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Baerbocks „Jugendsünde“ und andere Fake News – wie steht es um die Nachrichtenkompetenz?

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Kaum war Annalena Baerbock zur Kanzlerkandidatin der Grünen gekürt worden, kursierte bereits ein (vermeintliches) Nacktfoto von ihr:

Natürlich ist das ein Fake, wie eine Bilderrückwärtssuche schnell ergibt:

Dieses Bild stammt aus einer ganzen Bilderserie mit dem Titel „Lush“ (üppig) und zeigt nach eigenen Angaben eine „Martina“,

schreibt Mimikama dazu.

Ebenso wenig fordert Baerbock ein Verbot von Haustierhaltung noch ist sie eine „Soros-Musterschülerin“ noch hat sie ohne die Abstandsregeln zu beachten an einer „Kandidatenfeier der Grünen“ teilgenommen.

Aber alle diese Falschnachrichten zeigen, was die bevorstehende Bundestagswahl mit sich bringt. Laut dem Spiegel bereiten sich die Parteien intensiv auf Desinformationskampagnen aus dem In- und Ausland vor.

Im aktuellen Politik-Podcast Stimmenfang berichten Spiegel-Korrespondenten in Berlin und Brüssel von einer „neuen Dimension der Desinformation“, etwa mit Deep Fakes und manipulierten Videos, wie zum Beispiel von der scheinbar betrunkenen US-Demokratin Nancy Pelosi:

In Wahrheit wurde nur die Abspielgeschwindigkeit der Videoaufnahme reduziert und im Anschluss die Tonhöhe angepasst. Das führt dazu, dass Pelosis Stimme seltsam klingt.

Stimmenfang-Podcaster Marius Mestermann nennt als „das Wichtigste“ im Kampf gegen Desinformation und Fake News …

… eine Sensibilisierung der Bürgerinnen und Bürger und Förderung der allgemeinen Medienkompetenz.

Tatsächlich stellt eine aktuelle Studie der „Stiftung Neue Verantwortung“ der deutschen Gesellschaft ein durchwachsenes Zeugnis aus, was die digitale Nachrichten- und Informationskompetenz angeht. Knapp die Hälfte der Teilnehmer habe einen von Experten erstellten „Nachrichtenkompetenz-Test“ bestanden, nur 22 Prozent erreichten hohe Kompetenzwerte.

Zu einer frei zugänglichen Online-Version geht es hier:

Das Tübinger Leibniz-Instituts für Wissensmedien (IWM) fand heraus, dass bereits ein erstmaliger Kontakt mit Fake News und Verschwörungstheorien zur Corona-Krise das Vertrauen der Probanden in die Regierung und staatliche Institutionen wie das Robert Koch-Institut reduzierte, ebenso die Unterstützung für gesundheitspolitische Maßnahmen sowie die Bereitschaft, die Social-Distancing-Regeln zu befolgen.

Im neuen Faktenfinder-Podcast der Tagesschau weisen Pia Lamberty und Patrick Gensing darauf hin, dass keineswegs nur junge Menschen dafür anfällig sind.

Das deckt sich genau mit dem, was wir bei Schülervorträgen immer wieder hören, wenn die Teilnehmer von ihren Eltern und Großeltern erzählen, die in irgendwelchen WhatsApp-Gruppen unvermittelt auf Corona-Leugner treffen:

Gensing und Lamberty meinen, Medienkompetenz sei ein wichtiger Schutz gegen Falschmeldungen – allerdings dürfe man dabei die Älteren nicht übersehen.

„Das ist eine Gruppe, die vollkommen vergessen wird“, sagt Lamberty. Gensing betont, junge Menschen hätten ein größeres Verständnis dafür, was möglich sei an einfachen technischen Manipulationen. Zudem kommunizieren junge Menschen viel mehr miteinander und helfen sich gegenseitig.

Nichtsdestotrotz adressieren entsprechende Medienbeiträge fast nur Jugendliche, etwa bei Planet Schule:

Bei den meisten Jugendlichen hat Corona den Alltag völlig durcheinandergebracht. Sergio aus Kolumbien und Janne aus Deutschland fällt es schwer, ihre Freunde nicht treffen zu können. In Buyas Dorf in Taiwan sind die sonst so gastfreundlichen Menschen Fremden gegenüber ängstlich geworden. Überall herrscht Unsicherheit; die tägliche Flut an Informationen ist schwer einzuordnen.

Casiana erzählt von einer Gruppe von Student*innen in Argentinien, die Nachrichten auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen. Stacy zeigt Fake News, die in Taiwan kursieren und erklärt, worauf man achten muss, um sie zu entlarven. Auch Akinobu aus Japan, und Devin aus den USA, sind kritisch: Ihnen ist wichtig, Informationen nicht ungefiltert weiterzugeben.

Oder in der BR-Reihe Respekt:

Alles Lüge!? Sind Fake News echt gefährlich?

RESPEKT-Moderator Malcom Ohanwe testet, wie anfällig er selbst für Falschinformationen ist und nimmt Nachhilfe bei Sammy Khamis, Profi-Faktenchecker beim Bayerischen Rundfunk. Wer steckt hinter solchen Falschinformationen und wie gefährlich sind sie? Wie funktionieren Faktenchecks und kann das jede*r lernen?

Was auf jeden Fall jede*r lernen kann (und was in fast allen Beiträgen zum Thema Fake News gesagt wird):

Es als Warnsignal zu begreifen, wenn man merkt, dass man auf eine Nachricht stark emotional reagiert.

Zum Weiterlesen:

  • Die „nackte Baerbock“: Behauptung ist ein Fake, mimikama am 23. April 2021
  • Baerbock Zitat über Haustierhaltung ist ein FAKE, mimikama am 22. April 2021
  • Annalena Baerbock und George Soros – Ein Feindbild entsteht, mimikama am 26. April 2021
  • Nein, diese Aufnahmen von Annalena Baerbock entstanden nicht bei kürzlicher „Kandidatenfeier“, correctiv am 29. April 2021
  • Ehemaliger NATO-Generalsekretär über Wahlbeeinflussung: „Deutschland ist gefährdeter denn je, was Desinformation angeht“, Spiegel+ am 10. April 2021
  • Deep Fakes: Eine neue Qualität der Desinformation? Klicksafe am 4. Februar 2021
  • Manipuliertes Video: Darum spricht Nancy Pelosi plötzlich so komisch, Spiegel-Online am 24. Mai 2019
  • Stimmenfang-Podcast: Wie Desinformation unsere Demokratie gefährdet – und was dagegen hilft, Spiegel-Online am 29. April 2021
  • Bundesweite Studie: Sorge um Nachrichtenkompetenz der deutschen Gesellschaft, Deutschlandfunk am 22. März 2021
  • Tübinger Leibniz-Institut hat die Auswirkungen von Verschwörungstheorien untersucht, Reutlinger General-Anzeiger am 27. April 2021
  • Faktenfinder-Podcast: „Verbreitung von Fake News – Ältere besonders anfällig?“ vom 29. April 2021
  • „Faktenfinder“ der ARD jetzt auch als Podcast, GWUP-News am 18. April 2021
  • „Wir sind Investigativjournalisten auf Abruf“: So arbeiten die Faktenchecker von Facebook, NZZ am 26. April 2021
  • WildMics Special #27 – „Fake News“ vom 17. November 2020
  • Fünf Tipps und Tools, mit denen man Fake News im Internet identifizieren kann, GWUP-Blog am 23. März 2019
  • Bundeszentrale für politische Bildung: „Fake News“
  • ,,Data Science vs. Fake“: Faktencheck auf ,,Arte“, GWUP-News am 22. November 2020
  • Ist es gefährlich, was die Regenbogenpresse macht? uebermedien am 17. April 2021
  • Warum Halbwahrheiten gefährlicher sind als Lügen, republik.ch am 26. März 2021
  • Nicola Gess über ihr Buch „Halbwahrheiten“: Faktencheck allein reicht nicht, Deutschlandfunk Kultur am 25. Januar 2021
  • Fakes erkennen, Fotos überprüfen, Quellen beurteilen: Tipps von Mimikama, GWUP-Blog am 18. August 2016

8 Kommentare

  1. Erschreckend, welche Mittel eingesetzt werden!

  2. Au weia, ich habe mich gerade mal kurz zu diesem „Newstest“ geklickt, und die Durchschnittswerte, die man zur abschließenden Auswertung anzeigen lassen kann, sind einfach nur erschütternd.

    Ich bin eigentlich nur auf Rezo reingefallen (weil ich weiß, dass er, wenn er in der Videobeschreibung ein Google-Doc verlinkt, darin immer die Quellenangaben zu allen seinen quietschend-eilig vorgetragenen Faktenbehauptungen hat – was ich übrigens so vorbildlich finde, dass ich mir wünschte, »ernsthafte« Journalisten würden sich davon eine Scheibe abschneiden) und natürlich darauf, dass ich als Smartphone-Verweigerer nicht von jeder App-Klitsche das Logo zweifelsfrei identifizieren kann.

    Und natürlich, weil ich bei RT gar nicht mehr auf Wikipedia schauen muss, um zu wissen, dass es ein Staatssender ist, sondern das für Allgemeinwissen halte. ;)

    Ansonsten hätte ich an diesem »Test« eine Menge zu kritisieren… aber so, wie die Ergebnisse aussehen, scheint das eine ziemliche Luxuskritik zu sein.

  3. @Elias:

    Ansonsten hätte ich an diesem »Test« eine Menge zu kritisieren.

    Zu Recht.

  4. Damit etwas (vorläufig) als verlässlich eingeschätzt werden kann, braucht es schon mehrere unabhängige Quellen, die dann auch frei von Interessenkonflikten oder Vorurteilsbias sein sollten. „Heute scheint die Sonne“, ist natürlich einfacher nachzuprüfen. :-)

    Dass etwas im ÖR berichtet wird, ist sicher keine Wahrheitsgarantie, aber definitiv besser als KenFM o.ä. Meist ist mal auf Bewertungsheuristiken angewiesen.

    Eine Fragekategorie hatte ich falsch verstanden: Gefragt wurde, wie ich mich verhalte, gemeint war aber, wie ich mich verhalten sollte. Da ich im Moment gerade zu faul zum Melden von Fakes bin, gabs natürlich Punktabzug.

    Das Insta-Logo kannte ich auch nicht, da ich nicht auf Insta bin. Bei den Logofragen scheint es mir plausibel, dass diese nicht so relevant sind.

    Die obigen Kommentare scheinen anzudeuten, dass der Test extrem schlecht ist. Trotz überduchschnittlicher Punktzahl muss ich also trotzdem durchgefallen sein, denn dies fiel mir gar nicht auf. Ich hielt den Test als Groborientierung ganz brauchbar.

    Vielleicht postet mal jemand die 3 Top-Mängel?

  5. @fedor:

    Nein, „extrem schlecht“ nicht, aber gerade wenn man medienkompetent ist, kann man für sich persönlich einige Fragen auch anders (und damit „falsch“) beantworten – etwa wenn ich entscheide, ein Fake-Video bei WhatsApp nicht zu kommentieren, um dem nicht noch mehr Reichweite/Aufmerksamkeit zu verleihen, etc.

  6. Hallo Bernd,

    dem kann ich zustimmen.

    Dank für die Erläuterung!

  7. „Anzeige, wenn es strafrechtlich wird: Seit Annalena Baerbock als Kanzlerkandidatin der Grünen feststeht, wächst der Hass im Netz gegen sie. Zuletzt mehrten sich gefälschte Nacktfotos. “

    https://www.spiegel.de/politik/deutschland/annalena-baerbock-gruene-kanzlerkandidatin-wird-vermehrt-opfer-von-hassattacken-a-57e672b5-6f6f-40f8-ba2f-b900ca5423f5

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