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SkepKon-Rückblick: Die bosnischen Pyramiden

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Der „bosnische Indiana Jones“ heißt Semir Osmanagić (auch „Sam“ gerufen) und hat in seiner Heimat so etwas wie den Heiligen Gral entdeckt:

die sogenannten Bosnischen Pyramiden.

Hinter dieser Bezeichnung verbirgt sich ein Pyramidenkomplex in Visoko, rund 30 Kilometer südwestlich von Sarajewo.

Das größte der fünf „Bauwerke“ ist mit 220 Metern höher als die Cheops-Pyramide und bekam von Osmanagić den malerischen Namen „Pyramide der Sonne“ verpasst. Angeblich wurde sie vor über 12 000 Jahren von den Illyrern errichtet.

Osmanagićs Überzeugung nach weisen die Bosnischen Pyramiden eine Reihe von Besonderheiten auf, die sie zu einem echten Mysterium machen.

So lasse zum Beispiel die beeindruckend regelmäßige Form der Pyramiden – insbesondere die der Sonnenpyramide – eine natürliche Formation ausgeschlossen erscheinen. Darüber hinaus bildeten die Spitzen der drei großen Pyramiden ein exaktes gleichseitiges Dreieck.

Außerdem hätten Osmanagićs Ausgrabungen 2006 eine Art „Superbeton“ zutage gefördert, härter als jeder Beton, der heute Verwendung findet.

Auch ungewöhnlichen Forschungsansätzen zeigt sich der bosnischstämmige Amerikaner zugewandt. Im Umfeld der fünf „Bosnischen Pyramiden“ seien seltsame energetische Effekte messbar, etwa ein sehr starker Energiestrahl, der aus der Sonnenpyramide austrete:

Es scheint, dass die Pyramiden-Erbauer vor langer Zeit ein Perpetuum mobile schufen und dass diese Energiemaschine immer noch arbeitet“,

wispert es geheimnisvoll durchs Internet.

Kein Wunder, dass auch der alternde Götterbote Erich von Däniken im April den Bosnischen Pyramiden einen Besuch abstattete und hernach verlautbarte:

Ich bin sehr beindruckt von dieser Entdeckung hier.“

Allerdings ist Däniken auch von deutschen Dachboden-Mumien sehr beeindruckt, was den Gedanken nahelegt, die Expertise des gelernten Hoteliers nicht überzubewerten.

Was echte Fachleute von den „Bosnischen Pyramiden“ halten, erklärte der Archäologe und Historiker Mirko Gutjahr bei der SkepKon 2014 in München.

In seinem Vortrag „Pyramiden, Plejaden und Phantasten“ dekouvrierte Der Buddler die angeblich „ältesten und größten Pyramiden der Welt“ als pseudowissenschaftliches Konstrukt.

Zwar besitze Semir Osmanagić wirklich einen Doktortitel, allerdings im Fach Soziologie, und seine Professur an der „American University of Bosnia“ zeichne sich dadurch aus, dass er nach eigener Aussage zu beschäftigt sei, um archäologische Seminare zu geben.

Hervorgetreten ist „Sam“ bislang nur mit populären Büchern wie „The World of the Maya“, in welchem er eine extraterrestrische Herkunft des indigenen Volkes postuliert, oder „Alternative history – traces of Atlantis“, worin er die Möglichkeit diskutiert, Hitler habe sich nach Neuschwabenland zurückgezogen.

Entsprechend gehaltvoll sind Osmanagićs Erkenntnisse zu den „Bosnischen Pyramiden“ – nichts davon ist ernst zu nehmen.

Die auffällige Struktur der großen Sonnen-Pyramide ist nur auf der einen Seite, nämlich der Nordseite, als pyramidenförmig erkennbar“,

sagte Gutjahr bei der SkepKon:

Das ist die Seite, die gezeigt wird. Auf den anderen beiden Seiten fallen die Seiten des Hügels, nun ja, wie ein Hügel ab. Bei den anderen „Pyramiden“ benötigt man noch mehr Phantasie, um darin Pyramiden-Strukturen zu erkennen.“

Die „Bosnischen Pyramiden“ seien nichts anderes als „eine Landschaft, die sich im Laufe der Jahrmillionen durch natürliche geologische Prozesse wie Faltungen und Verschiebungen zufällig formte“.

Die Spitzen der drei größten Hügel bilden tatsächlich ein Dreieck, aber „bei weitem klein gleichseitiges“, und außerdem wäre das nichts Ungewöhnliches:

Wenn man im Harz oder im Schwarzwald schaut, werden sich auch einige Berggipfel finden, die zusammengenommen ein annähernd gleichseitiges Dreieck ergeben.“

Und der „Superbeton“?

Ein Konglomerat, das in der Natur recht häufig vorkommt und das aus runden oder scharfkantigen Kieseln besteht, die in ein Bindemittel (zumeist Quarzit oder Kalzit) eingebettet sind – in Bayern volkstümlich auch „Herrgottsbeton“ genannt.

Der „Energiestrahl“?

Auch hierzu liegen keine wissenschaftlich fundierten Analysen vor, die veröffentlicht wären. Man bedenke, dass direkt unterhalb der Hügel die Stadt Visoko liegt, in der sich sicher auch normal erklärbare Quellen für Ultraschall oder elektromagnetische Strahlung finden lassen.“

Und so weiter, und so fort.

Abschließend nannte Gutjahr den „Entdecker“ der „Bosnischen Pyramiden“ einen „Pseudowissenschaftler neuen Typs“:

Gestalten wie Erich von Däniken oder Johannes von Buttlar, die in ähnlichen pseudoarchäologischen Gefilden wildern und sich darauf beschränken, den Leuten mit halbseidenen Büchern und pleitegehenden Themenparks Geld aus der Tasche zu ziehen, erscheinen gegen Osmanagić geradezu harmlos.

Osmanagić ist ein Pseudwissenschaftler neuen Typs, der es nicht nur beim Schreiben von kruden Thesen belässt, sondern der auch versucht, selbst Daten zu generieren. Per se ein guter Ansatz, wenn es denn auf einem wissenschaftlichen Level passierte und tatsächlich belastbares Datenmaterial schaffen würde.

Aber da ihm nur daran gelegen scheint, „Beweise“ für seine Theorien zu suchen, kann dies natürlich nicht funktionieren.“

In diesem Zusammenhang sprach der SkepKon-Referent und Podcaster von der „großen Gefahr“, Pseudowissenschaftler …

… zu lange ohne Gegenwehr gewähren zu lassen, sodass bei unbedarften Betrachtern der Eindruck entstehen könnte, dass ja vielleicht doch etwas dran sei“.

Kritische Aufklärung ist im Fall der „Bosnischen Pyramiden“ indes um so schwieriger, da diese längst auch zum Wirtschaftsfaktor geworden sind und – ähnlich wie der bosnische „Marienerscheinungsort“ Medjugorje – zahllose Besucher anziehen.

In einer Reportage des Jugendmagazins jetzt der Süddeutschen Zeitung heißt es dazu schlicht:

Nach einer Befragung von mir mit den Einwohnern von Visoko, wie man damit umginge, wenn es eventuell doch keine echte Pyramide sei, anwortete man mit:“Wenn es keine echte Pyramide ist, dann bauen wir eine!

Zum Weiterlesen:

  • Hoaxilla #160 – „Magisches Mittelalter“ mit Mirko Gutjahr
  • Angegraben – Podcast von Mirko Gutjahr alias Der Buddler
  • Was hat es mit den bosnischen Pyramiden auf sich? MDR am 4. Dezember 2013

6 Kommentare

  1. Ganz vergleichbar sind die „Pyramiden“ doch nicht mit Medjugorje. Zwar erfüllen auch die „Pyramiden“ eine Funktion in der Konstituierung eines Nationalbewusstseins im Sinne einer Historifizierung eines modernen Mythos – da sind sie aber, so ärgerlich die Geschichte aus rationaler Sicht auch ist, relativ harmlos, weil sie sozusagen ein allbosnischer Mythos sind und darüber hinaus ein ungefährliches Billig-Disneyland.

    Medjugorje hingegen bezieht seine Anziehungskraft vorwiegend aus dem kroatischen Nationalismus, der mit einem dumpfen Katholizismus untrennbar verbunden ist. Medjugorje war immer vorwiegend eine nationalistisch-religiöse Botschaft und Sammelpunkt für die Neo-Ustasa-Bewegung.
    Es ist auch kein Zufall, dass die Franziskaner hier eine treibende Rolle spielen. Medjugorje spielt eine Schlüsselrolle im Wiedererstarken eines völkisch-religiösen Nationalismus, der den Bürgerkrieg beim Zerfall Jugoslawiens erst ermöglicht hat.

    Insofern halt ich den Vergleich für etwas misslungen, weil er nur funktioniert, wenn man Medjugorje völlig apolitisch und ahistorisch betrachtet.

  2. @Christoph Baumgarten:

    << Insofern halt ich den Vergleich für etwas misslungen, << Mir ging es bei dem Vergleich nur um die Besucherzahlen/um die touristische Attraktivität des Ortes, nicht um Nationalbewusstsein, Historie o.ä.

  3. @Bernd
    Das ist mir schon klar. Nur halte ich genau das aufgrund der sehr starken politischen Konnotation von Medjugorje für unzulässig. Letztendlich sind das fast Äpfel und Birnen…

  4. @Christoph:

    Aber was genau hat denn die politische Konnotation von Medjugorje mit der Zahl der (ausländischen) Besucher zu tun, die in aller Regel gar nichts von dieser Konnotation wissen/wissen wollen und *nur* wegen der *Erscheinungen* kommen?

  5. Es wird weiterhin versucht, Geld damit zu machen:

    << Falsche Pyramiden um echtes Geld in Bosnien << http://derstandard.at/2000039414865/Falsche-Pyramiden-um-echtes-Geld-in-Bosnien?ref=rss

  6. @Christoph Baumgarten
    mMn hat Medjugorje eigentlich keine politischen Inhalte, die Botschaften sind banale „Glaubensweisheiten“, eindeutige Stellungsnahmen werden vermieden, wie man hier in dem Interview mit „Seher“ Ivan lesen kann:
    http://www.kath.net/news/4391

    Aber ich muß zugeben, daß ich nicht alle politischen Hintergründe dieser „Erscheinungen“ kenne, aber heutzutage kann man eigentlich nur eine Geschäft mit den Gläubigen erkennen, wie es auch in anderen Erscheinungsstätten Usus ist.

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