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Neue Studie mit umfangreichem „Grundlagenwissen“ über den Glauben an Fake News

| 11 Kommentare

Im aktuellen „Faktencheck“ von SWR3 geht es um die Frage

Haben Fakten eine Chance gegen Fake News?

Kurioserweise besteht die Antwort darauf nur in der lapidaren Selbstbestätigung

Faktenchecks wirken und die meisten Menschen sind zugänglich für Fakten, das belegen mittlerweile auch eine ganze Reihe an Studien.

Welche das sind, muss man selbst bei den „Quellen und weiteren Infos“ nachschauen. Immerhin ist das darauffolgende Kapitel „Das können wir selbst tun“ (ab Minute 10:41) etwas informativer.

Davor führt die Sozialpsychologin Pia Lamberty aus, warum Fake News sich überhaupt verbreiten: weil sie an vorhandene Bedürfnisse anknüpfen und mit Generalisierungen und starken Emotionen arbeiten.

Das unterstreicht auch wieder die neue Studie

The psychological drivers of misinformation belief and its resistance to correction

an der SkepKon-Referent Philipp Schmid von der Uni Erfurt beteiligt war.

Nicht gerade neu ist die Erkenntnis, dass das Informationsdefizitmodell überholt ist (darauf haben wir schon 2017 insistiert) und stattdessen „cognitive, social and affective factors“ als Treiber von Fake News betrachtet werden müssen.

Insbesondere das eigene „Bauchgefühl“, die „Intuition“, und die persönliche Einstellung und Weltanschauung (Identität) würden darüber entscheiden, was geglaubt wird – auch das ist seit langem aus der Klimaforschung bekannt.

Ebenfalls wiederholt wird die schon ältere Feststellung, dass Menschen, die an Fake News oder Verschwörungstheorien glauben, keinen Unterschied zwischen einer Expertenaussage und einer Laienmeinung machen und außerdem kognitive Dissonanzen zu vermeiden suchen.

Alle diese Faktoren, die die Beharrlichkeit des Glaubens an Falschinformationen entscheidend beeinflussen, müssten bei Interventionsversuchen berücksichtigt werden.

Die Autoren raten zu einer Kombination aus

  • faktenbasierter Korrektur, „die Ungenauigkeiten in den Fehlinformationen direkt anspricht und genaue Informationen bereitstellt“
  • die „logischen Irrtümer anzugehen“, also „inhärent widersprüchliche Behauptungen hervorzuheben“
  • die „Plausibilität der Fehlinformationen oder die Glaubwürdigkeit ihrer Quelle zu untergraben“

Daneben gehen die Forscher auf das „präventive Eingreifen“ ein (Prebunking oder „Impftheorie“ – das hatten wir ebenfalls schon hier). Prebunking stelle „ein großartiges Werkzeug“ dar, allerdings sei die Studienlage widersprüchlich, ob Prebunking tatsächlich effektiver sei als Debunking.

Schließlich warnen Ecker et al. Praktiker davor, sich auf jeden unbedeutenden Twitter-Tweet zu stürzen:

Wenn das Schadensrisiko minimal ist, besteht keine Notwendigkeit, Fehlinformationen zu entlarven, die nur wenigen Menschen bekannt sind und die möglicherweise die Reichweite der Quelle erhöhen könnten.

Immerhin: Die Studie legt ausführlich ein „solides Grundlagenwissen“ dar, „wie Menschen entscheiden, was wahr oder falsch ist, Überzeugungen bilden und Korrekturen verarbeiten“.

Darauf lässt sich aufbauen.

Zum Weiterlesen:

  • The psychological drivers of misinformation belief and its resistance to correction, Nature Reviews Psychology volume 1, pages 13–29 (2022)
  • Desinformations-Kampagnen kontern – mit einer „Schutzimpfung“, klimafakten am 31. Januar 2017
  • Einstellungen zum Klimawandel: Ideologie hat den größten Einfluss, klimafakten am 1. März 2016
  • Fünf Tipps und Tools, mit denen man Fake News im Internet identifizieren kann, GWUP-Blog am 23. März 2019
  • Meinungen, Fake News und die Bedrohung der eigenen Identität, GWUP-Blog am 23. September 2017
  • Video: Der Bestätigungsfehler – „Warum wir auf Fake News reinfallen“, GWUP-Blog am 11. März 2017
  • LMZ: Warum sind Menschen empfänglich für Fake News?
  • US-Studie zu Fake News: Faktenchecks erreichen die Falschen, taz am 6. Januar 2017
  • Baerbocks „Jugendsünde“ und andere Fake News – wie steht es um die Nachrichtenkompetenz? GWUP-Blog am 2. Mai 2021
  • The Debunking Handbook auf Deutsch: „Widerlegen, aber richtig“ als kostenloses PDF, GWUP-Blog am 21. November 2020
  • Zum Download: Das „Handbuch über Verschwörungsmythen“, GWUP-Blog am 14. April 2020
  • Politische Einstellungen sagen vorher, wer den Klimawandel leugnet, Zeit-Online am 24. Mai 2019
  • Jetzt auch auf Deutsch: „Das Kommunikationshandbuch zum Covid-19-Impfstoff“, GWUP-Blog am 13. Februar 2021
  • Faktencheck allein reicht nicht, Deutschlandfunk Kultur am 25. Januar 2021
  • Warum Menschen Impfungen ablehnen – und wie man sie umstimmen kann, merkur am 23. Januar 2022
  • Wie es gelingt, weniger Falschmeldungen zu verbreiten, hpd am 12. Januar 2022
  • BabbelBox #80: Wie rede ich mit Onkel Heinz, dem Impfgegner? Allgemeine Zeitung am 20. Januar 2022

11 Kommentare

  1. auch, wenn hier wenig Kommentare sind sollte man grundlegend eines richtig stellen:

    Fake News sind nichts neues und werden von Regierungen und Privaten seit Jahrtausenden benutzt.
    Der große Unterschied ist nur langsam, dass Fake News inzwischen durch das Internet aufgelöst werden können, aber auch schneller verbreitet werden können.

    Der interessierte Mensch, der nach Hintergründen recherchiert, stellt zunehmend fest, wie oft er schon von offizieller Seite angelogen wurde. Nehmen wir mal den Irak Krieg Nr. 2 oder die NSA Affäre.
    Ich denke jeder bekommt mit, dass die Menschen dadurch deutlich vorsichtiger werden und seltener direkt der „RICHTIGEN“ Meinung glauben.
    Und inzwischen ist es so weit, dass selbst wenn die offizielle Meinung richtig ist, man sie nicht mehr glaubt. Diese Verhalten ist durchaus nachvollziehbar und steckt evolutionär ins uns Menschen drin.
    Wer 3x belogen wird, glaubt beim 4x auch nicht mehr, was das Gegenüber sagt.

    Daher führt auch das „richtigstellen“ der Fakten zu keiner Veränderung des Denkens der Menschen. Warum sollte nicht auch diesmal gelogen werden, damit man die „Fake News“ nochmal glaubt?

    Grundsätzlich brauchen wir mehr Ehrlichkeit in Politik und Wirtschaft anstatt mehr Anti-Fake und Correctiv News.

  2. @Andreas Müller:

    „sollte man grundlegend eines richtig stellen … […] Grundsätzlich brauchen wir mehr Ehrlichkeit in Politik und Wirtschaft anstatt mehr Anti-Fake und Correctiv News.

    Ich denke, da braucht man nichts grundlegend „richtig zu stellen“, denn das ist kein Widerspruch zum Inhalt der Studie und des Blogposts.

    Natürlich geht es nicht darum, allem und jedem blind und ungeprüft zu vertrauen. Das fordert ja auch niemand.

    Aber dass es Lügen, Lobbyismus etc. in Politik und Wirtschaft gibt, heißt nicht, dass *alle* und *immer* lügen.

    Das ist aber mittlerweile das Problem: der Generalverdacht, unter den Fake-News-Verbreiter und Verschwörungsgläubige die ganze Welt stellen.

    Und dagegen brauchen wir mehr sowohl „mehr Ehrlichkeit in Politik und Wirtschaft“ als auch „Anti-Fake- und Correctiv-News“.

    Letzteres vor allem für Menschen, die weder alles blind glauben noch grundsätzlich hinter allem eine Verschwörung sehen, sondern die von anderen verunsichert werden und einfach nur wissen wollen, was stimmt und was nicht:

    https://www.mimikama.at/coronavirus-2019-ncov/corona-fake-news-in-sozialen-netzwerken/

  3. Im Religionsunterricht werden Kinder dazu dressiert, abstrusensten Scheiß zu glauben. Das abzustellen würde die Fakenewsgläubigkeit deutlich reduzieren.

  4. @Uwe Hauptschüler

    Ihre Aussage erhält meine vollumfängliche Zustimmung.

  5. @uwe hauptschüler und Sebastian Taege

    Gibt es Belege Ihrer Behauptungen außer Ihrem gesunden Menschenverstand?

    Wir kennen den Zusammenhang zwischen religiöser Erziehung und kirchlicher Religiosität

    (zuletzt: https://www.cesifo.org/de/publikationen/2022/working-paper/can-schools-change-religious-attitudes-evidence-german-state )

    Aus der letzten Studie der GWUP lassen sich mit Sicherheit Schlüsse über die Verbreitung von Fake News ziehen (GWUP, Der Glaube an das Paranormale 2021).

    Nur wurde darin m.W. nicht nach der religiösen Erziehung gefragt und Surveys, die nach der religiösen Erziehung fragen, testen m.W. keine Zustimmung zu Fake News, Verschwörungstheorien etc. Vielleicht haben Sie Zugang zu den Rohdaten der EKD-Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung?

  6. Zum Thema „Verschwörungsglaube und Religion“ ist mir auf Anhieb nur eine Studie bekannt, die Erwartbares zeigt: dass Anhänger von fundamentalistisch-dogmatischen Glaubensrichtungen eher auch an Verschwörungstheorien glauben, „moderate“ Gläubige dagegen nicht.

    https://www.uni-muenster.de/Religion-und-Politik/podcastundvideo/Corona_und_Zusammenhalt.html

  7. @Carsten Ramsel

    „Gibt es Belege Ihrer Behauptungen außer Ihrem gesunden Menschenverstand?“

    Nein. Ich kann keine anführen. Es wird aus meiner Abneigung gegenüber dem einen als auch dem anderen genährt, so dass ich einen Zusammenhang konstruierte, bzw. durch Zustimmung als wahrscheinlich einstufe.

  8. @uwe hauptschueler/Sebastian Taege

    „Im Religionsunterricht werden Kinder dazu dressiert, abstrusensten Scheiß zu glauben. …“

    Tatsächlich gibt es Formen von Religionsunterricht, die nachgerade gefährlich für die psychische Gesundheit sein können und abgestellt gehören.

    Trotzdem gehe ich eine solche Verallgemeinerung nicht mit.

  9. @Carsten Ramsel

    Bis zum Hauptschulabschluß hatte ich neun Jahre katholischen Religionsunterricht. Erbsünde, Jungfrauengeburt, Gottessohn wurden mir da als nicht zu hinterfragende Wahrheiten vermittelt. Für mich sieht das eindeutig für eine Dressur zur Fakenewsgläubigkeit aus.

    Eine wissenschaftliche Untersuchung dazu ist mir nicht bekannt. Ein Untersuchender wäre zwangsläufig befangen, als Atheist oder als Gläubiger.

  10. @uwe hauptschueler

    Ich bin kein Freund des (katholischen) Religionsunterrichts. Es stellte sich mir nur die ehrlich gemeinte Frage, ob das Fehlen von Dressur des einen Glaubens es wahrscheinlicher macht nicht einem anderen Glauben anzuhängen. Ich habe darauf auch keine Antwort.

    Wenn Befangenheit ein Problem in der Sozialforschung wäre, gäbe es womöglich eine solche Forschung gar nicht. Glücklicherweise denken sich die Sozialwissenschaftlerinnen und Sozialwissenschaftler die Antworten der Auskunftspersonen nicht aus.

    Von den Seriösen erwarte ich eine Reflexion ihrer eigenen Überzeugungen und den Rest regelt die Kritik der wissenschaftlichen Community. Gefälligkeitsstudien sind jedoch insbesondere in der religionsbezogenen Forschung nicht ausgeschlossen, aber als solche leicht erkennbar. Gute Forschung liefert neue Erkenntnisse unabhängig davon, wer sie in Auftrag gegeben hat.

  11. @ Uwe Hauptschüler

    Da habe ich es wohl zu meiner Zeit besser getroffen. Ich erinnere mich daran, wie ich Anfang der Achtziger mit ungefähr zwölf meinen Religionslehrer, einen katholischen Priester, gefragt habe, woher denn die Frau gekommen sei, die Kain nach dem Mord an Abel in einem fremden Land geheiratet haben soll. Er hat mich mit strengem Blick angesehen und mich beschuldigt, ich verbreite „Irrlehren“.

    Dann hat er gelacht und der Klasse erklärt, dass das alles nicht wörtlich zu nehmen sei, und dass es sich bei den Geschichten aus der Bibel eben genau darum handelt, nämlich um Geschichten.

    Der gute Herr war ein breit gebildeter Mann und aus meiner Sicht ein toller Lehrer, der sich zum Beispiel mit indischen Heilslehren ebenso gut auskannte wie mit christlichen und auch viel darüber erzählt hat. Von „Indoktrination“ oder gar „Dressur“ keine Spur.

    Ich denke, es dürfte entscheidend sein, wer da vorne steht und den Kindern die Inhalte vermittelt. Mir wurde schon damals nicht erzählt „Das steht in der Bibel, das hast du zu glauben!“, sondern etwas in der Art von „Das sind Religionen, das wollen/sollen sie vermitteln.“

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