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Seltsame Erkenntnisse eines Exorzismus-Beauftragten im Deutschlandfunk

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Ein interessantes Wochenendjournal gab’s heute im Deutschlandfunk:

Vom Teufel besessen – Die katholische Kirche forciert den Exorzismus“

Grundlegend neue Erkenntnisse brachte die 50-minütige Sendung zwar nicht.

Aber immerhin war zu erfahren, dass der Pallottinerpater und „Exorzismus-Experte“ Jörg Müller im Erzbistum München und Freising mittlerweile nicht mehr daran glaubt, dass Anneliese Michel wirklich von Dämonen besessen war.

Noch 1999 hatte Müller in einem persönlichem Gespräch mit mir die Überzeugung vertreten, Klingenberg sei ein zweifelsfrei echter Fall von Besessenheit gewesen.

Kurios – oder vielmehr erschreckend – ist indes die Begründung des Theologen und Psychotherapeuten (ab Minute 17:55): Weil die „Befreiungsgebete“ der beiden Exorzisten bei Anneliese Michel über Monate hinweg nichts bewirkt hätten, müsse die junge Studentin wohl eher psychisch krank gewesen sein.

Hätte es sich dagegen um Dämonen gehandelt, hätte früher oder später „etwas geschehen“ müssen während der Exorzismen – „in Gottes Namen“.

Au weia.

Ob eine solche Denkweise wirklich vor weiteren Tragödien wie Klingenberg 1976 schützt? Wir können es nur hoffen.

Immerhin räumt Müller ein, dass er „kein Werkzeug“ habe, um zuverlässig das Wirken dämonischer Mächte von einer seelischen Erkrankung zu unterscheiden. Abschied vom Teufel zu nehmen, zumindest bei der Betreuung und Behandlung vermeintlich „Besessener“, scheint dem Exorzismus-Beauftragten jedoch nicht im Traum einzufallen.

Ein paar nüchterne Kontraste dazu setzt die Würzburger Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Ruth Ebbinghaus (ab Minute 29:37), und der Kölner Theologe Markus Roentgen warnt vor selbst ernannten Teufelsaustreibern, die ihre Dienste im Internet feilbieten (ab Minute 40:50).

Anlass für das Deutschandfunk-Feature war das aktuelle Buch „Der Fall Anneliese Michel: Kirche, Justiz, Presse“ von Petra Ney-Hellmuth. Die Dissertation der Würzburger Historikerin gilt als „erste wissenschaftliche Aufarbeitung des Exorzismus von Klingenberg“.

Gründe, um den Fall „neu aufzurollen“, wie der Deutschlandfunk-Sprecher einleitet, finden sich darin allerdings nicht.

Das Buch ist eine Fleißarbeit, fördert aber nichts Neues oder gar unbekannte Details zutage, auch wenn die Pressestelle des Bistums Würzburg etwas anderes behauptet.

In der DLF-Sendung am besten gefiel eigentlich das sehr selten gespielte Lied „Some Say“ von Melanie Safka, das in memorian Anneliese Michel ausgewählt wurde:

Some say I got devil, some say I got angel – But I’m just a girl in trouble.“

Zum Weiterlesen:

  • Vom Teufel besessen – Die Katholische Kirche forciert den Exorzismus, Deutschlandfunk am 3. Januar 2015
  • Petra Ney-Hellmuth: Der Fall Anneliese Michel: Kirche, Justiz, Presse. Königshausen und Neumann, Würzburg 2014
  • Dissertation zu Exorzismus: Tod und Teufel, Süddeutsche am 14. April 2014
  • Exorzismus-Tod wird heute noch instrumentalisiert, Welt-Online am 7. April 2014
  • Exorzismus-Fall aufgearbeitet, Universität Würzburg am 16. Dezember 2014
  • Exorzisten und der Dämon, den man austreiben muss, Telepolis am 25. Dezember 2013
  • Teenage Exorcists: Drei heiße Bräute Christi im Kampf gegen böse Sex-Dämonen, GWUP-Blog am 15. September 2013
  • Exorzismus in Deutschland, GWUP-Blog am 17. Februar 2010
  • Der letzte Exorzismus – leider nur im Kino, GWUP-Blog am 20. August 2010
  • Treibt diesen Unsinn aus! GWUP-Blog am 6. November 2010
  • Diabolische Frösche: “The Rite” im Kino, GWUP-Blog am 20. März 2011
  • Exorcism classes come to the First State, Delaware Public Media am 5. Dezember 2014
  • AI wants Obinim arrested over ‘stomping’ pregnancy exorcism, starrfmonline am 10. Dezember 2014
  • The Indiana „hell house“ is off limits to proper investigation but media producers welcome, JREF am 3. November 2014
  • Munteres pareidolieren: Hitler, Jesus und Anneliese Michel, GWUP-Blog am 15. Juni 2013
  • Und erlöse uns von dem Bösen, Focus am 4. Januar 2014
  • „There are many more exorcisms than people think“, El Pais am 26. Dezember 2014

6 Kommentare

  1. Das Problem, warum der Exorzismus nicht funktionierte, ist doch schon lange gelöst ;-)

    Anneliese Michel nahm die Besessenheit als Sühneleiden auf sich, deshalb „funktionierte“ kein Exorzismus…ist doch logisch, oder? :-)

    (Das ist die „offizielle“ schwarmgeistige Erklärung)

  2. „Ein paar nüchterne Kontraste dazu, […] der Kölner Theologe Markus Roentgen warnt vor selbst ernannten Teufelsaustreibern, die ihre Dienste im Internet feilbieten.“

    Da bin ich ja froh, dass ein Theologe davor warnt, keine Exorzisten aus dem Internet zu bestellen. Wo kämen wir da hin, wenn das jeder Hansel machen würde. Da wendet man sich an das nächstgelegene Bistum um die Ecke, die haben das schließlich ordentlich gelernt.

  3. Etwas off-topic, aber passt zum Tag „Buchtipps“:

    Für den Mai angekündigt ist ein Real-Krimi von Tony Ortega, ausgewiesener Kenner von „Scientology“. Es geht um die Attacken des Scientology-Geheimdienstes auf eine frühe Kritikerin, der Journalistin Paulette Cooper, die in der Folge zeitweise dem Selbstmord nahe war.

    http://tonyortega.org/2015/01/10/coming-in-may-a-book-about-scientologys-most-infamous-campaign-of-terror/

  4. Zitat trixis Link:

    Der Kurs, der mit der Unterstützung der vatikanischen Klerusorganisation organisiert wird, solle die Teilnehmer darauf vorbereiten, die wahren Fälle von Teufelsbesessenheit von psychischen Störungen zu unterscheiden, sagte Pater Pedro Barrajon, der den Kurs mitorganisiert.

    Das Problem ist nur, daß es keine „wahren Fälle von Teufelsbesessenheit“ gibt.

    Der ganze „Dämonen-Besessenheitsglaube“ beruht auf den falschen Schlüßen, die aus den biblischen Berichten gezogen wurden…der Grund warum „Jesus“ Dämonen austreibt ist die antike Ansicht, daß Krankheiten, durch böse Geister hervorgerufen werden und oder eine Strafe für die Sünden des Kranken sind (die wohl perfideste Annahme, da der Kranke, mit seiner Krankheit „gestraft“ genug ist und die Ächtung der „Gesunden“, dem Ganzen noch die (Dornen)Krone aufsetzt).

  5. In meiner Regional-Zeitung, dem ‚Main-Echo‘, gab es letztes Wochenende und in der Woche, einige Artikel zum Exorzismus-Fall ‚Anneliese Michel’…ich dachte, es wäre hinter der „Pay-Wall“, aber ich sehe, der Artikel sind frei zugänglich:
    http://www.main-echo.de/regional/kreis-miltenberg/art3999,4150225

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