22. November 2024
von Bernd Harder
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Am Schluss wird der Journalistin Olga Herschel klar:
Hinter Leonies Verschwinden, hinter ihrem Leid, stecken nicht Einzelne. Hinter Leonies Verschwinden steckt ein Netzwerk.
So endet die zweite Folge des Podcasts Geteiltes Leid, die heute erschienen ist.
Tatsächlich illustriert diese Episode einmal mehr das, was wir vor einer Woche schrieben:
Niemand stellt „die gesamte Community der TraumatherapeutInnen“ unter Generalverdacht – sondern es sind die immerselben Personen, die uns im Zusammenhang mit der Rituelle Gewalt-Mind-Control-Verschwörungstheorie (RG-MC) begegnen.
In der ersten Folge von Geteiltes Leid („Inside Leonie“) trat zum Beispiel die Psychotherapeutin und Psychiaterin Angelika Eibach-Bialas als „Expertin“ auf und breitete ihr Wissen über „Rituelle Gewalt“ im Satanismus aus:
Satan ist der Gott, Satan freut sich, wenn Menschen leiden, und Satan freut sich insbesondere, wenn die Kinder leiden.
Das sind für eine 75-Jährige erstaunlich infantile Vorstellungen, die mit der Realität von Satanismus praktisch nichts zu tun haben.
Diesselbe Angelika Eibach-Bialas kommt nun auch in der zweiten Folge zu Wort – und zwar unversehens als Ärztin und Kotherapeutin der titelgebenden Protagonistin Leonie, die ein Opfer von ritueller Gewalt sein soll.
Nun ist die Autorin und Host von Geteiltes Leid, Olga Herschel, selbst promovierte Ärztin mit Schwerpunkt Kinder- und Jugendpsychiaterie und kann daher ihre Verwunderung über Frau Eibachs Behandlungsmethoden kaum verbergen. Etwa als diese erklärt, Medikamente wie Benzodiazepam wirkten ohnehin nicht auf alle „Innenpersonen“ der angeblich in mehrere Persönlichkeiten aufgespaltenen Patientin.
Medizinisch gesehen ist das ausgeschlossen. Es gibt ja nur einen Körper,
kommentiert Herschel das kurz und knapp.
Auf kritische Nachfragen reagiert Eibach-Bialas wiederum mit einer höchst eigenwilligen Logik:
Offenbar haben Ihre Recherchen Sie in Täterkreise geführt. Ich hoffe nicht, dass das womöglich Ihre eigentlichen Auftraggeber sind.
Daneben spielen weitere Szene-Protagonisten wie die Berliner Anwältin Ellen Engel, Eva Lauer-von Lüpke von der Emanuelsstifung und eine Freikirche in Bonn eine Rolle. Diese Verbindungen werden im dritten Teil von Geteiltes Leid (29. November) noch weiter herausgearbeitet.
Trotz der langsamen und unspektakulären Erzählweise wird das Anliegen des Podcasts zunehmend deutlich:
Wir wollen zunächst mal eine Debatte anstoßen, die bisher abseits von Fachöffentlichkeiten kaum geführt wird […] Wir nehmen Betroffene in den Blick, die bisher vom System überhaupt nicht gesehen werden: Opfer schädlicher Psychotherapien,
sagt der Produzent Khesrau Behroz in einem Interview.
An der Privatklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Clienia Littenheid im Schweizer Kanton Thurgau ist man heute noch „erschüttert“ über den RG-MC-Skandal vor zwei Jahren. Mittlerweile sei der ganze Traumatherapie-Bereich neu aufgegleist worden: „mit einem neuen Therapiekonzept, einer neuen Führung und neuen Verantwortlichen“, berichtet die Thurgauer Zeitung.
Das kam so surreal daher, dass ich zuerst dachte: Das kann doch nicht stimmen,
wird der Thurgauer Regierungsrat Urs Martin in dem Beitrag zitiert:
Wir mussten aber leider feststellen, dass das Fernsehen richtig lag.
In Deutschland merkten die Macher von Geteiltes Leid,
… dass sich Verantwortliche sehr schwertun, sich kritisch mit ihren eigenen Überzeugungen auseinandersetzen und Kritik mit dem Argument abblocken, man würde Betroffenen ihr Leid absprechen. Es scheint, als fehle da manchmal der Mut, kurz innezuhalten und zu fragen: Kann das wirklich so gewesen sein?
Das hätte auch im Fall Leonie eine verheerende Falschtherapie und eine zerstörte Familie verhindern können. Leonie lebt heute in einem Pflegeheim, der Vater sah sich dem Verdacht des rituellen Missbrauchs ausgesetzt.
Erst bei einem persönlichen Termin mit Leonies ungenannter Erstherapeutin (am Ende von Teil 1) realisierte Leonies Mutter schließlich:
Die Frau spinnt. Ich bin einer Betrügerin aufgesessen.
Zum Weiterlesen:
- „It’s always going to be relevant“: Die Verschwörungstheorie über rituelle Gewalt und Mind Control, GWUP-Blog am 14. November 2024
- Berliner Reporter-Team deckt Pseudo-Therapien auf: „Das kann doch alles nicht sein“, berlin-live am 19. November 2024
- Geteiltes Leid: Dieser Doku-Podcast deckt Verschwörungstheorien über sexuelle Gewalt in Psychotherapiepraxen auf, elle am 19. November 2024
- „Geteiltes Leid“: Der neue Investigativ-Podcast enthüllt Verschwörungstheorien in der Psychotherapie, zeitjung am 15. November 2024
- Rituelle Gewalt in Littenheid: Dunkles Kapitel soll bald der Vergangenheit angehören – das ist der Stand der Dinge, Thurgauer Zeitung am 18. November 2024
- Esoterische Parallelwelt, grober Unfug: Auch eine deutsche Therapeutin ist in die Umtriebe an der Klinik Littenheid involviert, GWUP-Blog am 3. Dezember 2022
- Was sind und tun eigentlich Satanisten? Ein Interview, GWUP-Blog am 5. Mai 2014
- Verschwörung und Missbrauch: Khesrau Behroz im Interview zum neuen Undone-Podcast, podcast.de am 14. November 2024