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Verschwörungstheorien: „Immer mehr Menschen“ glauben daran – ist das wirklich so?

| 8 Kommentare

Immer mehr Menschen glauben an Verschwörungstheorien

titeln heute Medien wie noz.de oder ga-online oder oz-online.

Nein, tun sie nicht – allenfalls auf Biegen und Brechen.

Diese Schlagzeile geht zurück auf die neue Studie „Das ist alles bewiesen“ der Konrad-Adenauer-Stiftung.

Der Glaube an Verschwörungstheorien wurde mit der Standardfrage

Es gibt ja einige Behauptungen, bei denen man manchmal nicht so sicher ist, ob sie stimmen. Wie sehen Sie das bei den folgenden Behauptungen? Es gibt geheime Mächte, die die Welt steuern.

erhoben.

Bei 1524 Befragten ergab sich dabei folgendes Bild:

Also eine aktuelle Zustimmung von 31 Prozent („sicher richtig“ und „wahrscheinlich richtig“).

Davor waren es 27 Prozent (2022/12), 24 Prozent (2022), 24 Prozent (2020) und 30 Prozent (2019/2020).

Vor drei Jahren war der Verschwörungsglaube also praktisch genauso hoch wie heute:

Worauf diese Schwankungen beruhen, muss offenbleiben,

schreibt die KAS selbst in ihrer neuen Erhebung.

Die Daten der Leipziger Autoritarismus-Studie von 2022 zeigen ein ähnlich schwankungsreiches Bild:

Nach wie vor spricht eigentlich nichts gegen die Faustregel, dass in Deutschland rund ein Drittel der Bevölkerung eine „manifeste Verschwörungsmentalität“ zeigt.

Interessant sind indes einige Einzelergebnisse der KAS-Studie, etwa

Das scheint den schon älteren Befund zu bestätigen, dass Bildung tendenziell vor Verschwörungsglauben schützt. Allerdings ist gerade eine neue Studie erschienen, der zufolge nicht Bildung an sich, sondern eine höhere kognitive Reflexionsfähigkeit (oder allgemeiner „critical thinking skills“ vs. „intuitive thinking“) als Schutzfaktor gegen Verschwörungstheorien wirkt.

Darauf hatten wir bereits hier hingewiesen.

Den Hauptteil der KAS-Studie nimmt allerdings die „Corona-Verschwörung“ ein:

Die große geschlossene Corona-Verschwörungserzählung findet sich bei keinem Befragten. Jeder Befragte erzählt von sehr eigenen Einsichten.

Zum Beispiel:

  • „Die Neigung zu Verschwörungstheorien taucht häufig auf, wenn die Befragten komplexe Geschehnisse mit einfachen Formeln erklären. So wird immer wieder sinngemäß auf die Formel „Geld regiert die Welt“ zurückgegriffen. Dies entspricht weitgehend dem, was in der Literatur zu Verschwörungstheorien geläufig ist.“
  • „Da die Impfung nicht vollständig vor einer Erkrankung schützt, dies aber bei den Befragten erwartet wurde, wird die Impfung entweder kritisch gesehen oder abgelehnt. Die Argumentation, dass es zumindest zu milderen Verläufen kommt, ist zudem für Laien schwer begreiflich, da schon vergleichsweise harmlose Symptome (aus medizinischer Sicht) aus Sicht der Befragten als schwerer Verlauf gewertet werden.“
  • „Auch die Änderungen in den Maßnahmen und Empfehlungen, die Geltungsdauer und die Unterschiede zwischen den Bundesländern werden in den Gesprächen häufig erwähnt. Meistens zeigen sich die Befragten überfordert, hilflos und sind ratlos, obwohl sie bereit sind, den Maßnahmen zu folgen.“

Zum Weiterlesen:

  • Narcissistic susceptibility to conspiracy beliefs exaggerated by education, reduced by cognitive reflection, Front. Psychol. am 6. Juli 2023
  • Verschwörungsgläubigkeit und ihre Zusammenhänge mit Bildung und kritischem Denken: Neue Erkenntnisse aus aktuellen Studien, dmz am 28. Juli 2023
  • Verschwörungstheorien und paranoider Wahn, GWUP-Blog am 5. August 2023
  • Verschwörungsglaube und sozioökonomische Faktoren, GWUP-Blog am 27. Juli 2022
  • Verschwörungsmentalität und politische Orientierung, GWUP-Blog am 27. Juli 2022
  • Ist Religion ein Treiber für Verschwörungsaffinität? GWUP-Blog am 2. Juli 2023
  • „Epistemische Laster“ machen anfällig für den Glauben an Verschwörungstheorien, GWUP-Blog am 18. Juli 2021
  • Faktoren des Glaubens an Verschwörungstheorien, GWUP-Blog am 28. Juni 2023
  • Neue Zahlen zum Glauben an Verschwörungstheorien, GWUP-Blog am 27. April 2023
  • Studie: Der Glaube an Verschwörungstheorien hat nicht zugenommen, GWUP-Blog am 22. Juli 2022
  • Neue Umfragen: Ist der Verschwörungsglaube rückläufig? GWUP-Blog am 29. Dezember 2020
  • Neue Studie: Kritisches Denken gegen Verschwörungsglauben, GWUP-Blog am 17. April 2023

8 Kommentare

  1. Pingback: De net na het weekendbijlage (31-2023) - Kloptdatwel?

  2. Mein Eindruck ist auch nicht, dass Verschwörungstheorien zugenommen hätten. Das Geschwurbel kam immer wieder von den gleichen Personen. Und überwiegend im Zusammenhang mit Corona.

    Als mir letztes Mal jemand sagte, die „Gefahrenberichte“ hätten sich doch alle bewahrheitet, entgegnete ich ihm, dass er mir das nicht sagen müsse.

    Ich wäre seit zwei Jahren (September) tot…

  3. Die nächste Studie, die belegen will, dass der Glaube an Verschwörungstheorien gestiegen ist:

    https://www.spiegel.de/politik/deutschland/rechtspopulismus-jeder-vierte-deutsche-glaubt-laut-studie-an-geheime-maechte-in-der-politik-a-c5183976-815c-44dd-93bf-05497ebff8b3

    https://www.uni-hohenheim.de/pressemitteilung?tx_ttnews%5Btt_news%5D=59968&cHash=ed53cfefe175adba6bf807eb2bf4ffc9

    Tatsächlich ist bei dieser Umfrage die Zustimmung zu den zwei Standardfragen

    Es gibt geheime Organisationen, die großen Einfluss auf politische Entscheidungen haben. Politiker und andere Führungspersönlichkeiten sind nur Marionetten dahinterstehender Mächte.

    mit 25 und 26 Prozent geringer als bei vergleichbaren Erhebungen.

  4. @ Bernd Harder

    Hmm, also in den beiden verlinkten Quellen kann ich an keiner Stelle finden, dass die Studie behaupten würde, dass der Glaube an Verschwörungstheorien gestiegen sei.

    Das einzige, wo in der Studie eine Bezugnahme zum Vorjahr stattfindet, ist dies:

    „Zwischen 2022 und 2023 ist die Zufriedenheit mit dem Funktionieren der Demokratie um zehn Prozentpunkte gesunken“, hält Prof. Dr. Frank Brettschneider fest.“
    Dies offenbar als Zusammenfassung auf die Frage: „Wie zufrieden oder unzufrieden sind Sie mit dem Funktionieren der Demokratie in Deutschland?“

    Wenn man sich die Studie genauer anschaut, sieht man, dass größtenteils einfach nur der Glauben an verschiedene VT-Narrative abgefragt wird und dann diesbezüglich Vergleiche zwischen unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen gezogen werden.

  5. @Chusa More:

    Also in den beiden verlinkten Quellen kann ich an keiner Stelle finden, dass die Studie behaupten würde, dass der Glaube an Verschwörungstheorien gestiegen sei.

    Das ist richtig, das geht aus der Studie gerade nicht hervor – habe ich ja auch geschrieben.

    Allerdings ist diese Untersuchung vermutlich nicht deshalb gemacht worden, um dasselbe herauszufinden, was schon in x-anderen Studien genauso steht, sondern um einen „Aufreger“ zu produzieren (das ist allerdings nur meine freie Interpretation, die Formulierung Die nächste Studie, die belegen will … ist deshalb sicher zu gewagt, da haben Sie Recht).

    Deshalb beginnt zumindest die PM der Uni Hohenheim mit dem Satz:

    Ein Viertel der Deutschen glaubt, dass Politik in Deutschland von „geheimen Mächten“ gesteuert werde.

    Als wenn das jetzt eine große Überraschung, eine neue Erkenntnis oder unglaublich viel wäre.

    Und die Medien transportieren das auch genau so weiter, z.B.:

    Jeder vierte Deutsche glaubt an »geheime Mächte« in der Politik (Spiegel)

    „Geheime Mächte“ steuern Politik: Jeder Vierte glaubt laut Studie an Verschwörungstheorien (echo24)

    Das ist aber genau die Erkenntnis in dieser Studie, die am wenigsten neu, überraschend oder spektakulär ist.

  6. „Laut einer Studie der Stuttgarter Universität Hohenheim ist in Deutschland jeder Vierte davon überzeugt, dass die Politik von „geheimen Mächten“ gesteuert werde. Betrachtet man den Zustand der uns gegenwärtig regierenden Koalition, würde sich der eine oder andere fast wünschen, dass dem so wäre.“

    https://www.lvz.de/kultur/regieren-uns-geheime-maechte-oder-ist-der-irrsinn-transparent-5EEW5A6XFJHUDLPEKP2K6L5OAQ.html

  7. @ Bernd Harder

    Ich kann gut verstehen, dass man, wenn man sich schon so lange und so gründlich mit Verschwörungstheorien beschäftigt wie Sie und nun wieder eine neue Studie zum Thema erscheint, zu der Annahme kommen kann, dass damit nur „ein Aufreger produziert“ werden soll.
    Ich glaube aber, dass man sowohl die Uni Hohenheim als auch den Studienverantwortlichen, Prof. Brettschneider, von dieser Annahme „befreien“ muss.

    Brettschneider ist Kommunikationswissenschaftler (https://komm.uni-hohenheim.de/brettschneider), der m.E. ebenso wie die Uni Hohenheim grundsolide arbeitet und diese Studie, die jährlich ihre Ergebnisse präsentiert und erstmalig 2021 erschienen ist, wohl in einem seiner Forschungsgebiete, der Forschung zu politischer Kommunikation, verortet hat.

    Aus dem Studiendesign ist m.E. ersichtlich, dass damit auf längere Sicht hin untersucht werden soll, in welchen Bevölkerungsgruppen (jeweils nach unterschiedlichen Kriterien zugeordnet) wie stark Verschwörungsglaube, populistisches Denken und „Demokratieaffinität“ vorhanden sind. Der eigentliche Titel der Studie lautet ja „Demokratie-Monitoring“.

    Ich denke, dass damit eine Studie geschaffen wurde in Ergänzung zu bereits bestehenden unter neuen bzw. erweiterten Aspekten.

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