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Studie zu Falscherinnerungen: Suggestive Praktiken sind ein Problem in der Psychotherapie

| 6 Kommentare

Das ist richtig:

Die aktuelle „Satanic Panic“-Debatte wirft

… ein verstörendes Licht auf die Möglichkeiten der Einflussnahme von PsychotherapeutInnen und damit auf die Gefahren und Nebenwirkungen von Psychotherapie insgesamt,

schreibt die Psychiatrie-Zeitung Eppendorfer (die nichts mit dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf zu tun hat) in ihrer neuen Ausgabe.

Solche Selbstkritik ist der „Satanic Panic“-Szene nach wie vor völlig fremd.

Neuerdings wird auf ein „Positionspapier – zur Debatte über False Memories“ verwiesen, das von 14 Fachgesellschaften unterschrieben wurde, darunter die Huber-nahe „Deutsche Gesellschaft für Trauma und Dissoziation (DGTD)“ und die „Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie“ (DGVT), die erst kürzlich eine Tagung mit dem Titel „Rituelle sexuelle Gewalt, auch mit satanischem Hintergrund“ abhielt.

Was es mit diesem Schrieb auf sich hat, erklärt ausführlich das Infoportal Satanic Panic.

Bezeichnend ist Punkt 5 des Positionspapiers:

Die Behauptung, Therapeut:innen redeten ihren Patient:innen in großer Zahl traumatische
Erfahrungen ein, die sie nie gemacht haben, ist wissenschaftlich nicht belegt.

Das hat bislang niemand behauptet – dieses kritikimmunisierende Konstrukt vom „Generalverdacht“ gegen die Psychotraumatologie entsprang keiner Faktenwahrnehmung, sondern den Eigeninterpretationen der Satanic-Panic-Szene, wie wir hier dargelegt haben.

Auch die verzweifelte Wunschvorstellung der Satanic-Panic-Youtuber, das Phänomen der Falscherinnerungen möge sich doch endlich als „Pseudowissenschaft“ herausstellen, ist wenig mehr als permanente Selbstsuggestion und Realitätsflucht – gerade erst hat eine Meta-Analyse einmal mehr das Zustandekommen falscher Erinnerungen belegt.

Nicht nur, dass es jetzt eine weitere Studie dazu gibt:

In dieser Arbeit der Psychologen Jonas Schemmel, Lisa Datschewski-Verch und Renate Volbert wird sogar der besagte fünfte Punkt des ominösen „Positionspapiers“ relativiert.

  • 78 Prozent der befragten Therapeuten gaben an, das Phänomen angeblich verschütteter Erinnerungen sei ihnen in der Praxis bereits begegnet: Patienten erinnerten sich also an Dinge aus der Kindheit, die zuvor vermeintlich im Verborgenen geschlummert hatten – und zwar negative wie positive Ereignisse, wobei schlimme Erfahrungen deutlich häufiger genannt wurden.
  • 83 Prozent der befragten Therapeuten gaben an, dass sie Kontakt zu Patienten hatten, die grundsätzlich an die Existenz verschütteter Erinnerungen glaubten.
  • 82 Prozent der befragten Therapeuten bejahten die Frage, ob sie jemals angenommen hätten, dass den Symptomen eines Patienten ein traumatisches Ereignis zugrunde liegt, an das man sich nicht mehr erinnert.

An der Befragung nahmen 258 Psychotherapeuten in Deutschland teil.

Fast die Hälfte (49 Prozent) versuchte, das Ereignis aufzudecken, von dem sie annahmen, dass der Patient sich nicht erinnern konnte – teilweise mit umstrittenen Verfahren wie Hypnose, Traumdeutung und „wiederholten Fragen“.

Und das, obwohl „verdrängte Erinnerungen“ ein „Klischee“ sind, „für dessen Wahrheitsgehalt Belege fehlen“.

Und 20 Prozent betrachten es explizit als Aufgabe der Psychotherapie, Erinnerungen an traumatische Ereignisse „freizulegen“.

Es handelt sich also mitnichten um „Einzelfälle unprofessionellen und falschen Verhaltens von
Psychotherapeut:innen“, wie das besagte „Positionspapier“ suggerieren will.

Trotz der Einschränkungen dieser Studie, welche die Autoren selbst benennen, liegen damit erstmals Zahlen zu bislang offenen Forschungsfragen vor, wie etwa zur Häufigkeit, mit der Therapeuten in ihrer täglichen Praxis von versteckten traumatischen Symptomen ausgehen.

Die Autoren schlussfolgern, dass

… suggestive Praktiken in der (deutschen) Psychotherapie weiterhin ein Problem darstellen. Diese Erkenntnisse sollten als Motivation für verstärkte Bemühungen zur effektiven Vermittlung der Gedächtniswissenschaft an (zukünftige) Psychotherapeuten dienen.

Zum Weiterlesen:

  • Positionspapier zur psychotherapeutischen Behandlung der Folgen sexuellen Missbrauchs, Infoportal-sp.de am 16. März 2024
  • Rituelle Gewalt-Mind Control: Protagonisten fabulieren einen „Generalverdacht“ herbei – wir fordern einen neuen Ansatz, GWUP-Blog am 17. Februar 2024
  • Wenn es das Kindheitstrauma gar nicht gegeben hat, Süddeutsche am 19. März 2024
  • Satanic Panic: Wie Familien an Falscherinnerungen zerbrechen, GWUP-Blog am 21. Oktober 2022
  • Satan Wants You: Eine Doku über „Michelle Remembers“ und den Beginn der Satanic Panic, GWUP-Blog am 23. Februar 2024
  • Positionspapier – Teil 1, dissoziationen am 25. März 2024

6 Kommentare

  1. nachdem lunis aka disobey aka (neuerdings) Nirik vor ca. einem halben Jahr plötzlich falsche Erinnerungen als Tatsache anerkannte, aber nur im Sinne von „Täter haben mir falsche, schöne Erinnerungen einprogrammiert“, folgen ihr nun weitere Personen, die falsche Erinnerungen in ihre Opfergeschichten integrieren.

    Dabei negieren sie dennoch die Existenz falscher Erinnerungen im Kontext von eingeredetem rituellen Missbrauch.

  2. @Dagny:

    Wunderschöne Selbstimmunisierung.

  3. Ich entschuldige mich vorab für die naive Frage:

    Worin bestehen wohl die Ursachen, wenn Patienten in ihrer Psychotherapie suggestiv beeinflusst werden?

  4. @Christine:

    Ich denke, in den Vorannahmen der Therapeuten.

  5. Was für mich noch einen drauf setzt ist:

    JEDER! kann ohne Ausbildung des Heil-Schwurbler für Psycho-Gewalt, äh den Heilprakter für Psychotherapie machen.
    Da gibt es keine Kontrolle, ob die Prüfling nicht eher selbst ne Therapei benötigt.

    Ich bekomme gerade aus dem Arbeitsumfeld mit, dass eine Person, die nach Auffassung der meisten Kollegen/innen selber genügend Problem hat, demnächst die Zulassung zum Heilpraktiker Psychotherapie erlangen will.

    Wieder ein Schwurbler, der in der 5. Vorfahrengeneration des Partners seines Therapie-Opfers jemanden identifiziert, der weis was für ein Verbrechen begannen hat und darum die gemeinsamen Kinder nicht nach Handbuch funktionieren.

    Argh!

  6. Pingback: Positionspapier - Teil 1 - Debunking SRA

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