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Homöopathie: Ein Theologe kritisiert die Skeptiker

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Vorerst wird es also keine „Hochschule für Homöopathie“ in Traunstein geben.

Nichtsdestotrotz ist dem Feuerwächter-Blog sowie Beweisaufnahme in Sachen Homöopathie darin zuzustimmen, dass „viele grundsätzliche Fragen“ offen bleiben, die „dringend einer Klärung bedürfen“.

Und natürlich wird auch die Homöopathie selbst ein Dauerthema bleiben.

Vergangene Woche schrieb Dr. Theodor Much in der NZZaS, die meisten Anbieter der Homöopathie seien „keine Gauner“, sondern …

… Menschen, die einer Selbsttäuschung erliegen und von ihrer Therapie überzeugt sind.“

Eben dies sieht der Blog Kein Anfang? als „das größte Problem der Homöopathen“ an.

Denn:

Es wird einfach geglaubt, dass (die eigene Art der) Homöopathie richtig ist und das es keine Probleme gibt. Ich bin mir sicher, dass kein Homöopath nicht weiß, dass es da draußen Kritik gibt. Und zwar nicht nur Detailkritik, sondern Fundamentalkritik. Das zu ignorieren und nicht zu versuchen, die Probleme zu beseitigen, ist das, was ich kritisiere.“

Und das bringt uns zu einem aktuellen Aufsatz im Materialdienst (4/2014) der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW).

Der Theologe, Psychologe und EZW-Referent Dr. Michael Utsch schreibt über „Verhärtete Fronten im Streit um die Homöopathie“.

Nun ist das Esoterikproblem der Evangelischen Kirche in Deutschland ebenso wohlbekannt wie die Abneigung des Herrn Dr. Utsch gegenüber der Skeptiker-Bewegung.

Insofern kann seine unverhohlene Homöopathie-Verteidigung nicht sonderlich überraschen – bezeichnend aber ist sie allemal.

Utsch erwähnt zunächst die Pressemitteilung der GWUP zur Traunsteiner Homöo-Akademie und frohlockt sodann:

In ihrem erbitterten Kampf gegen vermeintlichen Aberglauben hat die Skeptiker-Fraktion aber nun einen Rückschlag erlitten:

Der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte hat nämlich im Januar 2014 im Homöopathie-kritischen Faltblatt der Bewegung an knapp 30 Stellen im Text Fehler mit roter Farbe angekreidet und eine korrigierte Version ins Netz gestellt.“

Inwiefern nun die vorhersehbare und inhaltlich lachhafte Kritik des DZVhÄ am GWUP-Faltblatt „ein Rückschlag“ für „die Skeptiker-Fraktion“ sein soll, bleibt Herrn Utschs Geheimnis.

Dass er die ausführliche Widerlegung der Homöopathen-Einwände durch Dr. Norbert Aust unerwähnt lässt, nehmen wir da schon fast als selbstverständlich hin.

Und natürlich wedelt auch Herr Utsch mit der ultimativen Übersichtsarbeit, die angeblich „belegt“, dass „viele Homöopathie-Studien signifikant positive Effekte zeigen“.

Wir haben richtig gelesen: Keine indirekte Rede, kein „belege“ oder „zeige“ – nein, Homöopathie ist „belegt“ und „zeigt“ positive Effekte.

Spätestens hier wird offenbar, dass es dem EZW-Referenten keineswegs angelegen ist, neutral den „Streit um die Homöopathie“ darzustellen.

Stattdessen ist mal wieder gepflegtes Skeptiker-Bashing angesagt.

Wäre es anders, hätte Utsch seinen Lesern womöglich nicht vorenthalten, dass die von ihm zitierte Arbeit Robert Hahns keine Aussage zur „Wirksamkeit“ der Homöopathie macht, sondern allgemein die Problematik von Meta-Analysen reflektiert.

Nachlesen kann man das zum Beispiel bei Beweisaufnahme in Sachen Homöopathie.

Egal, denn der Professor für Anästhesie und Intensivmedizin Robert G. Hahn verkörpert für Utsch anscheinend genau die Ikone („ausgewiesen“, „renommiert“), die es ihm erlaubt, von „zunehmender wissenschaftlicher Evidenz homöopathischer Heilwirkungen“ zu schwärmen.

Ein kurzer Abstecher zum Ratio-Blog („Fehlschluss #12: Autoritätsargument“) hätte den EZW-Referenten für „Krankheit und Heilung“ möglicherweise vor dieser Äußerung bewahrt.

Denn umgekehrt könnten wir Skeptiker an dieser Stelle problemlos auf eine andere Autorität verweisen, nämlich den ehemaligen Leiter des Homöopathischen Krankenhauses ist London, Anthony Campbell, der neuerdings davon ausgeht, dass Homöopathie (höchstwahrscheinlich) nicht über den Placebo-Effekt hinaus wirke.

Und eben diese Endlos-Auseinandersetzungen um Studien und deren Interpretation hat den Homöopathie-Kritiker Dr. Christian Weymayr zu seinem Konzept der „Scientabilität“ gebracht.

Selbstverständlich kann Utsch auch damit rein gar nichts anfangen, was ihn jedoch keineswegs davon abhält, mal eben so von einer „falschen logischen Verknüpfung“ Weymayrs auszugehen – natürlich ohne das näher zu begründen.

Zum Schluss fährt Utsch ein Plädoyer gegen den „naturalistischen Dogmatismus“ (damit sind wohl die Skeptiker gemeint) und für eine „nüchterne, erfahrungsoffene Forscherneugierde“ auf.

Dabei sollte man eigentlich doch annehmen, dass gerade einem Diplom-Psychologen und Psychotherapeuten das ängstliche Beharren der Homöopathen auf (statistisch fehleranfälligen) klinischen Studien zu denken geben müsste – nicht aber Herrn Dr. Utsch.

Deshalb sei ihm an dieser Stelle gerne gesagt:

Auch wir Skeptiker fänden es ganz prima, wenn die Homöopathen sich endlich nach „anerkannten Wissenschaftsstandards“ (Zitat Utsch) richten und zum Beispiel in die Grundlagenforschung zu ihrer erklärungsbedürftigen Methode einsteigen würden.

Das würde konkret bedeuten:

Versuche müssten erst einmal beweisen, dass beim Verreiben und Verschütteln geistartige Kräfte freigesetzt werden. Erst wenn die Scientabilität feststeht, können wir über klinische Studien zur Wirksamkeit des Verfahrens reden.“

Doch solche nüchternen Überlegungen sind Dr. Utsch sichtlich fremd – wohl deshalb zieht er es vor, lieber über „Grabenkämpfe um medizinische Weltbilder“ zu sinnieren.

Schon in der vorangegangenen Ausgabe des EZW-Materialdienstes (3/2014) hatte Utsch einen recht sonderbaren Vorschlag zur Bewertung von Therapien gemacht:

Gerade bei alternativen Heilverfahren ist es ratsam, die weltanschaulichen Hintergründe genauer anzuschauen und zu prüfen, ob sie mit dem eigenen Weltbild übereinstimmen. Neuere Studien zur Wirksamkeitsforschung der Alternativmedizin weisen unmissverständlich darauf hin, dass dem gemeinsamen Weltbild von Therapeut und Patient ein enormes Heilungspotenzial zukommt, das zu nutzen sich lohnt. Wenn Heilung jedoch von der Übernahme dieses Weltbildes abhängig gemacht wird, sollte es der eigenen Anschauung entsprechen.“

Dass Naturgesetze sich üblicherweise nicht nach „Weltanschauungen“ richten (Stichwort „Scientabilität“) und Methoden vor allem gegenstandsadäquat sein sollten, überfordert anscheinend theologisch geprägtes Denken.

Zum Weiterlesen:

  • Traunstein: „Homöo-Akademie“ geht vorerst nicht an den Start, GWUP-Blog am 4. April 2014
  • Aus für Homöo-Akademie in Traunstein — War es das? Feuerwächter am 5. April 2014
  • Homöo-Akademie in Traunstein – erledigt? Beweisaufnahme in Sachen Homöopathie am 4. April 2014
  • Ein überteuertes Nichts, GWUP-Blog am 2. April 2014
  • Warum Homöopathen ihren Patienten absichtlich schaden, Kein Anfang? am 3. April 2014
  • Homöopathische Märchen, GWUP-Blog am 21. September 2013
  • Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem der Fliege kroch, Psiram am 28. September 2012
  • Homöopathie-Faltblatt: GWUP korrigiert DZVhÄ, GWUP-Blog am 24. März 2014
  • Metaanalysen in der Homöopathie, Beweisaufnahme in Sachen Homöopathie am 3. Februar 2014
  • Homöopathie ist Placebo: Now We’re Talking, diaphanoskopie am 3. April 2014
  • Homöopathie, Scientabilität, Frollein Doktor und die Belege, GWUP-Blog am 15. Januar 2014
  • Darüber lachen und vergessen? Homöopathie und Scientabilität, GWUP-Blog am 8. Januar 2014
  • Homöopathen-Kritik an den Skeptikern: Geht’s noch ein bisschen peinlicher? GWUP-Blog am 16. März 2014
  • Interview mit GWUP-Vorsitzender Amardeo Sarma: Sicherheitsrisiko Homöopathie, sicherheitsberater am 31. März 2014

14 Kommentare

  1. Man kann Vince Ebert nur zustimmen:

    „Unter den 100 einflussreichsten Intellektuellen in Deutschland sind gerade mal zwei Naturwissenschaftler.

    Die Diskussion über Leben und Tod, Gut und Böse, Arm und Reich wird in diesem Land hauptsächlich von Journalisten, Schriftstellern, Theaterleuten oder Theologen geführt. Personengruppen, die Ängste schüren und Dinge verteufeln, von denen sie oft nicht einmal im Ansatz verstehen, was diese bedeuten.

    Warum glaubt man, ein katholischer Abt könne zur Stammzellenforschung Profunderes beitragen als ein Molekularbiologe? Etwa, weil sich Mönche durch Zellteilung vermehren?“

    http://www.welt.de/debatte/kommentare/article126487997/Warum-die-besten-Koepfe-Deutschland-verlassen.html

  2. Frage mich, ob Leseschwäche ala *Utsch* homöo heilbar ist?

    Gibt es das schon als „schulmedizinisches“ Krankheitsbild?

  3. Hm, es ist ja eigentlich nicht meine Argumentationslinie, aber mich würde interessieren, warum sich Herr Dr. Utsch nicht darum kümmert, dass ihm die Homöopathie sein Seelenheil nimmt…

    http://www.heilungundbefreiung.de/html/homoopathie.html

  4. Da sind die katholischen Kollegen wohl weiter: Die empfahlen schon im vergangenen Jahr das Buch von Norbert Aust:

    https://charismatismus.wordpress.com/2013/07/11/buch-tip-in-sachen-homoopathie-eine-beweisaufnahme-von-dr-norbert-aust/

    Vielleicht sollte sich Hr. Dr. Utsch dieses für seine Bibliothek besorgen?

  5. @Ute Parsch:

    Sehr bemerkenswert die völlig zwanglose Verknüpfung von Okkultismus und Marburger Erklärung in der „Argumentation“.

  6. @Susanne:

    Ja, zum „Christlichen Forum“ haben wir in der Tat einen sehr netten Kontakt und liegen in Sachen Marienerscheinungen, Homöopathie etc. auf einer Linie – und die argumentieren eben auch nicht mit „Satan“ und „okkulter Beeinflussung“ o.ä.

  7. Zu Michael Utsch und seinem unkritischen Verhältnis zur „Alternativmedizin“ gibt es einen Blogpost von Psiram:

    http://blog.psiram.com/2012/09/der-schos-ist-fruchtbar-noch-aus-dem-der-fliege-kroch/

  8. @trixi:
    „Man kann Vince Ebert nur zustimmen:’Unter den 100 einflussreichsten Intellektuellen in Deutschland sind gerade mal zwei Naturwissenschaftler.‘ Die Diskussion über Leben und Tod, Gut und Böse, Arm und Reich wird in diesem Land hauptsächlich von Journalisten, Schriftstellern, Theaterleuten oder Theologen geführt. Personengruppen, die Ängste schüren und Dinge verteufeln, von denen sie oft nicht einmal im Ansatz verstehen, was diese bedeuten.“

    Nicht dass ich es gut fände, daß die immer gleiche Feuilleton-Bagage die „100 einflussreichsten Intellektuellen“ darstellen, nur weil Papier eben geduldig ist und die ständig Wiederholung dann eben den ‚Einfluss‘ schafft.

    Aber wären mehr Naturwissenschaftler dabei, wäre mir auch nicht wohler; also jene Gestalten, die bei Aussagen über Gut und Böse notorisch und eben systematisch Sein und Sollen in eins werfen.

    Als ob sich aus der reinen, molekularbiologischen Analyse von Stammzellen deduzieren ließe, wie eine Gesellschaft nun mit der Abtreibung verfahren solle.

  9. Theologen fürchten, die Skeptiker könnten ihre eigenes Weltbild erschüttern.

    Deswegen stehen sie Homöopathen in dieser Sache bei, anstatt eine rationale Ansicht von sich zu geben.

  10. @ Randifan
    „…könnten…“?

    Die Skeptiker haben bereits deren Weltbild erschüttert.

    Und das ist auch gut so.

  11. @Pierre Castell
    Der Glaube an einen lebenden Toten für ein Garant eines ewigen Lebens ist schwerer zu erschüttern, als der gewöhnlich esoterische Kram, der von den sogenannten Weltanschauungsbeauftragten bis ins lächerliche kritisiert wird. Wie schwer dieser Glaube zu erschüttern ist, zeigen Wissenschaflter mit einem religiösen Weltbild.

  12. Vielleicht liegt es auch daran, daß die Homöopathie fordert – um wirksam zu sein – „moralisches“ Handeln. (http://www.zeit.de/1995/30/Dr_Natur_heilt_mit_Moral)
    Diese Vorstellung von Heilung entspricht eigentlich der religiösen Vorstellung.

    DAS EVANGELIUM NACH MARKUS (Mk 2,1-12)

    Die Heilung eines Gelähmten (»Der Gichtbrüchige«)

    Und nach einigen Tagen ging er wieder nach Kapernaum; und es wurde bekannt, dass er im Hause war.
    Und es versammelten sich viele, sodass sie nicht Raum hatten, auch nicht draußen vor der Tür; und er sagte ihnen das Wort.
    Und es kamen einige zu ihm, die brachten einen Gelähmten, von vieren getragen.Und da sie ihn nicht zu ihm bringen konnten wegen der Menge, deckten sie das Dach auf, wo er war, machten ein Loch und ließen das Bett herunter, auf dem der Gelähmte lag.
    Als nun Jesus ihren Glauben sah, sprach er zu dem Gelähmten: Mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben.
    Es saßen da aber einige Schriftgelehrte und dachten in ihren Herzen: Wie redet der so? Er lästert Gott! Wer kann Sünden vergeben als Gott allein?
    Und Jesus erkannte sogleich in seinem Geist, dass sie so bei sich selbst dachten, und sprach zu ihnen: Was denkt ihr solches in euren Herzen?
    Was ist leichter, zu dem Gelähmten zu sagen: Dir sind deine Sünden vergeben, oder zu sagen: Steh auf, nimm dein Bett und geh umher?Damit ihr aber wisst, dass der Menschensohn Vollmacht hat, Sünden zu vergeben auf Erden – sprach er zu dem Gelähmten:
    Ich sage dir, steh auf, nimm dein Bett und geh heim!
    Und er stand auf, nahm sein Bett und ging alsbald hinaus vor aller Augen, sodass sie sich alle entsetzten und Gott priesen und sprachen: Wir haben so etwas noch nie gesehen.

    Die „Heilungs-Wunder“ Jesu entsprechen der Vorstellung, daß Sünde „krank“ macht und psychische Erkrankungen wurden als „Dämonen-Besessenheit“ gesehen.
    Im Alten Testament ist das noch krasser, da wird deutlich gesagt, daß ein gottgefälliges Leben, reich beschert wird und das auch in materieller Hinsicht.

  13. Es ist egal, ob wir moralisch oder unmoralisch (sündigen), das “Diesseits” wird dadurch nicht tangiert…und da stellt sich die Frage, wird dadurch das “Jenseits” tangiert?
    Ich glaube nicht, warum sollte das “Gotteswort”, welches im “Alten Testament” und im “Neuen Testament” richtig sein, das von einer Wirkung auf das “Diesseits” spricht (im AT noch mehr, als im NT).
    Meiner Meinung nach, kann kein “Gott” fordern, daß ich mich “moralisch” verhalte, wenn es nur eine Wirkung auf das “Jenseits” hat; bisher ist noch keiner von den Toten auferstanden – jedenfalls nicht, in wissenschaftlich nachweislich und reproduzierbarer Weise.
    Die Frage, die ich mir Stelle ist: Warum hat “Gott” eine Welt erschaffen, die ganz und gar ohne ihn zurecht kommt? Wir brauchen keinen “Wettergott”, sondern es sind Naturgesetze, die die Wirkungen bestimmen, auch wenn der Ursprung chaotisch (unvorhersehbar) sein mag…das Gesetz ist das Deterministische Chaos

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