So lautete der Offenbarungseid mittelalterlicher Kartografen: Hic sunt dracones – hier leben Drachen! Wenn sie nicht mehr weiter wussten, malten sie kurzerhand diese Warnung in alle weißen Flächen auf der Landkarte. Und niemand konnte ihnen widersprechen. [Update: Mehr dazu in den Kommentaren.]
Niemand? Nein, ein unbeugsames Häuflein von Entdeckern, Forschern und Wissenschaftlern hat die weißen Flecken auf unseren Karten in den vergangenen Jahrhunderten tapfer zurückgedrängt – und nirgends irgendeinen Drachen gefunden. Die alten Kartenmacher haben also gelogen. Oder sie wollten sich wichtig machen. Oder sie hatten schlicht keinen Schimmer.
Brian Dunning, engagierter Skeptiker, Herausgeber des wöchentlichen Skeptoid-Podcast und im Brotberuf Computer-Analyst, hat sich in seinem 40-minütigen Web-Video „Here Be Dragons – An Introduction to Critical Thinking“ auf die unterhaltsame Jagd nach modernen „Drachen“ gemacht: auf die Jagd nach esoterischen Produkten und Denkweisen, die einer kritischen Überprüfung nicht Stand halten – und trotzdem weit verbreitet sind. Dunnings entlarvt nicht nur pseudowissenschaftliche Behauptungen wie Präkognition, Homöopathie und New-Age-Hokuspokus, er gibt auch nützliche Tipps, wie man derartige Scharlatanerie erkennt.
„Here Be Dragons“ ist definitiv der Video-Tipp des Monats, bitte weitersagen!
Credits: Ganz herzlicher Dank geht an Malte Ohlsen: Er hat uns nicht nur auf „Here Be Dragons“ hingewiesen, sondern auch deutsche Untertitel geschrieben und eingebaut, um die Reichweite des Films und seiner Botschaft zu erhöhen. Vielen Dank, Malte!
Links zum Thema:
- Here Be Dragons – An Introduction to Critical Thinking
Alle Infos zum Film von Brian Dunning, FAQ, Bestellungen etc. - Achtung, Drachen! Eine Einführung in kritisches Denken
O-Ton mit deutschen Untertiteln von Malte Ohlsen - Skeptoid: Critical Analysis Podcast
Skeptischer Podcast von Brian Dunning - Christoph Bördlein (2002): Das sockenfressende Monster in der Waschmaschine. Eine Einführung ins skeptische Denken. Ein Standardwerk für Skeptiker und solche, die es werden wollen; der Autor ist Psychologe und Mitglied der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP), der größten und ältesten Skeptiker-Organisation im deutschsprachigen Raum
- GWUP-Lesetipps auf Amazon
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10. November 2008 um 01:38
Yeah! Video-Tip des Monats. Das hört man doch gerne. Hoffentlich erreicht der Film mit den Untertiteln ein größeres deutsches Publikum. Viel Spaß!
10. November 2008 um 14:46
Vielen Dank für die Untertitel! Ohne die hätte ich an manchen Stellen doch evtl. Probleme gehabt wirklich folgen zu können … Ein sehr interessantes Video …
10. November 2008 um 15:48
Klasse!
21. November 2008 um 04:54
hallo,
interessantes video, allerdings sind sowohl das video als auch Ihr gwup beitrag das ALLERBESTE beispiel für behauptungen, die „… einer kritischen Überprüfung nicht Stand halten – und trotzdem weit verbreitet sind …“
„here be dragons“ oder das lateinische original „hic sunt dracones“ hat NIE auf einer alten mittelalterlichen karte gestanden. es gibt den lenox globe, aus dem 16. jahrhundert, auf dem „hic sunt dracones“ draufsteht, um unbekannte gegend zu kennzeichnen. SONST GIBT ES KEINE EINZIGE KARTE MIT DIESER INSCHRIFT. aus irgendeinem grund hat sich dieser glaube aber verselbstständigt, so dass heutzutage selbst kritische denker der meinung sind, „hic sunt dracones/here be dragons“ sei eine gängige beschriftung auf mittelalterlichen karten gewesen …
freundliche grüsse, carolina
25. November 2008 um 17:16
@carolina: Cool! Vielen Dank für die Verbesserung. Als Skeptiker hat man es auch echt nicht leicht. Aber das ist auch das Schöne daran. Die Wahrheit ist immer zu bevorzugen, auch wenn falsche Versprechen einem vielleicht besser gefallen.
27. November 2008 um 21:59
@ carolina: Danke für den Hinweis! Gib das doch mal an Brian Dunning weiter, der den Film geschrieben und gedreht hat. Und wenn du als Expertin (?) noch ein paar gute Links zum Hic-sunt-dracones-Mythos kennst, wäre es nett, wenn du sie hier mit uns teilst.
28. November 2008 um 18:04
Ich hab Brian schon geschrieben und ihn darauf hingewiesen.
2. Dezember 2008 um 01:09
hallo malte, stefan, danke für das feedback, ist ja mal interessant, was brian dazu sagt. soviel ausführliche quellen im netz gibt´s da wohl nicht zu, ganz gut ist die seite auf maphist, allerdings auf englisch. ich kann mich erinnern, früher die lord peter whimsey geschichte mal gelesen zu haben, wo dieser ausdruck auf einer schatzkarte vorkommt. hier ist jedenfalls der link zu maphist.
viele grüsse, carolina
8. Dezember 2008 um 02:27
Moin Carolina und Stefan! Ich habe Brian wieder informiert und er hat sofort den FAQ Bereich der Website (auf herebedragonsmovie.com) erweitert.
Quote:
Q: No ancient maps actually say „Here Be Dragons“ on them.
A: My title is less of a factual claim and more of a descriptive concept. Anyway there is a copper globe, circa 1500, at the New York Public Library called The Lenox Globe that says in misspelled Latin HC SVNT DRACONES, or „Here are dragons“, which could be the origin of the popularly held belief.
8. Dezember 2008 um 08:54
@ Malte: Vielen Dank!
14. Dezember 2008 um 18:38
MOMENT
Man tut den Kartographen unrecht. Wenn man sieht wie kunstfertig und kreativ die waren, passen sie heutzutage in jede Werbe und Layout-Agentur in Berlin Mitte. Da stelle ich mir einen Witzbold vor, der einfach in die weißen Flecken schreibt: Hier sind Drachen. Das war wahrscheinlich eine Riesenlachnummer damals, aber HEUTE weiß man es natürlich viel besser. Die halbwilden danals waren ja alle doof. ;)
15. Dezember 2008 um 12:26
@ claude: Frühe Kartographen waren kreativ, also waren sie die hippen Witzbolde ihrer Zeit, die nur zum Spaß Drachen auf Landkarten gemalt haben?! Nette Idee, aber dass das wirklich ihre Intention war, bezweifle ich doch sehr. Es gibt ausreichend Hinweise darauf, dass Drachen in Antike und Mittelalter für real gehalten wurden; die Äbtissin Hildegard von Bingen (1098-1179) zum Beispiel empfahl Drachenfett sogar als Heilmittel.
Das hat nichts mit Arroganz gegenüber unseren „halbwilden“ (wie du schreibst) Vorfahren zu tun. Nein, im Gegenteil: Wir sollten sie nicht an ihren Irrtümern messen, sondern daran, wie sie diese mit Neugier, Entdeckergeist und Forschungsdrang überwunden haben – und uns daran ein Beispiel nehmen! Viele unserer heutigen Zeitgenossen sind nämlich leider kaum aufgeklärter als die Menschen vor 1000 Jahren. Oder warum finden auch heute noch Hexen, Wahrsager, Geistheiler und weitere Scharlatane ihre zahlende Kundschaft?
15. Dezember 2008 um 18:02
@ stefan: Das vorletzte Wort Deiner letzten Frage ist die Antwort. Wichtig waren bei meinem Tweet die letzten beiden Zeichen. Augenzwinkern. Danke aber auch für die ausführliche Antwort. Laßt uns an diesem Wintersonnenwend-Fest auch kräftig zum Heiligen Georg beten, daß wir nicht zu viele Jungfrauen Opfern müssen im Nächsten Jahr.
15. März 2009 um 09:13
In richtig guter Qualität gibt es den Film übrigens =»hier, wie ich soeben festgestellt habe. Vom ersten server mit 300KB/s, aber immerhin ;)
15. März 2009 um 22:27
@ rolak: Dein Kommentar ist Nummer 700 hier: Glückwunsch! ;-)
Danke für den Link aufs Video.