Glühbirnen explodieren, Bilder rotieren an der Wand. Hunderte von Anrufen gehen bei der Zeitansage ein, kommen auf die Telefonrechnung, doch niemand hat dort angerufen.
Das Licht flackert, eine zerplatzte Glühbirne hinterlässt Löcher in der Wand, ein drei Zentner schwerer Aktenschrank bewegt sich vor Zeugen zweimal wie von Geisterhand um 30 Zentimeter von der Wand weg. Knallgeräusche in der Luft – und all dies ohne eine vernünftige Erklärung.“
So beschreibt der TV-Journalist Oliver Halmburger im Begleitbuch zur ARD-Serie „Dimension Psi“ (2003) den berühmtesten Poltergeist-Fall in Deutschland: den Spuk von Rosenheim.
Auch die Geschichts-Rubrik einestages bei Spiegel-Online griff letzte Woche die mysteriösen Vorfälle nochmal auf.
Fazit des Autors:
Das kann bis heute niemand erklären.“
Was war damals los?
In der Anwaltskanzlei Adams in der Königstraße 13 im bayerischen Rosenheim kam es 1967 zu einer Reihe von rätselhaften Geschehnissen, die sich über Monate hinzogen und bundesweit Schlagzeilen machten.
Parapsychologen und „Geisterbanner“ fahndeten ebenso nach der Ursache der Phänomene wie Techniker der Post und Physiker von der Universität München. Offenkundig war nur eines: Es spukte nur während der Bürostunden. Und stets war die 19-jährige Angestellte Annemarie nicht weit, wenn Leuchtstoffröhren von der Decke fielen oder Lampen ohne ersichtlichen Grund hin und her schwangen.
Auch der Freiburger „Spukprofessor“ Hans Bender begab sich an den Tatort, wo er indes kaum mehr tat, als die uralte Gespensterlehre wissenschaftlich zu verbrämen.
Statt um Geister gehe es um Geisteskraft, dozierte der Parapsychologe Bender und führte den zungenbrecherischen Begriff „Recurrent Spontaneous Psychokinesis“ (RSPK) ins Feld, was auf Deutsch soviel bedeutet wie „physikalisch vorläufig unerklärbare, psychisch ausgelöste Einwirkungen auf materielle Systeme“.
Was soll das bedeuten?
Ein Poltergeist, dozierte Bender, sei gar kein richtiger Geist, sondern eine Form von „psychischer Energie“.
Pubertäre Krisen und seelische Spannungen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen würden eine unbekannte Kraft in ihnen aktivieren, die stellvertretend für den Betroffenen oder die Betroffene zum großen Rundumschlag gegen das berufliche oder familiäre Umfeld aushole – so wie in der Stephen-King-Verfilmung „Carrie“, die nächsten Monat (als Remake) in Deutschland startet.
Spuk stelle mithin auch ein therapeutisches Problem dar – und damit hatte Bender ganz sicher Recht.
Denn in den allermeisten Poltergeist-Fällen lassen sich mit relativ schlichten kriminalistischen Ansätzen unzufriedene oder geltungsbedürftige Kinder und Jugendliche als mutwillig handelnde Täter ermitteln, schreibt der Kriminologe Dr. Herbert Schäfer in seinem Buch „Poltergeister und Professoren“.
Dies eingedenk, lagen die Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in München möglicherweise richtig, als sie 1967 bei der Untersuchung der Anwaltskanzlei in Rosenheim feststellten, dass die Vorgänge nicht „elektrodynamisch“, sondern einfach mechanisch erzeugt würden.
Die Erscheinungen müssten von „intelligent gesteuerten Kräften herrühren, die die Tendenz zu haben scheinen, sich der Untersuchung zu entziehen“.
Bezeichnenderweise endete der Spuk, als die 19 Jahre alte Bürogehilfin Annemarie die Kanzlei verließ.
Tatsache ist aber auch, dass die junge Frau – anders als „Chopper“-Claudia – nie eindeutig der bewussten Manipulation überführt werden konnte, weshalb Rosenheim als ungelöster Top-Spukfall gilt.
einestages zitiert ein Fernsehinterview mit der heute 65-Jährigen:
Ich bin ein ganz normaler Mensch, mit einem normal ausgeprägten Gehirn, das normal denken kann. Ich hab keine Kräfte, glauben’s mir das. Es muss was anderes gewesen sein.“
„Kräfte“ im Sinne von RSPK wohl tatsächlich nicht. Aber vielleicht „Kraft“ als physikalische Größe in der klassischen Mechanik?
Neben Bender und Co. stattete auch der Wiener Zauberkünstler Allan der Kanzlei im bayerischen Rosenheim einen Besuch ab.
Er fand dort unter anderem hinter einem Wandregal einen Gummiknüppel, der die gleichen Klopfgeräusche verursachte wie der Poltergeist.
Mehr noch: An den Wänden entdeckte Allan sogar entsprechende „seltsame schwarze Wischspuren“.
Auch kaum sichtbare Nylonfäden waren „die große Mode in der Anwaltskanzlei“, schrieb Allan später in seinem Buch „Falsche Geister – echte Schwindler: Geisterjagd durch drei Jahrhunderte“.
Unter anderem an einem Drahtgestell, das einen „besonders springfreudigen Wandteller trug“, befand sich laut Allan ein Nylonfaden, ebenso an einem Kettenglied der Deckenlampe.
Parapsychologen wie Dr. Dr. Walter von Lucadou widersprechen indes dieser Deutung.
In seinem Buch „Die Geister, die mich riefen“ schreibt Lucadou, ein Nylonfaden an der Decke sei „Teil einer Testkonstruktion“ der parapsychologischen Untersucher gewesen.
Allans Zauberkollege Wolfgang Hund, Mitglied im GWUP-Wissenschaftsrat, hat sich eingehend mit Allans Aufzeichnungen und dem Fall Rosenheim beschäftigt.
Dass in mittlerweile etlichen TV-Sendungen und Presseartikeln über die alte Geschichte immer wieder die gleichen Augenzeugen mit den gleichen Aussagen wie damals zitiert werden, ist für Hund nicht verwunderlich:
Wer würde denn jetzt, nach der langen Zeit, zugeben, dass er sich eigentlich nur noch an das erinnert, was er schon x-mal erzählt hat? Und dass er aus heutiger Sicht, nach der inzwischen gewonnenen Lebens- und Berufserfahrung als Kripobeamter, Elektriker etc., das Ganze wohl völlig anders sehe würde.“
Update vom 1. April 2024: „Der Spuk von Rosenheim – Tricks oder Psychokinese?“
Zum Weiterlesen:
- Spuk von Rosenheim, einestages am 15. November 2013
- ARD-Dokumentation „Dimension Psi“ zwischen Qualität und Quote, GWUP-News am 19. November 2003
- „Dimension Psi“: Total paranormal? Skeptiker 1/2004
- Der Kriminalist und der Spukprofessor, Die Zeit am 16. Februar 1979
- Vor 30 Jahren: Spuk aus dem Spucknapf, GWUP-Blog am 4. März 2012
- Herbert Schäfer: Poltergeister und Professoren. Über den Zustand der Parapsychologie. Fachschriften-Verlag Schäfer, Bremen 1994
- Allan/Herbert Schiff/Gert Gunther Kramer: Falsche Geister, echte Schwindler. Paul Zsolnay Verlag, Wien 1969
- Lucadou – Der tragische Beglaubiger, GWUP-Blog am 20. November 2010
- Der immerselbe Quantenspuk des Dr. Walter von Lucadou, GWUP-Blog am 15. Dezember 2012
- Wolfgang Hund: Falsche Geister, echte Schwindler. Echter-Verlag, Würzburg 2000
- Bernd Harder: Geister, Gothics, Gabelbieger. Alibri-Verlag, Aschaffenburg 2005
21. November 2013 um 15:10
Jetzt mußte ich mich doch in Richtung meines Bücherregals begeben und da fand ich das Buch: „Handbuch der Parapsychologie“ mit einem werbewirksamen Cover…tatsächlich habe ich dieses Buch gelesen (vor ca. 15 Jahren) und dort wurden auch Poltergeist-Phänomene als ein Ereignis von pubertären Spannungen gesehen.
27. November 2013 um 07:40
Ich wundere mich, dass ihr schreibt, Annemarie konnte „nie eindeutig der bewussten Manipulation überführt werden“.
In der von euch selbst zitierten Quelle „Herbert Schäfer: Poltergeister und Professoren“ berichtet der Kriminalist auf S. 271–279, dass er heimlich vom Speisezimmer aus durch einen Türspalt beobachtete, wie Annemarie, als sie durch den Wohnungsflur lief, eine Lampe lautlos und blitzschnell mit der rechten Hand in Schwingungen versetzte.
Hans Bender berichtete laut „Thilo Weich: Magier, Medien, Scharlatane“, S. 30, dass eine Manipulation Annemaries sogar auf Video aufgezeichnet werden konnte: Sie riss ein Bild von der Wand und warf es auf den Boden.
27. November 2013 um 11:02
@Mario:
<< Hans Bender berichtete laut "Thilo Weich: Magier, Medien, Scharlatane", S. 30, dass eine Manipulation Annemaries sogar auf Video aufgezeichnet werden konnte: Sie riss ein Bild von der Wand und warf es auf den Boden. << Danke, ja, Sie haben natürlich Recht, das ist mir auch bekannt. Natürlich können wir mit allem Fug und Recht der Welt von einem bewussten Schwindel ausgehen. Trotzdem gibt es kein "Geständnis" von ihr und Bender hatte natürlich auch *seine* Erklärung für dieses Verhalten Annemaries (ist zwar "Psi-begabt", aber das funktioniert nicht auf Knopfdruck, hat sich aber von Medien und Parapsychologen unter Druck gesetzt gefühlt, weitere "Phänomene" zu produzieren, und fing deshalb an, zu tricksen, obwohl die ersten Manifestationen von ihr "echt" waren etc.pp.). Man kann diese "Erklärung" natürlich für völligen Blödsinn halten, aber ich muss sie trotzdem berücksichtigen.
6. Januar 2014 um 08:51
Also, wenn ich einmal was dazu schreiben darf.
Ich selbst habe einmal etwas unerklärliches gesehen. Dies ist nun schon über 3 Jahre her. Ich bin Nachts, so gegen 2 Uhr morgens wach geworden, sah auf die Uhr und da stand rechts neben meinem Bett die verstorbene Nachbarin für 3 Sekunden in etwa.
Ich war wach, konnte die Uhrzeit gestochen scharf sehen und war deswegen sehr aufgeregt und machte erst einmal überall Licht und trank einen Tee. Es hat über eine Stunde gedauert, bis ich wieder einschlafen konnte.
Dies ist auch nur dieses eine mal vorgekommen. Von daher kann es gut sein, dass es etwas gibt, was man gerne als lächerlich darstellen will.
Aber irgendetwas scheint es doch zu geben, was wir uns so einfach nicht erklären können.
6. Januar 2014 um 10:56
@Wolfgang Schall:
Vielen Dank für Ihre interessante Schilderung.
Ja – fraglos haben Menschen mitunter „seltsame“ Erlebnisse. Die Frage ist eben nur, welche Deutung man dem gibt.
Auch wir Skeptiker tun solche Erlebnisse nicht als „Spinnerei“ ab, aber wir wissen um die Besonderheiten unserer Wahrnehmung.
In meinem Buch „Warum die Uhr stehenblieb, als Opa starb“ habe ich zum Thema „Geister“ geschrieben:
<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<< "Selbstverständlich kann jeder, der etwas so Ungewöhnliches wie eine Geistererscheinung erlebt, dies völlig aufrichtig auf ganz persönliche Weise deuten. Psychologen wie Richard Wiseman und andere weisen nur darauf hin, dass Wahrnehmungen nie objektiv sind, sondern eine Konstruktion unseres fehleranfälligen Gehirns. Auch Wunschdenken kann Geister erscheinen lassen, vorzugsweise die von unlängst verstorbenen Angehörigen. Wir haben von einem geliebten Menschen noch einen riesigen Fundus von Erinnerungen: den Geruch, den Gang, den Atem, die Stimme, das Gefühl seiner Anwesenheit. Im Halbschlaf kann unser Gehirn solche Erinnerungen und die Wirklichkeit vermengen. Wenn man dann mit halber Aufmerksamkeit ein solches Wahrnehmungsbild vor sich hat, weiß man oft schon eine Minute nach dem Erleben nicht mehr, ob man wach gewesen ist oder nicht. Sind Geister also die Seelen von Verstorbenen? Oder Ausgeburten unserer Psyche? Nach außen verlagerte innerseelische Projektionen und Traumgestalten, die so aussehen, als sei alles Wirklichkeit?" <<<<<<<<<<<<<< Da die Existenz von "Geistern" aus vielen verschiedenen Gründen (siehe Link unten) eher unwahrscheinlich ist, tendieren wir zu der Erklärung "Wahrnehmungsphänomen". Ihr geschilderter Fall erinnert möglicherweise auch an eine klassische Schlaflähmung: http://de.wikipedia.org/wiki/Hypnagogie
http://www.sueddeutsche.de/gesundheit/seltsame-schlafstoerungen-befremdliche-begebenheiten-im-bett-1.1604351-8
http://www.gwup.org/images/stories/pdf/skeptiker/2008/spuk.pdf
6. Januar 2014 um 12:07
Ja, Hypnagogie habe ich auch manchmal, da höre ich Schritte, die immer näher kommen und ich habe das Gefühl jemand will mich umbringen und kann mich aber nicht bewegen, dieser Zustand dauert nicht sehr lange, sobald ich einen Finger bewegen kann, ist der „Spuk“ vorbei…ich habe aber dies noch nie als „reales“ Phänomen gedeutet, vielleicht auch, weil ich von der „Hypnagogie“ weiß ;-)
6. Januar 2014 um 14:09
@Wolfgang Schall:
Ja, wir können uns wirklich sehr viele Dinge (noch) nicht erklären. Das von Ihnen geschilderte Phänomen – so persönlich beeindruckend es für Sie auch gewesen sein mag – gehört aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht (mehr) in diese Kategorie, siehe Hypnagogie.
Eine bekannte Halluzination ist hier als Erklärung schlicht ungleich wahrscheinlicher als ein fragwürdiges Geister-Phänomen, siehe auch Ockhams Rasiermesser:
http://de.wikipedia.org/wiki/Ockhams_Rasiermesser
6. Januar 2014 um 21:29
Ockhams Rasiermesser kann nicht dazu dienen, paranormale Phänomene im Voraus auszuschließen. Ich schreibe derzeit meine Bachelorarbeit über das Rasiermesser. Zitat Edgar Wunder:
„Zur Frage, welche von zwei konkurrierenden Theorien nun
vermutlich wahr oder auch nur der ‚Wahrheit‘ wahrscheinlich näher ist, kann das Ockhams Razor überhaupt nichts beitragen“ – Wunder, Edgar (2002): Die „Skeptiker“-Bewegung in der kritischen Diskussion, S. 16.
Und darüber hinaus noch:
„Doch mit dem korrekten Ockhams Razor […] lassen sich […] keine ‚paranormalen‘ oder sonstigen Theoriesysteme verwerfen oder auch nur in Zweifel ziehen“ – Wunder, ebd.
Zunächst einmal handelt es sich um eine methodologische Maxime, nicht um ein Prinzip. Wäre es ein ontologisches Prinzip, hieße das, dass die einfachste Erklärung auch immer die richtige ist. Das ist falsch. Die antike Vier-Elemente-Lehre ist nämlich wesentlich einfacher als die Behauptung, es gebe 118 chemische Elemente. Trotzdem besteht die Welt 118 Elementen (Stand: 2012) und nicht aus vier.
Vgl. hierzu auch Beckmann, der einige Missverständnisse zum Rasiermesser aus dem Weg geräumt hat:
„Die Vorstellung, mit Hilfe des Razors ließen sich ‚überflüssige Dinge‘ gleichsam wegrasieren, ist ebenso abwegig wie die Vorstellung, ohne ein solches Instrument gäbe es einen Wildwuchs im Bereich des Seienden“ – Beckmann, Jan: Ontologisches Prinzip oder methodologische Maxime? Ockham und der Ökonomiegedanke einst und jetzt. In: Vossenkuhl, W.; Schönberger, R. (Hrsg.): Die Gegenwart Ockhams. VCH-Verlagsgesellschaft, Weinheim, S. 191-202. Hier: S. 195.
Und selbst, wenn man Ockhams Rasiermesser missachtet, ist das nicht weiter schlimm, wie Beckmann festhält:
„Entscheidend ist jedoch letztlich nicht das ökonomische, sondenr das Adäquatheits- und das Konsistenzkriterium. Theorien werden nicht durch Ökonomie, sonden durch Adäquatheit und Konsistenz wissenschaftlich akzeptabel“ – Beckmann, a.a.O., S. 202.
Ich schließe also daraus, dass man sich als Skeptiker NICHT auf Ockhams Rasiermesser berufen darf, wenn man Ufo- oder Geistphänomene oder auch sonstige außergewöhnliche Behauptungen, die von „Believern“ aufgestellt werden, ausschließen möchte. Sicherlich gibt es auch da bessere skeptische Argumente.
Ich bin also in höchstem Maße skeptisch, ob sich das Rasiermesser dazu verwenden lässt, derartige Behauptungen im Voraus ausschließen zu können.
Falls noch Fragen offen sind, stellt sie bitte ruhig. Ich treffe Prof. Beckmann morgen, um mit ihm den Fortgang meiner Bachelorarbeit zu besprechen und kann dann eventuelle Unklarheiten noch klären. Zu 100 % erschließt sich mir Ockhams Verfahrensregel nämlich auch noch nicht.
6. Januar 2014 um 21:47
@Tim S.:
<< Ich bin also in höchstem Maße skeptisch, ob sich das Rasiermesser dazu verwenden lässt, derartige Behauptungen im Voraus ausschließen zu können. << Ja, das ist wohl korrekt. Soweit ich OR verstanden habe, geht es dabei auch nicht unbedingt darum, Behauptungen im Voraus auszuschließen, sondern es handelt sich um ein Hilfsmittel (oder eine Maxime) zur Plausibilitätsprüfung (nicht "Wahrheits"-Prüfung) einer Behauptung, insbesondere dann, wenn mindestens zwei (oder mehr) konkurrierende/alternative Erklärungen zur Verfügung stehen.
6. Januar 2014 um 21:55
Wie gesagt, ganz verstanden habe ich es auch nicht. Aber es ist eine wichtige Frage, denn wenn man Ockhams Rasiermesser anwendet, könnte man als Skeptiker in die Falle tappen und den – ich sag’s jetzt mal etwas radikaler – „ideologischen Gegnern“ (also den Gläubigen von Spuk-, Ufophänomenen etc.) tatsächlich einen unfairen Vorwurf machen.
Wie gesagt, wer Skeptiker ist, hat sicher gute Argumente gegen die genannten Phänomene. Ob aber Ockhams Rasiermesser ein solches ist, bezweifel ich. Und die Frage muss unbedingt geklärt werden, schließlich berufen sich viele Skeptiker auf das Razor, wenn sie gegen die genannten Behauptungen argumentieren wollen.
Achja, wärst Du vll. so freundlich und könntest mir folgende Aufsätze schicken, die ich für meine Arbeit brauche:
Shneour, E.A. (1987): Occam’s Razor. In: Skeptical Inquirer 10:4, S. 310-313.
Und den Wiederabdruck in: Skeptiker 1/1987, S. 3-4.
Kopierkosten überweise ich Dir natürlich. Vielen Dank!
Falls noch Unklarheiten sind, wie gesagt: Einfach hier posten, dann kann ich das als Fragesammlung morgen mitnehmen und mit Herrn Prof. Beckmann klären.
6. Januar 2014 um 21:57
„Soweit ich OR verstanden habe, geht es dabei auch nicht unbedingt darum, Behauptungen im Voraus auszuschließen, sondern es handelt sich um ein Hilfsmittel (oder eine Maxime) zur Plausibilitätsprüfung (nicht “Wahrheits”-Prüfung) einer Behauptung, insbesondere dann, wenn mindestens zwei (oder mehr) konkurrierende/alternative Erklärungen zur Verfügung stehen.“
Plausibilität scheint mir besonders im Fall oben (verstorbene Nachbarin steht im Halbdunkeln vor dem Bett) das entscheidende Argument zu sein.
Wir wissen ja nicht _nichts_ über die Welt, sodass alle Erklärungen gleichwertig wären, sondern vor dem Hintergrund des bereits gewonnenen wissens gibt es durchaus plausiblere und eben unplausiblere Erklärungen.
6. Januar 2014 um 22:01
…ich denke auch, daß das Rasiermesser kein „Dogma“ ist, sondern einfach ein „Werkzeug“ aus dem „Werkzeugkasten“ der Erfahrungen, die man als rational bezeichnen würde.
Unsere erfahrbare Welt ist nicht durch außergewöhnliche Ereignisse geprägt, sondern durch die gewöhnlichen, die sich durch Rationalität und innerhalb der Naturgesetze beschreiben lassen, deshalb ist das „Rasiermesser“ ein legitimes Werkzeug…
6. Januar 2014 um 22:08
Ralf, fragt sich dann halt nur, ob man als Wissenschaftler gezwungen ist, das Rasiermesser auch anzuwenden.
Nehmen wir mal ein skurriles Beispiel: Manche Kryptozoologen behaupten, Nessie sei kein richtiger Plesiosaurier, sondern ein Wesen aus einer anderen Dimension. Das ist die sogenannte „interdimensionale Hypothese“ (IDH). Damit ließe sich dann auch erklären, warum es von diesem Wesen – wenn es wirklich existiert – nie scharfe, sondern höchstens verschwommen-grobkörnige Fotos gab, eben weil es dann immer „in eine andere Dimension abtauchte“.
Nun ist die Frage, wie man das Rasiermesser anwenden soll. So, wie ich Beckmann verstanden habe, dürfte man nun eben NICHT sagen: „Nein, so etwas ist unwahrscheinlich, ergo gibt es auch keine anderen Dimensionen“. Dann würde man OR nämlich ontologisch begreifen – und das darf man ja eben gerade nicht. Wenn wir es als Verfahrensregel begreifen, müsste man formulieren: „Wir sollten eher zu wahrscheinlicheren Hypothesen greifen als zur IDH“.
Diesen speziellen Fall werde ich morgen auch noch mal erfragen…
6. Januar 2014 um 22:08
@Tim S.:
<< Wie gesagt, ganz verstanden habe ich es auch nicht. Aber es ist eine wichtige Frage, denn wenn man Ockhams Rasiermesser anwendet, << Unbedingt, ja. Ich bin für jede Deutung/Erklärung dankbar, weil das Thema bei der nächsten Konferenz in München (wo Ockham gelebt hat) sicher eine Rolle spielen wird, und sei es aus rein lokalhistorischen Gründen. << Und die Frage muss unbedingt geklärt werden, schließlich berufen sich viele Skeptiker auf das Razor, wenn sie gegen die genannten Behauptungen argumentieren wollen. << Also "argumentieren" würde ich nicht damit, zumindest nicht alleinig. Ich verwende das nur als Denkanstoß, damit mein Gegenüber darüber nachdenkt, ob es für seine Behauptung nicht vielleicht eine Erklärung geben könnte, die ohne Verletzung der Naturgesetze (sage ich jetzt mal) auskommt. Aber "widerlegen" kann man damit nichts. << Und den Wiederabdruck in: Skeptiker 1/1987, S. 3-4. << Dieses Heft gibt es nicht, bist Du sicher? << Kopierkosten überweise ich Dir natürlich. << Unsinn. << Falls noch Unklarheiten sind, wie gesagt: Einfach hier posten, dann kann ich das als Fragesammlung morgen mitnehmen und mit Herrn Prof. Beckmann klären. << Ich bin sicher, dass Dir ausreichend Fragen einfallen, falls Du die Antworten hier kurz vorstellen möchtest, wären wir sehr verbunden.
6. Januar 2014 um 22:13
Den „Skeptiker“ gibt es bei uns leider nicht in der Uni-Bibliothek.
Hab gerade noch einmal nachgesehen: Es ist diese Ausgabe hier:
http://www.gwup.org/zeitschrift/skeptiker-archiv/435-skeptiker-1987-1
Artikel: Occams Kriterium (Occam’s Razor), S. 3.
Gern, ich werde meine Fragen sammeln und morgen hier veröffentlichen.
6. Januar 2014 um 22:27
@Tim S.:
Lieber Himmel, das war das allerste GWUP-Mitteilungsblatt überhaupt, vermutlich handelt es sich nur um kurzes Editorial.
Ich erkundige mich mal bei der Geschäftsstelle, ob das überhaupt noch vorhanden ist oder ob es andere, aktuellere Literatur dazu gibt.
http://www.gwup.org/zeitschrift/skeptiker-archiv/435-skeptiker-1987-1
6. Januar 2014 um 22:34
Ich brauche leider genau diesen Artikel von Shneour in der deutschen Übersetzung und idealerweise noch im Original im Skeptical Inquirer (1987) 10:4, S. 310-131. Ist ein bisschen nervig, aber die Dozenten sind da immer etwas strenger..
6. Januar 2014 um 22:35
@Tim S.
Das ist eine gute Frage…aber ich denke, es ist ein „Werkzeug“, daß ein „normaler“ Mensch bzgl seiner Wahrnehmung verwenden sollte.
Ein Wissenschaftler sollte natürlich für alles offen sein (wobei ich den Kalauer mit „nicht ganz dicht“ jetzt außen vor lasse ;-)).
Wie gesagt, es ist nur ein „Werkzeug“, daß auch noch aus den Anfangsjahren der Wissenschaften stammt.
Für ein (subjektives) Spukphänomen halte ich es immer noch für eine akzeptable Wahl.
6. Januar 2014 um 22:35
@Tim S.:
Verstehe, ich werds versuchen.
6. Januar 2014 um 22:43
@Tim S.:
Gut, ich bin jetzt nicht *der* Wissenschaftstheoretiker, wie Du schon mal festgestellt hast.
Ich habe gerade gesehen, dass ich im Blog OR einmal ins Feld geführt habe, als um eine leuchtende Marienstatue ging.
Vielleicht mag morgen Dr. Mahner noch was dazu sagen.
https://blog.gwup.net/2013/09/29/leuchtende-madonnen-solved/
6. Januar 2014 um 22:44
Dank Dir, Bernd!
Ralf, wird alles morgen geklärt ;-). Komme gegen Abend wieder von der Uni. Dann werd ich’s hier posten und wir wissen mehr.
6. Januar 2014 um 22:46
„Gut, ich bin jetzt nicht *der* Wissenschaftstheoretiker, wie Du schon mal festgestellt hast“.
Ach, vergessen wir doch diesen Streit einfach. Ich war wohl auch zu aggressiv damals und entschuldige mich dafür. Die GWUP scheint doch ganz in Ordnung zu sein…
6. Januar 2014 um 22:47
@Tim S.:
<< Ich war wohl auch zu aggressiv damals und entschuldige mich dafür. << Danke, ich gerne auch, aber kein Ding, war ziemlich wild damals alles ...
6. Januar 2014 um 22:51
Zitat Bernd Harder
Meiner Meinung nach, ist alles eine Frage der Verhältnismäßigkeit…für viele Dinge aus dem Esoterischen, reicht das „Rasiermesser“.
Natürlich kann man alles auf eine „sehr hohe wissenschaftliche“ Ebene heben und dann „kippen“, auch solche Argumentationen, obwohl sie nicht falsch sein müssen.
Dies soll kein Vorwurf an „Tim S.“ sein, der – soweit ich weiß – Philosophie studiert – und ein Philosoph muß ja gerade solchen Fragen nachgehen.
…und es tut den „Skeptikern“ auch mal gut, über sich und seine Ansichten zu reflektieren, denn ohne Selbstreflektion wären sie auch nur „Esoteriker“. ;-)
6. Januar 2014 um 23:44
Also, ich muß sagen, ich finde es erfrischend, Fragen zur Erkenntnisthroie zu stellen und sie sind auch wichtig (natürlich müßen sie ergebnissoffen sein)…aber meiner Meinung nach unterstellt sich alles Wissen immer dem evolutionären Potential.
Den menschlichen Geist als ein „gottgegebenes“ Werkzeug zu sehen ist falsch, denn wir müssen immer unseren evolutionären Schranken bewußt sein.
Unser Gehirn ist nicht zum „Welterkennen“ gemacht, sondern zum Überleben, natürlich ist die Frage: „Wie viel Welterkenntnis kann unser Gehirn leisten?“…
denn, um überleben zu können, ist ein gewisses Maß an „Welterkenntnis“ notwendig.
Ein „Streitthema“ ist immer wieder die Mathematik…wie viel Mathematik hat wirklich eine Bedeutung in den Naturgesetzen? – Sind die Naturgesetze wirklich rein mathematisch? Sind zb Primzahlen so fundamental, daß sie Naturgesetze bestimmen (zb Kernkraft http://www.plichta.de/ (multimedial gut gestaltet ;-))
Früher war ich dieser Meinung, aber jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher, obwohl viele mathematische Gesetze eine „unaussprechliche“ Schönheit besitzen.
7. Januar 2014 um 14:09
Bernd, lieben Dank für die Texte, die ich gerade in meinem Posteingang gefunden habe. Das hilft mir deutlich weiter für meine Bachelorarbeit. Ganz herzlichen Dank!
Lese gerade den Text von Dr. Mahner zum Rasiermesser. Kann dem soweit zustimmen. Ist ein sehr faktentreuer und detaillierter Text. Im Literaturverzeichnis findet sich sogar Beckmann als Quelle angegeben.
„Prinzip“ meint Mahner hier wohl im alltagssprachlichen Gebrauch. Das ist ok, alltagssprachlich darf man OR so nennen. Streng philosophisch käme halt nur „Maxime“, „Verfahrensregel“ usw. in Frage. Ich würde also in:
„Abschließend sei noch einmal hervorgehoben, dass das Sparsamkeitsprinzip ein methodologisches Prinzip ist, kein ontologisches […]“ – Mahner, Martin (2001): Sparsamkeitsprinzip (Ockhams Rasiermesser), S. 2.
den Ausdruck „methodologisches Prinzip“ durch „methodologische Verfahrensregel“ ersetzen.
Aber das ist nur ein ganz minimaler Schönheitsfehler.
Inzwischen konnte ich auch Professor Beckmann selbst sprechen. Bin heute sehr müde, weiß also nicht, ob ich es noch schaffe, ausführlich davon zu berichten. Werde aber Genaueres erzählen, sobald ich dazu komme.
Ralf: Sicher, Erkenntnis ist sicherlich auch evolutionär mitgeprägt. Jahrhundertelang gab es in der Philosophie auch das sog. „Außenweltproblem“ – da haben sich dann Philosophen gefragt, ob es eine von uns unabhängige Außenwelt wirklich gibt.
Soweit ich informiert bin, zweifelt daran wohl niemand mehr, wäre ja auch lebensfremd ;-) – streng formal beweisen lässt sich das aber leider nicht.
7. Januar 2014 um 14:19
Zitat:“Ihr geschilderter Fall erinnert möglicherweise auch an eine klassische Schlaflähmung:“
Hm, aber warum konnte ich alles gestochen scharf erkennen, wie z.B. der Blick auf die Uhr, dann erst sah ich ja etwas rechts am Bett stehen. Aber ich finde es interessant, was man alles so im Netz darüber findet.
14. März 2015 um 19:25
Rosenheim?
Siegfried (vom weltberühmten Illusionisten-Duo Siegfried & Roy) stammt aus Rosenheim. Wenn der damals mal nicht seine Finger mit drin hatte;-)
20. November 2018 um 08:05
Wenn jemand ernstlich glaubt, dass die gründlich untersuchten Spukphänomene nur durch Täuschung entstanden sind, muss ich leider sagen, die Skeptiker täuschen sich genau so gerne wie die, denen sie skeptisch gegenüber stehen. Ein einziges erwiesene Spukphänomen genügt, um zu beweisen, dass es so etwas gibt.
20. November 2018 um 08:35
@Bernat Bogner:
„Ein einziges erwiesene Spukphänomen genügt, um zu beweisen, dass es so etwas gibt.“
Dann mal her damit.
20. November 2018 um 09:09
Glaubst du im Ernst, da eine einziger Person über Wochen ein Heer von Untersuchern täuschen kann, wie hier in München
20. November 2018 um 09:15
Hier geht es um München, nicht um Rasierklingen. Wie könnte eine Person über Wochen alle andern täuschen. Selbst wenn sie, wie Bender meint, dann Erfolgsdruck hatte, ist es für mich nicht nachvollziehbar, dass alles eine Täuschung sein kann.
20. November 2018 um 09:20
Es ist vor Ihren Augen, Herr Harder. Solche Ereignisse könnte niemand nachstellen.
20. November 2018 um 10:21
Oh ja, bitte! Da bin ich doch mal sehr gespannt.
21. November 2018 um 06:31
@Bernat Bogner:
„Wenn jemand ernstlich glaubt, dass die gründlich untersuchten Spukphänomene nur durch Täuschung entstanden sind…!“
Ja, ich „glaube“ das ernsthaft!
Können Sie mir das Gegenteil beweisen?
21. November 2018 um 12:01
Ich frage mich immer,ob diese Poltergeister beim poltern ein System haben oder nur so aus Langeweile poltern.Vielleicht gibt es sogar Streit zwischen diesen Geistern,weil der eine besser poltert ,also mehr Geist hat, als der andere ? Möglich dass der eine ein Staatlich geprüfter PolterGeist ist,während der andere erst nach dem zehnten Bier so richtig poltern kann….Ach, ist das alles geist-los !
21. November 2018 um 18:14
@Bernat Bogner:
Jetzt ist aber mal gut, Herr Bogner.
Sie haben jetzt vier weitgehend inhaltslose „Kommentare“ geschrieben, ohne ein einziges Argument.
Nur weil das für Sie „nicht nachvollziehbar“ ist, heißt das noch lange nicht, dass es keine – auch wochenlange – Täuschung gewesen sein kann.
Vergleichen Sie doch einfach mal ähnliche Fälle: Wie lange hat es zum Beispiel bei „Chopper“ gedauert, bis das Ganze aufgeflogen ist?
https://blog.gwup.net/2012/03/04/vor-30-jahren-spuk-aus-dem-spucknapf/