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Das Goldene Brett 2012: And the Winner is …

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Dieser Tage sind die Nobelpreise 2012 verliehen worden.

Seltsam: Wieder war kein Homöopath oder „Alternativ“-Mediziner dabei.

Und das, obwohl …

… in Frankfurt/Oder 75 Nobelpreise zum Abholen bereit liegen“,

schrieben wir hier im November 2010.

In dem Beitrag ging es um das „erklärungsfordernde Verhältnis“ der Protagonisten am Institut für transkulturelle Gesundheitswissenschaften (IntraG) der Europa-Universität Viadrina zur Wissenschaft.

Auch Professor Ulrich Berger vom GWUP-Wissenschaftsrat griff das Thema in seinem Blog auf und schrieb eine dreiteilige Serie über die „akademische Esoterik“ am IntraG, das im Mai 2012 endgültig zum „Hogwarts an der Oder“ mutierte.

Mit den Nobelpreisen ist es nix geworden – dafür hat der IntraG-Leiter Prof. Harald Walach gestern Abend den GkD-Skeptic-Award „Das Goldene Brett vorm Kopf“ gewonnen.

In der Begründung heißt es unter anderem:

Mit seinem Faible dafür, Vorgänge erklären zu wollen, die gar nicht beobachtet wurden, hat er sich ein ambitioniertes Ziel gesetzt.

Egal ob er sich mit der “Schwachen Quantentheorie” befasst, die angeblich Homöopathie erklären kann, oder sich mit Kozyrev-Spiegeln beschäftigt, die angeblich telepathische Kanäle öffnen können – Walach findet immer eine Erklärung, an wissenschaftlichen Erklärungen vorbei.

Nicht nur Walachs unbändiger Mut, grundlegenden Fakten zu trotzen, ist bemerkenswert, Walach kritisiert auch die wissenschaftliche Methodik selbst, etwa die Verwendung von randomisierten Studien. Diese Haltung bietet ungeahnte ökonomische Vorteile: Nachdem ein diffuses Bauchgefühl viel billiger zu haben ist, als eine fundierte wissenschaftliche Analyse, könnte man durch diese Sichtweise in Zukunft viel Geld sparen.

Walach fügt sich mit seinen Ideen in eine lange Reihe esoterischer Denker ein – einzigartig ist er allerdings durch sein Bemühen, wissenschaftsbefreite Theorien in die akademische Welt hineinzubringen. Als Universitätsprofessor versucht er, der Esoterik einen wissenschaftlichen Mantel umzuhängen.“

 Ein Video von der Verleihung im Naturhistorischen Museum Wien gibt es hier, Fotos hier.

Die Laudatio auf Prof. Walach von Mario Sixtus findet sich hier, Walachs schriftliche Dankadresse hier.

Der Sieg ist verdient und seiner unermüdlichen Arbeit für Pseudowissenschaften zu verdanken“,

kommentieren Die Ausrufer:

Dabei zeigte Professor Walach seine Begabung nicht nur, als er die Führung von Hogwarts an der Oder (Früher: Europauniversität Viadrina) davon überzeugte, es sei eine hervorragende Idee, ihm die Leitung eines Instituts zu übertragen.

Schon vorher hatte er mit der Betforschung ein von vielen Fachkollegen gemiedenes Feld betreten und machte deutlich, dass physikalische Gesetze kein goldenes Kalb sind, um das man tanzt. Stattdessen ging er in bester wissenschaftssäkularer Manier voran und ignorierte, was ihm nicht passte.“

Der Standard schreibt:

 Harald Walach hat eine Stiftungsprofessur für Forschungsmethodik Komplementäre Medizin und Heilkunde am Institut für Transkulturelle Gesundheitswissenschaften der 1991 gegründeten Universität Viadrina und leitet dort den Masterstudiengang „Kulturwissenschaften -Komplementäre Medizin“.

Walach – der Spiegel schrieb im Zusammenhang mit dessen Tätigkeiten von einem „Rückfall ins Mittelalter“ –  versuche als Universitätsprofessor der Esoterik einen wissenschaftlichen Mantel umzuhängen, so Goldenes-Brett-Initiator Michael Horak.

Er finde immer eine Erklärung an wissenschaftlichen Modellen vorbei, egal ob er sich mit der ‚Schwachen Quantentheorie‘ befasst, die angeblich Homöopathie erklären kann, oder sich mit Kozyrev-Spiegeln beschäftigt, die angeblich telepathische Kanäle öffnen können“.

Dass Walach sich trotz allem weiterhin als „Speerspitze der Aufklärung“ wähnt, zeigt sein „Gegenpreis“, den er über eine Kollegin dem Online-Portal Psiram zudachte: die „silberne Schere im Kopf“.

Verstanden hat der IntraG-Leiter anscheinend nichts.

Die Kritiker werden einfach pauschal als diktatorische Inquisitoren bezeichnet, die die freie Entfaltung der Wissenschaft behindern wollen. Wissenschaft sei zur Religion geworden und mutige Forschungsrebellen wie die Leute von Walachs Institut müssen sie jetzt vor den dogmatischen Glaubenswächtern schützen“,

schrieb Dr. Florian Freistetter bei Astrodicticum simplex schon im Mai:

Dabei scheint er [Walach] aber eines übersehen zu haben: Die Kritik stört sich nicht daran, dass an der Viadrina „komische” Themen erforscht werden sollen. Außergewöhnliche Thesen aufzustellen und neue Wege zu gehen ist Teil der normalen wissenschaftlichen Arbeit.

Es ist auch egal, zu welchem Ergebnis die Masterarbeit [zum Kozyrev-Spiegel] kommt. Es geht um die Art und Weise, wie am Institut von Herrn Walach geforscht wird.

Denn entscheidend für die Wissenschaftlichkeit einer Arbeit ist die Art und Weise, wie sie durchgeführt wurde. Und das, was da abgeliefert wurde, hat mit wissenschaftlicher Methodik nichts zu tun.“

Das ist genau das Ding.

Ein weiteres Beispiel für das eigenwillige Wissenschaftsverständnis des Hochschullehrers legt heute Psiram dar:

Von langen Nadeln und einem goldenen Brett.“

Das neu gewählte GWUP-Vorstandsmitglied Dr. Florian Aigner bringt es auf den Punkt:

Ich ärgere mich über eine Aussage, die ich im Zusammenhang mit dem Goldenen Brett immer wieder lese: Die Behauptung nämlich, dass alle großen, revolutionären Wissenschaftler der Geschichte den Preis wohl auch bekommen hätten, weil ihre Aussagen auch nicht mit der gültigen Lehre der Wissenschaft im Einklang stand.

Wer dieses Argument vorbringt, hat ganz grundlegende Dinge nicht verstanden.

Astrologie, Wünschelrutengehen oder Homöopathie sind keine Gegenthesen oder Erweiterungen der derzeit gültigen Wissenschaft, so wie Einsteins Relativitätstheorie eine Gegenthese oder eine Erweiterung zu Newtons Gravitationstheorie war.

Die esoterischen Behauptungen, die mit einem Goldenen Brett ausgezeichnet werden, sind entweder längst wissenschaftlich untersucht und haben sich als Unfug herausgestellt, oder sie widersprechen der wissenschaftlichen Erfahrung so fundamental, dass eine weitere Überprüfung gar nicht mehr nötig ist.

Eine neue wissenschaftliche Theorie widerspricht zwar an bestimmten Punkten der alten Theorie, doch sie muss trotzdem die alte Theorie bis zu einem gewissen Grad beinhalten: Sie muss nämlich die Experimente, die bisher mit Hilfe der alten Theorie erklärt wurden, ebenfalls erklären.

Unsere wohlerprobte Gravitationstheorie sagt, dass Objekte, die ich schräg nach oben schleudere, ziemlich genau in parabolischer Bahn wieder auf den Boden zurückkehren. Wenn nun morgen jemand eine neue Gravitationstheorie aufstellt, sollte auch diese neue Theorie die parabolische (oder zumindest: bis auf winzige Abweichungen parabolische) Flugbahn erklären können.

Wenn sie das nicht tut, kann ich sie sofort getrost als falsch entsorgen: Dann widerspricht die Theorie nämlich von vornherein unzähligen Experimenten, die schon bisher durchgeführt wurden, bevor es die neue Theorie überhaupt gab.“

Aus ähnlichen Gründen ist auch Erich von Däniken kein „Wissenschaftsrebell“, sondern ein lupenreiner Pseudowissenschaftler.

Er erhielt das „Goldene Brett“ für sein Lebenswerk, und zwar als „Geschichtenerzähler“, der …

… sich mit besonders beeindruckender Resistenz gegen wissenschaftliche Fakten einen Namen gemacht hat […] Ein Leben lang den Blick ins All zu richten und trotzdem beide Augen fest geschlossen zu halten, ist eine besondere Leistung“.

Zum Weiterlesen:

  • Preis für Scheiß, taz.de am 21. Oktoberr 2012
  • Nachlese zum Goldenen Brett, Kritisch gedacht am 22. Oktober 2012
  • „Ein Studium schützt nicht vor Irrsinn“, Stuttgarter Nachrichten am 19. Oktober 2012
  • „Goldenes Brett 2012“ zeichnet Humbug-Experten aus, pressetext am 20. Oktober 2012
  • „Goldenes Brett 2012“ zeichnet Humbug-Experten aus, Wallstreet-Online am 20. Oktober 2012
  • Video bei diewahrheit.at
  • Feinstoff-Faschismus und Bullshit-Veredelung: Die Verleihung des Goldenen Bretts, Astrodicticum simplex am 20. Oktober 2012
  • Prof. Harald Walach, pseudo-scientist of the year, edzardernst.com am 21. Oktober 2012
  • Hoaxilla-Podcast Nr. 102: Der Kozyrev-Spiegel
  • GWUP-Text: Erich von Däniken und die Cheops-Pyramide
  • Weg mit den Pillen: Ein Pharma-Lobbyist bekommt das „Goldene Brett“, Mathlog am 20. Oktober 2012
  • Das Goldene Brett 2011: Die glanzvolle Verleihung, GWUP-Blog am 3. Juni 2011

 

2 Kommentare

  1. Wenn es gerade mal wieder um Walach geht: Weiß jemand, wie der Status von seinem Zauberinstitut ist?

    Es gab doch soweit ich erinnere irgendeine Kommission, die mehr oder weniger deutlich die Schließung des Instituts gefordert hat. Aber hat das jetzt irgendwelche Folgen? Steht da irgendwann mal eine Entscheidung an oder sitzt die Uni das einfach aus?

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