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„Unwirksam“ und „mit Vorsicht zu genießen“: Fowid über Globuli und Homöopathie-Umfragen

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Die Forschungsgruppe Weltanschauungen (fowid) der Giordano-Bruno-Stiftung hat einen Überblick zur Homöopathie erstellt.

Im Gegensatz zur aktuellen Jubel-Umfrage der Deutschen Homöopathie Union, die ihre eigenen Produkte hochleben lässt (das sollte „Big Pharma“ sich mal trauen – Mann oh Mann) gibt fowid nicht nur Statistiken und Befragungen wieder, sondern referiert auch die „wissenschaftliche Bewertung der Wirksamkeit von Homöopathie“:

Die Wirkung, welche Anwender homöopathischen Produkten zuschreiben, steht in keinem Zusammen­hang mit deren – bis unter die Nachweis­grenze verdünnten – Inhalts­stoffen.

Der Kunde kauft somit – am Beispiel „Globuli“ – lediglich harmlose, da wirkstoff­freie Zucker­kügelchen. Der empfundene Heil­effekt tritt – wenn überhaupt – lediglich subjektiv und unab­hängig vom Produkt­inhalt durch die positive Erwartungs­haltung des Anwenders auf.

Dass homöopathische Präparate zunehmend in die Apotheken drängen, ist daher auch einer einfachen Markt­logik geschuldet. Hersteller dieser Produkte sparen sich aufgrund deren Wirkungs­losigkeit – eben auch die Neben­wirkungen betreffend – teure Zulassungs­verfahren, umfangreiche Studien und aufwändige klinische Versuchs­reihen.

Homöopathische „Arzneien“ bestehen eben nicht aus teuren, oft patentierten Substanzen die ständig weiter­entwickelt werden müssen, sondern haupt­sächlich aus äußerst billigen Stoffen wie Zucker, Alkohol und Wasser und kaum bis gar nicht nachweis­baren Spuren von Chemikalien, Pflanzen- oder Tier­extrakten. Dies ermöglicht den Herstellern enorme Gewinn­spannen, was sich auch deutlich an der bis 2016 rasant wachsenden Markt­entwicklung für homöopathische Arznei­mittel abzeichnet. Die Gewinne haben sich seit 1995 mehr als vervierfacht.

Die aktuellen Zahlen des Markt­forschungs­instituts Insight Health von 2017 verweisen jedoch mit einem leichten Rück­gang der Umsätze um 0,3 Prozent auf 608 Millionen Euro auf ein mögliches Ende des Booms. Ob diese jüngste Entwicklung jedoch anhält, bleibt abzuwarten.

Vor diesem Hintergrund bleibt auch bei der neuen DGU-Umfrage alles beim Alten:

56 Prozent der Deutschen haben Erfahrung mit Homöopathie bzw. homöopathischen Arzneimitteln und nutzen sie vor allem bei Alltagsbeschwerden für sich oder andere. Das Spektrum der behandelten Beschwerden ist groß. Vorn liegen Erkältungen und grippale Infekte (51 %) gefolgt von Schlafstörungen und Unruhe (33 %), Schmerzen und Gelenkbeschwerden (29 %), Magen- und Darmproblemen (24 %), Allergien und Heuschnupfen (24 %), Verletzungen bei Sport und Spiel (16 %), Hautproblemen (15 %), Menstruations- und Wechseljahresbeschwerden (8 %) sowie Fersensporn (4 %)

„Erkältungen und grippale Infekte“ machen mehr als die Hälfte der Anwendungen aus – Erkrankungen also, die ohne Behandlung eine Woche dauern und mit Behandlung sieben Tage.

Heißt: Eine Smarties-Vergleichsgruppe hätte genau diesselben Ergebnisse zu Protokoll gegeben.

Die übrigen Anwendungsgebiete sind entweder diffus („Hautprobleme“, „Verletzungen bei Sport und Spiel“ etc.) oder psychisch beeinflussbar (Schmerzen, Schlaflosigkeit, Magenbeschwerden u.ä.) und somit prädestiniert für eine Placeboantwort.

Nicht von ungefähr weist fowid explizit auf die eindeutige Interessenlage der Auftraggeber solcher „Studien“ und Umfragen hin:

Eine mögliche heilsame Wirksamkeit von homöopathischen Produkten über den Placebo-Effekt hinaus ist wie dargestellt vielfach wissen­schaftlich untersucht worden. Die über­wältigende Mehrheit der Studien kommt dabei eindeutig zum Schluss: Homöopathie ist unwirksam.

Problematischer ist die Sachlage bezüglich der Umfragen zum Nutzungs­verhalten- und Empfinden der Patienten. Auffallend sind hierbei die teils großen Unterschiede in den Befragungsergebnissen […] Auch ist die Bericht­erstattung kritisch zu hinterfragen […] Auch gibt die grafische Aufarbeitung der Studien zum Teil ein verzerrendes Bild von deren Ergebnisse wieder […]

Auch ist erwähnenswert, dass die großen Allensbach-Studien im Auftrag des genannten „Bundesverbands der Arzneimittelhersteller e.V.“ erstellt wurden, der sich nach eigenen Angaben  auch im Bereich homöopathischer und anthroposophischer Arzneimittel engagiert und sogar eine eigene Onlineplattform mit dem Titel „Homöopathie entdecken“ betreibt, in der diese beworben wird.

Insofern: Danke DHU, für den neuerlichen Beweis.

Die Homöopathie ist nicht nur ein Geschäftsfeld der pharmazeutischen Industrie – sie agiert am Markt auch kein bisschen anders a.k.a. „alternativ“.

Zum Weiterlesen:

  • Homöopathen werben wieder mit skurrilen Jubel-Umfragen, GWUP-Blog am 21. Oktober 2014
  • Umfrage-Sensation: 87 Prozent der Homöopathie-Fans finden Homöopathie gut, GWUP-Blog am 14. September 2014
  • Wer hätte das gedacht: Homöopathie-Artikel bei Focus-Online sind bezahlt, GWUP-Blog am 16. Mai 2018
  • Homöopathie-Berichterstattung: „Aus meiner Sicht ist das Pharmawerbung“, Spiegel-Online am 6. Dezember 2016
  • Na sowas: Homöopathie ist ein „Geschäftsfeld der pharmazeutischen Industrie“, GWUP-Blog am 25. Mai 2016
  • Schüßler-Werbespot im TV: Kein bisschen „alternativ“, GWUP-Blog am 18. Oktober 2013
  • Homeopathic co. expands recall as FDA warns of “life-threatening” infections, ars technica am 29. August 2018

4 Kommentare

  1. French university drops homeopathy degree amid alternative medicines row:

    http://en.rfi.fr/20180902-french-university-drops-homeopathy-degree-alternative-medicine/

  2. Zu dem grünen Gelaber von S. Peter und anderen:

    Homöopathie, Gentechnik und das Vorsorgeprinzip nach EuGH™

    https://keineahnungvongarnix.de/?p=6684

  3. Offener Brief des Informationsnetzwerks Homöopathie an den Patientenbeauftragten der Bundesregierung – Grußwort zum 150. Geburtstag der Hahnemannia:

    https://www.netzwerk-homoeopathie.eu/standpunkte/290-brauksiepe-hahnemannia-grusswort

  4. Leicht OT:
    Unter meditonsin-training.de werden Apothekenmitarbeiter gezielt zur Beratung zu Meditonsin geschult bzw. desinformiert.
    Da nur für Fachkreise (Doccheck-Passwort könnte reichen) zugänglich, muss man sich evtl. auch nicht so stark an Werbebeschränkungen halten.
    Auf jeden Fall wird da vollmundig von „wirksamer Trikomplex“, „regt die köpereigene Abwehr an“ etc. gesprochen.
    Lediglich beim Heilversprechen hat man das Wörtchen „kann“ dazugesetzt, um sicher zu gehen.

    Wobei der Internetauftritt auch nicht weniger vollmundig ist.

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