Die Hinführung zum Hauptthema ist eigentlich am interessantesten in der siebten und letzten Folge des SWR-„Geisterjäger“-Podcasts:
Erst mal zurück ins Jahr 1965:
Es spukt in einem Einzelhandelsgeschäft im Bremer Stadtteil Neue Vahr. Teller, Tassen und Vasen springen buchstäblich aus den Regalen, Kaffeekannen fliegen durch die Luft, Gläser zerbrechen noch in ihren Originalkartons. Der „Scherbengeist“ ruft Polizei und Presse auf den Plan, und auch hier wittert der Freiburger Parapsychologe Professor Hans Bender einen zweifelsfrei echten Jahrhundertfall.
Bender bleibt auch dann noch bei dieser Überzeugung, als der 14-jährige Lehrling Heiner S. ein umfassendes Geständnis ablegt und seine simplen, aber wirkungsvollen Tricks offenbart. Der Bremer Kriminaldirektor Herbert Schäfer protokolliert das alles und schreibt später ein Buch darüber.
Bender dagegen zofft sich öffentlich mit Schäfer und erklärt das Geständnis des Jungen sogar zum integralen Bestandteil seiner RSPK-/Poltergeist-Theorie.
Dann aber, leitet die Podcasterin Verena Fiebiger zum eigentlichen Thema über,
… passiert Bender ein paar Jahre nach der Enttarnung des Bremen-Spuks ein dermaßen offensichtlicher Fauxpas, dass ihn keine Spuktheorie und keine Quantenmechanik mehr wegerklären kann.
Es geht um den Fall „Chopper“ (1982).
Der „Geist“ grunzt und grummelt äußerst ungebührlich aus den Wasch- und Klobecken einer Zahnarztpraxis in Neutraubling und schließlich sogar aus der Spuckschüssel neben den Behandlungsstühlen. „Mach das Maul zu, du stinkst!“, fliegt den entsetzten Patienten um die Ohren, oder schlicht „Du Arschloch!“
Kein Wunder, dass am Ende die 16-jährige Arzthelferin Claudia wegen Beleidigung vom Amtsgericht Regensburg zu einer Geldstrafe verurteilt wird. Denn sie selbst hatte emsig gechoppert, „mit verstellter Stimme und unter Zuhilfenahme eines Gegenstandes, der innen hohl ist“, hieß es im Ermittlungsprotokoll der Behörden. Gemeinsam mit dem damals 62-jährigen Zahnarzt und dessen Ehefrau.
Und Hans Bender? Er sagte zwar nicht, dass der „Chopper“ echt sei.
Aber er hat auch nicht ausschließen wollen, dass da doch irgendwas dran ist,
erklärt Fiebiger.
Benders Assistent Elmar R. Gruber habe den „Spuk“ in der Zahnarztpraxis schnell durchschaut, konnte aber Bender nicht von einem Fake überzeugen, da dessen „Wunschdenken inzwischen stärker [war] als die Realität“.
Das Fazit der siebenteiligen „Geisterjäger“-Reihe:
Hans Bender glaubte, nein, er wusste tief in seinem Inneren, dass es das Übernatürliche gibt. Aber er war viel zu rational, um das Ganze irgendwelchen Engeln oder Dämonen oder Totengeistern zuzuschreiben. Also hat er sein Leben der wissenschaftlichen Erforschung dieser Phänomene gewidmet.
Dem persönlichen Schlusswort von Verena Fiebiger, wonach die Parapsychologie vielleicht ein „tolles Angebot“ sei, für Menschen, die „etwas Unerklärliches erleben, aber nicht gleich an Gespenster und Teufel und Engel glauben wollen, Menschen, die eigentlich auf die Wissenschaft vertrauen“, möchte man allerdings widersprechen.
Wie schrieb Prof. Wolfgang Hell im Skeptiker:
Die Beschränkung von Parapsychologen auf eine einzige Erklärung ist es, die mich stört. Die Parapsychologie könnte ein so spannendes Gebiet sein, das auch in der Mainstream-Wissenschaft mehr Beachtung finden würde, wenn sie diese Beschränkung aufgäbe und ernsthaft nach naturalistischen Erklärungen für ihre Befunde und Berichte suchen würde.
Zum Weiterlesen:
- SOKO „Geist“, Geisterjäger (7) am 22. März 2024
- „Geisterjäger“ (6): Hans Bender – Ahnenerbe, swr am 22. März 2024
- „Geisterjäger“ (5) Gerard Croiset – Hellseher gegen die RAF, GWUP-Blog am 4. April 2024
- „Geisterjäger“ (4): Uri Geller – Besteckbieger und Selbstvermarkter, GWUP-Blog am 3. April 2024
- „Geisterjäger“ (3): Durch die Wand – der paranormale kalte Krieg der Supermächte, GWUP-Blog am 2. April 2024
- „Geisterjäger“ (1/2): Der Spuk von Rosenheim – Tricks oder Psychokinese? GWUP-Blog am 1. April 2024
- 30 Jahre „Chopper“: Spuk in der Zahnarztpraxis, Süddeutsche Zeitung vom 4. März 2012
- Claudias Geist, einestages vom 2. März 2012
- „Mach’s Maul auf“: Geist in der Zahnarztpraxis, Ärztezeitung vom 3. März 2012
- Ein Fall für Sherlock Holmes? Der Spiegel 9/1982
- Vor 30 Jahren: Spuk aus dem Spucknapf, GWUP-Blog am 4. März 2012
- Der übersinnliche Lehrling Heiner, Die Zeit 20/1978
- Expertenstreit um Poltergeister: Der Kriminalist und der Spukprofessor, Die Zeit 8/1979