schneller dazu hinreißen lässt, toxischen Persönlichkeitsmustern nach zu geben, weil man nicht fürchten muss, gesellschaftlich sanktioniert zu werden. Und das fällt dann stärker auf.

    Es kommt wohl stark darauf an, wen man vor sich hat, wenn man eine Debatte führen will. Für jeden einzelfall, muss man selbst entscheiden, ob es die Energie wert ist.

  6. [slightly off topic… but then, not…:

    Die Suchfunktion erbrachte keine Ergebnis, deshalb frag ich einfach mal hier: wie steht die GWUP eigentlich zu dieser Initiative „Pro-Truth Pledge“ ( https://www.protruthpledge.org/ )?

    Selbst wenn man die US-amerikanische Zentrierung mal beiseite lässt – es gibt ja diverse Skeptiker-Organisationen, die sich dranhängten. Und eine dt. „Heimat“ könnte dem Vorhaben an sich auch nicht schaden….]

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