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Masern-Prozess: Harald Walach springt Lanka bei

| 10 Kommentare

Der Virenleugner und Goldenes-Brett-Gewinner Stefan Lanka bejubelt eine angebliche „Wende im Masern-Virus-Prozess“.

Zur Begründung führt er eine „Stellungnahme“ von IntraG-Chef Prof. Harald Walach an, die Lankas Auffassung nach …

… wissenschaftstheoretisch erklärt, wie es zu Fehlannahmen kommt und warum diese aufrecht erhalten bleiben.“

Tatsächlich hat Walach einen Aufsatz mit dem Titel

Was ist eine „wissenschaftliche Tatsache“? Ein kleines Fallbeispiel: Der Masernprozess“

veröffentlicht.

walach

Darin erklärt er, dass Wissenschaftlichkeit „ein komplexes Konstrukt“ und „Mehrheitsmeinung, gerade in der Wissenschaft, kein ausreichend guter Ratgeber“ sei.

Bezogen auf den „Masern-Prozess“ bedeute dies:

Zur Diskussion steht der Mehrheitskonsens, dass das, was bisher in der Wissenschaft geschah, ausreichend sei, um die Faktizität des Masernvirus zu belegen. Dies erscheint mir nach all dem, was ich bis jetzt gesehen habe, zweifelhaft zu sein.“

So weit, so banal.

Worauf Walach letztendlich hinaus will, bleibt seltsam vage.

Auf die triviale Tatsache hinweisen, dass empirische Wissenschaft nicht zu einem letzten Ende kommt und auch gut belegte Erkenntnisse infrage gestellt werden können? Dazu bräuchte es nicht so viele Worte, wie sie Walach zur Verteidigung Lankas aufbringt“,

schreibt der Gesundheitswissenschaftler Joseph Kuhn in seinem Blog Gesundheits-Check:

Ständig werden in der Wissenschaft Mehrheitsmeinungen revidiert, vom Nutzen der Schonhaltung bei Rückenschmerzen bis hin zum Eisengehalt des Spinats, sonst gäbe es keinen wissenschaftlichen Fortschritt. Mehrheit verbürgt nicht Wahrheit.

Aber was folgt daraus, oder besser gefragt, was folgt daraus nicht?

Garantiert nicht, dass daher jede abweichende Meinung genauso „wissenschaftlich“ ist wie die Mehrheitsmeinung. Nur weil sich immer wieder auch Außenseiterpositionen gegen lange behütete herrschende Lehrmeinungen durchsetzen, ist nicht jede Außenseiterposition nobelpreisverdächtig.

Weitaus häufiger hat man es, gerade wenn es um querulatorisch vertretene Positionen geht, schlicht mit Unfug zu tun.“

Kuhn geht denn auch davon aus, dass Walach weniger die Causa Lanka angelegen ist, als vielmehr eine indirekte Legitimierung …

… seiner eigenen „unkonventionellen“ Ansichten. Er [Walach] stilisiert sich ja seit einiger Zeit zur Speerspitze der Aufklärung, die sich vom langweiligen Mainstream abhebt.“

Kuhn

Einen ähnlichen Eindruck hat auch der Physiker Dr. Philippe Leick (GWUP).

Gegenüber unserem Blog sagte Leick:

Walach ist in gewisser Weise ein postmoderner beziehungsweise kultureller Relativist. Seine Beobachtungen zu Konsens und sozialen Mechanismen in der Wissenschaft sind korrekt, aber überstrapaziert. Walach macht sie bedeutender und dominanter, als sie es tatsächlich sind.

Walach fordert enorm hohe Messlatten („extraordinary evidence“) für wissenschaftliche Beweise nicht nur bei unplausiblen Behauptungen („extraordinary claims“), sondern im Grunde für jegliche Forschung. Angesichts mancher Publikationen seines Instituts oder aus seiner eigenen Feder entbehrt das natürlich nicht einer gewissen Ironie.

Sinn dieser Ausführungen ist es möglicherweise, eine doppelte Verteidigungslinie für seine Lieblingstheorien (Homöopathie, schwache Quantentheorie, transpersonale Phänomene und vieles mehr) aufzubauen […]

Ob Stefan Lanka die ihm zugedachte Rolle des wissenschaftlichen Provokateurs in irgendeiner Weise sinnvoll ausfüllt, sei dahingestellt. Lanka geht es ja offenbar gar nicht um eine wissenschaftliche Provokation, wie Walach ihm wohlwollend unterstellt, denn eigenen wissenschaftlichen Output gibt es von ihm seit seiner Dissertation nicht einmal ansatzweise.

Diese Frage beleuchtet Walach überhaupt nicht. Indem er eingangs und am Ende darauf hinweist, dass seine Ausführungen nichts mit der Frage zu tun hätten, ob die Masern nun gefährlich oder durch eine Impfung zu verhindern sind, lehnt er sich gemütlich zurück und genießt seine Rolle als Advocatus Diaboli.“

Mehr aber auch nicht.

Zum Weiterlesen:

  • Stefan Lanka, Harald Walach und der wissenschaftliche Konsens, Gesundheits-Check am 8. November 2015
  • Was ist eine „wissenschaftliche Tatsache“? Ein kleines Fallbeispiel: Der „Masernprozess“, harald-walach.de
  • Skepkon-Video: 100 000 Euro für den Beweis der Existenz des Masernvirus – im Ernst?!? GWUP-Blog am 23. Mai 2015
  • Masern-Prozess: Bardens gewinnt, Lanka muss zahlen, GWUP-Blog am 12. März 2015
  • Masern-Prozess: Das Urteil jetzt im Volltext online, GWUP-Blog am 11. Juni 2015
  • Masern-Prozess geht weiter, GWUP-Blog am 5. August 2015
  • Hogwarts-am-Rhein eröffnet, Psiram am 23. November 2015
  • Homöopathen und ihre Quanten, GWUP-Blog am 25. Juli 2013
  • Homöopathie: “Deutlich positive” Ergebnisse mit Quanten? GWUP-Blog am 2. August 2013
  • Die „schwache Quantentheorie“ und die Homöopathie, Skeptiker 3/2006
  • Das Goldene Brett 2015: And the Winner is … Stefan Lanka, GWUP-Blog am 22. Oktober 2015

10 Kommentare

  1. Warum bekommt diese unsägliche Person nicht endlich einen Tritt in den Hintern und warum duldet man so einen Scharlatan an einer deutschen Universität?

  2. Ich kann Michel nur beipflichten.

    Wie manipulativ Walach hier vorgeht, zeigt schon die Verwendung des Begriffs „wissenschaftliche Tatsache“. Diesen Begriff wird in der wissenschaftlichen Community niemand ernsthaft verwenden, denn er suggieriert das Vorhandensein der „absoluten Wahrheit“ und ist mit dem weltweit anerkannten Wissenschaftsbegriff, der immer nur die „beste Hypothese“ kennt, nicht vereinbar.

    Walach weiß das natürlich ganz genau, denn er legt ja mehr oder weniger in seinem Text den Hypothesenbegriff dar, diskreditiert ihn allerdings massiv.

    Glaubt er diesen Mist selbst, so sollte er als Wissenschaftler einfach aufhören und irgendetwas Solides machen. Gar nichts zum Beispiel.

  3. @ Udo:

    „Diesen Begriff wird in der wissenschaftlichen Community niemand ernsthaft verwenden“

    An dem Punkt tut man Walach unrecht. Der Begriff der „wissenschaftlichen Tatsache“ geht auf Ludwik Fleck zurück und hebt im Grunde auf das Gegenteil absoluter Wahrheit ab, es geht ihm darum, dass „wissenschaftliche Tatsachen“ zunächst einmal Diskursergebnisse sind, die Anerkennung im „Denkkollektiv“ finden. Ähnliche Ansichten sind dann ja durch Thomas Kuhn weltberühmt geworden.

  4. @Martina Rheken:

    Wir werden berichten.

  5. Aus der „Welt“, heute, 16.2.2016:

    Der Impfgegner Stefan Lanka muss 100.000 Euro nicht zahlen, die er für den Beweis der Existenz des Masern-Virus‘ ausgelobt hat. Ein Gericht gab ihm recht – nicht in der Sache, sondern in der Form.

    „Sie hätten aber auch 600 einreichen können, er hätte keine akzeptiert“, sagte der Vorsitzende Richter.

    http://www.welt.de/gesundheit/article152309220/Impfgegner-gewinnt-100-000-Euro-Streit-um-Masern.html

    Party bei den Virenleugnern, Lanka ist Meister im Torpfostenverschieben ;)

  6. http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/berufungsprozess-in-stuttgart-impfgegner-verliert-100-000-euro-wette-muss-aber-nicht-zahlen-14073647.html

    Einerseits äußerst bedauerlich, andererseits nicht gerade Werbung für die Impfgegener. Jedesmal, wenn über den Unsinn der Impfgegenerschaft berichtet wird, besteht die Chance, dass die nicht ganz Verbohrten etwas kapieren.

  7. Es bleibt eher der Eindruck zurück, dass ein promovierter Arzt es weder schafft, eine Auslobung richtig zu verstehen, noch eine einzige Publikation zu finden, die für sich alleine im Stande ist, zweifelsfrei ein Masernvirus nachzuweisen. Oder noch schlimmer, dass es vielleich sogar in 600 Publikationen keine einzige gibt, die das kann, weil sich alle auf Enders & Peebles aus dem Jahre 1954 beziehen, die ja wirklich keine Kontrollversuche unternommen haben.

  8. @Bescher M.:

    Vielleicht haben Sie diesen Satz nicht gelesen:

    << Diese Forderung geht allerdings an den aktuellen wissenschaftlichen Gepflogenheiten vorbei. Naturwissenschaftliche Indizienketten oder gar Beweisführungen werden mindestens schon nicht mehr seit Jahrzehnten als Monographien, sondern als Abfolgen von mehreren bis zu sehr vielen Fachartikeln publiziert. << Lankas Forderung ist in sich unsinnig, aus wissenschaftlicher Sicht. Formal darf er so eine Forderung aufstellen, mehr nicht.

  9. Und selbst wenn Lankas Auslobung mit der (jetzt aus dem Hut gezauberten Festlegung auf die) Forderung nach genau einer wissenschaftlichen Publikation legitim ist und Barden tatsächlich nicht lesen kann bzw. schlampig arbeitet – um die 100.000 Euro geht es ja letztlich gar nicht sondern darum, die Existenz des Masernvirus zu beweisen.

    Das hat Barden mit den vorgelegten sechs Arbeiten getan und das haben auch beide Gerichte ausdrücklich festgestellt. Ob er jetzt das Geld kriegt oder nicht, hat damit nur am Rande zu tun.

    Lanka hatte nie vor, das Geld auszuzahlen, ihm ging es nur darum, eine große Plattform für seinen Unsinn zu kriegen. Barden ging es auch nicht um das Geld (er wollte das eh spenden), sondern darum, den Unsinn Lankas möglichst öffentlichkeitswirksam zu demaskieren.

    Und das ist ihm durchaus gelungen.

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